Rothenburg ob der Tauber

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Aus der Reihe: historisches Deutschland #20
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Rothenburg ob der Tauber
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Herausgeber

Erik Schreiber

Führer

durch die Stadt

Rothenburg ob der Tauber

ihre

Architekturdenkmale und Kunstschätze

von

Wilhelm Klein.

e-book 070

Rothenburg ob der Tauber

Erscheinungstermin: 01.06.2020

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Archiv Andromeda

Lektorat: Saphir im Stahl

Vertrieb: bookwire GmbH

ISBN: 978-3-96286-046-2

Führer

durch die Stadt

Rothenburg ob der Tauber

ihre

Architekturdenkmale und Kunstschätze

von

Wilhelm Klein.

Rothenburg ob der Tauber.

Verlag der C. H., Trenkle’schen Buchhandlung.

1888.

Rothenburg ob der Tauber.

Sieh mit Fleiß Rothenburg an

Eine Stadt in Franken lobesam.

Kasp. Bruschius.

Eine der architektonisch interessantesten Städte Deutschlands ist die heutige ehemalige freie Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber. Umschlossen von einem, noch gar wohl erhaltenen Mauer-Ringe, aus dem zahlreiche Thürme hervorragen und beschützt von mächtigen Basteien, die den Thoren vorliegen, birgt diese merkwürdige Stadt Baudenkmale der romanischen, gothischen und Renaissance-Periode in großer Zahl. Verschiedene interessante und malerische Straßenbilder vervollständigen den mittelalterlichen Charakter. Aber auch die Natur hat die, inmitten des ehemaligen Landes ostfranken auf einem Muschelkalkplateau, das im Osten von einem bewaldeten Keuperrücken begrenzt wird und gegen die Tauber zu steil abfällt, liegende alte Stadt reich bedacht, denn der landwirtschaftlichen Reize sind viele.

Rothenburgs Geschichte geht auf die ältesten Zeiten zurück und bietet des Merkwürdigen so viel, daß sich dieselbe eines tieferen Studiums verlohnt. Die Burg, an welche sich die früheste Geschichte der Stadt knüpft, wird schon im neunten jahrhundert erwähnt und auf ihr residirten später die Salier und Herzog Friedrich, des dritten Konrad’s Sohn, hielt seinen glänzenden Hof daselbst und wurde der „dux de Rothinburg“ genannt. Von Friedrich Barbarossa erhielt Rothenburg das Stadt- und Weichbildrecht, 1274 von Rudolf von Habsburg die Freiungsurkunde. In den Kämpfen Ludwigs des Bayern mit Friedrich dem Schönen hielt Rothenburg treu zu des Wittelsbacher’s Fahnen, nahm am Städtekrieg hervorragenden Antheil und spielte unter seinem großen Bürgermeister Heinrich Topler, dessen tragisches Geschick allgemeines Interesse erweckt, in den Fehden mit den Nürnberger Burggrafen eine bedeutende politische Rolle in der deutschen Geschichte. Auch die Umwälzungen des 16. Jahrhunderts sind in Rothenburg’s Geschichte mit ehernem Griffel eingezeichnet. Im 30jährigen Krieg und den darauf folgenden Wirren glich die, an der großen Heerstraße gelegene Stadt mehr einem Kriegslager, als der Heimstätte friedlicher Bürger. Von nun an ging Rothenburg langsam, aber stetig seinem Verfalle entgegen und erst der neueren Zeit war es vorbehalten, es nach langer Erstarrung wieder zu neuem Leben zu erwecken.

Besichtigung der Kunstschätze und Architekturdenkmale der Stadt.

Rothenburg laß Dich Schauen,

Laß die altersgrauen

Mauern froh uns grüßen

Laut mit Sangesschall!

Wolle uns erschließen

Deine Reize all!

Vom Bahnhofe führt der Weg nach der Stadt an dem sog. Brühl, (anno 1632 Gustav-Adolfs Lagerplatz), dem Gottesacker mit dem alten Kirchlein vorüber, durch das Röderthor mit sehr bemerkenswerthen alten Befestigungen! Bastei und zum Theil noch in ihrer ursprünglichen Gestalt erhaltenen doppelten Wall und Graben sowie hohen, weit ins Land blickenden mächtigen Thorthurm.

