SPACE 2021

Text
Aus der Reihe: SPACE Raumfahrtjahrbücher #18
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Die Flotte des Marshall Space Flight Center

So ergab es sich, dass Mitte der 60er Jahre das Marshall Space Flight Center eine ganze Flotte von Transportschiffen betrieb. Das erste war die Palaemon, eine 79 Meter lange Barke, die aus dem Bestand der Navy kam. Bei einem Trip von Huntsville zum Kennedy Space Center legte so eine Barke dabei 3.500 Kilometer zurück und brauchte dafür mehrere Wochen. Von den Docks am Tennessee ging es erst hinüber zum Mississippi, dann bog man südlich von Baton Rouge in den Gulf Intracoastal Waterway zum St. Georg Sound, über den Golf von Mexiko zur San Carlos Bay, danach durch den Okeechobee Waterway quer durch Florida nach Stuart bis zur Atlantikküste, und dann den Florida Intracoastal Waterway hinauf zum Cape Canaveral Barge Canal. Durch die Nutzung der Intracoastal Waterways vermied man weitgehend die offene See. Trotzdem musste man immer noch 450 Kilometer übers Meer fahren. Die Route war aber vorsichtshalber so gelegt, dass die Barken immer höchstens 80 Kilometer zum nächsten Schutzhafen hatten. Sie waren in der Regel mit zwölf Mann Besatzung unterwegs. Fünf Mann für die Schiffsführung, sechs Begleittechniker und eine Person als „Missionschef“ mit der Gesamtverantwortung für den Transport. Die Reisen dieser Schiffe waren legendär. Die Palaemon blieb nicht lange alleine. Mit steigendem Transportbedarf wurde ihr bald die Barken Promise, die Poseidon, die Compromise und die Orion zur Seite gestellt. Was die Transporte der dritten Stufen betraf, schickte man sie zunächst mit Ozeanfrachtern auf ihre weite Reise. Mit der S-II Stufe ging das aber nicht, denn die war zum einen zu groß, um einfach verladen werden zu können und überdies mussten sie besonders vorsichtig behandelt werden. Ende 1963 beschaffte sich daher die NASA zunächst das Docklandungsschiff Point Barrow von der Navy, das zuvor in der Arktis Dienst gemacht hatte. Damit wurden ab 1964 S-IVB und S-II Stufen transportiert. Später kaufte die NASA noch die Taurus, einen weiteren hochseetüchtigen ehemaligen Militärfrachter. Nach ihrer Ankunft in New Orleans kamen weitere 14 Tage auf der Flussbarke dazu. Erst den Mississippi und den Ohio hinauf, und dann in den Tennessee-River bis nach Huntsville. Die erste Strecke ging über 1.396 Kilometer bis Cairo in Illinois und dauerte zehn Tage, wo die Schlepper gewechselt wurden. Dann ging es 76 Kilometer den Ohio hinauf bis Paducah in Kentucky, wo dann auf dem Tennessee-River die verbleibenden 521 Kilometer bis Huntsville absolviert wurden. Für die Kurzstreckentransporte zwischen der Produktionsstätte in Michoud und den Testständen am MTF gab es zwei offene Barken, die Little Lake und die Pearl River. Sie bildeten einen Tür-zu-Tür Transportservice und konnten direkt an die Teststände heranfahren. Dann gab es insgesamt sieben Tankschiffe. Jedes hatte einen Thermoscontainer für 875 Kubikmeter flüssigen Wasserstoff an Bord. Sie waren am MTF stationiert, holten ihre kalte Fracht in New Orleans ab und unterstützten so die Brennläufe der S-II und der S-IV auf den Testständen in Mississippi.

Keine Schiffe – Massiver Nachteil für das Sowjetische Mondprogramm


Ein massiver Nachteil für das sowjetische Mondprogramm war das Fehlen solcher Wasserwege. Besonderes Kopfzerbrechen bereitete die Frage des Transportes der N1-Mondrakete. Der Träger war für die Beförderung als komplette Einheit viel zu groß. Das OKB-1 schlug daher vor, die Komponenten in Samara zu produzieren, die N1 dort zusammenzubauen und zu testen um sie danach wieder komplett auseinanderzunehmen und in Einzelteilen nach Baikonur zu transportieren. Dort sollte sie in einem gewaltigen neuen Montagegebäude, ganz in der Nähe der Startanlage, wieder zusammengebaut werden.

