Sonntagsgedanken, Lesejahr B - eBook

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Hochfest der Erscheinung des Herrn
(Mt 2,1-12)

Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria,

seine Mutter.

Das Kind finden

Schon der Engel sagte:

„Ihr werdet ein Kind finden“.

Und die Hirten und die Magier fanden das Kind.

Dieses Finden ist mehr

als nur ein äußeres Finden:

Es ist ein inneres Finden,

ein inneres Herausfinden

der inneren Wirklichkeit,

die sich im äußeren Geschehen verbirgt.

Heute stehen drei Menschen an der Krippe;

„Magier“ nennt sie das Evangelium.

Magier sind Menschen,

die mit den Wirklichkeiten

in den Dingen und hinter (über) den Dingen

vertraut sind.

„Sterndeuter“, „Weise“, „Könige“

werden sie weiterhin genannt.

Sterndeuter sind vertraut

mit der Einheit des ganzen Kosmos.

Die Weisen kennen die inneren Zusammenhänge

des irdischen Geschehens,

und sie erkennen darin eine tiefe, ewige Wahrheit;

die Könige schließlich haben die Aufgabe,

die Kraft aus der Höhe den Menschen zu vermitteln.

(Die trichterförmige Krone ist ein Symbol dafür.)

Alle drei haben die Einsicht,

daß die Erfüllung der Sehnsucht des Menschen

schon in dieser Welt zu finden sein müsse.

So machen sie sich auf die Suche,

geführt vom Stern der Sehnsucht,

der die Kraft der Hoffnung

in sich birgt und ausstrahlt.

Die drei Magier

vertreten die drei damals bekannten Erdteile:

Afrika, Asien und Europa.

Der Stern der Hoffnung

kann jedem Menschen immer und überall aufgehen,

schon lange bevor er das Kind gefunden hat.

Dieser Stern motiviert zum Aufbruch;

dieser Stern, die gemeinsame Hoffnung,

führt die Menschen zusammen,

und sie werden gemeinsam das Kind finden.

Dieser Weg führt äußerlich über Jerusalem –

die Stadt,

die die bisherige Geschichte Gottes in sich vereint.

Aber sie müssen weiter gehen, wieder dem Stern folgen, der sie zum Aufbruch bewegte. Auch die Weisen in Jerusalem geben den Hinweis, daß das Heil nicht in Jerusalem, sondern in Betlehem (der „Stadt Davids“) zu finden sei.

Nun finden sie das Kind

und sie „finden heraus“:

Hier ist die Erfüllung der Sehnsucht aller Menschen;

in diesem Kind ist die ewige Liebe verkörpert.

Und sie huldigen ihm;

sie zeigen dem Kind ihre Ergebenheit:

Gott, die Liebe,

ist Ursprung aller Wirklichkeiten,

Ursprung der Einheit alles Geschaffenen,

Ursprung aller Weisheit,

Ursprung aller Macht und aller Kräfte,

die dem Menschen zum Heile dienen.

Der Rückweg ist nun ein anderer;

er führt nicht mehr über Jerusalem:

Die Wege Gottes zur Welt und in der Welt

- und damit die Wege des Menschen zu Gott –

sind so vielfältig wie die Menschen selbst.

Gott selbst warnt vor der Verabsolutierung

eines „alleinseligmachenden“ äußeren Weges zu Gott.

Jeder muß seinen Weg gehen,

an dessen Ziel er das Kind findet.

Doch innerlich sind alle Wege eins:

Bewegt von der Sehnsucht,

sind wir alle unterwegs

zur Erfahrung der ewigen Liebe.

Haben wir Gott erfahren,

dann führt uns der „Rückweg“

wieder in die Welt,

jeden an seinen Platz,

wo jeder die Liebe bezeugt durch sein Leben,

von der Nächstenliebe bis hin

zur prinzipiellen Feindesliebe.

Hinweg und Rückweg

werden schließlich eins

als die „Schwingungen“ der ewigen Liebe

in unserer lieblosen Welt.

