Im Bett mit Palermo

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Aus der Reihe: Im Bett mit.... #2
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Im Bett mit Palermo
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Erika Frank

Im Bett mit Palermo

Geliebte sein

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Im Bett mit Palermo –Geliebte sein

Geliebte sein

Singlereise nach Palermo

Erster Flug zu meinem Geliebten

Zweiter Flug zum Geliebten

Dritter Flug zum Geliebten

Vierter Flug zum Geliebten

Fünfter Flug zum Geliebten

Sechster Flug zum Geliebten

Siebter Flug zum Geliebten

Achter Flug zum Geliebten

Neunter Flug zum Geliebten

Zehnter Flug

Mein Apartment am Meer

Impressum neobooks

Im Bett mit Palermo –Geliebte sein

Erika Frank

Geliebte sein

Negativum

Immer zur Verfügung stehen, auf Abruf, keine Planung deiner Zeit möglich

Befehlen deines Geliebten Folge leisten, wenn du ihn nicht verlieren willst

Immer gute Laune zeigen, auch wenn du frustriert bist

Nie irgendwelche Forderungen stellen

Gehorsam sein

Den Versprechen des Geliebten glauben, auch wenn er dich nur hinhält

Zeit vertrödeln mit Warten

Die Abende, Wochenenden, Feiertage allein verbringen

Immer seinen Weg ebnen, ihm nie Steine in den Weg legen

Keine Szenen machen

Positivum

Du wirst heiß begehrt, er wird heiß begehrt

Er ist verrückt nach dir, weil du anders bist

Er möchte dich nicht verlieren und verwöhnt dich

Du hast lebendigen, guten Sex

Zuwachs an Energie, Optimismus

Du bist nicht einsam, weil du für ihn die Nummer eins bist

Die Liebe macht dich schön

Singlereise nach Palermo

Samstag. Die Kirchturmglocken läuteten. Es war sieben Uhr. Ich stand schon auf, denn ich hatte keine Lust, den Vögeln beim Singen zuzuhören. Trotz lauwarmer Milch, lesen und TV sehen, hatte ich wieder schlecht geschlafen. Eine Woche dauerte dieser Zustand jetzt an. Ich wälzte mich hin und her und ging fast stündlich auf die Toilette. Vielleicht hatte ich mir meine Blase beim Schwimmen entzündet. Oder war es die Aufregung um meinen Geliebten?

Vor einer Woche hatte ich ihn das letzte Mal gesehen. Jede Sekunde musste ich an ihn denken. Zurzeit fand zwischen uns keine Kommunikation statt. War es anfangs zu viel der digitalen Kommunikation, gab es jetzt weder eine SMS noch eine E- Mail, keinen Anruf via FaceTime. Es herrschte absolute Funkstille. Gut, auch das gab es schon. Einmal wartete ich vierzehn Tage auf seinen Anruf. Aber dieses Mal war alles anders. Mein Leben war plötzlich nach dem Unfall total verändert. Es verlief vorher auch viel zu gut.

Immer, wenn ich eine Phase der Antriebslosigkeit spürte, fühlte ich, ich musste etwas ändern. Ich machte mir Gedanken, welche meine negativen und welche meine positiven Stimmungen waren. Jemand sagte vor zwanzig Jahren mal zu mir: „Schreibe deine Ziele nieder und du wirst mindestens fünfzig Prozent davon erreichen.“ Ich befolgte seinen Rat und schrieb Umsatzzahlen auf, die ich in einem bestimmten Zeitraum realisieren wollte. Diesen Zettel stellte ich angelehnt an mein Telefonregister, damit er immer sichtbar war. Es erstaunte mich, welche Disziplin, welche Ideen, welche Kraft und Energie ich ent­wickelte, um meine Ziele umzusetzen. Ich arbeitete Tag und Nacht. Das Ergebnis beeindruckte mich sehr. Dieses Mal ging es nicht um Geld, sondern nur um mich. Ich definierte meine Ziele, meine privaten Wünsche und schrieb sie auf ein Blatt Papier, das stets in Sichtweite auf meinem Schreibtisch lag. Sporadisch kontrollierte ich, was wahr geworden war. So schrieb ich im Dezember vorigen Jahres sieben Wünsche auf. Drei davon lauteten:

