Buch lesen: «Anatomie in der Wirtschaft und Gesellschaft»

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Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich.

© 2020 united p. c. Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-7103-3453-5

ISBN e-book: 978-3-7103-4501-2

Umschlagfoto:

www.susanne-hauser.com; Werkreihe „planets …", 2015

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: united p. c. Verlag

www.united-pc.eu

Vorwort


Die Anatomie befasst sich mit der Gestalt und dem Aufbau, der Struktur des Menschen und der Gesellschaft. Die Evolution geht aber weiter, weil die genetische Weiterentwicklung nicht stoppt – Tages-Anzeiger: Wissen, 13.7.16 – Damit ändern sich auch die

Stammtischrunde der Sieben Aufrechten
Kollegen aus früheren Zeiten und aus der aktuellen Gegenwart treffen sich jeden Monat zu einer Art „Stammtischrunde“ um aktuelle Problemstellungen der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu diskutieren. Im Lauf der Zeit sind auch noch „neue Gesellschafter“ dazu gestossen, die im Dorfleben zu Bekanntschaften mit den früheren Studenten gekommen sind. Sie bilden einen wohltuenden, geistigen Ausgleich und erzählen vor allem Erlebnisse aus dem beruflichen Alltag und aus der Geschichte des Dorfs.
Die „Sieben Aufrechten“, wie sie sich selber nennen, sind im Lauf der Zeit zu einem „philosophischen Zirkel“ zusammengewachsen. Von den anfänglich gesetzten Themen zur Diskussion sind die Sieben weggekommen, weil sie gemerkt haben, dass das Spontane im Gedankenaustausch unter den Themenvorgaben stark leidet. Die Altersstruktur ist mittleren Alters, so dass sich 50plus, 65plus aber auch Personen zwischen 40 und 50 treffen.
Fritz, der Senior in der Gruppe, ist gerade von einer Gruppenreise durch den Norden von Thailand zurückgekehrt. „Die langen Busfahrten durch den Dschungel und die Buddhas, die sich in Reih und Glied vor unseren Augen aufgetürmt haben und sich immer wiederholten, haben uns schliesslich – so ab dem 5. Tag – genervt. Dazu kam noch der zuckersüsse Reiseleiter, der dauernd von seiner Mamma gesprochen hat und, wenn etwas nicht funktionierte, jedes Mal „wir machen das mit Liebe“ ausgerufen hat. So in die Richtung: „da könnt ihr Westler von uns Thais schon noch viel lernen“. Ich habe heute noch Probleme mit diesen Situationen. Das zeigt sich vor allem mit Kopfschmerzen; so typisch psychosomatisch.“
„Du solltest vielleicht wieder einmal im Garten arbeiten und mit den Blumen sprechen, dann kannst Du auch dieses psychosomatische Kopfweh los werden“. Peter, der Handwerker, weiss wovon er spricht. „Wenn Du den Blumen gut zuredest, dann überträgt sich diese Energie auch auf Deinen Geist und Du wirst sehen, dass Du diese „Problemchen“ schnell gelöst hast. Konzentriere Dich doch auf Lösungen, nicht auf Probleme und schon gar nicht auf Scheinprobleme.“
„Du hast gut reden mit Deinen Fähigkeiten im handwerklichen Bereich. Manchmal beneide ich Dich wirklich, dass ich diesen Zugang zu den Dingen nicht so leicht finde, oder gar nicht habe“, meint Fritz. „Ein bisschen weniger denken, sondern ganz einfach geschehen lassen, das wäre doch eine Gabe, die ich mir wünschen würde. Wenn ich drei Wünsche hätte, dann wäre die Gabe loslassen zu können sicher an erster Stelle.“
„Machen wir doch Nägel mit Köpfen. Du kommst am nächsten Dienstag zu mir in den Garten und kannst mir helfen Kartoffeln zu pflanzen. Du wirst sehen, dass Du nachher keine Kopfschmerzen mehr hast.“
„Einverstanden“, meint Fritz, „ich wäre bestimmt zum Arzt gegangen oder hätte ein paar Tabletten mehr geschluckt und das Kopfweh wäre mit Bestimmtheit wieder gekommen. Das sind Freunde, wie man sich dies in seinen Wunschträumen ausmalt.“
„Die Moral der Geschichte“ ist wohl – wenn Du Kopfweh hast, dann vergiss den Spaten nicht“, so zieht Hans in den „Kampf“ ein und gibt die Auseinandersetzung zwischen der Gartenarbeit und Kopfweh aus Thailand der Lächerlichkeit preis. „Mit dem Lösen von analytischen Problemen wird in unserem Gehirn eben nur ein kleiner Teil der Grosshirnrinde aktiv. Der Fokus ist auf die Ursache ausgerichtet und löst im Gehirn einen Sturm aus, der sehr einseitig ist. Du solltest Dich ganzheitlicheren oder kreativen Dingen vermehrt widmen und weniger grübeln. Dann hast Du eine gute Chance loslassen zu können. Du befreist Deinen Geist und hast keine Kopfschmerzen mehr. Das sage ich Dir. Ich hatte in meiner früheren Praxis viele verklemmte Männer, die meinten, die Welt sei nur analytisch zugänglich und erklärbar. Widme Dich Deiner Intuition, die auch Du – schon wegen Deiner Lebenserfahrung – hast.“
„Das ist mir zu theoretisch, obwohl ich mich mit Theorien gerne auseinandersetze“, meint Fritz. „Komm, erklär mir das ein bisschen anschaulicher, dann habe ich etwas davon“.
Hans ist ein bisschen brüskiert, aber er gibt sich Mühe: „Wir haben zwei Denkapparate in unserem Kopf.
Einen intuitiven und einen logischen Apparat. Die Intuition funktioniert automatisch und schnell. Der logische Apparat ist langsam und anstrengend. Wenn Du jetzt nur über die Logik funktionierst, dann strengst Du Dich dauernd an. Die Folge ist Kopfweh. Interessant ist nun aber, dass die Intuition fehlerhaft ist und dass die Logik die Fehler korrigieren kann. Leider übertölpelt aber die Intuition immer wieder die Logik. Die Folge ist eine Fülle möglicher Denkfehler. Wenn ich Dir ein Spiel um Geld anbiete und Du auf Kopf oder Zahl setzen kannst, wirst Du beim richtigen Tipp Fr 200 .-- gewinnen. Wenn Du aber falsch liegst, dann musst Du Fr 100.-- bezahlen. Gehst Du auf diesen Deal ein, Fritz?“ „Sicher nicht,“ meint Fritz. „Nun, die meisten Leute reagieren so wie Du. Obwohl das Risiko besser ist, als bei den meisten Investitionen, die gemacht werden. Dies also, obwohl der drohende Verlust nur halb so gross ist, wie der wahrscheinliche Gewinn.
