Emin Pascha: Reisetagebücher aus Zentralafrika aus den 1870-80er Jahren

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Emin Pascha: Reisetagebücher aus Zentralafrika aus den 1870-80er Jahren
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Eduard Schnitzer Emin Pascha

Emin Pascha: Reisetagebücher aus Zentralafrika aus den 1870-80er Jahren

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Eduard Karl Oskar Theodor Schnitzer, in Afrika Emin Pascha genannt

Henry Stanley: Persönliches Von Emin Pascha

Die Tagebücher des Dr. Emin Pascha

Kapitel 1 – Aufenthalt in Ladó und kleinere Reisen von dort aus

Kapitel zwei – Gegen die Flussverstopfungen – Verunglückte Reise nach Khartum und Rückkehr nach Ladó – 14. November bis 4. Dezember 1878

Kapitel drei – Reise ins Land der Madi und Schuli – Von Ladó nach Fatiko und zurück – 5. Dezember 1878 bis 19. Januar 1879

Kapitel vier – Aufenthalt in Landó und kleinere Ausflüge von dort – 20. Januar bis 10. Oktober 1879

Kapitel fünf – Reise von Ladó nach dem Westufer des Albert-Sees (Msvar, Mahagi) und rückkehrend über Fatiko nach Ladó – 11. Oktober bis 10. Februar 1880

Kapitel sechs – Reise von Ladó nach dem Albert-See –23. bis 31. Dezember 1879

Kapitel sieben – Aufenthalt in Ladó und kleinere Reisen von dort aus – 10. Februar bis 31. Juli 1880

Kapiel acht – Reise von Ladó nach Makraka und zurück – sowie kleiner Aufenthalt dortselbst – 1. August bis 14. September 1880

Kapitel 9 – Marsch von Ladó nach Dufilé am linken Ufer des Nils – 25. September bis 8. Oktober 1880

Kapitel zehn – Reise von Laboré über Fadibék und Fatiko nach Fauvera und zurück über Fatiko nach Wadelay – 9. Oktober bis 28. November

Die gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.


Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ Weitere.

Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski


Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

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Der Autor Eduard Karl Oskar Theodor Schnitzer, in Afrika Emin Pascha genannt

Der Autor Eduard Karl Oskar Theodor Schnitzer, in Afrika Emin Pascha

genann genannt


Geboren am 28. März 1840 in Oppeln (Oberschlesien) als Isaak Eduard Schnitzer.

Er war Afrikaforscher und Gouverneur der Provinz Äquatorialafrika im türkisch-ägyptischen Sudan. Bekannt wurde er vor allem durch seine Rolle während des Mahdi-Aufstandes und die zu seiner Rettung entsandte Emin-Pascha-Expedition.

Er verstarb am 23. Oktober 1892 in Kinena im Kongogebiet einem arabischen Handelspost, von Sklavenhändlern ermordet.

* * *

Henry Stanley: Persönliches Von Emin Pascha

Henry Stanley: Persönliches Von Emin Pascha

Alter und frühere Tage Emin Pascha's. – Gordon und das Gehalt Emin Pascha's. – Letzte Unterredung mit Gordon Pascha im Jahre 1877. – Letzte Zufuhr von Munition und Lebensmitteln an Emin. – Fünf Jahre abgesperrt. – Mackay's Bibliothek in Uganda. – Emins Fähigkeiten und Tüchtigkeit für seine Stellung. – Seine Sprach- und sonstigen Kenntnisse; sein Fleiß. – Seine zierlichen Tagebücher. – Schukri Aga's Erzählung von Emins Rückzug von Kirri nach Mswa. – Emin bestätigt die Erzählung. – Der Pascha und die Dinka. – Eine Löwengeschichte. – Emins Vogelstudien.

* * *

Ich beabsichtige nicht, eine biographische Skizze über Emin Pascha zu schreiben, sondern will nur die jetzigen Einzelheiten hier wiedergeben, die er mir selbst bei unserm täglichen Zusammensein von seinem Leben im Sudan und seiner Bekanntschaft mit seinem berühmten Chef, dem ewig beklagten Gordon, berichtet hat.