Ich suche einen zuverlässigen leidenschaftlichen Partner

Ich fliege nach Palermo

Ich will wieder körperlich in Form kommen

War ich mal wieder süchtig nach einer neuen Liebe? Ich wollte wieder nach Sizilien. Warum? Seit einigen Jahren fuhr ich am liebsten nach Sizilien. Länder in Asien oder Afrika reizten mich überhaupt nicht. Seit einiger Zeit frischte ich meine Italienischkenntnisse auf. Die Sprache gefiel mir nicht nur sehr, ich wollte mich auch mit den Italienern verständigen können. Meine Reisen nach Italien waren stets voller Liebesabenteuer. Die Männer waren verrückt nach mir. So etwas erlebte ich nur dort. Sizilianer hatten den Ruf, heißblütige aktive Liebhaber zu sein. Zu meinem fünfundfünfzigsten Geburtstag belohnte ich mich und buchte das erste Mal über ein Reisebüro eine vierzehntägige Singlereise an die Ostküste Siziliens. Dort begegnete ich einem um einige Jahre älteren Geschäftsmann, Guiseppe, mit dem ich mehr als zwei Jahre eine sehr lustvolle und harmonische Beziehung gehabt hatte. Inzwischen war ich achtundfünfzig Jahre alt geworden und sehnte mich nach einer neuen Liebesbegegnung. Ich wollte wieder begehrt werden. Jetzt war die Westküste dran, und ich war gespannt, wie die sizilianischen Männer dort tickten. Drei Monate brauchte ich für meine Entschei­dung, um über das Internet einen Flug nach Palermo und ein Hotel im Zentrum der Stadt zu buchen. Es war Ende Mai. Ich wollte drei Nächte in diesem Hotel bleiben aber es waren nur zwei Nächte frei. In Gedanken plante ich eine vierzehntägige Rundfahrt durch Sizilien. Wohlgemerkt, ich plante! Als ich in Palermo ankam, nahm ich den Shuttle in die City. Dem Fahrer zeigte ich die Hoteladresse, damit er mir sagen konnte, wo ich aussteigen musste. Im fast leeren Bus kam ich mit Touristen aus Deutschland, die fünf Tage in Palermo bleiben wollten, ins Gespräch. „Okay hier müssen Sie raus“, meinte der männliche Tourist, der auch an dieser Haltestelle ausstieg. „Gehen Sie links und dann wieder links.“ „Danke, auch Ihnen viel Spaß in Palermo!“, verabschiedete ich mich. Es war schon später Nachmittag und noch angenehm warm. Das Hotel fand ich sofort. Ich drückte auf den Klingelknopf und die Tür öffnete sich. Mit dem schönen alten Lift fuhr ich nach oben. Ein sehr freundlicher junger Italiener, Adolfo, empfing mich. Er sprach Französisch und Englisch. Das Hotel hatte ich gewählt, weil es keinen Teppichboden hatte, sondern Fußbodenfliesen. Es war mediterran, bunt eingerichtet und es hatte sehr gute Kritiken im Internet. Hier stimmte einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich bezog das Zimmer hinten links. Oh, das ist schön, dachte ich beim Eintreten. Mein Blick schweifte durch das Zimmer mit sehr hohen Decken, das mir im Vergleich zu dem winzigen Zimmer während meines ersten Aufenthaltes auf Sizilien riesengroß erschien. Mit Freude entdeckte ich auf der hellen Anrichte eine Kaffeemaschine. Herrlich, genau die brauchte ich. Ich ließ mich aufs Bett plumpsen und rief laut in den Raum: „Na dann los ins Abenteuer Eva-Marie!“ Es war Mittwoch, der zweiundzwanzigste Mai. Erstmal fotografierte ich mein Zimmer und mich. Die italienischen Bäder gefielen mir besonders wegen der Bidets, die ich überaus liebte. Ausgelassen bereitete ich mir einen Kaffee nach dem anderen zu, duschte und entschied, für den ersten Spaziergang meine hautengen hellen Jeans, meine weißen Lewis Turnschuhe und meine schwarz-weiß gepunktete Bluse, die leicht transparent war, anzuziehen. Zu meinem Ärger, hatte ich etwas um den Busen zugenommen. Auch wenn es mir nicht unbedingt gefiel, die Männer starrten auf meine prallen Brüste, die zu meinen Proportionen passten. Meine ausgiebige Lektüre über Sizilien, in Vorbereitung meiner Reise und besonders über Palermo, hatte mich sehr neu­gierig werden lassen. Als erstes schlenderte ich durch die Altstadt. Noch nie hatte ich solch eine Ansammlung zerfallener, teilweise fast zerstörter, sanierungsbedürftiger historischer wunderschöner Gebäude gesehen, die atemberaubend wären, wenn man sie etwas liebevoller instand halten würde. Am nächsten Morgen fragte ich beim Frühstück, ob ich nicht doch noch eine dritte Nacht bleiben könnte. „Nein, leider sind wir ausgebucht“, bedauerte die Chefin, eine charmante feminine Dame in den Sechzigern. „Schade, schade, mir gefällt es hier so gut.“ Dann meinte sie: „Aber ich kann mal einen Freund anrufen, der vermietet hier im Haus Apartments.“ „Okay, das wäre sehr nett von Ihnen“, sagte ich freudestrahlend. Ich hörte wie sie ihn anrief, während ich genussvoll in das Croissant mit Marmelade biss. Dazu trank ich frischgepressten Fruchtsaft und einen wahnsinnig guten Kaffee. Ich war fast mit dem Frühstück fertig, da klingelte jemand an der Hoteltür, die die Chefin Elisabetta öffnete. Ein Mann betrat die Lobby. Elisabetta stellte ihn mir vor: „Das ist Massimo. Er hat Zimmer zu vermieten.“ Ich stand auf und ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Der hochgewachsene Sizilianer sah mich an und lächelte: „Ja, es sind Zimmer frei. Sie können bleiben, solange Sie wollen.“ „Danke. Na, ich werde nicht lange bleiben. Vielleicht nur eine Nacht. Ich weiß es noch nicht genau. Ist das okay?“, sagte ich. Er antwortete: „Ja, das ist okay.“ Er sprach kaum Englisch, aber seine Stimme, die klangvoll und dunkel war, gefiel mir sehr. Es fiel mir schwer, sein Italienisch zu verstehen, da er sehr schnell sprach. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Zimmer“, meinte er, „aber frühstücken sie erstmal zu Ende." „Ich bin fertig", sagte ich und stand auf. Zusammen gingen wir die Treppe hinunter in den dritten Stock und betraten die moderne Lobby. Er ging ein paar Schritte voraus und erklärte: „Das ist die Lobby.“ Dann folgte ich ihm in das Zimmer mit Balkon, das zur belebten Straße hin lag. „Oh, das ist sehr schön, aber so ein großes Zimmer brauche ich gar nicht, zumal ich vielleicht nur eine Nacht bleibe“, meinte ich ihn anlächelnd. Wir gingen in ein anderes Zimmer. Er fragte mich: „Oder lieber das hier zum Hof raus? Das kostet natürlich weniger.“ Und es gefiel mir viel besser. Es war kleiner und wirkte wärmer, durch den schönen alten, zweitürigen, dunklen Holzkleiderschrank, der mich an meinen eigenen Kleiderschrank aus der Gründerzeit erinnerte. „Wissen Sie, ich liebe es ruhiger. Ich neh­me gern das zum Hof.“ „Okay, dann nehmen Sie dieses“, meinte er.

