Magische Verbindung

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EGON KRAUSE

Magische Verbindung

Roman


Personen und Handlung sind fiktiv, das bedeutet, sie sind erfunden. Ähnlichkeiten mit geschichtlichen und noch lebenden Personen sind rein zufällig. Die kursiv gesetzten Abschnitte enthalten Erotisches und können von denen, die Erotik nicht schicklich finden, übersprungen werden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 by R.G.Fischer Verlag

Orber Str. 30, D-60386 Frankfurt/Main

Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: Tom Bayer © www.fotolia.de

ISBN 978-3-8301-9564-1 EPUB

ISBN 978-3-8301-9563-4 PDF

Inhalt

Magische Verbindung

Die Reise

»Es gibt für mich nichts Erstaunlicheres als mich selbst.«

Honoré de Balzac

Wenn man den Zeitraum um den 6. Juli 1993 als Beginn des Erzählens wählt, kann man nicht umhin festzustellen, dass der gesunde Menschenverstand allenthalben abhandengekommen ist. Mensch und Verstand sind keine untrennbare Einheit. Jeder möge sich die Ereignisse selbst in Erinnerung rufen. Das Abhandenkommen dieser Verbindung wird sehr deutlich sichtbar, wenn ein Mensch in eine Institution eintritt. Dann wandelt sich sein gesunder Menschenverstand zum politischen Verstand und kommt damit also abhanden.

Es ist dies nicht die einzige negative Allgemeinerscheinung unserer Zeit. Die visuellen Medien sind die Pest unseres Zeitalters, da ihre Berichterstattung zuerst eine Tendenz festlegt und allein dazu passende Fakten präsentiert, damit aber die Tatsachen selbst, wenn sie überhaupt berichtet werden, verwässern. Diese Art von Berichterstattung wird von den meisten Zuschauern unreflektiert konsumiert.

Im Übrigen ändert der Informationsgewinn den Menschen ohnehin nicht: Philippe de Commynes schrieb 1447: »Man muss also feststellen, dass weder die natürliche Vernunft noch unser Verstand noch die Gottesfurcht noch die Nächstenliebe uns davor bewahrt, gegeneinander heftig zu sein, den anderen etwas vorzuenthalten oder ihm auf jede mögliche Weise etwas wegzunehmen. Durch vieles Wissen werden nämlich die Schlechten schlechter und die Guten besser.« Commynes Wissensbegriff kann man heute durch Information ersetzen. Eigentlich verständlich, dass der Mensch sich im Laufe der Geschichte nicht ändert – wir können unseren Genen nicht entkommen. Eigenschaften wie »gut« und »böse« könnte man in Zukunft vielleicht physisch lokalisieren. Sie sind als Anlagen auf Genen positioniert, die wiederum aus Teilchen zusammengesetzt sind, diese verhalten sich wie in der Quantenmechanik, will man sie genau bestimmen, fallen sie der Unschärfe anheim und werden, je nach ihrer Anlage, außerdem noch geprägt von der Umgebung. Den humanistischen Gedanken vorbehaltlos in die Tat umzusetzen, scheint nicht möglich, vor allem für jene, die gesellschaftlich legitimiert wären, dies zu tun.

Zur Durchführung eines Experiments muss man Teilchen oder Welle (böse, gut) wählen, aber in Kauf nehmen, dass das Ergebnis allenfalls näherungsmäßig zu werten ist. Man entnimmt die denkbaren Variablen oder Bestimmungsstücke unbedenklich dem klassischen Modell und erklärt jedes Stück für direkt messbar. Daraus ergibt sich eine statistische Verteilung. Die Messungen müssen sehr oft wiederholt werden. Der klassische Begriff des Zustandes geht verloren, indem sich höchstens wohlausgewählten Hälften eines vollständigen Satzes von Variablen bestimmte Zahlenwerte zuordnen lassen. Wenn in keinem Augenblick ein klassischer Zustand besteht, kann er sich auch nicht verändern. Was sich verändert, sind die Statistiken oder Wahrscheinlichkeiten, stellt Schrödinger fest. Einstein hält dagegen: »Gott würfelt nicht«, natürlich nicht, er kann nicht würfeln, denn er existiert nur als Konstrukt.