Von Geburt ist Emin Pascha Deutscher. Er gibt an, 48 Jahre alt zu sein, und muss daher im Jahre 1840 geboren sein. Ich glaube er muss noch jung gewesen sein, als er in Konstantinopel eintraf, sowie dass irgendein großer Herr ihn bei seinen Studien unterstützt hat und er durch denselben Einfluss wahrscheinlich in türkische Dienste gekommen und der ärztliche Begleiter von Ismail Hakki Pascha geworden ist. Wenn er, wie er mir selbst erzählte, mehr als 20 Jahre unter der Flagge des Halbmondes gedient hat, muss er im Jahre 1864 in den Dienst der Türkei getreten sein. Er schloss sich in Stambul der jungtürkischen oder Reformpartei an, welche ihr eigenes Organ besaß, das wegen seiner kühnen Befürwortung der Reformen dreimal von den Behörden unterdrückt wurde. Bei der letzten Unterdrückung desselben musste Emin das Land verlassen. Nach seiner Ankunft in Ägypten im Dezember 1875 trat er in ägyptische Dienste und wurde nach Khartum gesandt.


„Gordon ernannte mich zuerst zum Arzt mit einem monatlichen Gehalt von 25 Pfd. St., dann erhöhte er dasselbe auf 30 Pfd. St.; bei der Rückkehr von meiner Mission nach Uganda überraschte er mich mit der Erhöhung meines Gehalts auf 40 Pfd. St., doch wurde dasselbe, als ich Gouverneur dieser Provinz wurde, wie bei allen Provinzgouverneuren, 50 Pfd. St. monatlich.


Charles George Gordon – 1833 – 1885

Generalgouverneur der ägyptischen Provinz Sudan

Wie hoch das Gehalt eines Generals ist, weiß ich nicht. Indessen war ich damals nur ein ‚Miraman‘, eine Art Zivil-Pascha, der sein Gehalt nur so lange bekommt, wie er beschäftigt wird, dasselbe aber verliert, sobald man seiner Dienste nicht mehr bedarf. Ich hoffte zum Militär-Pascha, d. h. Divisionsgeneral, ernannt zu werden.“


„Nunmehr ernannte Gordon den deutschen Vizekonsul in Khartum, ohne jegliche Befugnis von mir, zu meinem Agenten, um mein Gehalt entgegenzunehmen. Ich glaube, dasselbe ist diesem mehrere Monate ausbezahlt worden; doch ernannte Gordon schließlich diesen selben Vizekonsul zum Gouverneur von Dafur, als welcher er bald darauf gestorben ist. Bei der Ordnung seines Nachlasses fand sich nach Bezahlung einiger kleiner Schulden noch eine genügende Summe vor, sodass seiner Frau 500 Pfd. St. nach Kairo geschickt und mir als Hauptgläubiger der Betrag Von 50 Pfd. St. gutgeschrieben werden konnte. Einige Monate später fiel Khartum, und das Geld, das dort etwa nach dem Tode des Vizekonsuls deponiert worden war, ging natürlich verloren, sodass ich seit acht Jahren gar kein Gehalt bekommen habe.“


