Flora Flitzebesen - Band 5

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Aus der Reihe: Flora Flitzebesen #5
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Flora Flitzebesen - Band 5
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Unserem lieben Kater Findus

E. L.

In dieser Reihe erschienen:


Entdecke die Welt von Flora und ihren Freunden:

www.flora-flitzebesen.de

eISBN 978-3-649-63100-2

© 2018 Coppenrath Verlag GmbH & CoKG, Hafenweg 30, 48155 Münster

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise

Text: Eleni Livanios

Illustrationen: Eleni Livanios

Lektorat: Sara Mehring

Satz: Helene Hillebrand

www.coppenrath.de

Das Buch erscheint unter der ISBN 978-3-649-62455-4.

Inhalt

Ein eisiger Winter

Zoff und Zauberei

Calendulas Vorahnung

Die Spion-Bande

Verhexte Nachrichten

Eine abenteuerliche Reise

Das Drachendorf

Ein wilder Ritt

In der Höhle des Dragorus

Vanillekipferl und Schneeballschlacht

Der große Zaubereiwettbewerb

Das Winterwendfest


Ein eisiger Winter

Die Sonne hatte es heute nicht geschafft, ihre Strahlen durch den dichten Nebel zu schicken. Kühl und vereist lag das Hexenrosental da. Geschneit hatte es in diesem Jahr noch nicht, aber der Frost hatte überall winzige weiße Kristalle gebildet, sodass die Landschaft aussah, als wäre sie von einer zarten Schneeschicht bedeckt.

Vom grauen Himmel hoben sich zwei schwarze Punkte ab. Es waren Nux und Borax, die beiden Raben, die das ganze Jahr über auf dem Hausdach von Flora Flitzebesen lebten.

„Ich will jetzt endlich irgendwo ins Warme“, beschwerte sich Nux.

„Wieso? So ein Novemberausflug ist doch schön“, meinte Borax. „Schau doch zum Beispiel den zugefrorenen Fluss an. Der sieht aus wie ein glitzerndes silbernes Band.“

„Na und?“, krächzte Nux. „Mir ist einfach nur kalt.“ Er plusterte sein Gefieder noch mehr auf. Aber es half auch nicht viel.

Als das hellblaue Haus mit den Rosenstöcken auf dem Dach unter ihnen auftauchte, gingen die beiden Raben in Sinkflug. Rosenweg Nr. 2, hier wohnte Flora Floribunda, genannt Flora Flitzebesen. Sie war die schnellste Besenfliegerin im ganzen Hexenrosental. Im Blumenladen ihrer Omimi brannte zwar Licht, aber es war dort niemand zu sehen. Die beiden Raben flogen also einmal ums Haus herum und spähten durch das große Fenster auf der Rückseite. Hier lag der Pflanzenraum, der an den Blumenladen angeschlossen war. Und tatsächlich: Alle waren sie da. Flora und ihre Omimi, Kringel, der wuschelige graue Kater, die kleine Helfe Hille und auch die beiden Hexenkinder Malte und Laurus.


Nux pickte ungeduldig an die Scheibe. „Lass uns rein, Flora!“, rief er. „Uns ist kalt!“

Flora lief sofort zum Fenster und ein paar Augenblicke später hockten die Raben neben dem kleinen Ofen. Mitleidig betrachtete die kleine Hexe ihre beiden gefiederten Freunde: „Eure Flügel sind ja schon ganz weiß vom Raureif! Wartet ab, wenn ich meine Teemischung fertig habe, dürft ihr als Erste probieren. Das wärmt.“

Aber Nux schüttelte sich bloß. „Tee? Nee, nee, das ist nix für uns.“

Die Kinder waren gerade dabei, aus verschiedenen Kräutern und getrockneten Blüten Tees zu mischen. Omimi kannte sich gut mit Heilkräutern aus, und nun erklärte sie Flora und ihren Freunden, welche Wirkung welches Kraut hatte. „In der richtigen Mischung kann man sogar magische Wirkungen erreichen“, sagte Omimi. Bald hatte jeder von ihnen eine Tee-Idee.

„Ich will es schaffen, wie eine Fliege senkrecht die Wand hinaufzugehen“, verkündete Laurus.

„Wozu auch immer das gut sein soll“, murmelte Malte und beugte sich über seine Notizen. „Aha, fördern Orangenblüten die Konzentration? Ich werde einen Tee mischen, der bewirkt, dass man sich alles merkt, was man liest.“

Flora grübelte, was für einen Tee sie machen wollte. Es musste etwas sein, das es noch nicht gab. Immerhin wollten sie die Mischungen ja morgen auf dem Markt verkaufen.