 

Die Zimmer waren schick, modern und neu. Die grau-beige marmoriert gestrichenen Betonböden und Betonwände wirkten zwar sehr kühl, aber mir gefiel dieser puristische Stil. „Okay, ich nehme es.“ Gemeinsam gingen wir wieder die Treppe hinauf ins Hotel. „Frühstücken können Sie ja weiterhin hier“, sagte Elisabetta. „Das ist aber nett“, meinte ich erstaunt. Wir setzten uns wieder. Ich nahm meinen alten Platz am Frühstückstisch ein. Elisabetta fragte mich: „Noch einen Kaffee?“ „Ja, gern. Der schmeckt unwahrscheinlich gut hier. Dieses Aroma. Welche Marke ist das?“ „Lavazza“, meinte sie und zeigte mir die Kapsel. Massimo setzte sich auf die Couch, die rechts hinter mir stand. Wir erzählten über Berlin, Palermo, Zürich. Ich versuchte, meine Italienischkenntnisse anzuwenden und sprach sehr langsam, was aus meiner eigenen Erfahrung heraus für andere nervend sein musste. „Ich wollte eigentlich eine Rundfahrt machen“, lächelte ich ihn, mich zu ihm umdrehend, an. Massimo fragte, ob ich von dem Attentat auf die Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino gehört hätte. „Ja, ich habe in Vorbereitung auf meine Reise nach Sizilien diverse Bücher über die Mafia gelesen“, meinte ich. „Wenn Sie Lust haben, können Sie heute mit mir kommen“, sagte Massimo, „um achtzehn Uhr ist eine Gedenkfeier anlässlich des einundzwanzigsten Todestages, vor dem Haus von Falcone.“ Ich erwiderte: „Ja, gern.“ „Ich hole Sie hier um siebzehn Uhr mit der Vespa ab.“ „Mit der Vespa? Oh, das finde ich toll. Ja, gern“, sagte ich auf Deutsch. Um Missverständnissen vorzubeugen, fragte ich ihn nochmals, wo und wann wir uns treffen. „Schreiben Sie es bitte hier auf!“ Ich drehte mich zu ihm und reichte ihm einen Restaurantflyer und meinen Kugelschreiber, mit dem er die Uhrzeit und seinen Vornamen aufschrieb. Diesen Flyer hob ich mir Jahre auf. Voller Freude erhob ich mich vom Frühstückstisch und verabschiedete mich. Wir strahlten uns alle an. Wieder bummelte ich durch die Altstadt.