Es ist möglich, Erinnertes im Stil einer Gebrauchsanweisung zu verfassen und alle prekären Situationen etwa so darzustellen wie in der Fliegerei beispielsweise: »If you exceed 100 to 110 degrees of bank or 60 to 70 of pitch, then the attitude indicator will tumble and become inaccurate«, auf gut Deutsch, man gerät in einen gefährlichen Zustand. Ein Instrument, vom Menschen entwickelt, übertrifft ihn an Urteilsvermögen, der Mensch wähnt sich in einer normalen Situation, das Instrument aber belehrt ihn, dass dies nicht zutrifft. Wenn es auch nicht den Weg weist, beschreibt es so doch eine augenblickliche Situation. Eine subjektive Position kann durch eine Apparatur korrigiert werden. Die Technik hilft uns einerseits, die Grenzen zu erkennen, reizt uns andererseits zu versuchen, sie zu überschreiten. Die Würdigung der Instrumentenanzeige führt so zu einer gültigen Betrachtung der augenblicklichen Situation, doch das Weitere muss noch entschieden werden. Es gibt ungezählte Varianten im Denken und Handeln, oft genügen wenige Grade der Abweichung, um den einen mit dem zu schockieren, was den anderen erfreut. Der Umgang mit Erotik ist ein solches Beispiel, wie ist eine Beurteilung möglich und von Heuchelei zu trennen, wo gibt es einen Maßstab, die Ethik? Eine Definition ist zweifellos unmöglich.

Schlehmil versteckt sich, weil andere bemerken, dass ihm sein Schatten fehlt, da nützt kein Goldsäckel, der Makel ist untrennbar mit ihm verbunden. Ohne Makel kann der Graue tun, was er will. Mögliches und Erwünschtes. Also lieber einen Schatten wie alle, man fällt nicht auf. Eine Abweichung von der Norm genügt schon zur Verurteilung.

Auch Wissen zu vermitteln wäre möglich, Wissenschaft ist zu viel gesagt, Wissen kann ein Laie sich aneignen, Wissenschaft kann nur ein Fachmann verwerten. Ein Zwischenträger, der Wissenschaftsjournalist, um Wissenschaft zu promovieren?

Bescheiden könnte ich über Wissenschaft nur in der Medizin reden, da auch nur in der Chirurgie, darin wiederum nur in der einen speziellen Disziplin. Da die Chirurgie so eine Art Kunsthandwerk ist, frage ich mich, ob ich überhaupt über Wissenschaft reden könnte.

Ich kann aber vielleicht über das reden, was Wissen schafft.

Erinnertes zu erzählen ist wohl sinnvoll, aber wie kann man den Leser interessieren?

Man sollte beim Erzählen Spannung erzeugen, Erwartungen wecken, von mehreren Seiten auf einen Brennpunkt zusteuern, die Charaktere von Personen darstellen, indem man sie dramatischen Situationen aussetzt, ihren Instinkten, mit denen sie in Konflikte geraten können, freie Hand lässt, ihre Reflexionen in Widersprüche geraten lassen, die weitere Reflexionen erzeugen.

Die Chronologie mit Rückblenden versehen, mit unerwarteter Wortwahl im Stil von A. Schmidt und lautähnlichen Zweideutigkeiten, auch mal märchenhaft, in Analysen sachlich akribisch, ordinär sein, wenn es treffen soll, Facetten kaleidoskopisch im Bewusst-Unbewussten schillern lassen, resignierend, melancholisch von allen Seiten betrachtend wie Proust oder eine assoziative, hintergründige Gedankenflucht wie bei J. Joyce könnte ein Rezept sein, aber das ist nicht mehr zeitgemäß. Originalsätze aus Briefen, Überschriften aus Zeitungen kommentieren (Dos Passos), das wirkt zuweilen ungemein direkt, die notierten Einfälle verwenden, viele Absichtserklärungen. Es wird mir nicht gelingen, zur Entschuldigung ein Wort von Paracelsus: Wie Balzac durchschaut auch Paracelsus sich nicht vollständig.

»Wie mein wunderliche Weis zu verstehend sey merket also, von der Natur bin ich nit subtil gespunnen, ist auch nit meines Landts Art …, befehle also dem Papier, was mein Maul nicht vollenden mag.« Bombast, bist du mein Verwandter?

N.: Was für ein Gefasel und Paracelsus als Entschuldigung, du meinst, es seien wohl tiefe Gedanken, die du auftischst, du solltest dir erst einmal die Definitionen einiger Philosophen zu eigen gemacht haben, um unter die Oberfläche zu tauchen, ehe du dich äußerst, hast du eigentlich das, was die oben Erwähnten schrieben, auch erfasst?