„Omimi, kennst du ein Kraut, das einem gute Träume bringt?“, fragte Flora schließlich. „Ich träume in letzter Zeit so oft von bösen, riesigen Drachen.“

„Flora, du solltest abends keine wilden Geschichten lesen“, meinte Omimi. „Besser, du liest ein gemütliches Buch, dann hast du auch keine wilden Träume …“

„Ha, das sagt ja genau die Richtige!“, fiel Flora ihr ins Wort. Omimi las für ihr Leben gerne Krimis und dann konnte sie nicht schlafen und holte sich zur Beruhigung Kater Kringel ins Bett.

„Versuch einen Tee aus Kamille, Melisse, Hopfen, Baldrian und Zaubernuss“, schlug Omimi vor.

Flora suchte die Kräuter und Blüten zusammen und zerstampfte sie in einem Mörser.

Schon kurze Zeit später füllten die Kinder ihre Teemischungen in kleine Papiersäckchen ab. Hille verzierte jedes Säckchen noch mit hauchdünnen zierlichen Zeichnungen und Malte schrieb die Namen der Teemischungen auf.

„Träum schön“ wurde Floras Tee genannt. „Ich krieg alles in den Kopf“ hieß Maltes Mischung. Dieser Tee half sehr gut beim Lernen für die Schule. Hille hatte einen „Fröhlichkeitstee“ gemischt, der schlechte Laune vertrieb und einem ein Lächeln auf die Lippen zaubern würde. Und Laurus taufte seine Kräutermischung: „Ich geh die Wände hoch“.


Als sie fertig waren, betrachtete Flora zufrieden ihr Werk. „Die Tütchen sind echt hexig geworden. Und wenn wir morgen nicht alles verkaufen, heben wir uns den Rest für den großen Winterwendemarkt auf“, verkündete sie.

Laurus sah Flora verblüfft an. „Aber bis dahin dauert es doch noch sooo lange! In ein paar Wochen sind erst mal Spätherbstferien.“

Flora zuckte die Schultern. „Ja, aber danach ist doch bald das Winterwendfest! Ich freu mich jetzt schon aufs Hexenkekse-Backen und auf den glitzernden Helfenstaub auf allen Bäumen und Ranas Spezial-Zimtzuckerwatte.“

Der nächste Tag war ein Samstag und begann mit dichtem Nebel. Flora wurde davon geweckt, dass Nux und Borax an ihre Fensterscheibe pickten. Es war gerade so gemütlich unter der warmen Decke und Kringel hatte sich in Floras Arm zusammengerollt und schnurrte zufrieden. Als das Picken an der Scheibe nicht nachließ, schaute Kringel Flora mit großen Augen an. „Du meinst also, ich soll die zwei Raben hereinlassen?“, fragte Flora.

Kringel gab ein kurzes sanftes Miauen von sich. Flora seufzte und schlüpfte vorsichtig unter ihrer Bettdecke hervor. In diese warme Höhle würde sie gleich ganz schnell wieder hineinkriechen.

„Die Zeiten sind vorbei, in denen wir auf dem Hausdach übernachtet haben“, eröffnete Borax das Gespräch. Er plusterte sein Gefieder auf und regte sich furchtbar auf. „Es ist viel zu kalt, Flora, verstehst du?“

„Wollt ihr etwa in mein Zimmer einziehen?“ Flora sah die beiden Raben entgeistert an.

„Ja, warum denn nicht?“, meldete sich jetzt Nux zu Wort. „Wir können doch nicht einen solchen Winter auf deinem Hausdach verbringen. So kalte Nächte hatten wir noch nie im November. Wo soll das hinführen?“

Flora taten die beiden Raben leid. Natürlich konnten sie in ihr Zimmer ziehen.

Die Spinne Linne war unbemerkt aus einem der Löcher in Floras Hut gekrochen. Sie hatte das Gespräch schweigend mitverfolgt.

„Jetzt leben hier in diesem Zimmer ein Hexenmädchen, ein grauer Kater, eine grüne Spinne und zwei Raben“, stellte Flora fest.

„Zwei schwarze Raben“, fügte Nux hinzu.