Der Grund für diese ablehnende Einstellung ist die intuitive Angst vor Verlusten. Der erwartete Schmerz über den Verlust von hundert Franken ist viel grösser als die erwartete Freude über den Gewinn von zweihundert Franken. Es gibt also so etwas, wie eine angeborene Vorsicht. Das war in der Steinzeit sicher sinnvoll. Heute führt dies aber dazu, dass es sinnvolle Reformen schwerer haben, weil die gefühlsmässigen Nachteile die erwarteten Vorteile überwiegen. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, dass Du – Fritz – das ganze Leben lang deiner Firma treu geblieben bist und dass Du immer noch die gleiche Frau hast, mit der Du nach Thailand reisen kannst und mit Kopfweh nach Hause kommst. Dieser Mechanismus ist doch sicher verständlich, oder?
Die Neigung etwas sofort haben zu wollen, entspricht der Denkfaulheit. Ein grosser Teil der Menschen in den wirtschaftlich entwickelten Ländern hat doch „lieber heute das Ei als morgen eine Henne“. Wir haben Mühe kurzfristig auf etwas zu verzichten, weil wir es ja haben können, wenn wir wollen. Es gibt Leute, die gehen davon aus, dass die Intuition die Quelle von Denkfehlern sei. Nach meiner Erfahrung stimmt es zwar, dass die Intuition in die Irre führen kann. Für mich ist es aber eine Art unbewusster Intelligenz, die der Logik ebenbürtig ist. Wir sehen das gut bei Schockereignissen. Es ist zum Beispiel so gewesen, dass nach dem 11. September 2001 die Menschen auf das Fliegen verzichtet haben und vermehrt mit dem Auto gefahren sind, obwohl es viel wahrscheinlicher ist, dass beim Autofahren Unfälle passieren, als beim Fliegen. Das Ergebnis war, dass die Verkehrstoten drastisch zugenommen haben. Diese Art Fehleinschätzungen sind in uns tief verankert. Wenn wir zu viel über früher Gelerntes nachdenken, dann machen wir automatisch mehr Fehler. Dies wird beim Sport leicht erkennbar. Sportler, die es nicht schaffen unbewusst kompetent zu wirken, haben in der Welt des Spitzensports keine Chance an der Spitze zu bleiben oder dorthin zu kommen.
Die Welt der Fantasien ist etwas Spezielles. Hier wirddas intuitive Denken wichtiger als das logische Denken. Alle grossen Wissenstaten sind aus einer intuitiven Erkenntnis erwachsen. Einstein soll gesagt haben: „Der intuitive Geist ist ein Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener.“ In unserer modernen Zivilisation wird der Diener geehrt und das Geschenk vergessen. Selbstverständlich haben sowohl die Logik als auch die Intuition ihre Stärken und Vorteile. Die Logik zum Beispiel ist dann gut, wenn es viele Informationen gibt und die Risiken bekannt sind. Wenn es aber um Dinge geht, wo wir kein Wissen haben – und das kommt häufig vor – dann hat die Intuition ihre Stärken. Das Umfeld ist bei solchen Dingen mit vielen Unsicherheiten verbunden. Für die Logik etwa sind die Wetterprognosen gut, für die Intuition die Kindererziehung oder die Partnerwahl. Unsere Multioptionsgesellschaft verlangt viel mehr Entscheidungen als früher. Da kann die Intuition helfen. Selbst in Firmen werden wichtige, strategische Entscheidungen häufig intuitiv getroffen.
Selbstverständlich werden aber zu den gleichen Fragestellungen auch teure Berater engagiert, die dicke Berichte schreiben um die intuitive Entscheidung des Managements zu bestätigen.“
„Im Garten arbeiten ist mir wohl lieber und es leuchtet mir auch schnell ein“, meint Fritz. „Dein Beispiel wegen der Risiken ist wohl aus der Praxis gegriffen. Das habe ich an mir tatsächlich auch schon erlebt. Aber, trotz Deiner Mühe, ich gehe lieber in den Garten und helfe Kartoffeln zu pflanzen. Die Wissenschaft hat es so oder so in sich.
Alle Jahre immer wieder neue Theorien, die meist nicht bestätigt werden. Gartenarbeit ist eine Tätigkeit, bei welcher ich meine Sinne auch einsetzen kann. Der Geschmack der Erde, die Hände voller Dreck, das ist es, was die Wahrnehmung letztlich ausmacht und das kann keine einzige Wissenschaft bieten.“
Paul hat vor Jahren erfolgreich eine kleine Firma aufgebaut. Er hat viele Erfahrungen gesammelt mit Dingen, die funktionieren, aber auch, dass man immer wieder am „gleichen Ort“ den „Kopf anschlagen“ kann. „Mir scheint, dass es so etwas wie einen „Kreis der Gewohnheiten“ geben muss. Wie könnte es sonst sein, dass wir immer wieder die gleichen Fehler machen? Die Nachteile, welche die Vorteile übertreffen sind schliesslich mit den Fehlern verbunden. Ich denke auch, dass es so etwas wie eine hormonelle Lage gibt, die – vielleicht vor allem die Männer – immer wieder in die Teufels Küche treiben. Für mich ein Beweis dafür, dass das Denken allein nie alle Probleme lösen kann und wird. Dazu kommt, dass nach wie vor der analytische Weg zur Problemlösung gesucht wird, selbst dann, wenn es keine Ursachen zu ergründen gibt. Viele Problemstellungen sind aber kreativ, weil bei bekannten Ursachen nach neuen Wegen gesucht wird. Methoden gibt es viele, die Art der Anwendung in der richtigen Situation ist aber eine andere Ebene, die häufig nicht beherrscht wird. Dann gibt es auch die „Methodenfetischisten“, die glauben dann, dass nur ihre Lieblingsmethode auf den Königsweg der Problemlösung führt.
