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Drunter und Drüber

Erich Sedlak

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2013 Erich Sedlak

ISBN 978-3-8442-6496-8

Der Sektionschef geht fremd

Frau Nebuchal: Wissen Sie schon das Neueste?

Mit dieser Frage eröffnete Frau Nebuchal ihren morgendlichen Smalltalk mit Herrn Witasek.

Frau Nebuchal: Eigentlich dürfte ich es Ihnen gar nicht erzählen, weil ich es selbst nur unter dem Siegel der allergrößten Verschwiegenheit erfahren habe.

Nachdem Herr Witasek bei Verlust seines Augenlichtes geschworen hatte, keinem Menschen von der Neuigkeit etwas weiter zu erzählen, erfuhr er von Frau Nebuchal, dass das im Gesellschaftsleben der Kleinstadt hochgeachtete Ehepaar Löschenkohl kurz vor der Scheidung stünde, weil ER SIE betrogen hatte.

Herr Witasek: Da bin ich aber zutiefst erschüttert, Frau Nebuchal! Gerade die Löschenkohls! Dieses Musterbeispiel einer der noch wenigen intakten Ehen!

Frau Nebuchal: Pst! Wenn Sie weiter so brüllen, weiß es bald die ganze Stadt!

Wenig später fragte Herr Witasek die ihm begegnende Frau Professor Mayerhofer:

„Wissen Sie schon das Neueste? Eigentlich dürfte ich es Ihnen gar nicht erzählen, da ich bei Verlust meines Augenlichtes geschworen habe, keinem Menschen davon etwas zu erzählen...

Frau Mayerhofer: Ich werde schweigen wie ein Grab! …

… so murmelte daraufhin Frau Professor Mayerhofer ihre Beteuerungsformal und gab überdies zu bedenken, dass sie auf dem linken Ohr schwerhörig sei.

Frau Mayerhofer: Was behaupten Sie da? Die Löschenkohls? Das ist ja unvorstellbar, dass der Sektionschef fremd gegangen ist! Noch dazu in seinem Alter! Na, hoffentlich wirkt sich die Scheidung bei ihren Zwillingen nicht nachteilig aus. Ich habe ja beide in meiner Klasse.

Am nächsten Morgen berichtete Frau Professor Mayerhofer Herrn Hofrat Wellan, - allerdings erst nach Ablegen seines Schweigegelübdes:

Herr Wellan: Alle Haare sollen mir ausfallen!

… dass die Zwillinge der Löschenkohls in mehreren Fächern mit einem Nichtgenügend abschließen würden, da deren Eltern kurz vor der Scheidung stünden.

Herr Wellan: Bestimmt steckt eine andere Frau dahinter, Frau Professor, oder irre ich mich?

Frau Mayerhofer: Eine andere Frau? Unter Umständen schon, Herr Hofrat! Unter Umständen schon!

Herr Wellan: Wissen Sie schon das Neueste?

… flüsterte Hofrat Wellan noch am selben Vormittag der Postbotin Aumacher über den Gartenzaun zu.

Frau Aumacher: Nein, noch nicht, doch Sie werden es mir gleich erzählen.

Herr Wellan: Behalten Sie es aber bitte für sich! Die Löschenkohls haben sich scheiden lassen, weil dieses alte Schwein in einer Wiener Absteige regelmäßig eine blutjunge Studentin trifft, die sich jetzt in anderen Umständen befindet. Außerdem fallen wegen dieser Tragödie die armen Zwillinge im Gymnasium durch.

Geheimnisträgerin Aumacher behielt ihr Geheimnis nicht lange für sich. Schon einige Briefkästen weiter verwickelte sie Frau Magersreiter in ein Gespräch, bei dem nach dem von ihr abgeleisteten Schwur …

Frau Magersreiter: Der Schlag soll mich treffen! …

… auch das Schicksal der Löschenkohls zur Sprache kam.

Frau Aumacher: Seit über einem Jahr führt dieser Sexualprotz in einer Wiener Luxuswohnung ein Doppelleben mit einer Geliebten. Doch herausgekommen ist die Affäre erst jetzt, weil sie von ihm ein Kind erwartet. Die Folge davon: die komplette Zerrüttung der Familie samt Scheidung. Übrigens: Wie ich gestern die Löschenkohl, gesehen habe, bin ich direkt erschrocken. Aufgedunsen ist sie wie ein Germknödel! Ich glaube, die hat mindestens fünf Kilo zugenommen. Außerdem fallen die armen Zwillinge im Gymnasium durch!