„Ja, klar, was sonst“, sagte Flora. Dann überlegte sie kurz. „Ihr müsst aber etwas für mich tun, dafür, dass ihr hier einziehen dürft“, fuhr sie fort. „Wenn Mama mir wieder mal aufträgt, dass ich mein Zimmer aufräumen soll, dann helft ihr mir dabei.“

Nux und Borax versprachen es. Sie fingen sogar gleich damit an. Nux schnappte sich mit seinem Schnabel einen Stift, der auf dem Boden lag, und steckte ihn in den Blumentopf. Dann nahm er den nächsten Stift und tat das Gleiche mit diesem.

 

Nach und nach landeten so alle Stifte in der Blumentopferde. Inzwischen hatte Borax alle Zeichenblätter, die auf dem Boden rumlagen, unter den Teppich geschoben, und nun machte er sich daran, Floras Kleider, die ebenfalls auf dem Boden verstreut lagen, über die Vorhangstange zu hängen.


Flora betrachtete das Ganze nachdenklich. Sie war sich nicht sicher, ob Mama finden würde, dass man auf diese Weise ein Zimmer aufräumte. Aber sie selbst war höchst zufrieden. „Ihr habt die Prüfung bestanden, ihr könnt jetzt aufhören!“, rief sie den Raben vergnügt zu.

Nun war es aber Zeit, sich auf den Weg zum Markt zu machen. Flora packte alle Teesäckchen in einen Rucksack und Kringel in den Stoffbeutel und flitzte die Treppe hinunter. Zum Frühstücken hatte sie keine Zeit mehr und Omimi rief ihr etwas in der Art nach, wie dass sie den Tag nicht mit leerem Magen beginnen solle. So genau hörte es Flora aber nicht mehr, als sie mit ihrem Besen abhob.

Laurus, Hille und Malte hatten schon einen Stand aufgebaut und nun konnte es losgehen mit dem Verkauf der selbst gemachten Tees.

Es dauerte nicht lange und Majoranus Maculatus, der Sohn des Zeitungsmachers, kam mit seinen beiden besten Freunden Piper und Salvia angeschlendert. Neugierig hielten die drei am Teestand an und schnupperten sich durch alle Sorten.

„Seid ihr jetzt Kräuterhexen geworden, oder was?“, fragte Majoranus ein wenig spöttisch.

„Ich kaufe den ‚Beerenstark-Tee‘ von deiner Omimi, Flora“, sagte Piper. „Wird man davon bärenstark oder schmeckt der bloß stark nach Beeren?“

„Beides“, gab Laurus kurz angebunden zurück und streckte die Hand aus. „Vier Hexenmoneten, bitte.“

„Piper bekommt einen Freundschaftspreis“, bestimmte Flora. „Er braucht nur drei Hexenmoneten zu bezahlen.“

Salvia kaufte Floras „Träum schön“-Tee und Majoranus suchte sich die Teemischung von Laurus aus, die bewirkte, dass man senkrecht Wände hochgehen konnte. Dann grinste er plötzlich triumphierend. „Wir haben übrigens Neuigkeiten“, verkündete er.

„Ach ja?“, fragten Flora, Hille, Laurus und Malte neugierig.

„Ja. Wir haben eine Bande gegründet“, erklärte Piper.

„Eine Spion-Bande“, fuhr Salvia fort. „Denn wenn ihr ein Geheimbund seid, werden wir eure Geheimnisse ausspionieren.“

„Großartig“, sagte Flora wenig begeistert. „Nur haben wir im Moment keine Geheimnisse. Gar keine. Leider. Es ist ja auch nichts los. Kein Abenteuer und nichts Geheimes weit und breit.“

„Was nicht ist, kann ja noch werden“, meinte Majoranus und damit rauschte die Spion-Bande auch schon wieder ab.

Bis Mittag waren fast alle Teesäckchen verkauft, und in der Blechbüchse, in die sie das Geld getan hatten, raschelte und klimperte es von Scheinen und Münzen. Flora war sehr zufrieden und machte sich daran, das Geld gerecht auf vier aufzuteilen.

Am Montag hatten sie in der ersten Stunde „Hexengebräue“. Flora liebte dieses Fach, denn es blubberte und zischte so lustig in den kleinen Hexenkesseln, die die Kinder auf ihren Schulbänken stehen hatten. In diesem Schuljahr saß Flora neben Salvia. Gerade hatte jede von ihnen die vorletzte Zutat in ihren kleinen Hexenkessel geworfen: Nacktschneckeneier. Die blubberten nun zusammen mit geschabten Karotten, faulen Äpfeln, Natron und Hexenspezialpulver vor sich hin. Das sollte eine Brühe werden, mit der man besonders gut im Dunkeln sehen konnte. Flora fand das praktisch, denn zurzeit waren die Tage sehr kurz. Schon zwei Mal war es ihr passiert, dass sie in ihrem Geheimversteck, dem Efeuhäuschen, die Zeit vergessen hatte und dann durch den dunklen Wald nach Hause zischen musste. Vorsichtig maß sie die letzte Zutat ab, man musste ganz genau bei den Mengen aufpassen, sonst klappte es nicht.