E.: Du alter Miesepeter, ich schreibe doch! Ein Schubladengedächtnis habe ich zum Glück nicht, das bewahrt mich davor, negativen Eklektizismus zu betreiben und die Fähigkeit zur Synthese nicht verloren zu haben und damit kreativ sein zu können.

N.: Uii, diese fatale Überheblichkeit.

E.: Es macht sich immer gut, mit einer Geschichte zu beginnen, bei der man einer Fiktion hinterherläuft. Mit siebzehn hätte ich beinahe ein vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen kennengelernt, eine lange Blonde, sie war wohl schon, bevor ich sie sah, in meinem Kopf entstanden, synthetisiert aus Bildern, ich war wie vom Blitz getroffen, als ich sie erblickte, und verfolgte sie auf der Straße, die Jagd nach einer realisierten Fiktion, als ich nun wirklich hinterherlief, war sie plötzlich aus meinen Augen, ich konnte sie nicht mehr aufspüren, somit keine Bekanntschaft machen mit ihren kaum angedeuteten Brüsten, den langen Beinen und der blonden Mähne. Ich hatte allerdings auch keine Praxis in der Verführungskunst und wäre womöglich kläglich gescheitert, denn Rivalen waren mir bei ihrem Schönsein sicher zuvorgekommen, nicht wie Herr G. Casanova, den ich bewundere, vor allem darin, mit welcher Aufrichtigkeit er jedes Mal von Neuem liebte und die Begehrlichkeit immer damit zu paaren wusste. Manchmal hat er etwas nachgeholfen mit einer kleinen Bestechung oder Erpressung, die die Damen nachher nicht bereut zu haben scheinen, ich denke unter anderem an die kleinen Hannoveranerinnen, und wenn seine Liebestaten Folgen hatten, dann sorgte er dafür, dass sich seine Auserwählte kurz hinterher verheiratete, wozu er Hilfestellung leistete, zuweilen fiel es ihm auch schwer, sich zu trennen, aber immer siegte die Begierde nach etwas Neuem.

 

Jedenfalls war sie verschwunden, meine Fiktion, (später fand ich bei Proust eine Stelle über die Liebe: »Das furchtbare Täuschungsmanöver der Liebe besteht ja darin, dass sie uns nicht mit einer Frau der äußeren Welt in Gedanken spielen lässt, sondern mit einer unserem Hirn entsprungenen Marionette, dem einzigen Bilde, das wir immer zur Verfügung haben, das wir besitzen und das die Willkür unserer Erinnerung fast ebenso unumschränkt, wie die der reinen Imagination, ebenso verschieden von der wirklichen Frau gestaltet haben kann, wie es das wirkliche Balbec von dem Erträumten war, einer künstlichen Schöpfung also, der wir ganz allmählich zu unserer Qual an die wirkliche Frau gewaltsam anzugleichen suchen.« Sie ist heute sicher nicht mehr das ätherische Wesen, es ist mir unerklärlich, wie sie mir entkam. Ich sehe noch heute ihre länglichen Waden vor mir, wie bei so blonden »Ziegen«, die Patellae ein wenig protrudisch, lange Beine, mit einer Fortsetzung – wenn ich mit meinen heutigen Kenntnissen weiterdenke –, wie sie uns Hamilton so schön demonstriert. Man könnte die Fiktion auch weiterverfolgen, Dornröschen erwecken und erzählen, wie zum Beispiel Nabokov, der, das Begehren in den Vordergrund stellend, ans Ziel gelangte, lieber keine Phantasien.

N.: Du Lügner, es stimmt ja gar nicht, was du schreibst.

E.: Was weißt du denn, warst du dabei?

N.: Natürlich, du hattest nur den Mut verloren, es wäre leicht gewesen, sie einzuholen.

E.: Verleumder!

Ich streue immer ein, was mich im Augenblick des Schreibens beschäftigt, was ich lese und reflektiere, ich liebe die Inkohärenz der Gedankengänge.

N.: Was nennst du reflektieren?

E.: Was du nicht kannst, nämlich das Für und Wider erörtern und zu einem Resultat kommen. Negative Kritik ohne einen darauf bezogenen positiven Vorschlag verachte ich.

N.: Damit willst du mir einen Maulkorb verpassen, denkste. Kennst du eigentlich die Bedeutung von Kohärenz und Inkohärenz?