Abends wartete ich in der Lobby. Er kam pünktlich zur Verabredung. Wir nahmen den Lift und fuhren runter. Seine rote Vespa hatte er vor der Einfahrt geparkt. In der Hand hielt er zwei Helme, von denen er mir einen reichte: „Der ist hier Pflicht", sagte er und half mir, den Helm zuzumachen. Während er vor meinem Gesicht herumfummelte, lä­chelte ich ihn vor Freude an. Ich hatte meine knallengen hellen Jeans an, die meine langen schlanken Beine, gemessen bis zur Hüfte hundertzehn Zentimeter, betonten. Viele Jahre hatte ich nicht mehr auf einer Vespa gesessen. Ich stieg auf. Wo und wie sollte ich mich festhalten? dachte ich. Ich guckte, wie es die anderen machten und hielt mich am Griff hinter mir fest. Auch wenn ich es nicht wollte, ließ es sich nicht vermeiden, dass ich ab und zu mit meinem Busen gegen seinen Rücken stieß. Es gefiel mir sehr, wie er sich mit all den anderen Mopedfahrern durch den dichten Berufsverkehr schlängelte. Zahlreiche Leute strömten zu dieser Demo. Massimo suchte in der Nähe einen Parkplatz. Er nahm meinen Helm an sich und drängelte sich durch die Massen. Ständig sah er sich um, ob ich auch noch hinter ihm war. Ab und zu telefonierte er mit seiner Partnerin. Wir wollten uns an einer bestimmten Stelle mit ihr und seinen Freunden treffen. Gedrängel, Gedrängel. „Wo seid ihr?“, fragte er am Telefon. Nach einer Weile trafen wir seine Freunde und ich stellte mich ihnen vor. Kurz darauf stieß auch seine Partnerin zu uns. Ich musterte sie: Kurze Beine, dunkle kurze Haare, ganz das Gegenteil von mir. Nichts Besonderes. Er begrüßte sie ohne Kuss, ohne Berührung. „Hi“, sagte er zu ihr. Ich begrüßte sie mit meinem festen Händedruck. Dann hörten wir der Kundgebung zu. Etwas abseitsstehend betrachtete ich ab und zu seine Freunde und fühlte, wie auch sie mich fixierten. Zahlreiche Jugendliche hielten Transparente hoch, auf denen stand: Nieder mit der Mafia! Nach der Kundgebung verabschiedete ich mich von allen mit einem Kopfnicken und lief Massimo nach. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wo ich war. Es war mein zweiter Nachmittag in Palermo. Er brachte mich zur Pension zurück, denn er wollte sich mit seinen Freunden zum Essen treffen. Nachdem ich abgestiegen war, gab ich ihm den Helm und bedankte mich herzlich: „Bis morgen.“ „Ciao, bis morgen.“ Ich sah ihm lächelnd nach.

Den Abend über schlenderte ich durch Geschäfte, kaufte mir ein Paar schicke Sandalen und ging anschließend in ein, mir von Adolfo empfohlenes, Restaurant. Ich setzte mich draußen an einen der fünf Tische und kam mit einem australischen Touristen am Nebentisch ins Gespräch. Wir verabredeten uns zu einem Treffen für den nächsten Tag. Das Menü schmeckte gut. Der junge Kellner, ganz in schwarz gekleidet, war sehr um mich bemüht. Zufrieden machte ich mich auf den Heimweg.

Am nächsten Morgen zog ich mir Sportsachen an, denn ich wollte auf die berühmten his­torischen Märkte Capo und Ballaro, die mir die beiden Herren empfohlen hatten. Als Massimo ins Hotel kam, saß ich noch am Frühstückstisch. Wieder setzte er sich auf die Couch, die hinter meinem Rücken stand und ich fühlte, wie er mich von der Seite musterte. Meine langen Beine hatten es ihm angetan. Ob es mir gestern gefallen hätte, wollte er von mir wissen. „Ja, es war interessant für mich.“ Wir sprachen über die Mafia. „Abends war ich dann im Restaurant IL Mirto e la Rosa. Das Essen war ganz gut“, meinte ich. Heute früh hatte der Sohn der Hotelchefin Dienst. Adolfo meinte zu mir, ich könne das Zimmer verlassen, wann ich wollte. „Danke, sehr großzügig“, sagte ich. Sie unterhielten sich. Ich verstand nicht viel und sagte dann: „Ich gehe mal zum Markt und bin in einer Stunde wieder zurück, dann ziehe ich um. Ich muss mir ein Paar Flipflops kaufen.“ „Ja, die bekommen Sie da. Da bekommen Sie alles“, meinte Massimo. Beide Herren musterten mich, gekleidet in schwarzen Jogginghosen, Modell Capri Tights, Shirt und Turnschuhen, von oben bis unten, als ich aufstand. „Bis später“, verabschiedete ich mich verlegen.