Frau Magersreiter zeigte sich entsetzt, als sie gleich darauf ihrem Mann von der Katastrophe Mitteilung machte.

Frau Magersreiter: Stell´ dir vor, schon seit Jahren hat der Sektionschef Löschenkohl eine Affäre mit einer Edelnutte, der er in Wien sogar ein Penthouse eingerichtet hat, und die jetzt von ihm hochschwanger geworden ist. Kein Wunder, dass seine Alte, aus Frust wegen der bevorstehenden Scheidung zehn Kilo zugenommen hat und zur Alkoholikerin wurde und ihre Zwillinge in die Hauptschule wechseln müssen.

So weit war das Gerücht bereits fortgeschritten, als Frau Leonseder, die dieses erst wenige Minuten zuvor von Herrn Magersreiter erfahren hatte, im Friseursalon die neben ihr sitzende Frau Löschenkohl fragte, wann eigentlich die Scheidung stattfinden würde. Wutentbrannt sprang diese auf und riss sich die Lockenwickler aus ihrer blond gefärbten Haarpracht.

Frau Löschenkohl: Aber das sind doch alles nur Gerüchte! Von wem haben Sie diesen unglaublichen Unsinn?

Erst nachdem Herr Löschenkohl Frau Leonseder androhte, gegen sie eine Ehrenbeleidigungsklage einzubringen, bequemte sich diese, ihre Informantin preiszugeben und löste damit einen Schneeballeffekt aus, der über das Ehepaar Magersreiter, die Postbotin Aumacher, den Hofrat Wellan, Frau Professor Mayerhofer, Herrn Witasek bis hin zu Frau Nebuchal führte. Diese leugnete jedoch hartnäckig, über die Angelegenheit auch nur jemals ein Sterbenswort verloren zu haben, als sie von Frau Löschenkohl noch am selben Tag angerufen wurde.

Frau Nebuchal: Ich kann doch nicht jedes Gerücht, das mir zugetragen wird, auch noch auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen… bevor ich es selbst weiter erzähle!

Herr Sektionschef Löschenkohl beauftrage daraufhin Rechtsanwalt Doktor Oberholzer an den involvierten Personenkreis Schreiben mit dem Hinweis zu versenden, jede weitere Verächtlichmachung der Löschenkohls in Hinkunft zu unterlassen, da man sonst gerichtliche Schritte unternehmen müsse. Einige Tage danach rief Oberholzer bei seinem Auftraggeber an, wo sich Frau Löschenkohl meldete.

Frau Löschenkohl: Hier Löschenkohl. Hallo?

Herr Oberholzer: Küss´ die Hand, gnädige Frau! Hier Doktor Oberholzer. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass an sämtliche Verleumder Briefe mit Berichtigung der inkriminierten Punkte versendet wurden. Ich darf diese kurz anführen: Erstens: Herr Löschenkohl hatte keine Geliebte, für die er in Wien ein Penthouse erworben hat. Zweitens: Herr Löschenkohl hatte keinen Geschlechtsverkehr mit seiner Geliebten. Drittens: Herr Löschenkohl hat daher auch kein uneheliches Kind. Viertens: Das Ehepaar Löschenkohl denkt nicht daran sich scheiden zu lassen. Fünftens: Die Zwillinge sind Vorzugsschüler. Sechstens: Frau Löschenkohl konsumiert Alkohol nur in ganz geringen Mengen und wenn sie in letzter Zeit ein wenig zugenommen hat, dann niemals zehn Kilogramm!

Noch ehe Frau Löschenkohl mit ihrem Redeschwall beginnen konnte, wurde sie von Oberholzer unterbrochen.

Herr Oberholzer: Entschuldigen Sie, gnädige Frau, könnte ich mit Ihrem Herrn Gemahl sprechen? Es ginge nämlich um die finanzielle Abwicklung.

Frau Löschenkohl: Meinen Mann wollen Sie sprechen, Herr Doktor? Tut mir Leid, aber der ist nicht da!

Herr Oberholzer: Aber das macht doch nichts, gnädige Frau. Soll sich der Herr Sektionschef bei mir melden, wenn er wieder zurück kommt.