Nachdem man eine Straße ohne irgendwelche bemerkenswerthe Gebäude durchwandert hat, gelangt man an ein zweites Thor, den sog. Röderbogen; hier fällt sofort ein altersgrauer ganz verwitterter Thurm – Markusthurm – und ein daranstoßendes Gebäude auf, es sind Reste der ältesten Stadtbefestigung; denn die alte oder innere Stadt beginnt erst hier.

Innerhalb dieses alten Stadtthores beginnen auch die Straßen interessanter und alterthümlicher zu werden, so ist gleich der Blick die Straße rechts mit dem nächsten Thorthurme im Hintergrunde malerisch. In der zu durchwandernden engen Straße, der Hasengasse, finden sich viele gothische Portale als Hauseingänge, auch ein altes hochgiebliches Haus links (Buchhandlung) dürfte seiner Renaissancefenster im ersten Stocke, verzierter Halbsäulen, mit mächtigen schön gehauenen Steinconsolen und einfacher Holzdecke im Innern wegen, für manchen Künstler nicht ohne Interesse sein. Nun noch einige Schritte weiter, und der Wanderer hat vor sich ein prächtiges Stück Mittelalter, denn er befindet sich auf dem architektonisch und geschichtlich merkwürdigen Marktplatze Rothenburgs. Hier wird der Blick vor Allem gefesselt durch das imposante

Rathaus,

Einen prachtvollen Bau, bei welchem sich Gothik und Renaissance so stilvoll und malerisch verbinden, wie es wohl selten wird angetroffen werden.

Nachdem das älteste Rathhaus im Jahre 1210 abgebrannt war, erbaute man ihm gegenüber ein neues, bestehend aus zwei gothischen Gebäuden nebeneinander; das eine derselben ist der heute noch stehende gothische Bau mit seinem schlanken und kühn emporstrebenden Thurme. Einfach und ohne besonderen äußeren Schmuck, zeigt das Gebäude ein mächtiges Spitzbogen-Portal, aber gradlinige Fenster, erst in seinen oberen Parthien beginnt es stylvoller zu werden. Hier zeigen sich zwischen schön gearbeiteten Fialen an den beiden Giebelenden, die Wappen der Grafen von Flügelau, der Stadt und der Adler des alten deutschen Reiches. – Der kühn aus dem Dache aufsteigende viereckige Thurm mit gothischen Blenden geht aus dem Viereck stylgemäß in ein Achteck über und ist mit vier Colossalsteinbildern – über denselben durchbrochene Baldachine – geziert. Oben trägt der Thurm eine Kuppel mit einer Glockenlaterne, welch nicht zum ursprünglichen Plane gehörte, denn wie aus alten Illustrationen ersichtlich ist, war er flach gedeckt, mit einer Steinbrüstung versehen und von einer durchbrochenen Stein-Pyramide, in welcher sich die Glocke befand, gekrönt. Etwas beschwerlich zwar, doch sehr lohnend, ist die Besteigung des Thurmes; man hat von dem Kranze desselben eine herrliche Aussicht über die Stadt und ihre nächste Umgebung.

Der vordere alte Bau, in welchem Kaiser Carl V. im Jahre 1546 vom Podagra heimgesucht, 11 Tage weilte und die Huldigung der Stadt entgegennahm, wurde im Jahre 1572 abgebrochen und an seine Stelle der prächtige Renaissance-Bau errichtet.

Wahrlich, es ist ein herrliches Werk, das hier in einer kleinen Gemeinde, einzig und allein aus den Mitteln derselben, ohne jede andere Hilfe entstund, und noch dazu zu einer Zeit, wo dieselbe für die gegen den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Ansbach zu Feld gezogenen Verbündeten 80,000 Gulden Kriegssteuer zu zahlen hatte. Das ist gewiß ein Zeichen, daß die Stadt reich und mächtig war, wie nur irgend eine, die den Reichsadler im Schilde führtte.

Eng an den gothischen älteren Bau angebaut und mit diesem verbunden, macht der in tadellosem Renaissancestyl mit seinem schönen Erker, den herrlichen Portalen und der Säulen-Colonade in phantasievoller Ornamentik errichtete neue Bau einen imposanten Eindruck auf den Beschauer. Die Rustica-Colonade, entschieden die Hauptzierde des Rathauses, wurde erst später vorgebaut. Der Altan wird von 10 Säulen mit Spundquadern getragen, in den Schlußsteinen den neun Schwibögen sind die Wappen der Churfürsten und auf dem letzten die Jahreszahl 1681 angebracht. Den mit hübscher Brüstung umgebenen Altan schmücken die Statuen der Gerechtigkeit und Klugheit mit dem Reichs-Adler in der Mitte; derselbe wurde im Jahre 1802, als die Stadt in bayerischen Besitz kam, auf den Mühlacker transportirt, 1848 aber unter großem Volks-Auflauf auf den Platz gestellt, der ihm gebührt und wo er jetzt wohl bleiben wird.