Der Markt, bestehend aus zwei Märkten, war langgezogen. Ich begann mit dem Mercato Capo. Vorbei an Ständen mit Handy- und iPad-Hüllen, billigem Firlefanz aus Asien, dann an Fischständen mit Doraden, Rotbarben, Schwertfischköpfen, Tuna, Austern, getrocknetem Stockfisch, Obst- und Gemüseständen. Vorbei an Gewürzständen, vor denen ich öfter stehen blieb, um das riesige Angebot näher zu betrachten. Außerdem roch es so gut. Arabische, sizilianische, afrikanische, asiatische Händler boten eine Vielfalt von Waren an. Ich glaubte, hier bekam man wirklich alles. Geschrei, Marktabfälle, ratternde Vespas, Abgase, diverse Gerüche nervten und ich wollte so schnell als möglich meine Flipflops finden und dann wieder weg von dort. Noch nie war ich ein großer Fan von Märkten. Nach einer Stunde fand ich dann endlich die Flipflops, für nur drei Euro und eilte zurück ins Hotel, denn ich wollte das Zimmer pünktlich räumen. Gegen zehn Uhr war ich wieder im Hotel. Schnell wechselte ich meine Kleidung, griff nach meiner engen Jeans und dem dunkelblauen Shirt mit der Aufschrift Fast Living und schlüpfte in die Turnschuhe. Rasch stopfte ich meine Sachen in den Koffer. Als ich soweit war und in die Lobby eintrat, erschien im gleichen Moment auch Massimo. Er nahm mir den Koffer ab und trug ihn in mein Zimmer. Woher wusste er, dass ich fertiggepackt hatte? Kurz nach elf Uhr betrat ich mein neues Zimmer, das später meinen Vornamen Eva-Marie er­hielt. Der Inneneinrichter war gerade damit beschäftigt, ein Raffrollo zu montieren. Massimo stellte meinen Koffer an die noch kahle Wand neben das Bett, wo ein paar Monate später ein Plexiglasschreibtisch mit einem Thonett-Stuhl stehen sollten und wechselte ein paar Worte mit dem Monteur. Ich legte meinen Stadtführer auf das Beistelltischchen und meine sportliche braune Umhängetasche aufs Bett. Massimo führte mich noch einmal in die Lobby und erklärte mir, welche baulichen Änderungen hier vom Architekten vorgenommen worden waren. Seine Jugendzeit hatte er hier bei seinem Onkel verlebt. Aus dieser ehemals sehr großen Wohnung waren die jetzigen Apartments entstanden. „Gefällt Ihnen die Tapete?“, fragte er mich. „Ja, ich finde alles sehr schick und gelungen.“ „Stellen Sie sich dort an die Wand“, sagte er zu mir und griff nach meinem Handy. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand, der einzigen, die mit einer eleganten, gestreiften Tapete beklebt war, legte meine Handflächen auf die Wand, grinste mit verschlossenem Mund kopfschüttelnd verlegen in die Kamera. Ich ging auf ihn zu, um mir das kurze Video anzusehen. Wir betraten wieder mein Zimmer. Massimo stellte sich entspannt ans Fußende des Bettes und beobachtete den jungen Monteur, der gerade das weiße Raffrollo vorsichtig abrollte und jetzt in Fensterbretthöhe war. „Gefällt Ihnen dieses halbtransparente Rollo?“, fragte er mich. „Ja, es sieht super aus. Schick.“ Ich fotografierte Massimo, der entspannt mit runterhängenden Armen, bekleidet mit einer Jeans und einem olivgrünen Hemd, das in der Hose steckte, den Monteur bei der Arbeit beobachtete. Es dauerte nicht mehr lange und der Monteur nahm sein Werkzeug und verabschiedete sich. Massimo erklärte mir kurz die Bedienung mit den seitlichen Schnüren. Ich war so entspannt, hatte keine Hintergedanken, ich fühlte mich einfach wohl, dachte weder an Sex noch an Liebe. Bevor auch er ging, fragte er mich, ob ich Lust hätte, morgen, am Samstag, mit ihm auf den Monte Pellegrino zu fahren. „Ja, sicher. Ich habe Lust. Ich bin neugierig. Ich möchte hier alles kennenlernen.“