Die Methoden sind schliesslich die ausgetreten Bahnen des Geistes, helfen also höchstens als Krücke bei der Suche nach Problemlösungen. Es werden, wie im Mittelalter, Glaubenskriege geführt, die fast nur Verlierer und Tote hinterlassen. Der Anspruch auf das Einzigwahre hat noch nie zu dauerhaften Problemlösungen geführt. In meiner praktischen Arbeit als Unternehmer bin ich immer wieder mit Methoden oder Systemen konfrontiert gewesen, die den gesunden Menschenverstand ausgeschlossen und die Komplexität nur noch komplizierter gemacht haben. Ein Beispiel sind all die Normen, die die Qualität einer Firma steigern sollen. Die Anwendung dieser Normen hat häufig zu einem gesteigerten Bürokratismus geführt, der den gesunden Menschenverstand in seiner ganzen Entfaltung wesentlich eingeschränkt hat. Die Folge war nie eine verbesserte Qualität, eher ein bürokratisches System, welches die Regulierungswut gesteigert hat. Noch gesteigert wurde der ganze Irrsinn durch den Druck der Grosskunden, die nur mit zertifizierten Firmen zusammenarbeiten wollten. Was blieb da dem Unternehmer übrig, als sich anzupassen.
Das gleiche spielt sich im Umgang mit Risiken ab. Die Banken sind ein gutes Beispiel dafür. Keines der Systeme hat weder bei der Risikobewertung noch bei den Investitionsmodellen die Katastrophe von 2008 vorausgesagt. Die „Massenvernichtungswaffen“ sprich die „modernen Finanzprodukte“ haben zur Illusion der Gewissheit geführt. Es ist wie beim Truthahn, der gut enährt dahin lebt, sich nicht vorstellen kann, dass er am „Thanks Giving Day“ geschlachtet wird. Es ist die Ahnungslosigkeit, die es möglich macht, dass grosse Risiken eingegangen werden. In meiner früheren Tätigkeit als Unternehmer war es mit den langweiligen Banken noch einfach; sie geben dir 3% Zins, nehmen selber aber 6% Zins und finden sich nach Abschluss des Geschäfts auf dem Golfplatz beim 19. Loch. Was wir für die moderne Zeit den Banken empfehlen können ist, dass sie bei grossen Risiken vermehrt die Intuition einschalten. Denn der gesunde Menschenverstand funktioniert meist weit besser als alle Optimierungs-und Maximierungsstrategien.“
Patrick, der pensionierte Lehrer findet diese Ausführungen sehr interessant und sieht Parallelen zum Schulsystem; „Ich bin unter anderem überzeugt, dass die Kinder und Jugendlichen in der Schule nicht lernen, wie komplexe Probleme gelöst werden können. Ich habe noch versucht aufzuzeigen, wie die Fragen zur Lösung komplexer Probleme lauten: Worum geht es? was ist gegeben? Was ist gesucht? welche Wege zum Ziel ergeben sich? wie funktioniert die Lösung? welche Konsequenzen zieht die Lösung nach sich?“
„Und das hat funktioniert?“, fragt der vergeistigte Fritz zurück, „das scheint mir schon etwas trivial zu sein. Man kann doch die Dinge auch zu einfach darstellen, oder nicht?“
„Du musst Dir vorstellen, dass es um Schüler in der Volkschule geht, die angesprochen sind. Ich habe aber schon häufig Erwachsene angetroffen, die diese Fragen fast nie oder gar nicht stellen. Es sind vor allem die „Hormonkälber“, die so funktionieren. Diese handeln zuerst, dann denken sie vielleicht über ihre Handlungen nach und lassen sich schliesslich von den Folgen in der Realität überrollen. Der Weg zur viel beachteten Versuch-Irrtum Methode ist so offen. Schlimm wird es aber dann, wenn der Irrtum noch durch den Zufall ersetzt wird. Was in der Schule nicht zum Blühen gebracht wird, hat es später sehr schwer und manchmal ist es unmöglich aus den gemachten Fehlern Lehren zu ziehen. Gerade die Menschen, die immer und durchdringend auf ihre Erfahrung pochen, sind wenig bereit etwas Neues zu lernen. Das wird dann noch gesteigert, wenn die Summe der Erfahrungen nichts anderes sind als die Fehler, die im Leben begangen worden sind.
In der Schule stellen wir fest, dass rund ein Fünftel der Schulabgänger nicht im Stande sind eine einfache Dreisatzaufgabe zu lösen. Die Mathematik ist unter Beschuss und die neuen Lehrpläne fordern mehr Programmierunterricht. Ich denke, dass es wichtig wäre, dass die Schüler lernen, die richtigen Fragen in der richtigen Formulierung zu stellen. Wenn hundert Frauen auf Brustkrebs getestet werden, hat eine von ihnen Brustkrebs. Von den 99 anderen werden ebenfalls 9 positiv getestet. Insgesamt haben 10 Frauen ein positives Testresultat. 9 davon sind falsche Alarme.
Es hat also nur eine von 10 positiv getesteten Frauen tatsächlich Brustkrebs. Das meine ich mit richtiger Formulierung. Es wäre also eine Mathematik der Unsicherheit wichtig. Das nennt man auch Statistik. Die Folge dieses Unterrichts könnte sein, dass die Schüler risikokompetenter würden. Aus meiner Sicht absolut wichtig.“
„Das ist zwar eine gerüttelte Portion Schulmeisterei, aber unrecht hast Du nicht“, meint der sechste im Bund, Armin, der ein Umweltspezialist ist. „In meinem Gebiet der Ökologie wird das Unvermögen zu lernen, tagtäglich vor Augen geführt. Ozeane werden ausgefischt, es gibt immer mehr Fischzuchten an ungeeigneten Orten. Das läuft parallel zur Verschmutzung der Meere, immerhin mit dem Segen der zuständigen Länder. Fische werden rund um die Welt transportiert, weil die Kreisläufe nicht geschlossen werden. Damit nimmt der Globalisierungswahnsinn seinen Fortlauf. Von den kleinen Plastikpartikeln, die die Meere verseuchen und die Fische krank machen, sprechen wir schon gar nicht. Gott sei Dank, dass die Antibiotikas erfunden worden sind. So können wir, ohne es zu merken, uns selbst mit Wirkstoffen voll pumpen, die für unsere Gesundheit gefährlich sind. Die Kette kann weiter gezogen werden, zum Beispiel beim Bohren nach Öl mit der Frackingmethode. Erfolgreich, wirtschaftlich dazu, aber mit der Folge, dass die Umwelt verschmutzt wird. Der Wahnsinn wird wohl so weiter gehen, bis es nicht mehr weiter geht. Der Letzte löscht das Licht…
Für das Vorzeigeland Schweiz müssen wir feststellen, dass der Abfallberg pro Einwohner und Jahr bei 690kg liegt. Das ist nur 70 kg weniger als in den USA, aber 205 kg mehr als in Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass Deutschland auf einem anderen Entwicklungsniveau ist als die Schweiz. Es passt auch nicht zum Recyclingweltmeister und schon gar nicht zum Innovationsweltmeister, aber zum Verpackungsweltmeister, der noch nicht realisiert hat, dass der Wandel vom Materialmanagement zum Abfallmanagement gehen muss und dass Recycling neue Probleme schafft. Statt den Boden, belasten wir die Luft. Das kann es doch nicht sein. Die ganze Problematik hat mit unseren Wohlstandsneurosen und der Verbrauchsmanie zu tun.“
Der siebte im Bunde hat den Beruf „Erbe“ ins Auge gefasst. Alain ist aus gutem Haus und ziemlich verwöhnt. Er lebt sehr gut vom angetretenen Erbe. „Sei doch nicht so pessimistisch. Wir leben ja alle noch und uns geht es doch gut. Die Welt hat sich zum Positiven verändert. Es geht nicht darum, dass wir in unserem schönen Land alles in Frage stellen und zu selbstkritisch mit uns selber umgehen. Die Schlagzeilen in den Medien sind zu negativ. Tatsache ist, dass unser Planet gesünder wird, wohlhabender, gerechter und erst noch sauberer. Immer mehr Menschen haben grosse Chancen für eine berufliche Zukunft. Global gesehen kann man sagen, dass es mit Afrika aufwärts geht, dass sich der Zugang zu Bildung stärker öffnet, dass die Freiheit zu leben stärker verankert ist, als je zuvor.