Der Plan fand bei den Entscheidungsträgern in der Regierung zunächst wenig Anklang. Sie scheuten die Kosten für ein massives neues Gebäude in Baikonur, das ausschließlich für die N1 vorgesehen war. In den Jahren 1962 und 1963 liefen deshalb eine Reihe von Studien, wie man die Rakete als Ganzes von Samara aus dorthin transportieren konnte. Darunter waren so exotische Vorschläge wie der Bau eines gewaltigen Luftschiffes, das in der Lage war, 250 Tonnen (das Gewicht der leeren Rakete) zu transportieren. Man dachte auch über eine Art riesigen Aero-Katamaran nach, der aus zwei über einen Steg miteinander verbundenen Luftschiffen bestand, welche die Rakete in die Mitte nahmen und dann damit zum Startort flogen. Weniger exotisch, aber nicht weniger teuer, war die Idee des Baus einer 1.300 Kilometer langen Spezialautobahn von der Wolga bis zum Startplatz.

All diese Pläne wurden schließlich wieder aufgegeben, und man kam schweren Herzens wieder auf den ursprünglichen Ansatz des OKB-1 zurück: den Bau einer riesigen Fertigungshalle am Startplatz. Die dort angelieferten Einzelteile durften dabei lediglich so groß sein, dass man sie auf dem Schienenweg dorthin transportieren konnte. Das stellte sich vor allem bei den Tanks als problematisch heraus. Diese Komponenten wurden (und werden) traditionell schon aus Dichtigkeitsgründen stets als monolithische Strukturen gefertigt. Doch hier ging das nicht. So blieb nichts anderes übrig, als in Samara lediglich die blütenblattfömigen Einzelsegmente zu fertigen, die erst in der Endmontagehalle in Baikonur zusammengeschweißt werden konnten. Dieser komplexe Vorgang des Bauens, des Demontierens, des Transportes in hunderten von Waggons, das Rütteln und Schütteln während der eineinhalbtausend Kilometer langen Fahrt und dem erneuten Zusammenbau barg alleine schon eine Unzahl möglicher Fehlerquellen in sich. So hat sich die Sache mit den Schiffen – von Ausnahmen abgesehen – durchgesetzt. Fast alle Raumfahrtnationen, die große oder sehr große Raketen bauen, nutzen sie. Und nicht länger nur als reines Transportmittel, sondern zunehmend auch als Start- und Landeplattformen. Sehen wir uns die Schiffsflotten der großen Raumfahrtinstitutionen und -unternehmen jetzt einmal an. Die nachfolgende Schilderung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn neben den genannten Schiffen werden gerade bei Barken oder den SpaceX-Droneships auch immer wieder kurzzeitig gemietete Schlepper mit eingesetzt.



Die aktuelle NASA-Flotte: Nur noch ein Schiff

Die Zeiten, an denen die NASA selbst eine große Flotte an Schiffen betrieb, sind vorbei, seit die US-Raumfahrtbehörde die gesamten Startaktivitäten der Privatindustrie übergeben hat. Allerdings nur „fast“ die gesamten Startaktivitäten, denn eine Großrakete ist der NASA noch geblieben, und das ist auch gleich die größte Rakete der Welt: Das Space Launch System des ARTEMIS-Programms. Davor betrieb die NASA aber mehr als 30 Jahre lang zwei Schiffe, die dafür eingesetzt wurden, die Booster der Space Shuttles nach dem Start zu bergen. Das waren die MV Liberty Star und die TV Freedom Star. Während der manchmal mehrjährigen Pausen im Shuttle-Programm wurden die beiden Schiffe auch als Schlepper und als Forschungsschiffe eingesetzt. Die beiden Fahrzeuge waren Spezialschiffe mit einer Bruttoraumzahl von 750. Sie waren 54 Meter lang, elf Meter breit und hatten einen Tiefgang von 3,7 Metern. Die beiden Schiffe waren fast 30 Kilometer pro Stunde schnell und verfügten über eine Reichweite von 11.000 Kilometern. An Bord waren 20 Besatzungsmitglieder. Zehn Personen für die Bedienung des Schiffs, zehn weitere für die Bergung der Booster. Nach der Einstellung des Shuttle-Programms wurden die beiden Einheiten als Ausbildungsschiffe an die US Handelsmarine-Akademie übergeben. Aktiv im Dienst ist dagegen die Barke Pegasus. Sie wird gebraucht, um die massiven Elemente des Space Launch Systems von Louisiana zu den Testzentren und ans Cape zu bringen. Die Pegasus war 1999 für das Shuttle-Programm gebaut worden, und transportierte zunächst bis 2011 die Shuttle-Außentanks von Michoud ans Cape bevor sie dann für das SLS-Programm modifiziert wurde. Die Pegasus ist 94 Meter lang und 15 Meter breit. Sie hat zwar drei Dieselgeneratoren an Bord, verfügt aber über keinen eigenen Antrieb. Bei ihren Fahrten wird sie von Schleppern gezogen.