„Meine letzte Unterredung mit Gordon Pascha hatte ich im Jahre 1877. Es war eine Expedition unter Führung von Oberst Prout nach Dafur und eine zweite unter Oberst Purdy zu Vermessungszwecken ausgesandt worden. Als Gordon Generalgouverneur wurde, bat er Stone Pascha in Kairo, ihm einen dieser Offiziere zu Vermessungsarbeiten in der Äquatorialprovinz zu schicken. Gessi Pascha hatte bereits den Albert-See umschifft, seine Messungen aber nur mit dem Kompass vorgenommen. Prout Bey und Mason Bey waren beide vorzügliche Beobachter. Prout Bey traf zuerst ein; er reiste von Ladó nach Fatiko, von dort nach Mruli am Victoria-Nil, ging dann nach Magungo am Albert-Njansa und stellte durch eine Reihe von Übernachtungen die Lage dieses Punktes für alle Zeiten fest. Krankheit zwang ihn, nach meiner Station in Ladó zurückzukehren. Zur selben Zeit war Mason Bey gerade mit einem Dampfer angekommen, um den Albert-See zu vermessen, und mit demselben Schiffe erhielt ich den Befehl, nach Khartum hinabzufahren, um den Gouverneurspost in Massaus am Roten Meer zu übernehmen. Der französische Konsul daselbst hatte sich mit dem dortigen Zivilgouverneur veruneinigt und gebeten, wenn ein anderer Gouverneur ernannt werde, dazu eine Persönlichkeit zu wählen, welche französisch verstände. Deshalb hatte Gordon, welcher wusste, dass ich mit der Sprache vertraut war, vermutlich mich ausersehen. Bei der Ankunft in Khartum wurde ich sehr herzlich von Gordon aufgenommen, der darauf bestand, dass ich die Mahlzeiten mit ihm einnehmen müsse, was eine große Gunst war, weil er sonst selten jemand einlud, mit ihm zu speisen. Ich lehnte die Wohnung im Palast jedoch ab und nahm mein Frühstück bei mir zu Hause ein, doch bestand Gordon darauf, dass ich zum zweiten Frühstück und Mittagessen zu ihm käme. Er hatte Überfluss an Arbeit für mich, Schreiben an die ägyptischen Paschas und Beys in den verschiedenen Provinzen, Briefe an die katholische Mission in Gondokoro, sowie an den Papst, den Khedize usw. in italienischer, deutscher und arabischer Sprache. Das dauerte eine Zeit lang, bis er mich eines Tages in einer Mission nach Unjoro sandte. Etwas später fuhr ich stromaufwärts und habe seitdem Gordon nicht mehr gesehen.“

 

„Im Juni 1882 schrieb mir Abdul Kader Pascha, dass er in einigen Monaten einen Dampfer mit Lebensmitteln und Munition an mich absenden werde. Nachdem ich neun Monate gewartet hatte, erhielt ich im März 1883 nur 15 Kisten Munition. Das ist tatsächlich die letzte Zufuhr von irgendetwas gewesen, was ich bis zu Ihrer jüngsten Ankunft im April 1888 von der Außenwelt bekommen habe. Genau fünf Jahre!“


„Während fünf Jahren bin ich in dieser Region vereinsamt geblieben. Hoffentlich aber nicht müßig. Ich wurde von den Angelegenheiten meiner Provinz in Tätigkeit gehalten, und es ist mir gelungen, an manchen Dingen Vergnügen zu finden. Dennoch hat die Isolierung von der zivilisierten Welt mir das Leben ziemlich schwer gemacht. Ich würde mich des Lebens hier bis zu meinem Ende freuen, wenn ich nur regelmäßig Nachrichten erhalten könnte und eine sichere Verbindung mit der Außenwelt hätte, um alle Monate oder alle zwei oder selbst drei Monate Bücher und Zeitungen zu erhalten. Ich beneide die Missionare in Uganda, die monatlich ihr Packet Briefe, Zeitungen und Bücher bekommen. Herr Mackay hat in Uganda eine vollständige Bibliothek. Das Päckchen ‚Honeydew‘-Tabak, welches ich Ihnen neulich gab, erhielt ich von ihm. Ich bekam auch einige Flaschen Spirtuosen, Kleidungsstücke, Schreibpapier von ihm und ebenso die wenigen Nachrichten, welche ich aus den mir hin und wieder gesandten Nummern des ‚Spectator‘ und der ‚Times‘ ersah. Bücher über gewisse Gegenstände, welche mich interessieren, habe ich aber nie von ihm erhalten können, ohne ihm und seinen Freunden viel zu große Mühe zu machen. Ich möchte daher gern meinen eigenen Postdienst haben, dann wäre mein Leben von dem Unbefriedigtsein befreit. Ach, diese Jahre des Schweigens! Ich vermag meine Gefühle nicht in Worte zu kleiden, könnte die Zeit aber nicht nochmals aushalten.“