Das Haupt-Portal, aber nicht der Haupt-Eingang, ist am südlichen Giebel angebracht und macht mit seinen schönen Proportionen und Formen einen festlichen Eindruck. Die symbolischen Figuren, welche das Giebelfeld krönen, sind: der Reichsadler, ein den Flammen entsteigender Phönix – auf den Brand des alten Rathauses Bezug habend – und ein Pelikan, letzterer wohl auf die Fürsorge der Väter der Stadt für die Bürgerschaft anspielend; die massiv aus Eichenholz gefertigte Thüre hat Ornamente von vorzüglicher Schönheit. Außer diesem Portale besitzt der Giebel noch einen schönen Schmuck an einem hohen achteckigen Erker, der reich mit Gallerien, Medaillons u. s. w. verziert ist; am Sockel desselben befindet sich das im Stein ausgehauene Brustbild eines Baumeisters, Winkel und Zirkel in den Händen haltend. Eine besondere Zierde des Giebels ist der auf der Spitze stehende gewappnete Ritter, in den Händen einen Schild mit dem Wappen der Grafen von Rothenburg und eine Turnierfahne haltend.

Zur lohnenden Besichtigung im Innern trete man durch das in der Mitte der Säulen-Colonade befindliche Treppenhaus-Portal ein. An diesem Portale befindet sich noch eine gut erhaltene Inschrift, welche auf den Rathhausbau Bezug hat.

Die steinerne Wendeltreppe ist ein Meister-Werk der Baukunst und ihrer Construktion wegen schon sehr gerühmt worden. Ein Blick durch die Windungen nach oben ist interessant.

Im ersten Stock befindet sich eine Art Vorsaal mit herrlichen von jonischen Säulen getragener Balkendecke, schönen stylvollen Portalen und verzierten Steinbänken. Bemerkenswerth ist auch eine Holzwand im Hintergrunde, welch mit ihrem verzierten Fachwerk und der leichten Gallerie eine anmuthige Verwendung gothischer Motive zeigt und als ein gutes Beispiel alter Zimmerwerks-Dekoration betrachtet werden kann, wobei nur zu beklagen ist, daß einzelne schöne Details mit Farbe überpinselt sind. Den Wänden entlang befinden sich die gut und richtig gemalten Wappen ehemaliger Bürgermeister und Consulen Rothenburgs, mit dem Jahre 1230 beginnend, für den Heraldiker gewiß von Interesse.

 

Durch ein einfaches gothisches Portal, noch dem alten Rathause angehörig, gelangt man unter Führung des Castellans in den großen Rathhaus-, jetzt Kaisersaal genannt. Jeder Eintretende ist sicherlich erstaunt, einen solch‘ mächtigen Saal da zu finden, wo er ihn gewiß nicht vermuthet hat. Von bedeutender Länge und Breite, in einer Höhe von zwei Stockwerken, macht der große, durch keine Säule, noch sonstigen Stützpunkt unterbrochene freie Raum einen überraschenden Eindruck. Die viereckigen Fenster mit alten runden Scheiben liegen in hohen Bogennischen und geben, trotzdem sie sich nur auf einer Seite befinden, doch hinreichend Licht. Der Saal hat eine flache Holzdecke, ein sog. Hängewerk in mächtiger und selten einfacher Construktion. Sämmtlichen Wänden entlang laufen mit Ornamenten verzierte Steinbänke.

Seit der letzten stylgemäßen Renovation sind zwar einige alte Fresken ohne besonderen Kunstwerth verschwunden, dagegen ist der schöne Sculpturschmuck – das jüngste Gericht vorstellend, in frühgotischer Weise bemalt – noch in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten und kann also, wie es schon vielfach geschehen ist, noch manches Skizzenbuch schmücken.