E.: Natürlich. Deine Kritik ist inkohärent und meine Erzählung kohärent, der Inkohärenz zum Trotz.

N.: Diese Bedeutung meine ich nicht, vielmehr die in der Quantenphysik.

E.: Nun, diese kenne ich auch, Kohärenz wäre die Fortführung der Superposition und Dekohärenz die Zerstörung derselben, du bist ein Dekohärent.

N.: Das ist meine Absicht, dich in dieser Welt zu halten.

E.: Auch Sterne nachzuahmen wäre eine Hybris, sein geniales hintergründiges Geschwätz lädt ein, immer weiter zu lesen, einerseits in der Hoffnung, dass doch noch etwas herauskommt, andererseits neugierig, was weiter für skurrile Gedanken ausgebreitet werden. Tristram Shandy (der traurige Verrückte), Dr. Muschstreikos, Dr. Kunastrokius. Die Nasen, die Knebelbärte. Onkel Toby, ein konvertierter Krieger? Es ist viel Mittelalterliches in den Kommentaren, anschließend die Gedanken über Zeit, Raum und Existenz. Und Weisheiten: »Warum wir uns, meine liebe Jenny und ich, so gut wie alle Welt auch, ewig und drei Tage um nichts und wieder nichts zanken, sie schaut auf ihr Äußeres, ich auf ihr Inneres, wie sollten wir uns dann über ihren Wert einigen können.«

Oder: »Mit einem Esel aber kann ich in alle Ewigkeit Konversation treiben.« Hintergründig, es fällt einem sofort Priapus ein.

Was es mit Priapus und dem Esel auf sich hat, wird genau berichtet im »Gründlichen mythologischen Lexikon«, Benjamin Hederich, 1770.

Dazu kenne ich einige unartige Rätsel.

1. Beim Opfern auf einem Altar kam aus diesem ein Phallus und schwängerte die Opferwillige. Wer war sie? aisercO

2. Wen brachte Priapus bei dem Vergleich seiner Männlichkeit mit der des anderen aus Wut um? lesE ned.

3. Hat Leda gelogen, als sie ihrem Gatten weismachte, Jupiter habe sich in einen Schwan verwandelt und sie verführt? War sie in Wirklichkeit von ihrem Liebhaber schwanger, war der Ehemann gar nicht beteiligt an Pollux und Helena, nur an Kastor, geschweige denn Zeus? aJ.

Habe ich nun einen Anreiz geschaffen, Tristram kennenzulernen, oder sollte man besser von schwarzen Löchern reden?

Einstein (1879–1955) war dagegen, aber nur in der Theorie, das hob schon ihr Gewicht auf. Apropos Gravitation, darin (in den Löchern) hat sie ihren Höhepunkt, nur weiße Zwerge konnten den Löchern entgehen. Sind weiße Zwerge – man denkt unwillkürlich an Schneewittchen – menschliche Wesen? Nein, nur eine Metapher. Was für ein Vergleich, wie kann man sie Zwerge nennen, wenn sie 1,4-mal so groß sind wie die Sonne! (Übrigens – waren die Zwerge die Ersten, die Schneewittchen verführt haben?) Hier kommt die Relativität zu Wort, für das Universum sind sie eben Zwerge. Wir denken jetzt universal. Was sind dann aber wir? Quark? Und wie sie, ich meine die Löcher, den Raum verbiegen in ihrer Nähe, ein Prokrustesbett, das einen so lang zieht, bis man nicht mehr ist.

Ich bin schon zu weit gegangen, wir kennen nicht einmal unsere nähere Umgebung. Wie ist es mit Venus, sie hat, soweit man weiß, keinen Bezug zu schwarzen Löchern, oder doch? Die Planeten Merkur und Venus lassen sich von der Sonne bescheinen, heute würde man sie mit Lichtschutzfaktor 20 einreiben, sie wandern mit der Erde, auf der immer noch Mars regiert, angestiftet durch Jupiter, dessen Vater Saturn ihn beobachtet, jedoch nicht mehr verschlingen kann, weil er zu groß ist, auch wacht sein Großvater Uranus über ihn. Neptun steigt triefend aus dem Ozean und Pluto aus der Unterwelt.

Esel, die über die Brücke gehen, sind doch nützliche Tiere.