Frau Löschenkohl: Zurück kommt? Das wird schwer gehen.

Herr Oberholzer: Und warum wird das schwer gehen?

Frau Löschenkohl: „Weil er nie mehr zurückkommen wird.

Herr Oberholzer: Nie mehr?

Frau Löschenkohl: Dieser Schuft hat mich heute Nacht verlassen!

Herr Oberholzer: Das kann doch nicht wahr sein, gnädige Frau!

Frau Löschenkohl: „Und ob! Stellen Sie sich vor: Schon seit Jahren hat dieses perverse Schwein eine Geliebte, der er in Wien ein Penthouse gekauft hat. Und jetzt erwartet diese Schlampe von ihm ein Kind!“

Herr Oberholzer: Aber das werden Sie sich doch nicht bieten lassen!

Frau Löschenkohl: Natürlich nicht, Herr Doktor! Würden Sie mich bei meiner Scheidung vertreten?

Herr Oberholzer: Mit Freuden, gnädige Frau!

Oberholzer schrieb, während er dies sagte, auf einen Umschlag die honorarträchtigen Worte: Löschenkohl gegen Löschenkohl.

Frau Löschenkohl: Aber bitte, Herr Doktor, machen Sie darüber nirgends auch nur die geringste Erwähnung.

Herr Oberholzer: Wo denken Sie denn hin, gnädige Frau. Außerdem bin ich ja an meine Schweigepflicht gebunden. Küss´ die Hand!

Nachdem Herr Doktor Oberholzer das Telefonat mit seiner neuen Klientin beendet hatte, ließ er sich mit seiner Frau verbinden.

Herr Oberholzer: Weißt du schon das Neueste, Bärli?

Frau Oberholzer: Spann´ mich nicht auf die Folter, Herzile…

Herr Oberholzer: Aber bitte, äußerst diskret behandeln! Soeben hat sie - die Löschenkohl - bei mir die Scheidung eingereicht! Was sag´st?

Frau Oberholzer: Dann hat die Nebuchal mit ihrem Gerücht also doch recht gehabt. Dieses alte Plappermaul!“

Falsch verbunden

Während eines gemütlichen Abendessens des Ehepaars Polak stört ein Telefonanruf die traute Zweisamkeit.

Ewald: Geh Traude, gib mir noch ein paar Schinkenfleckerl … schmecken köstlich…

Es läutet sein Handy.

 

Ewald: Hallo?

Ilona: Hallo, Schnauzibärli, warum rufst du mich nicht mehr an?

Ewald: Wer? Hallo? Wer spricht? Schnauzi? Wer? Bärli?

Ilona: Ich bin es, dein süßes Mausischweindi… erkennst du meine Stimme nicht?

Ewald: Ach so ja, entschuldigen Sie vielmals … die Verbindung ist gestört… Frau Magister Zingerl? Sie sind es doch?

Traude entschuldige … das ist geschäftlich … die Magister Zingerl von der Firma Uniplan … einer unserer wichtigsten Geschäftspartner aus Deutschland.

Ja, Frau Magister, was kann ich für Sie tun?

Ilona: Warum rufst du mich denn nicht mehr an, du Bastard! Und in der Firma lässt du dich von deiner Sekretärin auch verleugnen. Der Herr Diplomingenieur ist nicht zugegegen.

Ewald: Tut mir Leid, Frau Magister! Aber in letzter Zeit kam es bei uns zu einigen unvorhergesehenen Lieferverzögerungen, die wir aber im Lauf der nächsten Woche sicher wieder in den Griff bekommen werden.

Ilona: Du kannst also nicht reden … hockt deine Alte neben dir?

Ewald: Sozusagen, ja…es fällt uns daher schwer, im Moment klare Aussagen zu treffen. Wir werden unsere Kontakte aber selbstverständlich weiterhin vertiefen.

Ilona: Das möchte ich aber auch stark hoffen! Wann treffen wir uns wieder?

Ewald: Inwiefern?

Ilona: Liebst du mich nicht mehr, Ewald?

Ewald: Aber wie kommen Sie zu dieser völlig unbegründeten Annahme, Frau Magister? Keineswegs, um nicht zu sagen … also doch ja … aber da müsste ich schon etwas weiter ausholen.

Ilona: Dann tun Sie das bitte, Herr Haberzettl!