Frauen sind – mindestens im Sport – gleich berechtigt. Wer Talent hat, erhält Chancen auf Anerkennung. Die Welt ist friedlicher geworden. Es gibt weniger Konflikte. Immer weniger Schadstoffe werden ausgestossen und das Bevölkerungswachstum stabilisiert sich weltweit. Schliesslich sind wir gesünder und leben erst noch länger. Das sind doch einige Tatsachen, die nicht zu übersehen sind und auch die grössten Pessimisten eines Besseren belehren müssten. Aber eben die Intellektuellen haben es zum Beruf gemacht, alles kritisch zu hinterfragen und sich als Klüger zu gebärden. Natürlich gehört auch Kritik zu unserem Leben. Zu viel Kritik führt aber zur Verblendung. Es ist dann nicht mehr möglich die Lichter im schwarzen Tunnel zu sehen. Ein kleines Licht kann schliesslich das schwarze Loch so erhellen, dass die Welt anders aussieht und realistischer wahrgenommen wird. Das meine Position. Ich gebe zu, dass diese aus dem Hintergrund des Wohlstands kommt. Dieser ist aber weiter verbreitet als je zuvor.“
„Ja, ist ja gut so. Du hast den Zugang zum einfacheren Leben einfach nicht. Offensichtlich nimmst Du nicht einmal das Elend der Flüchtlinge zur Kenntnis. Sprichst aus der Theorie und kannst Dir auch genügend Zeit nehmen solche Dinge zu lesen“, wirft Peter ein. „Für heute lass es gut sein. Ich gehe jetzt nach Hause, denn meine Frau könnte sonst etwas ungeduldig werden“.
Spricht es aus und holt sich den Mantel vom Kleiderhaken. Ein Kleidungsstück, das Peter so richtigieb gewonnen hat, weil er diesen schon in der Kindheit nachgetragen hat. Heute ist dieser Mantel nicht mehr wegzudenken. Er ist ein Erinnerungsstück geworden, welches warm gibt und mit vielen Erinnerungen verknüpft werden kann.
Er tritt in die Nacht hinaus und hat sich von seinen Kollegen verabschiedet. „Ich freue mich auf weitere, spannende Diskussionen bei unserem nächsten Treffpunkt. Die bessere Hälfte erwartet mich jetzt aber und wird schon wissen wollen, welche Flausen ihr mir in den Kopf gesetzt habt“.
Der Abend ist schon länger geworden. Die Sterne stehen am Himmel und weisen Peter den Weg zum trauten Heim. Vor dem Gartentor erblickt er das Licht im Wohnzimmer hinter dem Vorhang. Er fragt sich, was kommt da auf mich zu? Welche Fragen zum Gespräch wird mir meine bessere Hälfte wohl stellen? Im Gartentor sieht er bereits die gut gepflegten Blumen, die von den Gartenzwergen umstellt sind. Peter hat den Eindruck, dass die Gartenzwerge ein listiges Lächeln auf den Lippen tragen und ihm zuflüstern: So du Spiessbürger. Kommst jetzt mit neuem Wissen zurück und träumst von einem Leben, das nicht so bünzlig ist und etwas mehr Saft in den Knochen hat. Der Alltag ist doch öde, wenn Du das mit Deinen Kollegen vergleichst. Vor allem Alain, mit Beruf Sohn, hat Dir wieder ein paar Flausen in den Kopf gesetzt, die Dich eigentlich nur unzufrieden machen. Sei doch der, der Du bist und lass Dich nicht ein auf diese Ideen, die aus einem wohlgenährten Bauch stammen und nur reine Theorie sind.
„Ich führe sicher nicht ein Leben im Luxus, habe aber einen intensiven Kontakt zur Natur. Das kann mir niemand nehmen. Ihr Gartenzwerge schon gar nicht. Wohin der sogenannt hohe Lebensstandard führt, zeigt mir beispielsweise Fritz mit seinen Kopfschmerzen. Ich bin ja gespannt, ob er bei mir vorbei kommt und beim Kartoffeln ausgraben hilft. Es würde ihm nur gut tun, dieser direkte Kontakt zur Mutter Erde“, murmelt er vor sich hin. Schon steht er vor der Haustüre und sucht die Schlüssel im Hosensack. Er öffnet die Tür und hört beim Eintreten Ländlermusik aus dem oberen Stock.
„Ah, da kriegt Maria wieder einmal eine Seelenmassage. Diese Rhythmen sind gut für die Volksseele. Einfach, aber schön anzuhören. Selbst wenn die Texte das Glück in der Liebe und die Beziehung zur Natur zum Besten geben und die Refrains keine Bedeutung haben. Dieses „jolidu“ oder „joba“ macht doch keinen Sinn, oder etwa doch? Vielleicht habe ich es einfach nicht verstanden. Und warum ist mir denn die Mutter Erde durch den Kopf gegangen? Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Frauen so etwas wie eine Identität zwischen Körper und Landschaft herstellen können. Paul hat doch einmal von einem Mythos gesprochen, der die Frauen umgibt. Oder so ähnlich. Auch wieder ein Hirngespinnst, das sich in meinem Kopf breit gemacht hat“, so sinniert Paul vor sich her und bemerkt fast nicht, dass er schon die Stubentüre aufgemacht hat.