Ich hatte mich schon innerlich entschieden, doch länger zu bleiben und sagte zu ihm: „Ich denke, ich bleibe länger.“ „Sie können bleiben so lange Sie wollen. Das Zimmer ist für Sie reserviert“, bestätigte er. Mein Gott war der unkompliziert, dachte ich und sagte: „Danke.“

„Ich hole Sie morgen um zehn Uhr ab und zeige Ihnen den Monte Pellegrino, den Pilger­berg.“

„Oh das ist ja toll! Danke im Voraus.“

„Ich komme mit dem Motorrad.“

„Wir fahren mit dem Motorrad? Wie geil!“ Na das ging ja ab hier. Wie nett, dass mich der Gastgeber herumfuhr und mir seine Stadt zeigte, auch wenn unsere Kommunikation auf Italienisch für mich genauso anstrengend war wie für ihn. Wie ein kleines Kind freute ich mich auf diesen Ausflug und wartete am nächsten Tag überpünktlich in der Lobby. Er kam wenige Minuten nach zehn Uhr. Wir setzten uns kurz auf die Couch. „Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer.“ Er tippte seine Telefonnummer und E-Mail-Adresse in mein iPhone. Dann fuhren wir los. Wieder wusste ich nicht, wo und wie ich mich festhalten konnte. Er gab mir zu verstehen, ich solle die Hände um ihn legen: „So“, sagte er und griff erst nach meinem rechten Arm, den er um seinen Bauch legte und dann schnappte er den linken Arm. Ich konnte unter dem Blouson und dem dunkelblauen Poloshirt seinen weichen Bauch fühlen. Was für ein schöner sonniger Morgen! War das eine spannende Fahrt hoch auf den Berg! An diesem Vormittag waren nur wenige Leute unterwegs. Wir überholten einige Radfahrer, die ich laut bewunderte, indem ich Massimo ins Ohr schrie: „Die sind ja super trainiert. Ich würde den Berg nicht hochkommen. Du?“ Er lachte nur. Oben angekommen parkten wir und besuchten im Schnelldurchgang die Kapelle Santa Rosalia. Er erklärte mir vieles auf Italienisch. Ich nickte nur mit dem Kopf und reimte mir aus Wortfetzen wie Marmor, Gold und anderen, die ich verstand, einiges zusammen. Später las ich in meinem Reiseführer nach, dass Goethe den Monte Pellegrino in seinem Reisebericht "Die Italienische Reise" als das schönste Vorgebirge der Welt beschrieb. In den Sommermonaten ist dieser Berg ein beliebtes Ausflugsziel der Palermitaner. Auf einer Aussichtsplattform mit einer Statue der Santa Rosalia gibt es regelmäßig Musik- und Theateraufführungen. Jährlich, am 14. und 15. Juli, feiert man die heilige Rosalia beim Festino. Im September findet zu Ehren der Schutzheiligen alljährlich eine Wallfahrt auf den Berg statt, die Acchianata Santa Rosalia. Als ich ein paar Minuten nach Massimo die Kapelle verließ, ging ich auf ihn zu und fotografierte ihn beim Telefonieren. Er lächelte in meine Kamera. „Kommen Sie, ich fotografiere Sie auch“, sagte er zu mir. „Ja, aber mit dem Motorrad“, antwortete ich. Wir liefen an den von nur wenigen Touristen besuchten Souvenirständen mit kirchlichem Krimskrams wie dem Papst in Lebensgröße vorbei. Nach einer Viertelstunde gingen wir zum Motorrad und fuhren zu einer anderen Aussichtsplattform. Ständig fotografierte er mich. Dabei fühlte ich mich sexy und hatte ein warmes Gefühl im Bauch. Er wollte eine andere Abfahrt nehmen. Doch mussten wir umkehren, denn der Weg war gesperrt. Schade. Immer wieder hielt er am Straßenrand, damit ich mit dem Handy Fotos machen konnte und er erklärte mir die Gegend. Es war ein unvergesslicher Ausflug. Der Blick auf die malerische Bucht, in der Palermo lag, die man La Conca d`Oro, die goldene Muschel, nannte, war faszinierend. Der blaue Himmel und das Meer verschmolzen miteinander. Die Bucht, flankiert von dem sechshundertsechs Meter hohen Monte Pellegrino im Norden und dem Capo Mongerbino im Osten, wo einst Orangen- und Zitronenplantagen blühten, war heute ein gigantischer Maloch aus Beton, vielen Hochhäusern am Stadtrand, wo heute fast eine Million Menschen lebten. Auf dem Rückweg zeigte er mir den Hafen, wo zahlreiche ziemlich heruntergekommene Fischerboote angelegt hatten. Fischer reparierten ihre Netze. Massimo grüßte jemanden und meinte zu mir, dass das sein Boot sei, das er vermietet hätte. Kinder spielten am schmalen, vermüllten und verdrecktem Sandstrand. Dann suchte er noch einen Schlosser auf und fragte sich nach der Adresse durch, an die er sich nicht genau erinnerte. Er schlängelte sich durch die schmalen Gassen vor und zurück, hin und her, bis er den kleinen Laden, über dessen Tür ein riesiger Schlüssel hing, fand. Während er ins Geschäft eintrat, fotografierte ich draußen die alten Häuser. Zwei Stunden später setzte er mich wieder vor dem Hotel ab und verabschiedete sich. Gern hätte ich den Rest des Tages mit ihm verbracht.