Wenn wir schon dabei sind:

Kopernikus (1473–1543), ohne den die Erkenntnis nicht möglich wäre, ein Deutscher oder Pole, nun gut, deutschsprachiger Pole, sehr vorsichtig mit seinem Wissen (doch dann, armer Ptolemäus), wurde von Rheticus aus Wittenberg zur Veröffentlichung getrieben, doch Luther (1483–1546) tat all dies als Unsinn ab: »Der Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren! Aber wie die Heilige Schrift anzeigt, so hieß Josua die Sonne stillstehen und nicht das Erdreich.« Paradoxe Feststellung? Nein, die Sonne, die sich nach dem Almagest um die Erde drehte, sollte stillstehen, wie recht hatte Josua, sie folgte ihm.

Und wieder Kopernikus: »Das Wort der Alten gilt: Was dem Volke gefällt, verstehe ich nicht, was ich verstehe, gefällt ihm nicht, wir sind geschieden.« Ja, über neunzig Prozent Dumme.

»De revolutionibus« erschien 1543 zu Nürnberg.

N.: Was ist dumm? So einfach kannst du nicht verurteilen.

E.: Dumm nenne ich diejenigen, die nicht reflektieren, was sie erfahren. Nicht alle Dummen sind auch unbedingt gefährlich, schon eher die Reflektierenden. »Lob der Torheit«, Erasmus, lies das nach. Außerdem, Dumme ärgern sich nicht über ihre Fehler.

N.: Dann also lieber dumm?

E.: So ganz unrichtig ist das nicht. Einfältig wäre besser, da entfällt das Böse. Aber weiter, ich bin kein Philosoph.

Johannes Kepler, Elliptiker, der aber noch nichts von Gravitation wusste, Newton, der Genialste.

Wie geht man nun bei der Suche nach schwarzen Löchern vor, wieso schwarz?

Na ja, sie lassen kein Licht entkommen, aber an ihren Rändern, die Rotverschiebung. Sie haben eine große Anziehung und stehen in Beziehung zu einem Doppelsternsystem der Milchstraße, ihre Ränder pulsieren, wenn man über ihre Klippen gerät, ist man verloren. Braucht man dazu Einstein? Manchen reicht Newton und die Thermodynamik, jedenfalls entkommt man ihnen nicht. Wieder etwas gelernt. Wie will man dann wissen, wie es drinnen ist? Man muss hinein- und herauskommen. Das treibt Spekulationen ins Uferlose.

N.: Physikalische Sinnlichkeit, Schurke, was soll eigentlich all das Hingeworfene – Kopernikus, Kepler, Luther, Rheticus, Newton, Einstein, Thermodynamik?

E.: Siehst du, wenn du nur ein wenig Allgemeinbildung hättest und dich nicht nur der Mikrokosmos interessierte, könntest du damit etwas anfangen!

Soll ich ein wenig nachhelfen?

Kopernikus kennt jeder, nur dass später Herr Kepler dessen Kreise zu Ellipsen formte, war wichtig für die Bahnberechnung, Luther, der Bibeltreue, dem Rheticus in seiner Ansicht nicht folgte und der »De Revolutionibus Orbium« zum Druck verhalf, Newton, dem der Apfel auf den Kopf fiel (der berühmte kleine Schlag auf den Hinterkopf ) erinnerte sich an den Riesen (Hooke) und stellte anhand einer mit der Geometrie konstruierten Integralrechnung, den Fluenten, die Gravitationsgesetze auf, und so einfach ist die Thermodynamik:

1. Hauptsatz:

Rühren (mechanische Energie) erzeugt Wärme. (Der erste Hauptsatz, ist er nicht ulkig? Wie ist es mit dem geistigen Rühren?)

N.: Wieder so was.

E.: Wie meinst du das? Da ist doch nichts mit Hintergedanken.

N.: Du weißt es ganz genau, Scheinheiliger, ich sag es nicht.

E.: 2. Entropiesatz:

Ohne Zutun von außen wird Wärme stets von heiß nach kalt transportiert. Eine Wiederherstellung des Ausgangszustandes ist ohne Veränderung in der Umgebung nicht möglich.

N.: Auch das ist, wie du schon bemerktest, ulkig.

E.: Jetzt machst du mich doch neugierig, ich meine es rein physikalisch.

N.: Von wegen des Ausgangszustandes, die Wirkung der Brown’schen Ratsche.

E.: Jetzt komme ich gar nicht mehr mit.

N.: Na, Mann, der Molekülmotor, zum Beispiel beim Aufladen der Tastkörperchen, braucht Wärme (vom Reiben).