„Du, Flora, ich muss dir was erzählen“, begann Salvia. „Dank deines ‚Träum schön‘-Tees habe ich nun wirklich keine Albträume mehr.“

„Das freut mich sehr“, erwiderte Flora. „Nur ich Dummkopf habe selber vergessen, den Tee zu trinken. Gestern Nacht hatte ich einen ganz schlimmen Albtraum.“ Salvia riss gespannt die Augen auf und Flora erzählte. „Ich habe wieder von einem riesigen und entsetzlich wütenden Drachen geträumt. Der hat sein Maul weit aufgerissen und wollte nach mir schnappen.“

In diesem Augenblick gab es einen lauten Knall und die beiden Mädchen fuhren erschrocken zusammen.

„Flora, du musst ab und zu umrühren“, ermahnte Frau Boswelia. Flora rührte die dicke Brühe mit den knackenden Luftblasen schnell einmal um und wandte sich wieder an Salvia. „Jedenfalls bin ich dann aufgewacht. Oh, hatte ich Angst. Und da ist mein Kater Kringel über die Bettdecke zu mir getapst und hat sich ganz dicht zu mir gelegt. Mein Kater merkt immer, wenn ich schlecht träume, und es tut so gut, wenn er bei mir liegt. Sein Schnurren und seine Wärme beruhigen.“ „Ach, das ist ja süß“, sagte Salvia ein wenig neidisch.

Flora nickte. „Ja, Kringel ist der liebste Kater, den man sich nur vorstellen kann.“

Frau Boswelia blies nun auf einer Weidenflöte ein paar Töne. Gleich wurde es ganz still in der Klasse. „Liebe Kinder, ihr habt eure Brühen jetzt fertig. Bitte stellt sie kalt, und wenn ich mir nachher alle Mischungen angesehen habe, füllt ihr sie in Einmachgläser ab und könnt sie mit nach Hause nehmen. Aber vorher hört ihr mir bitte noch gut zu“, sagte sie. „Wie ihr wisst, findet jedes Jahr im Winter ein großer Zaubereiwettbewerb für alle Viertklässler statt.“

„Muss man dafür Hexensprüche auswendig können?“, fragte Laurus gleich.

„Natürlich. Jede Menge Hexensprüche“, sagte Frau Boswelia. Laurus sank in seinem Stuhl zusammen. Das klang nach viel Paukerei. „Und ihr müsst euch mit Hexengebräuen auskennen“, fuhr die Lehrerin fort. „Und mit magischen Tieren und Kristallkugeln und geheimen Symbolen und ihr müsst geschickt und mutig sein und erfinderisch. Es werden die unterschiedlichsten Dinge von euch verlangt. Nicht nur euer Wissen im Kopf zählt. Jeder von euch hat seine Stärken und deshalb werden alle Hexenkinder in Dreiergruppen antreten. Dann kann jeder bei einer anderen Aufgabe zeigen, was er kann“, erklärte Frau Boswelia. „Erst in der letzten Runde tritt aus jedem Team nur noch ein Kind an. Wer das aus jeder einzelnen Gruppe ist, muss das Team entscheiden.“

„Finde ich gut, dass wir zu dritt antreten dürfen“, flüsterte Flora Laurus und Malte zu. Die beiden nickten heftig.

„Nur zum Schluss müssen wir uns für einen von uns dreien entscheiden und das wird schwierig“, flüsterte Laurus zurück.

„Bis dahin ist noch Zeit“, beruhigte Malte. „Man macht immer einen Schritt nach dem anderen und nicht den zweiten vor dem ersten.“

In der ganzen Klasse hatte sich Gemurmel breitgemacht, das langsam zu einem lauten Plaudern anstieg. Nun sorgte die Lehrerin aber wieder für Ruhe. „Ich habe euch noch gar nicht gesagt, was es zu gewinnen gibt.“

Augenblicklich wurde es still.


„Es ist etwas, was sich bestimmt jeder schon einmal gewünscht hat.“ Frau Boswelia machte es spannend. Sie rief die ganze Klasse nach vorne zu dem großen Hexenkessel, der neben der Tafel von der Decke hing.