Arianespace – Toucan und Colibri fahren für Europa

Um große Raketenkomponenten von Europa nach Französisch Guyana zu bringen, wo sich das Satellitenstartgelände der Europäischen Raumfahrt befindet, setzt die ESA zwei sogenannte „Ro-Ro-Schiffe“ ein: Die MN Colibri und die MN Toucan. Das MN steht dabei für die Betreibergesellschaft, die „Morbihannaise et Nantaise de Navigaton“. Beide Schiffe sind nach Vögeln benannt, die im Dschungel Französisch-Guyanas leben. Ro-Ro, das steht übrigens für Roll on – Roll off. Ein Schiffstyp, der den Fähren ähnelt, die von und zu den Britischen Inseln oder nach Skandinavien eingesetzt werden. Die MN Colibri und die MN Toucan werden aber nicht nur dafür verwendet, im Pendelverkehr zwischen Bordeaux und Cayenne Teile wie die erste und zweite Stufe der Ariane 5, Ariane 6 und Vega-Raketen zu transportieren, oder die Vehicle Equipment Bay, die Nutzlastverkleidungen und die SYLDA-Satellitendispenser. Sie werden auch für Transporte von und zu den europäischen Raumfahrtstandorten eingesetzt, sofern diese am Meer liegen. Die MN Colibri wurde im Jahre 2000 gebaut. Sie ist 116 Meter lang und 20 Meter breit, bei einem Tiefgang von 4,1 Metern und einer Bruttoraumzahl (BRZ oder Gross Tonnage) von 9.141. Die Bruttoraumzahl ist ein Volumenmaß. Die Nachfolgeeinheit der immer noch bekannteren Bruttoregistertonne. Die MN Toucan ist fünf Jahre älter als die MN Colibri aber fast genauso groß und mit einer BRZ von 9.125 auch praktisch genauso voluminös. Der Heimathafen dieser beiden Schiffe ist Marseille. Ihre Höchstgeschwindigkeit liegt bei 16 Knoten.

 

United Launch Alliance

Auch die United Launch Alliance, Herstellerin der Atlas- und Delta-Raketen und zukünftiger Produzent der Vulcan, besitzt ein Transportschiff. Es heißt „RS Rocket Ship“ und ist die frühere „Delta Mariner“, die schon Boeing für denselben Zweck verwendet hatte. Die „RS Rocket Ship“ ist in Art und Größe in etwa mit den beiden Transportschiffen der Arianespace vergleichbar. Auch sie ist ein Ro-Ro-Schiff, 95 Meter lang, 28 Meter breit, 15 Meter hoch mit einem Tiefgang von 4,6 Metern und einer Bruttoraumzahl von 8.700. Ihre beiden Maschinenanlagen sind jeweils für den Hochsee- und den Flussschifffahrtsbetrieb optimiert. Auf dem offenen Meer erreicht sie bis zu 15 Knoten, beim Flussbetrieb bis zu fünf Knoten. Ihre Besatzungsstärke liegt zwischen 16 und 20 Personen. Das Schiff hat schon eine recht bewegte Geschichte hinter sich. Es lief schon einmal auf eine Sandbank auf und rammte einmal eine Brücke. Das Schiff trug dabei kaum Schaden davon, aber von der Brücke mussten 100 Meter erneuert werden, was einen Multimillionenbetrag kostete.