 

Samstagnachmittag und Sonntag verbrachte ich am Strand der Palermitaner: Mondello. Was für ein klangvoller Name für einen Badeort mit einem etwa eineinhalb Kilometer langen feinen Sandstrand, in einer Bucht mit herrlichem türkisfarbenem Wasser. Elegante Jugendstilvillen und andere Residenzen umgeben von duftenden Gärten, die einst die Adli­gen von Palermo hier errichteten, ziehen heute viele Touristen und Palermitaner an. Als ich Sonntag auf einer Bank saß und die Fischer beobachtete, setzte sich jemand neben mich. Antonio, ein Mann mit einem verlebten Gesicht, aber mit herrlichen blauen Augen. Er war Single, kinderlos, nie verheiratet, hatte sein Leben lang als Ingenieur auf Schiffen gearbeitet. Er wollte keine komplizierte Beziehung und hielt es für besser, nicht zu heiraten. Wir unterhielten uns auf Englisch. Er rauchte. Er gefiel mir. Wir saßen eine Weile zusammen auf der Bank. „Haben Sie auch Appetit auf einen Kaffee? Ich hole uns einen“, sagte ich lächelnd. „Ja, gern“, antwortete er erstaunt. Seine Einladung, mit ihm nach Hause zu kommen, wo er für uns zu Mittag kochen würde, lehnte ich dankend ab. Aber seine Einladung, mir Palermo bei Nacht zu zeigen, nahm ich an. Bevor ich mich verabschiedete, tauschten wir die Telefonnummern aus. „Ich komme morgen wieder“, stand auf und suchte mir einen Platz am Strand, wo ich mich sonnen konnte.

Als ich montags Massimo traf, bezahlte ich das Zimmer für zehn Tage. Plötzlich verspürte ich keinen Trieb mehr nach einer Rundreise. Dass mich der Besitzer der Pension so herzlich betreute, gefiel mir. Heute nahm er mich mit zu einem Handwerker. Wir fuhren mit der Vespa und ich klemmte mir unter die rechte Armbeuge den kleinen Bestelltisch, den er lackieren lassen wollte. Wieder forderte er mich auf, meine Hände um seine Taille zu legen. „So macht man das“, meinte er, „richtig mit beiden Händen um meine Taille fassen.“ Dienstag stellte er mich einem Gast vor, einem Freund, der auch wie er dem BMW Motorradclub angehörte. „Francesco kommt ab und zu, ruft kurz vorher an und übernachtet dann in seinem Zimmer. Wenn es frei ist, bekommt er es immer“, erklärte er.