Herr, gib mir die Kraft zum Aufbruch und zum Weitergehen, auch wenn ich mich nicht mehr hinaussehe und keinen Stern mehr erblicken kann.

Sonntag nach dem 6. Januar–
Taufe des Herrn (Mk 1,7-11)

„Er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.“

Neu geboren werden

Johannes tauft „nur“ mit Wasser.

Wasser ist bei ihm vor allem Symbol der Reinigung.

Der Mensch braucht Umkehr, Buße und Erneuerung,

wenn es anders und besser werden soll im Leben.

Er muß sich trennen von der Herrschaft der angeborenen

egoistischen, materialistischen und rationalistischen

Denk-und Handlungsprinzipien.

Um ein neuer Mensch zu werden,

muß ich mich vom alten Menschen,

- von meinem Ego-Ich –

verabschieden.

Die Bußtaufe ist zunächst

Symbol der Ablösung und Trennung.

Nur wenn der „alte Mensch“ abnimmt,

kann der „neue Mensch“ zunehmen.

Jesus taucht in das Taufwasser des Johannes.

Er bereichert und verwandelt das Wasser:

Das Wasser der Buße

wird durch sein „Einsteigen“ in das Bußgeschehen

zum Wasser des Lebens.

Jesus, der getaufte Täufer:

Durch das Sich-taufen-Lassen

geht J esus selbst ein in das Taufwasser,

und so wird er selbst zum neuen Täufer,

der mit der Feuerkraft des Hl. Geistes taufen wird.

Durch Jesus bekommt die Bußtaufe

zusätzlich eine neue Bedeutung:

Leer (Frei-)-werden und Erfüllt-werden,

Loslassen und Empfangen,

Sterben und neu Geboren-werden

sind im Symbol der Jesustaufe vereint.

Im Gespräch mit Nikodemus

sagt Jesus den fundamentalen Satz:

„Wenn jemand nicht von neuem geboren wird,

kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Mit unseren angeborenen, aus dem „Fleisch“ stammenden, irdischen Denk- und Lebensprinzipien können wir Gott nicht sehen und erkennen. Unsere angeborenen Prinzipien sind: Vernunft; Leistung, Lohn; Strafe, Vergeltung, Sühne. Wir wollen immer mit unserem angeborenen Denken Gott erfassen, und so entstehen die falschen und verzerrten Gottesbilder: vom strafenden, beleidigten und zornigen Gott, vom grausamen Sühneopfertod Jesu, durch den der himmlische Vater wieder versöhnt wird. Wir projizieren unser angeborenes Vergeltungs- und Rachedenken in Gott hinein, und so entsteht ein Gottesbild, das bei sensiblen Menschen Höllenängste bis zur Neurose erzeugt und bei robusten Pharisäismus und Buchstabenmoral bewirkt.

Wenn wir Gott sehen wollen,

muß unser Denken, unser ganzes Lebensprinzip

neu geboren werden – nicht aus dem „Fleisch“,

sondern durch den Glauben an Jesus

und an die in ihm verkörperte absolute Liebe,

die allen alles immer verzeiht.

Das Wasser ist bei Jesus nunmehr das Symbol

für den Geist Gottes,

aus dem wir durch den Glauben

neu geboren werden, „aus Gott“,

damit wir nun als „Kinder Gottes“,

als „neue" Menschen „gottartig“ leben.

Die neue Lebenskraft kommt aus dem Bewußtsein,

mit ewiger Liebe unverlierbar geliebt zu sein,

untrennbar gebunden an die Bereitschaft,

auch allen alles zu vergeben

so wie Gott,

der seine Sonne aufgehen läßt

über Guten und Bösen,

auch alles vergibt.

Das „alte“, angeborene Denken

wird durch das neugeborene Denken

nicht ausgeschaltet oder verdrängt,

sondern überformt und verwandelt:

Meine Vernunft kann nun der Liebe dienen.

Wenn ich bei Gott

nicht mehr an Rache, Lohn und Strafe denken muß,

kann ich alles, auch Leid und Tod,

und all das, was ich noch nicht verstehe, annehmen,

ohne daß ich an seiner Liebe zweifeln muß.