„Jetzt passt gut auf“, sagte die Lehrerin. „Aus diesem Gebräu werde ich gleich Luftblasen aufsteigen lassen.“ Sie bewegte ihren Zauberstab über dem Kessel und die Luftblasen bildeten einen Buchstaben. Ja, es war ganz deutlich ein Z zu erkennen. Und dann kam der nächste Buchstabe. „A …“ riefen die Kinder, „U-B-E-R-H-U-T!“

„Zauberhut!“, jubelten alle zusammen.

Frau Boswelia nickte. „Es ist ein besonderer Hexenhut, der über magische Kräfte verfügt. Der Hut kann etwas, was kein Zauberstab jemals geschafft hat, nämlich seinen Besitzer von einem Ort zu einem anderen bringen. Und zwar so schnell, wie ihr einmal zwinkern könnt.“

„Diesen Hut will ich haben“, sagte Malte entschlossen, als sie an ihre Plätze zurückgingen

„Ich auch!“, stimmte Flora zu.

„Du hast doch schon deinen Tarnumhang, der unsichtbar macht“, flüsterte Laurus ihr zu. „Was brauchst du da noch einen Zauberhut?“ Flora zuckte mit den Schultern. Der Tarnumhang machte nur unsichtbar, aber er konnte einen nicht an einen anderen Ort zaubern. Es wäre also schon sehr praktisch, auch diesen Hut zu gewinnen.

Majoranus, der in der Reihe vor Flora saß, schaukelte auf seinem Stuhl, so wie er es immer tat. Jetzt ließ er ihn weit nach hinten kippen. „Nur, dass ihr es wisst. Höchstwahrscheinlich werde ich der Gewinner dieses Zauberwettbewerbs sein.“

„Natüüürlich“, spottete Laurus. „Wer denn sonst?“

„Die meisten Aufgaben sind für mich doch ein Klacks. Und falls nicht ich es werde, dann einer aus meiner Bande. Piper oder Salvia. Das steht fest.“

Flora lachte kurz auf. Majoranus blieb einfach ein Angeber.

„Sei dir nicht so sicher, Majoranus!“, sagte Flora. „Malte, Laurus und ich sind ein sehr starkes Team. Ihr habt keine Chance gegen uns!“



Zoff und Zauberei

Am Nachmittag traf sich der Geheimbund zum gemeinsamen Lernen im Efeuhäuschen. Für den Zaubereiwettbewerb mussten die Hexenkinder alles über magische Tiere wissen und mit Hexengebräuen mussten sie sich auch auskennen. „Die magischen Tiere sind kein Problem“, meinte Laurus. „Da brauchen wir nichts zu lernen, immerhin helfen wir manchmal im Magischen Tierheim.“ Und mit diesen Worten flitzte Laurus auch schon nach draußen, um die Feuxe zu suchen und ein wenig mit ihnen zu spielen.

Malte und Flora lernten aber weiter, was das Zeug hielt. Sie waren bei Kapitel 5 im Buch „Hexengebräue für Hexenkinder der vierten Schulstufe“ und probierten nacheinander alle Rezepte aus. Es blubberte im Hexenkessel abwechselnd grün, blitzblau oder tiefschwarz, und es stank so sehr, dass Flora schließlich die Fenster und Türen aufriss.

Im gleichen Moment kam Hille angeflattert. „Ich war den ganzen Vormittag im Knorrigen Wald und habe für den Winter Fichtennadeln gesammelt“, erzählte die kleine Helfe ganz außer Atem. Sie legte ein großes Bündel ab. In Wirklichkeit war das Bündel natürlich winzig klein, nur für Hille war es groß und schwer.

„Hast du Hunger?“, fragte Flora. Hille nickte heftig. Malte und Flora waren von der ganzen Lernerei auch ziemlich hungrig geworden.

„Wir kochen Gemüsebällchen mit Kartoffelbrei“, bestimmte Malte, nachdem er im Küchenschrank geschaut hatte, was es dort an Vorräten gab.

Flora wurde zum Kartoffelschälen eingeteilt. Sie dachte aber gar nicht daran, sich abzumühen. Stattdessen zeigte sie mit ihrem Zauberstab auf den Haufen Kartoffeln und sprach:

„Legt ganz fix die Schale ab, weil ich schon so Hunger hab!“

Schwups, lagen die Kartoffeln glatt, gelb und ohne Schale da. Die Schalen schwebten in langen Kringeln durch die Küche, vorbei an Laurus, der gerade zur Tür hereinkam, und direkt zum Komposthaufen draußen im Garten.