Sea Launch

Sea Launch verfügt über zwei Schiffe und eine sehr bewegte Geschichte. Zum einen die Sea Launch Commander, das Kommandoschiff. Ein großes Schiff mit einer Länge von 203 Metern, einer Breite von 32 Metern und einem Tiefgang von acht Metern und einer Bruttoraumzahl von 50.023. Sie nimmt neben der Schiffsbesatzung, dem technischen Personal der Zenit-Raketen und der Startkontrollcrew auch noch zwei Zenit-Raketen auf, die erst im Startgebiet auf die Odyssey-Startplattform transferiert werden. Das Schiff verfügt über eine Höchstgeschwindigkeit von etwas über 19 Knoten (36 Kilometer pro Stunde). Das andere „Schiff“, die Odyssey, war ursprünglich eine Erdölplattform bevor es zur mobilen Startplattform für die Zenit 3SL Raketen umgebaut wurde. Sie verfügt über einen eigenen Antrieb, ist 137 Meter hoch und 67 Meter breit. Sie kann um 35 Meter in das Wasser abgesenkt werden, und bildet dann eine sehr stabile Plattform für die Durchführung der Starts. Im Normalbetrieb sind 68 Besatzungsmitglieder an Bord, die für einen Start allesamt auf die Sea Launch Commander evakuiert werden. Das Schicksal von Sea Launch ist ungewiss. Der letzte Start von dort erfolgte im Jahr 2007. Nach mehreren Besitzerwechseln liegen derzeit beide Schiffe in einem Hafen bei Wladiwostok und harren einer ungewissen Zukunft.