Dort an der Südseite, wo sich die in grauem Sandstein künstlich gehauenen und schön verzierten Steinschranken zeigen, ward einst von dem inmitten seiner Schöffen auf erhöhtem Steinsitze befindlichen Richter das Blutgericht gehegt, nachdem die Stadt das kaiserliche Landgericht an sich gezogen hatte; früher wurde dieses Gericht in der Burg unter freiem Himmel abgehalten. Seit mehrern Jahren befinden sich auch verschiedene auf die fränkische und Rothenburger Geschichte bezughabende und theilweise werthvolle Gemälde aus der Schleißheimschen Gallerie in unserem Rathhaussaale. Ganz in ursprünglicher Gestalt erhalten ist noch die Richterstube; in derselben befindet sich ein alterthümlicher Kachelofen und ein Renaissanceschrank nebst verschiedenen, auf die Geschichte der Stadt bezüglichen Gegenständen. Wie im Nürnberger, so ist auch im hiesigen Rathhaussaale eine Metalltafel angebracht, auf der sich in alter gothischer Schrift folgender Rechtsspruch befindet:

„Ains mannes red eine halbe red‘

Recht ist man soll sie verhören bed,

Seyt eins mans red eine halbe red ist,

So sol man merken ir beder list.“

Alljährlich am 1. Mai, wenn der Wächter vom hohen Thurm herab die dritte Stunde gen Morgen verkündet hatte, versammelten sich in diesem Saale unter den Fittigen eines riesigen Reichs-Adlers der Rath und die gesammte wahlfähige Bürgerschaft. Um die Aemter zu erneuern, zu bestätigen und den Eid auf die Verfassung abzulegen, welche dann wieder auf ein Jahr in Geltung blieb.

Durch die, mit schönen gothischen und Renaissance-Ornamenten verzierte Steintreppe gelangt man in die unteren Räume des Rathauses; hier befindet sich in vier Gewölben das städtische Archiv. Wohl sind aus demselben zu Anfang dieses Jahrhunderts und noch bin in die letzte Zeit die werthvollsten Urkunden in das germanische Museum in Nürnberg und das ReichsArchiv in München und in verschiedene andere Archive gewandert, immerhin befinden sich aber noch einzelne kulturgeschichtlich werthvolle Urkunden und Sammelbände darin. Unter dem Archive sind die geheimen Gefängnisse, welche einst nur Eingeweihten zugänglich waren. Entfernt man in einem Raume vor dem Archive ein dem Fußboden eingepaßtes Brett, so gelangt man über schmale und steile Stufen hinab zuerst in ein geräumiges Gemach, die einstige Folterkammer, wie noch einzelne halb verfaulte Marter-Werkzeuge und eine in der Decke befindliche Rolle zu einem Aufzug zeigen. Ein enger und niedriger, mit starken Thüren verwahrter Gang führt in einen noch tieferen Raum, der nur vermittelst einer langen Röhre von der Straße aus durch einen schwachen Lichtschimmer erhellt wird. Erst von diesem düsteren Raum kommt man in die eigentlichen engen, durchaus finsteren aber trockenen Gefängnisse; doppelte mit Eisen beschlagene Thüren verschließen ihre Zugänge. In einem derselben mußte im Jahre 1408 Rothenburgs größter Bürgermeister, des Verraths angeklagt, elend verschmachten, oder soll, wie die Sage geht, an Gift gestorben sein, welches ein alter, als Pilger verkleideter Waffengefährte ihm gebracht habe. Der letzte Unglückliche, der in einem dieser gräßlichen Gefängnisse geschmachtet haben soll, war ein Bauer namens Striffler aus Gailnau, der dann wegen Mordes an seiner Ehefrau anno 1804 gerichtet wurde.

Nach Besichtigung der Gefängnisse zeigt der Castellan gewöhnlich das alte sehr interessante Portal im Hofraum. Dasselbe, höchst schwungvoll komponirt, ist in reinem Styl ausgeführt, besonders die Schnitzereien der Thüre; leider ist der oberer Theil desselben vom Steinfraß beinahe ganz zerstört und fast unkenntlich geworden. Nun zurück, entweder auf dem bereits zurückgelegten Weg oder durch das kleine hintere Pförtchen des Rathhauses nach dem oberen Stocke. Die Decke des oberen Saales ist der unteren zwar ähnlich, aber viel schmuckloser als dieselbe. Reiche Holzsculpturen zeigen die Wände. Zwei weitere Bilder der Schleißheim’schen Gallerie und oberhalb einer Thüre solche dreier Grafen von Hatzfeld. In den Amtslokalitäten befinden sich das Bild des Bürgermeisters Rusch (bekannt durch seinen Meistertrunk), eine Ansicht der Stadt Rothenburg und das Innere Skt. Jakobskirche.

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