Ewald: Nun, Sie stellen derzeit Forderungen, die wir in dieser Form keinesfalls erfüllen können.

Ilona: Also kein Wochenende in Venedig?

Ewald: Aufwendige Geschäftsreisen sind aufgrund unserer äußerst angespannten budgetären Lage derzeit leider völlig unmöglich.

Ilona: Aber wenigstens ins Kino und nachher zum Chinesen?

Ewald: Diese Vorschläge kommen uns schon mehr entgegen, wobei wir die Beziehungen mit Peking durchaus in Frage stellen möchten.

Ilona: Was heißt das auf Deutsch?

Ewald: Wir sind zu der Meinung gekommen, liebe Frau Magister, dass unser Konzern auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen hat.

Ilona: Aber das ist doch lächerlich, Ewald!

Ewald: Nein, nein! Schon die geringste Indiskretion könnte auf unseren Aktienkurs fatale Auswirkungen haben.

Ilona: Ich muss dich aber unbedingt sehen!

Ewald: Dagegen haben wir auch nichts einzuwenden, Frau Magister. Auch von unserer Seite besteht allergrößtes Interesse an einer ungetrübten Kooperative.

Ilona: Dann kommst du morgen um sechs zu mir …

Ewald: So kurzfristig?

Ilona: Ja! Ich hab dir etwas Wichtiges zu sagen.

Ewald: Den Termin unserer Telekonferenz … morgen um achtzehn Uhr … den müsste ich aber vorher noch mit meinem Team abstimmen.

Ilona: Du meinst: Mit deiner Alten!

Ewald: Sozusagen … auch mit meinen engsten Mitarbeitern.

Ilona: Und wenn ich dich bitte, dich von ihr scheiden zu lassen? Meine Wohnung ist groß genug für uns beide.

Ewald: Aber das ist ja keine Alternative, Frau Magister!

Ilona: Du bist ein echtes Arschloch!

Ewald: Da irren Sie sich gewaltig … Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: die Trennung von unserer Partnerfirma in der Slowakei ist noch nicht spruchreif.

Ilona: Und wenn ich dir jetzt sage, dass ich schwanger bin?

Ewald: Aber Frau Magister, Sie werden in dieser Sache schon sehr emotionell, wenn ich das so sagen darf. Der eigentliche Anlass für Ihre Irritation liegt doch schon einige Zeit zurück.

Ilona: Das Baby ist aber von dir, Ewald! Von dir!

Ewald: Da muss ich heftig widersprechen, Frau Magister! Unser Unternehmen hat die Produktion von Miniaturmodulen schon seit über fünf Jahren eingestellt.

Ilona: Dann glaubst du also, dass ich, außer mit dir, auch noch mit anderen Männern…?

Ewald: Wir verfügen über durchaus zuverlässige Informationsquellen, Frau Magister … ich kann daher eine solche Vorgangsweise Ihrerseits keineswegs ausschließen.

Ilona: Du kannst mich mal…

Ewald: Auch das wäre ein durchaus erfreulicher Aspekt. Wie verbleiben wir also, Frau Magister?

Ilona: Erstens: Du tanzt hier morgen um sechs an. Zweitens: Du sagst alles deiner Frau! Drittens: Wir fahren übers Wochenende nach Venedig. Viertens…

Ewald: Dürfte ich einmal unterbrechen, Frau Magister?

Ilona: Nein! Ich möchte auch einmal ausreden!

Ewald: Aber die von Ihnen angeführten Punkte sind für uns völlig unannehmbar! Sie würden damit unser Unternehmen in den Konkurs treiben…

Ilona: Dann will ich jetzt mit deiner Frau sprechen!

Ewald: Der Herr Direktor ist zurzeit leider unabkömmlich und für niemanden zu erreichen. Ich danke für Ihren Anruf, Frau Magister.

Ilona: Weißt du, was du bist?

Ewald: Das will ich gar nicht wissen! Bis zum nächsten Mal…adieu!

Ewald beendet das Gespräch. Gleich darauf läutet sein Handy erneut.

Ewald: Ja! Hallo?

Ilona: Nix Hallo! Gib mir sofort deine Frau!

Ewald: Wie bitte? Wer spricht? Tut mir Leid … Da sind Sie falsch verbunden!