Die SpaceX-Flotte



Die zahlenmäßig bei weitem größte Seeflotte setzt derzeit SpaceX ein. Nicht weniger als 10 Schiffe fahren unter der Flagge dieser Firma. Was darauf beruht, dass das Unternehmen als derzeit einziges weltweit nicht nur die ersten Stufen ihrer Trägerraketen, sondern die Nutzlastverkleidungen birgt, um sie wiederzuverwenden und obendrein noch eine enorme Startfrequenz hat. Nur beim Start sehr leichter Nutzlasten ist es der Erststufe möglich, wieder zum Startort zurückzufliegen. Bei allen anderen muss zwangsläufig eine parabelförmige Bahn in Flugrichtung abgeflogen werden. Die Landung erfolgt dann auf einem Schiff, denn alle Starts, sei es von Cape Canaveral aus oder von der Luftwaffenbasis Vandenberg, führen über Wasser. Bei den Nutzlastverkleidungen ist es sogar niemals möglich, sie wieder zum Festland zurück zu bringen. Sie müssen immer auf der offenen See geborgen werden. Heimathafen all dieser Schiffe ist Port Canaveral in Florida. Die „werkseigene“ Flotte von SpaceX umfasst zwei sogenannte „Droneships“, die „Of course I still love you“(häufig als OCISLY abgekürzt) und die „Just read the instructions“ (JRTI). Beide Namen sind der Science-Fiction-Story „Das Spiel Azad“ des schottischen Autors Iain Banks entnommen. Droneships werden sie deswegen genannt, weil sie zur Zeit ihres Einsatzes, also wenn sie eine Raketenstufe erwarten, autonom und ohne Besatzung arbeiten. Sie halten in dieser Phase ihre Position dann automatisch auf den Zentimeter genau. Die Droneships können nur kurze Distanzen selbst fahren. Ihre vier 300 PS-Motoren sind hauptsächlich zum Halten einer Position vorgesehen. Um in das Zielgebiet zu kommen benötigen sie Schlepper. In der Regel verlassen sie Port Canaveral fünf bis sieben Tage vor einem Start und begeben sich in das zwischen 600 und 1.250 Kilometer entfernte Zielgebiet. Nach der Bergung einer Stufe brauchen sie ähnlich lange wieder zurück. Bedenkt man, dass die genauen Starttermine aus den unterschiedlichsten Gründen häufig nicht eingehalten werden können, kommen leicht Aufenthaltsdauern auf See von drei Wochen oder mehr zusammen. Auf den Droneships gibt es Vorrichtungen, welche die gelandete Stufe auf Deck fixieren. Sie wurde konstruiert nachdem es einen Fall gab, bei der eine zuvor sicher gelandete Stufe einige Tage später beim Rücktransport nach Port Canaveral auf hoher See bei schwerem Seegang über Bord ging. Diese Vorrichtung wird „Octograbber“ genannt. Die beiden Droneships sind Umbauten der Marmac 303 (JRTI) und 304 (OCISLY) die 2013 von der Signal International Werft hergestellt worden sind. Sie sind jeweils 91 Meter lang und 52 Meter breit. Die Spannweite der Landebeine einer Falcon 9 beträgt 18 Meter. Für die Bergung der Nutzlastverkleidungen gibt es die GO Ms. Tree und die GO Ms. Chief. Gut erkennbar sind sie an den riesigen Netzen mit denen sie im günstigsten Fall die an einem Flächenfallschirm herabschwebenden Fairings aus der Luft auffangen. Aber auch aus dem Wasser gefischte Nutzlastverkleidungen werden wiederverwendet, vorausgesetzt sie bleiben unbeschädigt. Die Schiffe sind mit 63 Meter Länge und elf Metern Breite sehr schlank. Die Bruttoraumzahl beträgt etwa 500. Der Tiefgang beträgt etwa zwei Meter und die Höchstgeschwindigkeit etwa 25 Knoten. Für Unterstützungszwecke gibt es die GO Quest und die NRC Quest. Sie dienen dazu, Ausrüstung und Personal für die Droneships bereit zu halten. Auf dieses Schiff wechseln die Besatzungen der Drone Ships vor einer Bergungsaktion. In der Regel brechen diese Schiffe erst etwa ein bis zwei Tage nach den Drone-Ships auf, denn sie sind wesentlich schneller als die von Schleppern gezogenen Barken. Die GO Quest und die NRC Quest sind 52 Meter lang und 12 Meter breit. Für die Zwecke der Bergung der bemannten Crew Dragon Kapseln und der unbemannten Dragon Cargo Einheiten gibt es die GO Searcher und die GO Navigator. Sie sind ähnlich groß wie die GO Quest und die NRC Quest, haben aber ganz andere Aufbauten. Unter anderem eine Hubschrauber-Landeplattform, die fast 40 Prozent der Größe des Schiffes einnimmt. Gelegentlich hilft die GO Navigator bei der Bergung von Nutzlastverkleidungen aus. Und schließlich gibt es noch zwei gut motorisierte Schlepper, die „Finn Falgout“ und die „Lauren Foss“, mit denen die Droneships in das Zielgebiet und wieder zurück geschleppt werden. Die beiden sind jeweils etwa 45 Meter lang und 12 Meter breit mit einer Brutto-Raumzahl von 930 und 820. Die Finn Falgout ist übrigens bereits 45 Jahre alt, die Lauren Foss ist dagegen erst 17.


Blue Origin Landing Platform

Das Blue Origin „Landing Platform Ship“, oder kurz LPS, wird derzeit als schwimmende Landeplattform für die Erststufe der New Glenn-Rakete ausgebaut. Ursprünglich war es ein Ro-Ro-Schiff der Stena-Linie, die es im Jahre 2007 in Betrieb nahm. Dort lief es bis 2018 in einer bewegten Geschichte und unter wechselnden Namen, bis es schließlich von Blue Origin für den genannten Zweck gekauft und seither modifiziert wird.

Das Schiff ist, verglichen mit den Landeplattformen die SpaceX verwendet, sehr groß. Es ist 183 Meter lang, 26 Meter breit und hat voll beladen einen Tiefgang von 7,4 Metern. Die Bruttoraumzahl beträgt 21.100. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei über 40 Kilometer pro Stunde. Neben den insgesamt sieben Antriebs- und Stromgeneratoren an Bord gibt es noch ein System von vier Schubdüsen und Propellern, mit denen das Schiff bei Landungen präzise auf der Stelle gehalten werden kann.