Auch meine Sinne werden neu geboren,

befreit von Angst und Zwang und Sucht.

Das irdisch-sinnlich-Vergängliche

wird zum Zeichen und zum Erfahrungsort

der ewigen Liebe.

Herr, laß mich als deine Neugeburt nie wieder untergehen in den Angsten und Nöten des alten todgeweihten Lebens.

Die Fastenzeit
Aschermittwoch (Mt 6,1-6.16-8)

„Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest,

und schließ die Tür zu.“

In sich gehen

Fastenzeit eine besondere Zeit der „Einkehr“, wenn „ich in mich“ gehe, wenn ich zu mir selbst komme, wenn ich mich „be-suche“, um mich, mein Selbst, in mir zu finden abgeschieden vom Betrieb der Außenwelt.

Was finde ich,

wenn ich den Mut habe,

mit möglichst wenig Selbstbetrug

in mich zu gehen,

um mein Inneres wahrzunehmen?

Ich stoße auf meine Schuld und Sünde.

„Sünde“ ist hier nicht

im Sinn moralischer Schuld zu verstehen,

sondern im Sinn existentieller Schuld (KarIJaspers). „Sünde“ („Sonderung“) ist meine Zerrissenheit, mein Uneinssein mit mir selbst, mit Gott und mit den Menschen und der Welt. Dieses Uneinssein wirkt sich aus als Soll-Spannung, als Schuld (von sculan = sollen); ich erlebe sie als Angst, als Ärger, Haß und Unzufriedenheit, als Rachsucht, Streitsucht, Eifersucht ...

Aber gerade meine Schuld ist der Ort,

wo Gott als mein „Erlöser“ in Erscheinung tritt,

indem er mich „bis zum letzten“ liebt,

bis zur Identifikation mit meiner Schuld.

Wenn ich in mich gehe,

wenn ich meine Schuld wahrnehme und annehme,

finde ich in ihr

nicht die zu erwartende Vernichtung,

sondern Gott: Schuld als Ort tiefster Gotteserfahrung– freilich für den, der an die absolute Liebe glaubt. Von Gott her ist der Ungläubige genauso geliebt wie der Gläubige; er hat es nur noch nicht erfahren.

Die Erlösungstat Gottes durch Jesus Christus

hat Paulus in der heutigen Lesung

 

in wohl unüberbietbarer Dichte und Knappheit

so ausgedrückt:

„Er hat den, der keine Sünde kannte,

für uns zur Sünde gemacht,

damit in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21). Mit einem Wort: Jesus, der „sündelose Sünder“. „Zur Sünde gemacht“ heißt: ganz eins gemacht mit unserer Sünde und dadurch eins mit uns Sündern.

Gott liebt uns genauso, wie wir sind.

Er „importiert“ auf diesem Weg

seine Gerechtigkeit in unsere Schuld.

Seine „Gerechtigkeit“ ist seine Barmherzigkeit,

die in der Verschmelzung mit unserer Schuld – unsere Schuld in Barmherzigkeit, das heißt in die „Gerechtigkeit Gottes“ verwandelt. Von „Strafe“ und „Sühneopfer“ ist hier nicht mehr die Rede.

Die menschlichen Vorstellungen,

die sich in diesen Begtiffen spiegeln,

sind in dieser mystischen Tiefe überwunden.

Man könnte hier Paulus

mit der mehr johanneischen Mystik

von Licht und Finsternis vergleichen:

Wenn sich Finsternis und Licht vereinen,

wird nicht das Licht verdunkelt,

sondern die Finsternis in Licht verwandelt.

So kann Paulus schließlich sagen:

„Überwindet das Böse durch das Gute“ (Röm 12,21) in dem Sinn: Verbindet das Böse mit dem Guten.

Herr, gib mir durch deine Liebe den Mut, mich so zu sehen und zu nehmen, wie ich bin, damit meine Schuld durch dich in Liebe verwandelt wird.