„Da bist Du ja endlich. Haben die sieben Gescheiten oder Glorreichen Dir wieder den Kopf voll geschwatzt oder verdreht. Wie man es nimmt. Es ist ja eigentlich egal. Die Hauptsache ist, dass Du jetzt wieder zuhause bist“. So wird Peter von Maria empfangen. Sie erhöht die Lautstärke des Jodels, der jetzt die Stube füllt und schmelzt mit gläsernen Augen dahin.
„Also, ich hätte mir schon gewünscht, dass Du den Kindern gute Nacht gesagt hättest. Ein guter Vater macht das jeden Abend, wenn er während des Tages schon mit seiner Abwesenheit glänzt“. Maria ruft Peter seine Vaterpflichten eindringlich in Erinnerung.
„Was ist schon dabei, wenn ich einmal im Monat zu diesem Stamm der sieben Aufrechten gehe und dabei noch etwas gescheiter werde?“, ruft Peter schon etwas aufgekratzt aus.
„Wenn Du wirklich gescheiter wirst, dann ist nichts dagegen einzuwenden. Ich möchte aber auch mal Euren philosophischen Gesprächen zuhören. Wenn das schon ein gehobener Stammtisch ist, dann will ich auch etwas davon haben. Nur von den Kindergesprächen während des Tages, vom Einkaufen und Putzen werde ich nicht schlauer“, beklagt sich Maria.
„Vom ewigen Jodeln und von dieser Volksmusik wirst Du sicher nicht gescheiter, aber auch nicht blöder. Du kannst Dich einmal in eine Ecke setzen und ein gutes Buch lesen“, zwitschert Peter.
„Du hast gut reden. Am besten nimmst Du mich mal zu Euren gescheiten Gesprächen mit. Mit meinen Freundinnen reden wir immer über die Mode und die Fingernägel, oder über Euch Männer. Das macht auch nicht gescheiter, aber auch nicht dümmer. So sind wir etwa ausgeglichen bei unseren Anliegen. Doch ihr Männer wollt die Frauen in eurem Zirkel nicht dabei haben. Das ist ja wie bei den Zünftern in Zürich, oder noch schlimmer oder noch mehr von vorgestern“, wehrt sich Maria.
„Gehen wird doch über zu einem friedlicheren Diskurs. Da haben wir doch beide nichts davon. In unserem Zirkel hat mir Paul mal erklärt, wie das mit dem Einsatz von Mediatoren geht. Soweit soll es zwischen uns doch nicht kommen“, wehrt sich Peter.
„Was ist denn das schon wieder – Mediatoren, Diskurs – was soll das? Du meinst aber nicht ein Tor, oder so etwas ähnliches?, witzelt Maria.
„Nein, sicher nicht. Es geht um eine Sprache, die über dem Boulevardniveau ist. Das lerne ich eben bei den sieben Aufrechten. Die Mediation ist eine Methode Konflikte zu lösen. Eine Person steht zwischen den Konfliktparteien und vermittelt aus einer neutralen Haltung. Der Diskurs ist eine Möglichkeit über das, was wir miteinander sprechen nachzudenken. Es ist eine kritische Einstellung zu sich selber, die es ermöglicht besser miteinander umzugehen“, belehrt Peter Maria.
„Wenn Du das so sagst, dann verstehe ich das auch, ohne hochtrabend daherzureden. Das könnten wir doch auch etwas einfacher haben. Wenn etwas einfacher ist, dann ist es nicht automatisch dumm. Das ist meine Einstellung dazu. Doch noch etwas anderes; unsere Tochter ist heute von der Schule nach Hause gekommen. Sie sagt, dass wir mit dem Lehrer sprechen sollten. Es gehe um Nachhilfestunden, weil sie in der Sprache nicht so gut sei“, sagt Maria schon mit einer leisen Stimme, weil sie sich auch ein bisschen darüber schämt, dass die Tochter Nadin Nachhilfe nötig haben soll.
„Da haben wir es doch. Wenn es uns gelingen würde, Nadin anzuhalten, dass sie etwas mehr liest und nicht nur in den Verblödungskasten schaut und wenn wir selber unsere Sprache mit ihr etwas verbessern, dann ist die Nachhilfe in der Sprache auch kein Thema. Gut, dann gehen wir zum Elterngespräch und hören uns mal an, was das Problem sein könnte. Übrigens weiss man, dass Nachhilfeunterricht die Zeugnisnoten nur beschränkt verbessert. Es liegt sicher auch an uns, da die Verantwortung zu übernehmen und zur Verbesserung beizutragen“, räuspert sich Peter.
„Deine Selbstkritik ist schon bemerkenswert. Ich hätte eher gedacht, dass Du einen kleinen Hormonanfall produzierst. Vielleicht ist das eine Folge der Diskussionen mit den sieben Aufrechten. Wer weiss?“
Maria sagt’s, stellt die Musik ab und begibt sich ins Schlafzimmer.
„Es ist schon spät geworden. Morgen ruft wieder die Arbeit. Da müssen wir fit sein.“ So ergibt es sich, dass Peter und Maria unter die Bettdecke schlüpfen, noch etwas kuscheln und dann friedlich einschlafen. Er mit dem üblichen Schnarchen. Sie mit den üblichen Problemen einzuschlafen. Doch das Kuscheln hilft und Maria und Peter schlummern dem Morgen entgegen.
Nach Peter verabschiedet sich auch Fritz aus der Runde der sieben Aufrechten. Das finanziell gut abgesicherte Seniorenpaar lebt in einer schmucken Eigentumswohnung. Verena, seine Frau, ist überrascht, dass Fritz schon nach Hause kommt.
„Wie war die Session bei den sieben Aufrechten?“, neckt Verena. „Keine heiss umstrittenen Traktanden heute? Das ist ja alles andere als üblich, dass Du schon so früh nach Hause kommst. Es ist auch nicht üblich, dass den Männern der inhaltliche Stoff fehlt. Also, worüber habt ihr philosophiert?“
„Da war Verschiedenes. Angefangen bei meinem psychosomatischen Kopfweh und der Thailandreise, bis zum Wohlstand von Alain mit seiner optimistischen Sicht der Welt, hinüber zu ökologischen Katastrophenszenarien bei der Verschmutzung der Weltmeere und schliesslich landeten wir auch bei Denkproblemen und der Schule, wo es da heute überall klemmt.