Ein Tisch für acht Personen

An einem sonnigen Nachmittag betritt eine Gruppe von acht Personen, angeführt von Frau Doktor Anita Wildfeuer, den lauschigen Gasthausgarten des Restaurants Schnötzinger, wo die Frühpensionierung eines Kollegen gefeiert werden soll. Da sich im Garten ausschließlich Tische mit zwei bzw. vier Sesseln befinden, beginnt man kurzerhand zwei der Tische zusammen zu schieben und zusätzliche Sessel dazuzustellen. Von der offenen Schanktheke aus beobachtet der Kellner Georg Tomsich einige Zeit lang das Geschehen, ehe er sich seufzend in Richtung der Gruppe in Bewegung setzt.

Kellner: (grantig) Was soll denn das da?

Wildfeuer: Das sehen Sie ja …

Kellner: Aber nicht gern!

Wildfeuer: Nachdem es sich bei uns um acht Personen handelt…

Kellner: … spielen wir ein bisserl Architekt…

Wildfeuer: Sie könnten uns gern behilflich sein, Herr Ober!

Kellner: Haben Sie gefragt, ob Sie das auch dürfen: „Tischerlrucken“?

Wildfeuer: Ist eh nichts reserviert.

Kellner: (laut) Das ist wurscht, ob was reserviert ist oder nicht! Mit Ihrer unbedachten Vorgangsweise bringen Sie meine gesamte Ordnung in Unordnung.

Wildfeuer: Welche Ordnung meinen Sie?

Kellner: Aus einem Zweiertisch und einem Vierertisch haben Sie mutwillig einen Achtertisch gemacht.

Wildfeuer: Genau! Weil wir nämlich einen Tisch für acht Personen benötigen.

Kellner: Da fragt man aber zuerst einmal den zuständigen Ober, oder?

Wildfeuer: (frech) Wo steht denn das geschrieben?

Kellner: Und noch dazu haben Sie von einem meiner Vierertische zwei Sessel weggenommen.

Wildfeuer: Na und? Wir sind zu acht!

Kellner: Mit anderen Worten: Ein früherer Vierertisch ist jetzt zu einem Zweiertisch zusammen geschrumpft.

Wildfeuer: Vierer- oder Zweiertisch. Ist das nicht völlig egal?

Kellner: (belehrend) Das ist nicht egal. Das ist nämlich genau eingeteilt nach den Tischnummern. Nach diesen wird die Konsumation boniert und wenn ich einen Vierertisch boniere, den Sie jetzt mutwillig zu einem Zweiertisch gemacht haben, oder wenn plötzlich ein Achtertisch, den es vorher nicht gegeben hat, auf einmal ohne Tischnummer auftaucht, dann stimmt mir nachher die ganze Abrechnung nicht.

Wildfeuer: So sind Sie doch nicht so penibel, Herr Ober! Das wird man doch irgendwie regeln können…

Kellner: Das kann man nicht irgendwie regeln! Oder waren Sie schon irgendwann einmal in Ihrem Leben gastronomisch tätig?

Wildfeuer: Das nicht. Ich bin Ärztin.

Kellner: Aha … Ärztin! Das ist auch keine Ausrede! Ich darf Sie daher ersuchen, die vorherige Tischordnung umgehend wieder herzustellen.

Wildfeuer: (mit Nachdruck) Na so weit kommt´s noch! Ich möchte sofort den Geschäftsführer sprechen!

Kellner: Der ist derzeit im Urlaub.

Wildfeuer: Oder jemand anderen Kompetenten.

Kellner: (stolz in Positur) Den sehen Sie leibhaftig vor sich!

Wildfeuer: (übergibt dem Kellner einen Fünfeuroschein) Ist jetzt Ihre (ironisch) vorherige Tischordnung wieder einigermaßen hergestellt?

Kellner: Noch nicht ganz, gnädige Frau…

Wildfeuer: Jetzt vielleicht? (sie übergibt dem Kellner einen weiteren Fünfeuroschein, den dieser achselzuckend einsteckt)

Kellner: Jetzt ist schon besser! Was darf´s denn sein, die Herrschaften?

Wildfeuer: Wer trinkt von Euch ein Bier? (zählt ab) Drei Krügel… und dann… dann noch vier Seiterln … und mir bringen Sie bitte einen Pfiff.

Kellner: (verächtlich) Einen Pfiff? Kommen Sie wieder zu uns, wenn Sie einen Durst haben.

Wildfeuer: Dann nehme ich als Getränk ein Glas Leitungswasser.