Erster Fastensonntag (Mk 1,12-15)

Er lebte bei den wilden Tieren.

Bewährt sein

Wüste und Wasser

sind als Symbole doppeldeutig:

Orte der Dämonen und Orte der Gotteserfahrung;

Orte der Bewährung,

Das „Leben bei den wilden Tieren“

kann man zunächst „franziskanisch“ deuten,

daß die wilden Tiere

in der Nähe Jesu zahm wurden,

Man kann die wilden Tiere

aber auch als das „Tierische“ im Menschen deuten,

mit dem sich Jesus als Mensch

auch auseinandersetzen mußte.

Beim Menschen sind die Triebimpulse

und das Triebverlangen

auch vorhanden wie beim Tier; aber sie sind nicht begrenzt wie beim Tier. Die Triebhemmungen muß der Mensch in seiner Verantwortung mit den geistigen Kräften selbst aufbauen.

Diese Kräfte sind „die Engel, die ihm dienen“.

Engel sind „Boten Gottes“,

in denen die Kraft der Liebe

und die Weisheit der Gedanken Gottes wirkt.

Alle Geschöpfe – auch Gedanken können „Engel“ werden, wenn sie die Liebe Gottes vermitteln. Unsere Engelsbilder stellen Engel meistens als Menschen dar mit strahlendem Aussehen und mit Flügeln. Die Flügel sind das Symbol der Bewegung von Gott zum Menschen und vom Menschen zu Gott.

Der Satan erscheint in der Bibel

vor allem als Prüfer,

der den Menschen herausfordert

und in die Bewährung zwingt.

Wir spüren den Satan selbst immer wieder

als spontane Kraft in der Vernunft,

die uns mit „vernünftigen Argumenten“ verleiten will

vom Vertrauen zum Berechnen,

vom Vergeben zum Vergelten,

von der Liebe zum rücksichtslosen Egoismus.

Jesus besteht die Prüfung.

Prüfungen des Lebens sind immer verbunden

mit der Versuchung,

nach egoistischen Prinzipien zu denken

und zu handeln.

Bei unseren Prüfungen

muß uns immer bewußt bleiben,

daß nicht Gott unsere Prüfungen braucht,

sondern wir zu unserer Selbsterfahrung und zur Stabilisierung unseres Selbstbewußtseins, das heißt zu unserer Bewährung vor uns selbst. Gott kennt uns schon von Ewigkeit; aber wir müssen uns durch ihn erst kennenlernen.

Als der Bewährte mit „göttlicher Selbstsicherheit“

tritt Jesus nun auf in der Öffentlichkeit.

„Die Zeit ist erfüllt“:

Mehr als das, was Jesus ist,

kann es in unserer Zeitlichkeit nicht mehr geben.

Jesus „zeitigt“ die ewige Liebe;

in ihm wird sie zeitlich erfahrbar.

„Das Reich Gottes ist nahe“:

„Reich“ ist immer auch „Be-reich“;

der Bereich Gottes ist die Nähe.

Jesus selbst ist die menschliche Nähe Gottes.

In seiner Berührung erfahren die Menschen Heil und Heilung.

Durch die Jesuserzählungen, die uns „zu Herzen“ gehen,

berührt uns Jesus heute noch und immer.

Für den Glaubenden ist jede menschliche Berührung,

die zu Herzen geht,

Berührung von ihm.

„Kehrt um

und glaubt an das Evangelium.“

Jesus zwingt nicht zur Umkehr

durch Drohung und Gewalt;

er bewegt die Menschen zur Umkehr

durch die Kraft seiner Überzeugung

und seines Zeugnisses.

Der Glaube an die absolute Liebe

wird in unserer Welt nur möglich

durch das Zeugnis eines bewährten Glaubens.

Herr, führe mich durch die Prüfungen meines Lebens zur Bewährung meines Glaubens und zur Glaubwürdigkeit meines Zeugnisses.

Zweiter Fastensonntag (Mk 9,2-10)

Aus der Wolke rief eine Stimme:

„Das ist mein geliebter Sohn.“

Durchblicken können

Im Leben geraten wir oft in Situationen,

die uns Angst machen und uns alle Hoffnung rauben.