Damit ich die Bodenhaftung nicht verliere gehe ich am Dienstag zur Gartenarbeit bei Peter. Das ist dann meine Therapie. Vielleicht wird es besser, wenn ich einmal richtigen Dreck esse, oder diesen mal durch die Hände gehen lasse. Mit der Gartenarbeit kann ich sicher besser loslassen. Eine echte Alternative zum Arztbesuch. Was meinst Du dazu?“
„Nützt es nichts, so schadet es sicher nicht“, seufzt Verena. „Ich habe mich schon lange gefragt, weshalb du das nicht schon lange ausprobierst. Die ärztliche Kunst hast du ja gerade bei meinem Hautausschlag erlebt. Der Hausarzt gibt dir eine fettende Salbe, obwohl jeder Drogist weiss, dass das die falsche Therapie ist. Schnell am Ende seines Lateins schickt er dich zum Hautspezialisten. Eben dort angekommen wirst du aufgefordert dich vollständig auszuziehen. Da gibt es nichts daran zu deuteln, dass der Spezialarzt Umsatz machen, aber auch gründlichst abklären will. Er will dich schon an die Universitätsklinik weiterleiten, damit ausführliche Allergietests gemacht werden können. Das sei eben nötig und sehr kompliziert, da die Allergien ganz unterschiedliche Ausprägungsformen annehmen können. Ob so viel Fürsorge gehe ich dann in die nächste Drogerie. Die Verkäuferin schaut meinen Hals an. Es kommt ihr alles so bekannt vor. Sie gibt mir eine Sonnencrème. Ich salbe zuhause dreimal und der Spuk ist definitiv verschwunden. Die Absage beim Hautarzt stösst auf harsche Kritik mit dem Nachsatz, dass ich die Folgen selber zu tragen habe. Der Hausarzt ist sogar selber am Telefon und spricht diese Drohungen aus.
Mir ist klar, dass er Arbeit sucht und mit seiner Autorität Druck macht. Das ist leider kein Einzelfall. Du kannst Dich erinnern, dass ich, nach der Einschätzung des Gynäkologen, schon lange auf dem Friedhof liegen müsste. Die Realität ist die, dass er selber schon ein paar Jahre dort zuhause ist. Einfach unglaublich, dass dies im besten Gesundheitssystem der Welt passieren kann. So bin ich froh, dass Du zum Kartoffeln ernten zu Peter gehst. Das hat sicher einiges an Überwindung gekostet, dass Du in Deiner vergeistigten Welt zu mutigen Verhaltensweisen kommst.“
„Ja, es kann ja sein, dass der Mann aufs Alter hin klüger wird“, erwähnt Fritz schon fast selbst anklägerisch. „Ich bin schon etwas geläutert worden. Nicht zuletzt wegen den gemachten Erfahrungen von uns beiden. Wenn wir das Gesundheitswesen trotzdem noch rational betrachten, dann müssen wir feststellen, dass dieses zu teuer ist. Die Schweizer sind zu einem grossen Teil süchtig nach Versicherungen. Nichts geht über die Sicherheit. Im Durchschnitt geben wir wohl fast CHF 8000.-- pro Kopf für Versicherungen aus und fühlen uns dann tatsächlich sicherer. Sicherheit ist zwar ein wichtiges Motiv. Aber, was hierzulande läuft ist doch zu viel des Guten. Die Sicherheitsansprüche verdecken auch die Risiken, die wir nicht eingehen wollen. Ich bin sicher, dass wir mit unserem Sicherheitswahn auch ein grosses Stück an Spontaneität verloren haben. Die immer stärker durchmischte Schweiz ist vielleicht eine Chance dafür, dass weniger Sicherheit und mehr Risiko gelebt wird. Unsere Zurückhaltung würde von Ausländern sicher mehr geschätzt. Es würde unsere Sympathien wohl stärken. Davon könnten wir momentan wirklich ein paar Portionen gebrauchen.“
Verena hat sich schon ein paar Notizen zu den eigenen Versicherungsprämien gemacht: „Ich werde am Dienstag, wenn Du die Kartoffeln ausgräbst, mit einem unabhängigen Versicherungsmenschen, sofern es diesen gibt, sprechen und unsere Situation als erstes nach Doppelversicherungen untersuchen lassen. Wir müssen uns, auch wenn wir gute finanzielle Voraussetzungen haben, nicht unbedingt als Erstklass-Patienten für Spitalaufenthalte versichern lassen und so sehr viel mehr an Prämien bezahlen. Die 5-Sternehotellerie im Spital ist keine notwendige Voraussetzung für die Gesundung. Ich bin sicher, dass es noch weitere Themen gibt, die anders gestaltet werden können. Man kann nur hoffen, dass der Versicherungsmakler nicht zu viele Lösungen empfiehlt, die bei ihm die Kasse klingeln lassen. Sicher ist vor allem, dass wir alle sterben müssen. Ob es dann im Himmel eine Zuteilung nach den bezahlten Versicherungsprämien gibt ist ohnehin sehr zweifelhaft. Also, lasst uns abspecken und zur Normalität aufbrechen. Das kann uns nur gut tun. Vielleicht ist das auch ein Beitrag dafür, dass sich Dein Kopfweh reduzieren lässt.“
„Ich bin mit Dir voll einverstanden. Sicher ist jetzt aber auch, dass wir ins Bett gehen, denn es ist schon spät geworden. Wollen wir heute Abend noch ein bisschen Kuschelsex geniessen?
Das ist übrigens auch eine Empfehlung von Peter für Pensionäre, wie er meint“. Eine neue Lebensweisheit von Fritz, der von seinem geistigen Niveau immer mehr auf die Bodenhaftigkeit herabsteigt.
„Kuschelsex. Davon habe ich auch schon gelesen. Das soll gut sein, wenn die Erektionsfähigkeit abnimmt. Ebenso, wie bei uns. Nützt es nichts, dann schadet es nicht“. Verena, lacht laut vor sich hin und steigt mit Fritz ins Bett, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, ob das nun gesund sei oder ob es krank machen könnte. Und schon gar nicht, ob das auch versichert sein könnte.
Auch Alain verabschiedet sich und macht sich auf den Weg. Er lebt allein und gehört zu den begehrten, begüterten Junggesellen. Wie üblich macht er noch einen Abstecher in seine Hausbar. Da ist er jeder Zeit willkommen, weil er sich spendabel zeigt. Bei den Kollegen in der Bar wird er – unter der Hand – als Muttersöhnchen gehandelt. Er hat das Image eines lebensuntauglichen Gutmenschen, der noch nichts geleistet hat, ausser das schöne Erbe anzutreten. Alain ahnt von dieser Einschätzung, die an ihm nicht spurlos vorüberzieht. Es ärgert und beschäftigt ihn, weil noch keiner der Barkollegen getraut hat ihm offen mitzuteilen, was er spürt. Alain wird deswegen nicht lebensmüde, aber es beschäftigt ihn immer wieder. An der Bar sind die Kollegen immer wieder interessiert, was die Aufrechten Sieben besprochen und verhandelt haben.