Ich habe bereits Emins Alter und Person beschrieben; gewisse Eigenschaften seines Charakters werden durch die vorstehende Unterredung gekennzeichnet, jedoch würde man den Mann kaum im vollen Umfange seiner Natur verstehen, wenn ich hier aufhörte. Seine Fähigkeiten, Tüchtigkeit und Brauchbarkeit für die eigentümliche Stellung, in welche er versetzt war, ergeben sich aus der Art und Weise, wie er es möglich machte, seine Truppen zu bekleiden. Unter den uns aufgenötigten Geschenken befanden sich Stücke von Baumwollstoff, den seine Leute selbst gewebt hatten, grob, aber fest, sowie Pantoffeln und Schuhe von seinen eigenen Schuhmachern. Das Aussehen seiner Dampfer und Boote nach der langen Dienstzeit, die Herstellung des für die Maschinen geeigneten Öls, einer Mischung aus Sesamöl und Talg, die ausgezeichneten sanitären Einrichtungen, die Sauberkeit und Ordnung der unter seinem Befehl stehenden Stationen, die regelmäßig ohne Widerspruch erfolgende Zahlung des Getreidetributs seitens seiner Negeruntertanen zweimal im Jahre, alles das dient dazu, um seinen eigenartigen Charakter zu kennzeichnen und zu beweisen, dass er Talente besitzt, wie man sie bei denen, die Afrika zu ihrem Arbeitsfelde erwählen, nur selten findet. Bei dem Bemühen, ihn zu beurteilen, lasse ich im Geiste Hunderte von Offizieren vorüberziehen, welche am Nil und Kongo gedient haben, aber ich kenne nur wenige, welche ihm in einer seiner wertvollen Eigenschaften gleichkommen würden. Abgesehen von seinen sprachlichen Kenntnissen ist er Naturforscher, etwas Botaniker, und was ihn als Arzt anbetrifft, so glaube ich wohl, dass 20-30 Jahre eines abenteuerlichen Lebens, wie er es geführt hat, ihm seltene Gelegenheiten geboten haben, um in diesem Beruf klug und geschickt zu werden. Die von ihm gebrauchten Worte gehen, wie man aus dem Vorstehenden ersieht, über das hinaus, was zu einem allgemeinen Gespräch erforderlich ist, und ließen mich auch seine Gewandtheit im Englischen erkennen, das bei seiner sonoren Stimme und gemessenen Sprechweise ungeachtet des fremden Akzents sehr angenehm klang. Ich fand ihn über die Fragen der in Zeitungen und Zeitschriften behandelten Politik sehr gut unterrichtet, gleichviel von welchem Lande wir sprachen. Sein Benehmen ist sehr höflich und entgegenkommend, vielleicht etwas zu zeremoniös für Zentralafrika, aber höchst geziemend für einen Gouverneur und gerade so, wie man es von einem Beamten in solcher Stellung, der sich seiner schweren Verantwortlichkeit bewusst ist, erwarten kann.

Fleißige Arbeit scheint für ihn ein wichtiges Lebensbedürfnis zu sein. Er ist ein Muster anstrengender, geduldiger Arbeit. Kaum war das Lager aufgeschlagen, so machte er sich schon daran, nach methodischer Weise in der Einrichtung Ordnung herzustellen. Sein Tisch und Stuhl haben ihren bestimmten Platz, auf dem Tische befinden sich die Tagebücher, auf einem passenden Postament die Aneroidbarometer, im Schatten sind die Thermometer und Psychrometer in gehöriger Weise aufgestellt, sodass die Luft sie ordentlich bestreichen kann. Die Tagebücher sind Wunder von Zierlichkeit und ohne Kleckse, die Schrift ist mikroskopisch klein, als ob er einen Preis für Akkuratesse, Sparsamkeit, Zierlichkeit und Treue erzielen wollte. Tatsächlich zeichnen die meisten Deutschen meiner Bekanntschaft sich durch die Masse ihrer Übernachtungen und ihre überaus schöne Schrift aus, während englisch sprechende Reisende, die ich kannte, Notizbücher besaßen, die für sie allerdings ganz brauchbar sein mochten, sonst aber nicht gut geführt, voll von Klecksen und im Vergleich zu jenen schlecht geschrieben waren und demjenigen, welcher die Herausgabe zu besorgen hat, unendliche Schwierigkeiten machten.