Es kommt so oft alles ganz anders,

als wir es uns vorgestellt und erhofft haben.

In der Verklärungsgeschichte Jesu

wird das Ostergeschehen „in Aussicht gestellt“,

damit wir die Angst,

die die Passion Jesu erzeugt,

überwinden können,

damit wir überhaupt lernen,

„gegen alle Hoffnung zu hoffen“.

Die Namen Mose und Elija

erinnern an ähnliche Situationen

in der Glaubensgeschichte Israels.

Angst entsteht immer,

wenn man „sich nicht mehr hinaussieht“,

wenn liebgewordene Gedanken, Vorstellungen und Pläne

jählings abgebrochen werden,

so daß man nicht mehr „weitersehen“ kann.

Wenn dann nicht

„von irgendwoher ein Lichtlein kommt“,

läuft man Gefahr,

in der Angst unterzugehen.

Ich kann der Angst nicht entgehen,

indem ich sie verdränge

oder auf andere übertrage und abwälze;

ich muß selber „durch“.

Und da brauche ich Licht auf der anderen Seite,

damit ich durch die finstere Röhre der Angst hindurchkomme.

Jesus ist die Lichtgestalt

für alle Ängste.

Oft brauche ich allerdings sehr lange,

bis ich dieses Licht sehen kann,

weil es von ganz woanders herkommt,

als ich es erwarte.

Die Andersartigkeit dieses Lichtes

kann aber sogar die Angst verstärken:

Das Licht ist schon da;

ich stehe schon im „Schatten der Wolke“;

ich bin noch „benommen von Furcht“,

bis ich das Licht (in der Lichtgestalt)

erkennen kann.

In der Lesung heute hören wir

die grausame Prüfungs geschichte von Abraham und Isaak,

die in der Osternacht wiederholt wird.

Wenn wir die Geschichte auf Gott beziehen,

bleibt sie schlechterdings inakzeptabel:

Grausamer kann man sich einen Menschen

auch nicht mehr vorstellen!

Gott macht Angst!

Wir haben schon gesehen,

daß nicht Gott unsere Prüfungen braucht,

sondern wir.

Wir erleben immer wieder,

daß wir das Liebste,

auf das wir irdisch gesehen ein Anrecht haben, hergeben müssen. Isaak steht nicht nur für „Sohn“, sondern für die ganze von Gott selbst verheißene Zukunft. Im Glauben an die ewige Liebe können wir vielleicht erahnen: Wenn alles, was wir sind und haben, Geschenk Gottes sein und bleiben soll, müssen wir es uns immer wieder neu und anders von Gott schenken lassen. Dazu ist immer wieder das Loslassen nötig, das härteste Grausamkeit bedeuten kann, die nur in einem noch größeren Glauben und Vertrauen verkraftet werden kann.

Viele Menschen zerbrechen irdisch gesehen am Leid. Viele bleiben im Leid „stecken“. Es ist aber nicht zu leugnen, daß es Menschen gibt, die glaubwürdig bezeugen, daß sie im tiefsten Leid die Liebe Gottes am tiefsten erfahren haben. Je tiefer die Finsternis, desto heller das Licht. Bei allen Überlegungen bleibt schließlich die letzte Warum-Frage ungelöst.

Der verklärte Jesus

das licht auf dem Weg

vom Angst machenden

zum von aller Angst befreienden Gott.

Dieser Weg bleibt keinem erspart.

Es ist der Weg vom angsterregenden Geheimnis Gottes

(„mysterium tremendum“),

zum überwältigenden Geheimnis der liebe Gottes

(„mysterium fascinosum“).

Hätten wir nicht die Hoffnungsgewißheit,

daß im Tod jedem Menschen

„das ewige Licht leuchtet“,

dann müßten wir vor Angst vergehen.

Alle Menschen, die bewußt und glaubwürdig leben,

aber nicht vor Angst vergehen,

sind Zeugen für das Ewige Licht

in unserer Welt.