Ich hatte mich schön gemacht, denn ich war abends mit Antonio für Palermo bei Nacht verabredet. Meine engen Diesel-Jeans, die ich in New York gekauft hatte, hatte ich ausgewählt. Dazu eine weiße leicht transparente Bluse, unter der ich einen schwarzen Body trug. Schwarze, spitze Pumps mit einem fünf Zentimeter Absatz und mein schwarzes glänzendes Blouson mit elastischem Arm- und Bundabschluss in Strickqualität. Als ich den Lift öffnete, stieg zufällig auch Francesco ein. Wir standen dann unten vor der Hofeinfahrt und quatschten. Er lud mich auf ein Glas Wein ein. Er hatte eine Verabredung mit seiner Freundin um zwanzig Uhr. „Das passt gut“, sagte ich, „ich habe heute Abend auch eine Verabredung.“ Während wir vor der Hauseinfahrt standen, kam Massimo mit dem Auto rückwärts rausgefahren. Das Fenster auf der Fahrerseite war runtergekurbelt. Zärtlich streifte meine Hand beim Vorbeifahren über seinen Arm, und ich wünschte ihm lächelnd einen schönen Abend. Francesco und ich gingen dann in ein entzückendes Weinlokal. Zum Wein wurden hier immer reichlich Dips serviert, so dass ich kein Abendbrot mehr brauchte. Francesco war ein Womanizer, attraktiv, groß, schlank, stilsicher, schick gekleidet und sehr charmant. Er wuchs in den USA auf und sprach Englisch mit mir. Als seine kleine, hübsche, dunkelhaarige Freundin eintraf, verließ ich beide. Francesco wollte am nächsten Morgen an meine Tür klopfen und mit mir Frühstücken gehen. Ich wartete auf Antonio, der wie verabredet gegen einundzwanzig Uhr kam. Ich stieg in seinen alten Opel. Wir fuhren an unendlich vielen angestrahlten Palazzi und Kirchen aus verschiedenen Epochen vorbei. Immer wieder stiegen wir aus. Wenn er einen Parkplatz fand, kam gleich immer einer der inoffiziellen Parkwächter auf ihn zu, die für das Bewachen des Autos einen kleinen Obolus erwarteten. Manchmal gab er ein paar Cents, manchmal nicht. Er behielt das Auto immer im Auge. Antonio war sehr stolz auf seine Stadt, und er erklärte mir alles ausführlich. Hunderte von Menschen waren mit Essen und Trinken beschäftigt. Vespas irrten durch die spärlich beleuchteten Gassen. Die düsteren Ecken und die verfallenen Häuser hatten etwas Geheimnisvolles. Nachts unter dem Sternenhimmel pulsierte das Leben in Palermo. Musik, oft Live-Musik klang aus allen Richtungen. Wir waren entspannt. Antonio lud mich zum Essen ein. Draußen sitzend in der Nähe der Piazza Marina, verschlangen wir zu später Stunde große Mengen Muscheln und tranken Weißwein. Danach setzten wir unse­ren nächtlichen Spaziergang fort. Gegen zwei Uhr früh war ich müde geworden und wollte nach Hause. Ich verspürte keine Lust, ihn mit nach oben zu nehmen. Antonio war mir aber nicht böse. Als Dankeschön lud ich ihn dann noch zu einem Drink in eine Nachtbar nahe meiner Pension ein. Mein ständiges Gähnen brachte ihn zur Vernunft, und wir verabredeten uns für den nächsten Tag am Strand in Mondello. Morgens klopfte Francesco an meine Tür, die ich verschlafen öffnete und sagte, die Tür vor meinen nackten Körper haltend, zu ihm: „Ich bin in zehn Minuten fertig.“ Schnell sprang ich unter die Dusche und zog mich an. Die Zimmertür hatte ich einen Spalt offengelassen. Ich saß auf dem Bett und war gerade dabei, meine neuen lachsfarbenen Sandalen mit goldenen Blüten auf dem mittleren Riemen anzuziehen. In dem Moment hörte ich die Haustür ins Schloss fallen. Ich dachte, es war Francesco, der mich zum Frühstück abholen kam. Massimo trat in mein Zimmer und grüßte: „Guten Morgen. Wie geht es?“ Ich antwortete: „Gut, danke, bisschen müde von heute Nacht.“ Er fragte: „Warst Du mit Francesco unterwegs?“ „No, no, mit Francesco hatte ich nur ein Glas Wein getrunken und er stellte mich seiner Freundin vor. Nein. Ich hatte mir Palermo bei Nacht angesehen. Jetzt bin ich ganz schön müde. Francesco wollte mich zum Frühstück abholen.“ „Möchtest du einen Kaffee?“ „Ja, gern“, antwortete ich erstaunt. Er ging runter und holte mir einen Kaffee an der Bar. Als er mit dem Kaffee in der Hand hochkam und ihn mir reichte, ich immer noch auf dem Bett sitzend, meinte er: „Francesco war in der Bar. Er ist jetzt arbeiten gefahren.“ „Aha“, meinte ich lakonisch: „Ist okay. Weiß ich Bescheid. Dann gehe ich jetzt nach oben frühstücken.“ Zu ihm hochsehend fragte ich: „Kannst Du mir helfen?“ Er stand am Fußende des Bettes. „Guck mal, das eine Glas von dieser Sonnenbrille fällt immer raus.“ Ich reichte ihm die Brille und das lose Glas. „Damit musst du zum Optiker“, meinte er. Als er versuchte, es in den Rahmen zu pressen, fiel es ihm runter. Ich stand schnell auf, bückte mich, kniete vor ihm und langte unter das Fußende des Bettes, um nach dem Glas zu greifen. Das hatte sicher sehr sexy ausgesehen. Meine engen hellen Jeans, mein kleiner runder Po. Als ich mich aufrichtete, um ihm das Glas zu reichen, stand er so dicht hinter mir, dass ich gegen ihn stieß. Ich weiß nicht wie es ge­schah, es ging alles automatisch. Ich umarmte ihn einfach und küsste ihn. Wahrscheinlich hatte ich in diesem Moment zu viel Dopamin.