E.: Eine Verknüpfung von Physis und Physik, bravo, jetzt hab ich’s.

3. Die Entropie von Reinstoffen im Gleichgewicht strebt mit sinkender Temperatur gegen Null.

N:. Gut, wie du das darstellst, doch viel anfangen kann man ohne meine Bemerkungen damit nicht. Übrigens, celestium hast du vergessen.

E.: Apropos Einstein: Der Cagliostro in der Physik oder auch ein St. Germain, die wollten mit Täuschungen Gold machen, er das Golden Goal in der Physik schießen, seine reale Leistung, die Formulierung des fotoelektrischen Effekts und das auch nur auf Grundlagen anderer (Lenhard), seine ART, wenn man heute danach flöge, käme Frank Tipler auf Umwegen vielleicht zum Omegapunkt. Und dann die Hybris: Einstein bittet Newton um Verzeihung, dass seine Begriffe durch andere ersetzt werden müssen, nämlich seine. Die Idee mit der nicht zu überschreitenden Lichtgeschwindigkeit hatte Albert wohl von Zenon, Achill und der Schildkröte? Genauso weit entfernt von der Realität.

Man sollte besser sagen, »Einsteins Utopien«, denn mit unserer Wirklichkeit haben seine Ideen nichts zu tun. Die »Spezielle«, ein Denksport, das Äqualitätsprinzip, ein schöner Vergleich. ART, die Krümmung des Lichtes wäre auch nach Newton verständlich, Photonen sind Teilchen, angeblich haben sie keine Masse, stimmt nicht, sie haben Impulsmasse, sonst würden sie nicht durch die Gravitation beeinflusst, Raumzeit-Krümmung, warum etwas postulieren, was nicht nachweisbar ist? Wie gesagt, wunderschöner Denksport. Die Möglichkeit der Geschwindigkeitsänderung der Photonen ist eigentlich schon der Beweis für ihre Masse, sonst wäre das Licht unbegrenzt in seiner Geschwindigkeit, wie die Gravitonen. Dann die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, angeblich bewiesen am Beispiel einer schnellen Rakete, deren ausgestrahltes Licht, wenn es ausgestrahlt würde, wegen der Eigengeschwindigkeit der Rakete schneller als Licht sein sollte. Übrigens mag ich den Alten gern, schon weil er im Sternbild Fische geboren ist, alle Fische sind herzlich, es ist ein Glück für ihn, dass man ihn in der Realität nicht braucht, man ist jedoch erstaunt darüber, wenn man konventionell etwas prüfen kann, festzustellen, dass es auch mit seiner Rechnung übereinstimmt. Vielleicht ist die Beschleunigung im Äquivalenz-Prinzip doch die Gravitation und wir sind dauernd beschleunigt, Hubble.

N.: Wenigstens ein Quantum von Einsicht. Da kann man mal sehen, wie einer reagiert, wenn er es nicht kapiert, du bist ja noch schlimmer als die oberflächlichen Zeitungsschreiber, die den Interessierten wissenschaftliche Ergebnisse nahebringen wollen, die sie selbst nicht verstehen. Seine Theorien gelten für Geschwindigkeiten, die wir nicht erreichen, darum Theorien. Die Theorie heißt relativ, wenn du weißt, was das bedeutet. Der eine sieht es von seinem Standort anders als der andere.

 

E.: Gut, ich sehe es nur von meinem, apropos sehen, das ist die Krux, darauf baut die Theorie, wenn wir beim Sehen keine Zeit brauchten, eben die Zeit, die die Photonen brauchen, wäre alles hinfällig.

N.: In der Realität ist es aber so, du Irrealist.

E.: Er hat so lange mit seinem Füllfederhalter Zahlen und Konstanten variiert, bis er die newtonschen Gesetze variiert hatte.

N.: Nicht variiert, sondern geändert, wie es wirklich ist.

E.: Es ist aber nicht wirklich so. Die Einsteiner haben die ganze Theorie nicht reflektiert, einer schreibt vom anderen ab, nimmt ihn als Prämisse und vertritt ihn dann, wenn es ihm in den Kram passt. Das Tödliche an Einsteins SRT ist, dass er die Subjektivität vor die Objektivität stellt. Natürlich sind zwei Ereignisse gleichzeitig, auch wenn sie an verschiedenen Orten stattfinden, nur erkennt man es subjektiv nicht.