„Was war denn heute das Thema bei den Aufrechten?“ So wird er empfangen. Alain schätzt diese Art Wertschätzung, weil er eben ein Gutmensch ist, der grundsätzlich positiv an andere Menschen herangeht und glaubt, dass diese ihm Wertschätzung entgegenbringen.
„Wir haben diverse Themen besprochen. Der Grundtenor aber war eher destruktiv, was mir gar nicht gefallen hat. Ich habe dann wieder einmal in Erinnerung gerufen, dass es der Weltbevölkerung noch nie so gut gegangen ist und dass es noch nie so wenige Kriege gegeben hat, wie in diesen Tagen. Das wird aber nicht intensiv zur Kenntnis genommen. Im Gegenteil. Mir hat man vorgeworfen, dass ich aus gutem Haus sei und nicht wisse, was in der Wirklichkeit passiert. Sie wollten auch nicht wissen, wie die Verbesserung in unserer Welt aussieht. Sonst gab es aber interessante Diskussionen, die sich von der Schule über die Umwelt bis zu den psychosomatischen Kopfschmerzen von Fritz bewegt haben. Stellt Euch vor, Fritz geht am nächsten Dienstag zu Peter um im Garten zu helfen. Er will dabei sein, wenn die Kartoffeln gepflanzt werden und erhofft sich Linderung bei den Kopfschmerzen, weil er dann mit der Natur direkt in Kontakt kommt. Dreckige Finger und der Geruch der Erde sind es dann wahrscheinlich, die ihm das Pillenschlucken ersparen und die Arztkosten senken.“
Die Kollegen an der Bar finden es bemerkenswert, dass so konkret aus dem Leben gesprochen worden ist. Offensichtlich müssen wir unser Vorurteil über die Aufrechten Sieben, oder die Glorreichen Sieben, etwas korrigieren. Alain spendiert die Runde und verabschiedet sich nach Hause.
Er steigt den Hügel hinauf zu seinem Haus, welches er als Erbstück sehr schätzt. Er wohnt da zwar meist allein, geniesst aber die grossen, weiten Räume die mit Gegenwartskunst besetzt sind. Sein verstorbener Vater hat über seinen Kunstberater ein gute Nase für Künstler gehabt, die noch billig zu haben waren und heute an den Auktionen gute Preise erzielen. Der Vater hat sich nicht so sehr um die Kunst, vielmehr um die Kapitalanlagen gekümmert. Im Haus hängen vor allem Maler an der Wand. Da sind die Leipzigerschule, die Wilden oder im speziellen Gerhard Richter vertreten. Eigentlich ein Kunstmuseum, das der Gegenwartsmalerei huldigt. Für Alain ist das nicht so erregend, höchstens wenn er an die Preise denkt, die an der Auktion beispielsweise mit einem Gerhard Richter erzielt werden. Es sind eben Millionenwerte, die zu besichtigen sind. Für die meisten seiner Besucher nichts aussergewöhnliches, da auch diese sich in der Gegenwartskunst nicht auskennen. Mit moderneren Strömungen in der Kunstwelt setzt er sich schon gar nicht auseinander. Das was da gezeigt wird sind für ihn Böhmische Dörfer, ohne Zugang, oder höchstens nur, wenn man bereit ist drei Seiten Anleitungen zum gezeigten Werk zu lesen. Dazu kommt, dass man sich auch noch in der Kunst- und Kulturgeschichte auskennen müsste, weil sich die ganz jungen Künstler immer auch auf geschichtliche und philosophische Zusammenhänge berufen. Nicht, oder nur schwer nachvollziehbar. Und der Glaube, dass diese jungen Leute sich wirklich vertieft mit diesen Zusammenhängen auseinandersetzen, fällt Alain schwer. Für ihn sind es eher Dinge, die nur an der Oberfläche kratzen und mit Tiefgang gar nichts zu tun haben. Eigentlich spielen diese Überlegungen gar keine Rolle. Die Hauptsache ist, dass „Kapital“ an der Wand hängt und dass ein Notgroschen für schwierigere Zeiten vorhanden ist.
Diese Gedanken gehen bei Alain wie ein Selbstgespräch durch den Kopf. „Mit wem soll ich denn reden, wenn keiner da ist? Auch ein Haustier könnte nicht in die Lücke springen. Ich bin eigentlich, bei Licht betrachtet, ein armer, reicher Kerl. Niemand begrüsst mich, mürrisch oder freundlich, wenn ich nach Hause komme. Ein Hund könnte diese Rolle sicher übernehmen. Einer, der mir die Nase auch dann schleckt, wenn ich betrunken bin. Das ist dann uneingeschränkte Beachtung, die jeder braucht.“
Mit diesem Selbstgespräch zieht er sich ins Badezimmer zurück, wo er sich nochmals im Spiegel betrachtet. „Eigentlich gar nicht so übel. Aber warum beisst bei mir keine Frau an?“
Eine Frage, die er sich nicht das erste Mal stellt und worauf er immer noch keine Antwort gefunden hat.
Dann folgt das übliche Ritual beim zu Bett gehen. Das frische und gebügelte Pyama holt er aus dem Kasten und kriecht dann unter die wärmende Bettdecke. Alain findet bald seinen Schlaf und lässt sich vom kleinen Tod in den nächsten Morgen begleiten.
Das Restaurant, wo sich die Sieben Aufrechten regelmässig treffen, leert sich langsam. Hans, der Therapeut, macht sich auch auf den Weg und hofft, dass er zuhause eine gut gelaunte Hanna antrifft.
„Hallo, Schatz. Schön, dass Du schon da bist“, wird Hans von Hanna begrüsst. Er denkt, das war doch eher zuckersüss, diese Begrüssung. Wo ist da die Echtheit, die ich in der Therapie immer wieder einfordere?
„Ja, ist gut. Ich bin nach der anstrengenden Diskussion jetzt auch gerne nach Hause gekommen. Teilweise war es fast wie eine Therapiestunde. Ich musste in der Runde wieder einmal erklären, wie unsere Denkapparate funktionieren. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass meine Ausführungen von Interesse gewesen sind“, meint Hans.