Malte war ein guter Koch. Aus geschabten Karotten, Erbsen und Schafskäse formte er kleine, runde Bällchen, wälzte sie in Mehl und warf sie in die Pfanne. Dann rief er Laurus zu sich, stellte ihn an den Herd und trug ihm auf, die Bällchen zu bewachen. Doch wenig später stieß Malte Laurus zur Seite und riss ihm den Kochlöffel aus der Hand. „Kannst du nicht besser aufpassen, Laurus?“ Die Gemüsebällchen waren an einer Seite schon ein wenig verkohlt. Kopfschüttelnd wendete Malte sie in der Pfanne und schimpfte leise vor sich hin.

„Unfähiger Trottel“, hörte Flora ihn sagen. Laurus hatte es auch gehört und er schnitt hinter Maltes Rücken eine Fratze.

„Soll ich mich um den Kartoffelbrei kümmern?“, bot Hille schnell an. „Nein, geht am besten alle aus dem Weg“, murmelte Malte unfreundlich. Flora und Laurus sahen sich an, deckten dann aber den Tisch, ohne noch etwas zu sagen.

 

Wenig später stellte Malte den Topf mit dem dampfend heißen Kartoffelbrei auf den Tisch. Drüben auf der Anrichte hockte Kringel. Als er das Essen roch, spitzte er die Ohren und bekam große Augen, denn er liebte Kartoffelbrei. Der Kater bereitete sich auf einen gekonnten Sprung vor. Eins, zwei, drei und hopp, landete er genau zwischen dem Topf und Maltes Teller.

„Verschwinde vom Tisch!“, rief Malte und pustete Kringel an. Katzen können es nicht leiden, wenn sie angepustet werden. Kringel sprang erschrocken vom Tisch hinunter und schoss wie ein Pfeil unter den Ohrensessel.


„Was ist eigentlich in letzter Zeit mit dir los, Malte?“, schimpfte Flora. „Du hast ständig schlechte Laune und nörgelst an allem herum. Und jetzt fährst du auch noch den armen Kringel an.“

„Jaja, der arme Kringel“, gab Malte spöttisch zurück. „Was hat ein Kater auf einem Tisch verloren? Kannst du mir das mal bitte erklären? Noch dazu, wenn wir gerade essen wollen.“

Flora rollte mit den Augen. „Kringel will eben dabei sein. Er gehört doch immerhin zu uns.“

„Kringel ist ein Kater und Kater haben auf dem Tisch nichts zu suchen“, sagte Malte. „Er verliert überall seine ekligen Haare.“

„Kringel hat keine ekligen Haare, sondern ein schönes weiches Kuschelfell!“, empörte Flora sich nun. „Du bist eklig, mit deinen Launen!“ Plötzlich wurde Malte ganz rot im Gesicht. „Dann kannst du ja mit deinem fetten Fellbündel abhauen! Ich hab eh keine Lust mehr, mit euch zu essen.“

„Ich auch nicht!“ Flora sprang vom Tisch auf, holte Kringel unter dem Ohrensessel hervor, schnappte ihren Besen und stürmte aus dem Häuschen. Die Tür ließ sie hinter sich mit einem Rums zufallen.

„Flora, komm zurück!“, hörte sie Hille und Laurus rufen. Nein, sicher nicht. Jetzt war sie einfach wütend. Auf Malte. Und sie wollte nur noch weg hier. Raus aus dem Efeuwald. Weg von Malte, der ihren heißgeliebten Kringel beleidigt hatte.

Plötzlich tauchte Laurus auf seinem Besen neben ihr auf. „Mir hat’s auch gereicht“, erklärte er. „Soll er seinen Kartoffelbrei alleine aufessen.“

„Und was ist mit Hille?“, wollte Flora wissen.

Laurus lachte auf. „Die gutmütige Hille, die hilft ihm bestimmt noch mit dem Abwasch.“

Der Tag der ersten Prüfung für den Zauberwettbewerb rückte immer näher. Bei diesem Teil ging es hauptsächlich um Wissen. Die Hexenkinder lernten Zaubersprüche auswendig und paukten alles über die magischen Wesen und Gegenstände in der Hexenwelt, was sie finden konnten. Die Schulbücher reichten dafür nicht aus und die Lehrer empfahlen den Kindern, in die Hexenbibliothek im Türmchenviertel zu gehen.