Alle Berechnungen der Raumfahrt gehen nach Newton, auch die der Astronomie, wer hat schon eine gekrümmte Entfernung gemessen, selbst nicht bei Milliarden von Lichtjahren. Die Berechnung der Anziehung in einem Mehrkörpersystem ist eben nicht so einfach; den Mittelpunkt der Massen nehmen oder den Massenpunkt dazwischen berechnen, dem sollten sich die klugen Mathematiker widmen. Die Uhren gehen bei Beschleunigung langsamer, der eine Zwilling ist schulpflichtig, während der andere sich noch in ein Spermazoon zurückverwandelt hat, wenn er zurückkehrt. Man stelle sich vor, wie dick der sein müsste bei der Beschleunigung und seinem Alter und wie klein das Spermazoon. Welcher ist denn beschleunigt, wenn der eine im Kasten von einer Stelle davonfliegt, das ist nicht relativ im Sinne Einsteins, letztendlich ein Eigentor, er benutzt einen festen Ort für den zuhause Gebliebenen; wenn nicht, müsste der Rückstoß auch ihn beschleunigen. Die Zeit schrumpft und krümmt sich (vor Schmerz über das, was man ihr antut), man meint, er hätte in Hogwarts (School of Witchcraft and Wizardry) studiert. Und wie wurde gemessen, mit der Uhr? Die Uhr in den Zellen wird nicht berücksichtigt!

N.: Bei niedrigen Geschwindigkeiten wäre es so, aber bei Lorentz nicht, Mößbauer konnte es beweisen und auch im Satelliten gehen die Uhren langsamer.

E.: Bei Mößbauer war es nur die Frequenz, die größer geworden ist, kein Ding, und was heißt Uhr, ist die Uhr ein objektiver Zeitmesser?

N.: Atomuhren sind genau.

E.: Und womit wird gemessen? Mit unserer Uhr!

N.: Und wie ist es mit einzelnen Myonen einer Menge, die uns erreichen, obwohl sie es bei ihrer mittleren Zerfallszeit nicht dürften, mit ihrer hohen Geschwindigkeit, ihre Lebensuhren gehen langsamer, sie leben länger – aber wie viel, berechnet mit der SRT?

E.: Die Myonen, sie müssen ja unheimlich dick sein bei ihrer Geschwindigkeit. Wie dick sind sie denn in Ruhe? Wie ist es mit der Berücksichtigung der Messung, der Unschärfe der Quantentheorie?

Na, so leicht kannst du mir das nicht erklären, es spielt da sicher auch die mittlere Zerfallszeit eine Rolle, es gibt nach beiden Seiten einen Unterschied.

N.: Du bist unbelehrbar. Übrigens, im CERN haben sie es auch nachgewiesen, das mit der Lebensverlängerung. Aber wer will das denn auch wissen? Ein Leser sicher nicht, man müsste einen Kommentarband dazulegen.

E.: Warte mal ab, bis die klassisch-wissenschaftlichen Partisanen aus dem Untergrund die Behauptungen Einsteins torpedieren. Im CERN haben sie die Teilchen vorbeifliegen sehen, da war ihre Masse angewachsen, sie waren gleichzeitig verjüngt und geschrumpft, die Masse wird größer, das Teilchen schrumpft, interessant, sich ein geschrumpftes Teilchen vorzustellen, wo es doch sowieso wie ein Pünktchen berechnet wird. Ist der Ring nicht gleich lang und die Zeit je nach Geschwindigkeit auch? In Realität ist das Teilchen gleich groß geblieben, die Strecke gleich lang und die Zeit mit der Uhr gemessen. Lass dich mit deiner Uhr mal kräftig beschleunigen damit du länger lebst. Aber wäre es dann ein Nutzen für die Menschheit, ich stelle mir vor, wie du in der Länge oder Breite schrumpfst, da ist schon wieder der logische Widerspruch, wenn du liegst, der Länge nach, ein Pykniker, wenn du stehst, in der Breite: Giacometti und wenn du schräg im Raum stehst, wie siehst du dann aus, wie ein Picasso. Und deine Gedanken so verlangsamst wie die Bewegungen eines Faultiers. Wenn es nach A. ginge, wäre es so. Der Dicke läuft und wird beschleunigt, er schrumpft und lebt länger, das stimmt mit der klinischen Medizin überein, einer, der Gewicht verliert, wird dünner und lebt länger, wohl das Einzige, worin Medizin und Einstein übereinstimmen. Bleib mal unbeschleunigt.