Nachtstehendes wird einige der Schwierigkeiten illustrieren, mit denen er in den fünf Jahren, die er vom Hauptquartier in Khartum abgeschnitten war, zu kämpfen hatte.

Schukri Aga, der Kornmandant der Station Mswa, der mir am Abend des 19. Mai einen Besuch abstattete, erzählte, dass vor etwa Jahresfrist 190 Soldaten vom ersten Bataillon von der Station Redjaf nach Kirri, wo der Pascha residierte, aufgebrochen seien, um ihn zu verhaften und als Gefangenen bei sich zu behalten. Es war nämlich von Dr. Junker in Kairo ein Brief eingetroffen, welcher die Nachricht von der Absendung einer Expedition zu ihrer Befreiung enthielt, und dies hatte in den Gemütern der Soldaten des ersten Bataillons die verworrene Meinung hervorgerufen, dass ihr Gouverneur in jener Richtung zu fliehen und sie ihrem Schicksale zu überlassen beabsichtige. In der Überzeugung, dass ihre Sicherheit in der Anwesenheit des Zivilgouverneurs unter ihnen liege, waren sie auf den Gedanken gekommen, ihn gefangen zu nehmen und mit sich nach Redjaf zu bringen, der nördlichsten Station, wo das genannte Bataillon in Garnison stand. „Denn“, sagten sie, „wir kennen nur einen Weg, und der führt den Nil hinab über Khartum.“ (Die Korrespondenz, welche diese Leute mit Khartum unterhielten, lässt mich bezweifeln, ob dies der wahre Grund war. Man Vergleiche das Schreiben Omar Sali's an den Chalifen von Khartum.) Als der Pascha von den Offizieren des zweiten Bataillons plötzlich von diesem Plane in Kenntnis gesetzt wurde, rief er: „Gut, wenn sie mich töten wollen, ich fürchte mich nicht vor dem Tode; lasst sie nur Kommen, ich werde sie erwarten.“ Das wollten die Offiziere des zweiten Bataillons in Kirri aber nicht zugeben; sie flehten ihn an, zu fliehen, ehe die Unzufriedenen kämen, und setzten ihm auseinander, dass „die gewaltsame Gefangennahme und die Haft des Gouverneurs einer jeglichen Regierung ein Ende machen müsse und die vollständige Vernichtung jeder Disziplin sein werde“. Längere Zeit weigerte er sich fortzugehen, aber schließlich gab er ihren Bitten doch nach und floh nach Mswa. Bald nach seiner Abreise traf das Detachement des ersten Bataillons ein, umzingelte die Station und stellte die peremtorische Forderung, der Gouverneur solle herauskommen und sich ihnen ergeben. Auf die Antwort, dass der Gouverneur bereits südwärts nach Muggi und Wadelai abgereist sei, drangen die Empörer gegen die Station vor, ergriffen den Kornmandanten und die Unterbeamten, prügelten sie mit Peitschenhieben weidlich durch und nahmen die meisten als Gefangene mit, worauf sie nach Redjaf zurückkehrten.