Kellner: Ein Glas Leitungswasser? Das gilt bei uns als kein Getränk. Das servieren wir nur zum Kaffee.

Wildfeuer: Dann bitte einen Kaffee mit Wasser. Und was gibt es bei Ihnen zu essen?

Kellner: Wenig. Unsere Küche öffnet erst wieder um achtzehn Uhr.

Wildfeuer: Was heißt: Wenig?

Kellner: Kleine Imbisse: Saure Presswurst, Frankfurter, Schnittlauchbrot, Rollmöpse…

Wildfeuer: Aber das kann doch nicht wahr sein! Und so was nennt sich Restaurant?

Kellner: Entspannen Sie sich, meine Gnädigste. Was darf ich bringen?

Wildfeuer: Gar nichts dürfen Sie bringen, Sie, Sie Monster von einem Ober!

Kellner: Ohne Bestellung dürfen Sie aber da nicht länger sitzenbleiben.

Wildfeuer: (springt auf) Das haben wir auch nicht vor!

Kellner: Sondern?

Wildfeuer: Wir verlassen diese ungastliche Spelunke.

Kellner: Bitte sehr! Bitte gleich!

Wildfeuer: (laut) Uns sehen Sie hier niemals wieder!

Kellner: (nachrufend) Na hallo, und wer schiebt jetzt die Tische wieder auseinander?

Drei Wochen später: Georg Tomsich, bekleidet mit einem dunkelblauen Anzug und weißer Margarite im Knopfloch, betritt ein Kaffeehaus. Er blickt suchend um sich, bis er eine Dame entdeckt, die am Revers ihrer Kostümjacke ebenfalls eine weiße Margarite befestigt hat. Zögernd tritt er näher.

Tomsich: Darf ich vielleicht stören, gnädige Frau?

Wildfeuer: (blickt von der Zeitung auf) Ja, bitte?

Tomsich: Ich bin nämlich die Margarite… die von unserem Blinddate… und nachdem auch Sie (zeigt) eine Margarite tragen. Nicht ganz zufällig, wie ich annehme?

Wildfeuer: Nein, nicht ganz zufällig.

Tomsich: Wir beide haben uns für heute verabredet. Sechzehn Uhr. Cafe Raimund. Und hier bin ich.

Wildfeuer: Ach, Sie sind das? (nach einer Schreckminute - entsetzt) Sie sind das?

Tomsich: (erschrocken) Was haben Sie denn? Schau ich so schrecklich aus?

Wildfeuer: (stockend) Aber Sie sind doch …

Tomsich: (verbeugt sich) Tomsich, Georg Tomsich

Wildfeuer: Sie sind doch dieser unmögliche Mensch… dieses Monster…

Tomsich: Welches Monster?

Wildfeuer: Na, dieser Ober … vom Gasthausgarten Schnötzinger.

Tomsich: Da muss es sich um eine Verwechslung handeln, gnädige Frau.

Wildfeuer: Der mit den zusammen geschobenen Zweier- und Vierertischen……..

keine drei Wochen ist das her.

 

Tomsich: (unsicher) Ach ja jetzt kann ich mich wieder dunkel erinnern. Sie waren doch diese Dame, die eigenmächtig die Tische …

Wildfeuer: (nachäffend) Spielen wir ein bisserl Architekt…

Tomsich: Ich war damals ziemlich im Stress... der Garten voller Leut´ und noch dazu war ein Kollege erkrankt.

Wildfeuer: (wütend) Und Sie wagen sich hierher zu einem Blinddate und noch dazu mit dieser komischen Margarite im Knopfloch?

Tomsich: Das mit der komischen Margarite war aber Ihre Idee, gnädige Frau.

Wildfeuer: (heftig) Ich lege keinen Wert auf Ihre Bekanntschaft! Außerdem habe ich in meiner Email ausdrücklich betont, dass ich wünsche, einen Akademiker kennenzulernen.

Tomsich: Ich bin Akademiker.

Wildfeuer: Sie und Akademiker? Der ungalante Kellner!

Tomsich: Aushilfsweise, gnädige Frau. Nur aushilfsweise. In Wirklichkeit bin ich Jurist.

Wildfeuer: Ach was! Erzählen Sie Ihre Lügenmärchen doch jemand anderen.

Tomsich: Das sind keine Märchen, sondern die nackte Wahrheit!