N.: Das ist deine Ironie. Du bist giftig.

E.: Und weiter, die Zweiweltentheorie, da lob ich mir die Surrealisten, Dali konnte zum Beispiel die Zweiweltentheorie besser vermitteln in seinen »Lebensaltern« und der »Büste von Voltaire« als ihr, auch so ein spekulatives Thema der theoretischen Physiker.

N.: Mit dir lässt sich trefflich streiten, zum Beispiel nehmen die Protonen an Masse zu, wie man es relativistisch berechnen kann.

E.: Und wie konnte man das messen?

N.: Man muss die Magneten verstärken, um mehr Kraft zu haben, sie auf ihrer Bahn zu halten.

E.: So teure Magneten. Das soll der Beweis sein? Wer hat es gesehen? Komisch, wozu braucht man so lange, runde Beschleuniger?

N.: Natürlich um die Geschwindigkeit zu erreichen. Irgendwie hast du intuitiv recht, du bist doch ein Einsteiner, ganz oben in der Geschwindigkeit lassen sie sich nur schwer beschleunigen, es reicht natürlich eine gewisse Geschwindigkeit aus, dass Teilchen zersplittern.

E.: Und so ein teures CERN. Übrigens, mir fällt gerade das Beispiel mit dem Ballspieler in einem fahrenden Zug ein, der meint, wenn er den Ball auf den Boden fallen lässt, geschieht das genauso wie in einem nicht fahrenden Zug. Richtig. Derjenige, der das von außen betrachtet, für den bewegt sich der Ball nach vorn, richtig. Wenn nun der Boden im Zug aus Glas wäre und der Ball durch ein Loch im Glas fiele, wie sähe es der Außenstehende und der im Zug? Für beide fliegt der Ball nach hinten, komisch, es sind doch zwei Feststellungen, einmal bewegt sich der Ball nach vorn, einmal nicht, jetzt sind die Bewegungen für jeden Beobachter gleich, vom außenstehenden Beobachter gesehen nach hinten, vom Beobachter im Zug beobachtet auch. Es gibt keine Relativität, wenn man klar sieht, das Loch macht die Objektivität, das Objektiv.

N.: Von diesem Trick habe ich noch nie gehört.

E.: Nun sehen beide subjektiv objektiv, nämlich real.

Hier, ein Original-Brief an mich:

Lieber, wie geht es Ihnen, wir haben schon gedacht, Sie fensterln bei uns in der Nacht, besuchen Sie uns einmal in der Nacht, Ihre A., I., E., Ag.

N.: Stimmt nicht, Mann! Der war an mich gerichtet!

E.: Entschuldige, manchmal verwechsele ich dich mit mir, das rührt von einer Art geistiger Verschränkung her.

N.: Es sei dir verziehen. Hast du das doch aus der Quantenmechanik verstanden, o Wunder.

E.: Ich bin jetzt 65,5 Jahre alt, 1,75 m lang, um die 73 kg schwer, kurz nach dem Ende meines chirurgischen Lebens, das Ende eine Katastrophe? Mitnichten, könnte man salopp sagen, wohlgefällige Rückschau? Auch nicht, Bewusstsein einer jetzt unabhängigen Existenz, Freiheit pur. Wieso, existierte ich früher nicht? War ich so unfrei? Egozentrische Gedanken, die mir vorher nicht in den Sinn kamen. Rückschritt in gesellschaftlicher Beziehung? Reaktion auf einen erzwungenen Altruismus, von außen, von innen, positioniert auf einem Gen, gesteuert durch Erziehung?

Fruchtlose Gedanken. Ich trete in eine andere Welt ein. Eine Welt getrennt von der vorherigen, die angefüllt war mit Handlung und Gedanken in einer isolierten Sphäre, ausgerichtet auf Diagnose, Therapie und Fortschritt, Gedanken ohne rechts und links. Jetzt, am Ende, ein Weltall voller Möglichkeiten, Gedankenfreiheit pur. Aus verstaubter Kiste den Pegasus befreien, der sich allmählich ans Fliegen gewöhnt.

Allerdings körperlich etwa dreißig Prozent weniger leistungsfähig als mit dreißig, geistig wie schon immer etwas träge, mit relativ schlechtem Gedächtnis, dies ist nichts Neues. Ich habe meine Arbeit so getan, wie es mir möglich war, habe keine Hochleistungen erbracht, mir ist nicht klar warum.