„Sie müssen wissen“, fuhr Schukri Aga fort, „dass das erste Bataillon die nördlichen Stationen bewacht, dass jeder Soldat desselben gegen den Rückzug ist und jegliche Andeutung, den Wachtpost in Redjaf zu verlassen, nur ihren Unwillen hervorruft. Sie haben während der ganzen langen Zeit auf die Nachricht gewartet, dass ein Dampfer in Ladó eintreffen werde, und hängen noch fest an dem Glauben, dass der Pascha in Khartum sie eines Tages belassen lassen werde. Was Emin Pascha ihnen in gegenteiligem Sinne sagt, ruft nur den äußersten Unglauben hervor. Nun Sie aber auf dem entgegengesetzten Wege gekommen sind und da mehrere von uns, die wir 1875 mit Linant Bey gewesen sind, Sie in Uganda gesehen haben und noch viel mehr Sie dem Namen nach kennen, werden sie höchst wahrscheinlich die Überzeugung gewonnen haben, dass der Nil nicht die einige Straße nach Ägypten ist und dass Sie, der sie aufgefunden hat, sie auch aus dem Lande führen werden. Sie werden Ihre Offiziere, werden Ihre Sudanesen sehen ehrerbietig Ihre Botschaft anhören und mit Freuden gehorchen. Das ist meine Ansicht, obwohl nur Gott weiß, wie die Stimmung augenblicklich beim ersten Bataillon ist, da noch nicht genug Zeit verflossen ist, dass wir von ihm schon hätten hören können.“


Als ich Emin Pascha am nächsten Tage das von Schukri Aga Gehörte wiedererzählte, sagte er:

„Schukri Aga ist ein sehr intelligenter und tapferer Offizier, der zu seinem Range befördert worden ist wegen seiner ausgezeichneten Dienste gegen Keremallah, einen der Generale des Mahdi, als derselbe mit einigen tausend Leuten hierher kam, um uns aufzufordern, uns der Regierung des Mohammed Achmet zu unterwerfen.

„Was er Ihnen erzählt hat, ist vollständig wahr, nur hat er zu erwähnen vergessen, dass bei den 190 Soldaten des ersten Bataillons sich auch 900 bewaffnete Neger befanden. Später habe ich erfahren, dass sie mich nach Gondokoro zu bringen und dort gefangen zu halten beabsichtigten, bis die Garnisonen der südlichen Stationen, Wadelai, Tunguru und Mswa, sich gesammelt hätten, um dann gemeinsam am rechten Flussufer Bach Khartum zu marschieren. Beim Eintreffen in der Nähe von Khartum wollten sie, auf die Nachricht, dass die Stadt wirklich gefallen sei, sich jeder in seine Heimat zerstreuen und den Leuten aus Kairo und mir es überlassen, weiter für uns zu sorgen.“ (Da der Pascha dies wusste, scheint er mir doch sehr unklug gehandelt zu haben, als er sich unter diese Rebellen wagte, ohne sich vorher darüber zu vergewissern, welche Wirkung seine Gegenwart auf sie ausüben würde.)

 

Nachstehend einige naturhistorische und ethnographische Tatsachen, die er mir erzählt hat.

Der Wald Von Msongua wird von einer großen Art von Schimpansen unsicher gemacht, die im Sommer oft zur Nachtzeit die Pflanzungen der Station Mswa Besuchen, um Früchte zu stehlen.

Er bemerkte, dass man an den Ufern des Albert-Sees erstmals Papageien sehe. In Unjoro trifft man sie bis 2° nördl. Br., dagegen scheinen die Seeanwohner nicht zu verstehen, was gemeint ist, wenn man von Papageien spricht.

Unsere Leute fingen ein Paar sehr junge Zebra-Ichneumons und brachten sie dem Pascha. Derselbe nahm sie an und befahl sie mit Milch zu füttern. Er erklärte, das Ichneumon sei, obwohl es sehr zahm werde und äußerst drollig sei, doch schädlich.

Das neugierige kleine Tier zerbricht die Instrumente, spritzt die Tinte umher und beschmutzt und beschmiert Papiere und Bücher. An Eiern lässt es besonders seine Zerstörungswut aus; findet es ein Ei mit ungewöhnlich harter Schale, so neigt es dasselbe mit den Vorderfüßen und lässt es so lange fallen, bis es zerbrochen ist.