„Ihr könnt euch dort an lange Tische mit Leselampen setzen und in allen Büchern lesen, die es in der Bibliothek gibt“, erklärte Herr Sambucus. Er unterrichtete die Fächer „Wetter- und Sternenkunde“, „Holz- und Tonarbeiten“ und „Flugkunst und Besenkunde“.

„Laurus Nobilis“, fuhr Herr Sambucus fort. „Du wohnst doch mit deiner Familie im Türmchenviertel. Kannst du den anderen erklären, wo sich die Bibliothek befindet?“

„Ja klar! Ich muss jeden dritten Tag für meine Mutter Bücher von dort heranschleppen“, erklärte Laurus und rümpfte die Nase. „Meine Mutter liest Uuunmengen an Büchern. Die Bibliothek ist in der Fackelscheingasse Nr. 7. Es ist das Haus mit dem höchsten Turm am Dach. Und der Lesesaal ist ganz oben.“

Am Nachmittag trafen sich Malte, Flora und Hille vor dem Tor der Fackelscheingasse Nr. 7 und warteten auf Laurus, der sich wie so oft verspätete. Malte hatte am Morgen eine Entschuldigung gemurmelt, aber Flora war immer noch etwas sauer auf ihn und auch Kringel strich nicht wie sonst zur Begrüßung um Maltes Beine.

Während sie schweigend warteten, betraten einige Mitschüler die Hexenbibliothek. Majoranus und seine Spion-Bande kamen auch des Wegs. „Ja, besser ihr geht da gleich gar nicht erst rein“, sagte Majoranus. „In eure Holzköpfe kriegt man sowieso kein Hexenwissen.“ Dabei klopfte Majoranus mit dem Knöchel gegen Floras Kopf.

„Im Gegenteil“, meldete sich Malte. „Wir sind schon fertig. Die paar Tausend Bücher dadrinnen in dem Turm, hatten wir in einer halben Stunde durchgeblättert.“

„Genau!“, rief Flora. Wenn es darum ging, Majoranus eine patzige Antwort zu geben, war sie doch lieber wieder auf Maltes Seite. „Ihr wisst doch, dass Malte ein fotografisches Gedächtnis hat. Ein Blick auf einen Text und alles ist in seinem Kopf abgespeichert.“

Piper gab einen verächtlich grunzenden Laut von sich. Natürlich war das geschwindelt. Aber tatsächlich gab es für Malte nichts, was er sich mehr wünschte als ein fotografisches Gedächtnis.

Kurz nachdem sich die Spion-Bande in den Lesesaal verzogen hatte, tauchte endlich Laurus auf und der Geheimbund folgte den anderen in den hohen Turm. Flora setzte sich neben Salvia an einen Tisch mit Leselampe und Hille flatterte auch heran. Sie hatte ein winzig kleines Helfenbuch gefunden, in dem sie lesen konnte. Trotzdem war ihr bald ein wenig langweilig. Schließlich stand für die Helfenkinder kein Zauberwettbewerb an und deshalb musste Hille auch nicht lernen, so wie ihre drei Freunde.

Laurus langweilte sich ebenfalls nach kürzester Zeit. Er schaukelte auf seinem Stuhl und pfiff eine Melodie. Sofort handelte er sich einen sehr strengen Blick von Skimmia, der Bibliothekarin, ein. Es war verboten, in der Bibliothek zu pfeifen. Überhaupt musste man dort ganz leise sein und Sesselschaukeln durfte man auch nicht. Laurus wetzte weiter auf seinem Stuhl herum.

„Wir brauchen mal eine Pause“, flüsterte er Flora zu. „Uns rauchen doch schon die Köpfe.“

Flora fand, dass Laurus’ Kopf keinen Grund zum Rauchen hatte. Er hatte gerade mal in einem einzigen Buch geblättert und dabei die ganze Zeit gegähnt, aber plötzlich sehnte sie sich auch nach ein bisschen frischer Luft. Nur Malte sah gar nicht ein, wozu diese Pause notwendig sein sollte. Er war in ein Buch über Drachen vertieft und hob nicht mal den Kopf, als die anderen ihn fragten, ob er mitkäme. Skimmia räumte gerade im hinteren Teil des Leseraums ein paar Bücher in Regale und bemerkte die kleine Truppe gar nicht, die sich nach draußen schlich. Umso besser, neben lauten Geräuschen konnte sie auch ein ständiges Kommen und Gehen nicht leiden.