Wildfeuer: (schnaubend) Lassen Sie mich bitte in Ruhe.

Tomsich: Ich kann aber alles aufklären, gnädige Frau Darf ich mich für einen Augenblick zu Ihnen setzen?

Wildfeuer: (einlenkend) Aber wirklich nur für einen Augenblick!

Tomsich: Danke! Also früher, das war vor etwa zwei Jahren, und noch vor meiner nicht gerade ruhmreichen Episode als Kellner … inzwischen wurde ich dort gekündigt…

Wildfeuer: Kein Wunder!

Tomsich: …da war ich in der Rechtsabteilung der Bank Austria in führender Position tätig, von wo man mich aber von heute auf morgen eiskalt wegrationalisiert hat … aus Altersgründen. Dabei bin ich noch keine sechzig…

Wildfeuer: Das ist bedauerlich…

Tomsich: Sie meinen mein Alter?

Wildfeuer: Aber nein, Ihre Kündigung…

Tomsich: Ach ja Wenn das aber nur alles wäre…

Wildfeuer: (neugierig) Was war sonst noch?

Tomsich: Aufgrund meiner plötzlich eingetretenen verminderten finanziellen Situation hat mich dann auch noch meine Frau verlassen… und plötzlich war ich mutterseelenallein.

Wildfeuer: Sie Ärmster! Mir kommen gleich die Tränen.

Tomsich: Darf ich Sie zu einem Glas Sekt einladen, gnädige Frau?

Wildfeuer: Erlaubt das Ihre (betont) verminderte finanzielle Situation?

Tomsich: Herr Ober, eine piccolo Flasche Sekt, bitte! Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie Ärztin?

Wildfeuer: AKH… Röntgenologie…

Tomsich: Also deswegen durchschauen Sie alles so rasch…

Wildfeuer: Und weil Sie sich damals so mutterseelenallein fühlten, haben Sie gechattet?

Tomsich: Und wie! Nächtelang bin ich vor dem Computer gesessen. Da glaubt man, man ist allein so allein, und plötzlich sind es so viele andere auch. Und nächtelang habe ich umsonst gesucht. Aber als ich dann auf Sie gestoßen bin im Chatroom, da habe ich mir gleich gedacht…. diese Wellenlänge… dieser Gleichklang der Seelen…

Wildfeuer: Sie Schmeichler…

Tomsich: Sehr zum Wohl, gnädige Frau… ich freue mich, dass das Schicksal uns hier und heute zusammengeführt hat.

Wildfeuer: Anita…

Tomsich: Was? Wie? Ach so, ja gern… Anita… und wenn Sie, Du, wen Du zu mir Georg sagen möchtest…

Wildfeuer: Prost, lieber Georg!

Eine Woche später. Anita Wildfeuer und Georg Tomsich betreten an einem sonnigen Nachmittag Hand in Hand den Gasthausgarten des Restaurants Schnötzinger.

Wildfeuer: Dass du unbedingt wieder da herkommen willst, Georg … so schön ist es beim Schnötzinger auch wieder nicht.

Tomsich: (schwärmerisch) Schon aus reiner Nostalgie wollte ich, Anita … immerhin sind wir uns hier zum ersten Mal in unserem Leben begegnet.

Wildfeuer: Und noch dazu unter skurrilen Umständen… wie fürchterlich du dich darüber aufgeregt hast, dass wir die Tische zusammen geschoben haben…

Tomsich: (küsst sie auf die Wange) Ich kann mich noch genau erinnern. Die beiden Tische dort drüben waren es … die unter den Nussbäumen.

Wildfeuer: (kichernd) Und zum Essen hast du uns Saure Presswurst und Rollmöpse angeboten…

Tomsich: Weil die Küche noch geschlossen war! Worauf du und die anderen wütend auf und davon seid. Und du hast geschrien: Mich sehen Sie hier niemals wieder!

Wildfeuer: Ja, ja, mein Lieber, so kann man sich irren. Ah, da kommt der Ober…

Tomsich: Der Kollege Bertl! Grüß dich! Nein, wir haben nichts reserviert, aber wir hätten gern einen schattigen Tisch … vielleicht den dort drüben unter den Nussbäumen…

Wildfeuer: (zärtlich) Einen Tisch bitte… aber nur für zwei Personen!

Sie umarmen und küssen sich.