Dinka

Der Pascha weiß viel von den Dinka zu erzählen. Die Herdenbesitzer bei den Dinka haben 300-1.500 Stück Vieh, schlachten dasselbe aber Selten des Fleisches wegen, sondern halten es einzig und allein wegen der Milch und des Blutes. Letzteres wird mit Sesamöl vermischt und als Delikatesse verzehrt. Beim Tode eines Herdenbesitzers lädt der nächste Verwandte seine Freunde ein und schlachtet vielleicht zwei Rinder für das Festmahl bei der Bestattung, sonst hört man kaum, dass ein Dinka das Vieh des Fleisches wegen geschlachtet hätte. Stirbt ein Stück Vieh eines natürlichen Todes, so verlangt der Appetit nach Fleisch, dass es verzehrt wird, ein Beweis, dass nicht das Gewissen den Dinka verhindert, seinen Magen mit Fleisch zu füllen, sondern, da die Rinder seinen Reichtum bilden, nur seine übertriebene Sparsamkeit.


Die Dinka bezeugen den Tigerschlangen und allen übrigen Arten von Schlangen große Ehrfurcht. Als einer der sudanesischen Offiziere eine Schlange getötet hatte, musste er zur Strafe vier schöne Ziegen hergeben. Sie betrachten die Schlangen sogar als Haustiere und halten sie in ihren Hütten, wobei den Tieren aber alle Freiheit gelassen wird, sodass sie hinauskriechen und auf Beute gehen können, worauf sie zurückkehren, um zu ruhen und zu schlafen. Sie waschen die Tigerschlangen mit Milch und reiben sie mit Butter ein. Man hört in fast jeder Hütte in dem Dachwerk kleinere Schlangen rascheln, die dort der Jagd auf Ratten, Mäuse usw. nachgehen.

Auf der Ostseite des Nils fand er einen Stamm, welcher eine außerordentliche Vorliebe für Löwen hatte und dessen Mitglieder sich lieber von einem Löwen töten ließen, als dass sie sich des Todes eines solchen schuldig machten. Diese Leute hatten einmal eine Grube angelegt, um Büffel und ähnliches Wild zu fangen, doch war unglücklicherweise ein Löwe das erste Opfer derselben. Als die Sudanesen dies entdeckten, wollten sie das Tier töten, der Häuptling verbot dies jedoch und bat, man möge ihm den Löwen schenken, wozu die Sudanesen gern bereit waren. Während sie neugierig zusahen, was der Häuptling mit dem Tiere machen werde, schnitt dieser einen langen, kräftigen Pfahl ab und stellte ihn schräg auf den Boden der Grube, worauf der Löwe sofort an demselben emporklomm und ins Dickicht sprang, um sich der wiedergewonnenen Freiheit zu erfreuen. Zu erwähnen ist noch, dass das edle Tier keinen Versuch machte, jemand zu verletzen, und sich wahrscheinlich viel zu sehr davor fürchtete. Man könnte eine ebenso niedliche Geschichte, wie von Androkles und dem Löwen daraus machen, wenn wir nicht in einem so wahrhatten und prosaischen Zeitalter lebten.

Das „Vogelstudium“, erklärte mir der grauhaarige Leutnant aus Kairo, sei das Entzücken des Paschas. In der Tat scheint er in allem, was Vögel oder vierfüßige Tiere angeht, ein ebenso großes Vergnügen zu finden, wie an seinen Militär- und Zivilpflichten, obwohl ich nicht bemerkt habe, dass er die letzteren vernachlässigt hätte, während das ehrfurchtsvolle, soldatische Benehmen seiner Leute in seiner Gegenwart zeigt, dass ihnen die Disziplin gut eingeprägt worden ist.


Aus der vorstehenden Wiedergabe einiger von mir aufgezeichneten Unterredungen geht hervor, dass der Pascha ein wechselvolles Leben geführt hat, das ruhigen, in der Heimat bleibenden Leuten viel wertvollen und anregenden Lesestoff bieten würde. Hoffentlich wird er sich eines Tages bereitfinden, ihnen in Buchform einige der Überraschenden Ereignisse seines Lebens in Asien und Afrika vorzulegen und ihnen in seiner eigenen angenehmen Weise die interessantesten Beobachtungen zu wiederholen, die er während seines langen Aufenthalts in einer neuen und wilden Natur gemacht hat.

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