„Das ist ja schrecklich!“, rief Laurus als sie draußen im Sonnenschein standen. „Nichts darf man machen in diesem Lesesaal.“

„Lesen darf man“, erinnerte ihn Flora. „Und die Bücher sind uns sicher nützlich für den Wettbewerb.“

„Tsssss“, machte Laurus und rollte mit den Augen. „Stinklangweilig ist es da oben. Und unsere Schulkameraden sitzen alle da wie versteinerte Figuren. Das Einzige, was sie bewegen, sind ihre Augen. In diesen verstaubten Turm muss man mal ein bisschen Leben bringen.“ Hille und Flora sahen Laurus neugierig an. „Wie willst du das denn machen?“

Laurus’ Gesicht fing an zu strahlen. „Ich hab da so eine Idee.“

Wenig später standen Flora, Hille, Laurus und Kringel vor dem Magischen Tierheim. Gerade öffnete Betula Alba das große Tor. „Na, ihr habt mich ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr besucht“, begrüßte sie die Kinder.

„Betula, dürfen wir uns ein paar Kicher-Eichhörnchen ausleihen?“, platzte Laurus sofort heraus.

Die Leiterin des Tierheims hob ein wenig die Augenbrauen. Doch dann fand sie, es sei eigentlich eine ganz gute Idee, denn die Eichhörnchen bräuchten ohnehin etwas Auslauf. „Und nehmt am besten gleich ein paar von den magischen Vögeln mit. Die sind die reinsten Stubenhocker geworden und sitzen fast nur noch auf dem Dachboden herum.“

„Naja, bei der Kälte geht wohl niemand gerne hinaus.“ Flora konnte das gut verstehen.

„Kommt bitte in einer Stunde wieder. Denn da ist Fütterungszeit!“, rief Betula den Kindern nach.

Laurus, Flora und Hille hörten sie kaum, denn sie waren eingehüllt von Vogelgezwitscher und den piepsenden Geräuschen, die die Eichhörnchen von sich gaben. Die magischen Tiere folgten den drei Kindern in der Luft und hüpfend über das Kopfsteinpflaster. Vom Wasserviertel ging es zurück ins Türmchenviertel zu dem Haus mit dem höchsten Turm.

Kichernd schlichen sie die Treppen zum Turm der Bibliothek hoch. Laurus bedeutete den magischen Tieren, ganz leise zu sein. Als er die Tür zum Lesesaal öffnete, gab er den Tieren ein Kommando, und alle fingen zugleich an, Krach zu machen. Die magischen Vögel zwitscherten und schrien und pfiffen. Sie flatterten durch den ganzen Lesesaal, streiften mit ihren Flügeln haarscharf an den Lesern vorbei, hockten sich auf Bücherregale und flatterten gleich wieder los.

Die Eichhörnchen rannten wie verrückt herum, turnten an den lesenden Kindern hoch und kitzelten sie. Auch Skimmia blieb von ihnen nicht verschont. Alle kreischten durcheinander. Die meisten Kinder lachten und fanden das alles wahnsinnig witzig. Ein paar Kinder begannen, über die Tische zu laufen, immer den Eichhörnchen hinterher. Der ganze Lesesaal hatte sich innerhalb von Sekunden in ein Narrenhaus verwandelt und Flora lachte und lachte. Sie musste sich an einem Bücherregal festhalten, um nicht umzufallen vor lauter Lachen. Laurus lachte auch und er feuerte die Tiere immer weiter an, Unfug zu machen. Er rannte durch den Saal und schlug mit den Armen, als wären es große weite Schwingen, und davon wurden die Tiere noch aufgekratzter.

„Schluss mit diesem Tumult!“, rief Skimmia wütend. „Flora Flitzebesen, du und deine Freunde kommt soooofort zu mir!“


Erschrocken schlurften Flora, Hille und Laurus zu Skimmia und stellten sich vor ihr auf. Jetzt gab es wohl ein großes Donnerwetter. „Und du, Malte Wolke, kommst ebenfalls hierher. Ich weiß doch, dass du zu Flora Flitzebesen gehörst.“

„Ich hab mit diesem ganzen Unfug nichts zu tun“, ließ sich Malte vernehmen und blieb auf seinem Platz sitzen.

„Auf der Stelle kommst du her“, kommandierte die Bibliothekarin. „Ihr seid eine kleine freche Bande, das weiß ich doch! Sammelt die Tiere ein, aber schnell!“ Sie war ganz rot im Gesicht vor Ärger.

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