Herr, sei du mein Licht, das mich durch meine Ängste und Zweifel immer mehr in deine Nähe führt.

Dritter Fastensonntag (Joh 2,13-25)

„Reißt diesen Tempel nieder,

in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“

Gott im Menschen suchen

Es schockiert uns zunächst, wenn wir sehen,

wie Jesus, der die absolute Liebe verkörpert,

mit der Geißel dreinschlägt.

Wie soll man das verstehen?

Manche suchen hinter der Geschichte

von der Tempelreinigung

den Versuch eines politischen Aufstandes.

Was immer geschehen oder nicht geschehen sein mag –

hier wird doch einiges deutlich.

Solange die Menschen noch nicht fähig sind,

nach dem Prinzip weltweiter Toleranz und Solidarität

friedlich zu leben,

ist Gewalt das „letzte Mittel“, das „kleinere Übel“,

um noch größeres Unheil zu vermeiden.

Entscheidend ist dabei,

daß die Menschen, die Gewalt anwenden,

dies als Übel erkennen

und daß sie dennoch überzeugt bleiben

vom Prinzip der Liebe und der Gewaltlosigkeit.

Die Gewaltanwendung eines liebenden Menschen

wirkt anders und bewirkt anderes

als die Gewaltanwendung eines hassenden Egoisten.

Das Einschreiten Jesu im Tempel

gilt der Korrektur des Gottesbildes.

Alle „heiligen Kriege“ und letztlich alle Kriege

- im großen wie im kleinen –

entspringen einem falschen

oder einem fehlenden Gottesbild.

Gott ist kein Handelspartner für den Menschen;

seine Liebe ist nicht käuflich.

Gott braucht keine Opfer,

blutige schon gar nicht.

Wir brauchen Gott nicht umzustimmen.

Gott ist die absolute Liebe,

und diese Liebe ist keinen Launen unterworfen.

Die absolute Liebe kann man gar nicht umstimmen;

sie ist grenzenlos und ewig.

Gott braucht Menschen, die bereit sind, „Tempel“ Gottes zu werden – Menschen, die sich dazu hergeben und dafür hingeben, Gott in sich aufzunehmen und zur Auswirkung in der Welt zu bringen.

Die Hingabe an Gott

ist von der Hingabe an die Menschen nicht zu trennen.

Auch umgekehrt gilt:

Jede echte Hingabe an die Menschen ist

– auch unbewußt –

Hingabe an Gott.

Beim Tod Jesu reißt der Vorhang des Tempels entzwei:

Das alte Allerheiligste ist preisgegeben,

der Tempel ist leer.

Er ist nicht mehr der Ort, wo Gott wohnt.

Wer Gott sucht,

braucht nicht mehr in den Tempel zu gehen.

Der unvertauschbare Ort, wo Gott wohnt,

ist Jesus,

der Mensch, der sein Leben

dem Haß der Menschen hingegeben hat,

um ihnen die Liebe Gottes zu offenbaren,

die stärker ist als der Haß.

Wer diese Liebe erkennt, annimmt

und sich (wenigstens prinzipiell) davon erfüllen läßt,

wird ein „Christ“,

ein Tempel des Tempels,

ein irdischer Tempel,

in dem Jesus, der ewige Tempel Gottes, „eingebaut“ ist.

„Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid

und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16).

Wer von Gott reden will,

wird nun immer vom Menschen

und von Jesus reden müssen.

Unsere „Gotteshäuser“ sind zunächst das Symbol,

daß Gott selbst unser „Haus“ ist, in dem wir „wohnen“.

Sie sind ferner der Ort,

an dem „Gott als Jesus“ gegenwärtig ist

 

in der Versammlung der Gläubigen

und im Symbol des Brotes.

Herr, laß mich bei dir geborgen sein, laß mich zur Stelle sein und zur Stelle werden, damit die Menschen, die dich suchen, dich auch bei mir finden können.

Vierter Fastensonntag (Joh 3,14-21)

„Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt,

damit er die Welt richtet,

sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

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