Chinas Raumfahrt-Flotte

Für Raumfahrtzwecke hat China die Yuanwang-Flotte (das könnte man mit „Weite Sicht“ übersetzen) etabliert. Von diesen Schiffen gibt es zwei vollständig unterschiedliche Baureihen: Bahnverfolgungsschiffe und Transporter. Die Schiffe mit den Nummern Yuanwang 1 bis Yuanwang 7 gehören zur ersteren Klasse. Diese Schiffe werden auch für militärische Zwecke verwendet, beispielsweise um Telemetriedaten von Interkontinentalraketen bei Übungseinsätzen zu empfangen oder deren Bahnen genau zu vermessen, oder Raumfahrzeuge oder Teile davon zu bergen. Sie sind mit riesigen Antennenanlagen ausgerüstet. Drei der älteren Schiffe sind inzwischen außer Dienst gestellt. Die Einheiten Yuanwang 3, 5, 6 und 7 sind weiterhin als Bahnverfolgungsschiffe im Dienst. Sie können zwischen drei und vier Monaten ohne weitere Versorgung auf See bleiben und verfügen über mehrere hundert Besatzungsmitglieder. Die Schiffe sind sehr groß. Ihre Länge liegt zwischen 210 und 240 Metern, die Bruttoraumzahl liegt bei über 50.000 und sie sind für ganz andere Zwecke gebaut als Raketenteile zu transportieren. Bahnüberwachungsschiffe, das nur nebenbei, existierten und existieren auch in der Sowjetunion und in Russland. Diese Schiffe wie die „Juri Gagarin“, die „Kosmonaut Wladimir Komarow“ und die „Marschall Krylow“ erlangten einige Berühmtheit. Insgesamt verfügte die Sowjetunion zu ihren besten Zeiten über zehn solcher Schiffe. Natürlich gab es sie auch in den USA vor der Zeit, als die TDRS-Satelliten diese Aufgabe weitgehend übernahmen.


Doch hier wollen wir uns nur die die beiden Einheiten Yuanwang 21 und 22 ansehen. Bei ihnen handelt es sich um klassische Transportschiffe. Ihre Hauptaufgabe besteht derzeit darin, die großen Komponenten der Trägerraketen des Typs Langer Marsch 5 und Langer Marsch 7 vom Herstellerwerk zum Startzentrum Wenchang zu transportieren.


Das Kosmodrom Wenchang ist vorläufig nur für die Starts von Trägerraketen der Typen Langer Marsch 5 und 7 vorgesehen. Mittelfristig wird sie noch die Langer Marsch 8 aufnehmen, langfristig auch die Langer Marsch 9, Chinas zukünftige Großrakete für Schwerlast-Transporte. Anders als die anderen chinesischen Startzentren verfügt Wenchang auch über einen Seehafen, an dem die großen Komponenten der neuen Trägerraketengeneration angelandet werden können. In Xichang, Jiuquan und Taiyuan dagegen können Raketenkomponenten nur mittels Schienentransport angeliefert werden. Schon aus diesem Grund starten Chinas neue Großraketen nicht von dort. Yuanwang 21 und 22 haben jeweils eine Brutto-Raumzahl von 9.100. Sie sind 130 Meter lang, 19 Meter breit und haben einen Tiefgang von 5,8 Metern. Ihr Anlande-Hafen befindet sich im nahe gelegenen Quinglan. Von dort werden die Komponenten auf einer Spezialstraße zum technischen Bereich des Spaceports gebracht.

 

Die Yuanwang 21 wurde am 6. März 2013 in Dienst gestellt, Yuanwang 22 am 28. Juni desselben Jahres. Konstruiert wurden die beiden Schiffe von der China Southern Shipbuilding Ltd., gebaut wurden sie von der Jiangnan Shipyards Ltd. Ganz am Schluss soll nicht unerwähnt bleiben, dass China seit Juni 2019 für einige Starts der Langer Marsch 11 eine umgebaute Barke einsetzt, die im Gelben Meer vor der Küste der Provinz Shandong stationiert wird. Über technische Daten dieser Barke ist so gut wie nichts bekannt. Ausgehend von den verfügbaren Bildern scheint sie etwa 110 x 80 Meter groß zu sein. Auf dieser Barke wurden zwei Bauten errichtet, von denen eine ein Startturm ist.

Schifffahrt und Raumfahrt, wie man hier sieht, gehören auch im 21. Jahrhundert noch eng zusammen.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?