„Wenn ich Dich richtig verstehe, dann sind Deine Kollegen von Deinem Vortrag und Deinem therapeutischen Ansatz begeistert gewesen“, flöted Hanna zu Hans.
„Also so kann man das nicht gerade sagen. Das wäre schon übertrieben von einer Begeisterung zu sprechen. Das Interesse war sicher da, auch dank den Beispielen, die ich gemacht habe. Bitte also nicht übertreiben. Es ist auch nicht nötig, dass Du jeden Satz verbalisierst, oder so wiederholst, dass ich mich nicht verstanden fühle.“ Da ist bei Hans eine innere Erregung sichtbar geworden. Er schätzt es nicht, dass in seinem privaten Umfeld ein psychologischer Gesprächsstil gepflegt wird, den nur die Therapeuten kennen und in der Realität wenig Anwendung findet.
„Der „spürst Du mich“ – Tripp ist hier nicht angebracht. Wir sind schliesslich schon lange genug ein Paar um zu merken, wenn es der andere ehrlich meint, oder nur Zucker an den Bart streicht.“
„Also, es ist Dir doch etwas über die Leber gekrochen. Entweder jetzt gerade, oder bei Deinen Kollegen. Nimm es nicht so schwer, oder „take it easy“, wie man heute modern sagt“, beschwichtigt Hanna.
„Ratschläge musst Du mir keine Geben. Es sind immer Schläge mit diesem Rat dabei. Aber vergessen wir doch die kleinen Pfeile, die wir aufeinander abschiessen. Ich verlege das gerne in die Therapiestunden. Zwischen uns ist keine Therapie angesagt. Oder, siehst Du das anders?“ Versucht Hans die Situation von 120 Grad wieder auf Zimmertemperatur herabzuschrauben.
Hanna wechselt elegant das Thema. So wie es langjährig verheiratete Paare erfolgreich tun. Erwiesenermassen ist das eine erfolgreiche Überlebensstrategie.
„Ich war heute wieder einmal in der Stadt und habe schöne Sachen gesehen. In ein schickes Kleid habe ich mich schnell verliebt. Nur, die Preise sind zu hoch für mein Budget. Du weisst aber, dass ich bald Geburtstag habe. Wenn Du mit mir kommst, musst Du nicht lange überlegen, was Du mir schenken könntest“.
Hanna wickelt Hans wieder einmal nach den Regeln der Kunst ein. So kann ein Mann nicht wiederstehen. Sich dagegen zu wehren wäre sinnlos. Das ist etwa vergleichbar wie früher bei einem Erregungszustand. Der Trieb – und damit das Fleisch – ist stärker als der Verstand. Wäre doch nur der Testosteronspiegel noch etwas höher, dann könnten wir das Problem eleganter lösen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig als in die Tasche zu greifen und das Kleid auf den Geburtstag zu kaufen, auch wenn dieses neue Kleid keinen Mehrwert bringt, weil der Ankleidungskasten ohnehin schon voll ist.
„Gut, um des Friedens willen. Gehen wir doch am Wochenende in die Stadt und kaufen das Kleid. So bleibt die Kirche im Dorf. Du, Hanna, bist mit Sicherheit eine Woche zufrieden und ich habe für eine Weile den Seelenfrieden.“ Hans ist nicht sehr angetant von der Finesse seiner Frau. Die Intuition hat wieder einmal mehr über die Logik gesiegt und der Friede im Hause kann ausgerufen werden.
Nach dem erfolgreichen Themawechsel von Hanna gehen die beiden in Badezimmer, putzen die Zähne und machen die tägliche Mundhygiene. Dann, schon im Nachthemd gekleidet, geht Hans ins Wohnzimmer und macht seine 20 Liegestützen, damit seine Muskeln nicht schon durchhängen und der Oberkörper einigermassen straff bleibt. Gegen die kleinen Verwerfungen rund um den Bauch kann man ohnehin nichts tun. Die weiblichen Östrogenhormone im männlichen Körper tragen dazu bei, dass am Bauch ein kleiner Schwimmgurt entsteht. Hanna schminkt sich ab und stellt die Töpfchen in Reih und Glied ins Regal. Noch einen Blick in den Spiegel, der die langsam wachsenden Krähenfüsse zeigt und die Gedanken an eine Botoxkur wieder aufleben lassen. Das Licht gelöscht und schon verschwinden die Unebenheiten im Gesicht. Gut, dass man davon nichts spürt. Schliesslich, wir wissen es alle, ist man so alt, wie man sich fühlt und die Gefühle zeigen keine direkten Falten im Gesicht. So geht es ins Bett. Hans wartet da bereits. Er wickelt sich in die Bettdecke ein und sieht aus, wie eine Mumie in einem Sarkophag in Ägypten. Hanna nimmt das abendliche Ritual mit einem Schmunzeln zur Kenntnis. Dazu gehört auch der gute Nacht-Kuss, der den Übergang in die Ruhe und den anschliessenden Schlaf anzeigt. Der Wunsch zur guten Nacht fehlt nicht. Hanna ist noch zu einem kleinen Scherz aufgelegt und meint: „wenn ich sage – „Gott Nacht“ – dann meine ich – gute Nacht – nicht dass Du meinst, ich denke Gott liegt neben mir“. Sagt es und Hans schmunzelt, denn etwas Humor hat einer Beziehung noch nie geschadet. Nach dem Lichterlöschen dauert es nicht mehr lange und die Beiden schlafen den Schlaf der Gerechten.
Armin, der Ökologe und Paul, der Firmeninhaber für nachhaltige Produktion, verlassen das Treffen der Sieben Aufrechten gemeinsam. Sie selbst und ihre beiden Frauen treffen sich des öftern, weil sie gemeinsame Wertvorstellungen haben, die vor allem auf dem Gebiet der Ökologie zum Tragen kommen. Auf dem Weg nach Hause lassen sie den Abend nochmals gedanklich vorbeiziehen. Beide sind von der Einstellung Alains enttäuscht, weil er nur von seinem Wohlstand ausgeht und die Entwicklungen für den Rest der Welt schön redet. Das hat nach ihrer Auffassung mit seiner selbsterhaltenden Art zu tun, die egoistisch und rücksichtslos daher kommt. Mehr Rücksichtnahme würde nicht schaden. Er wird bestimmt nie zu kurz kommen.
„Auf jeden Fall ist es nicht überraschend, dass er immer noch keine Frau oder eine Freundin hat. Eine normal geschaltete Frau würde die Art nur seine eigenen Interessen zu verfolgen nie akzeptieren“, bricht es aus Armin heraus. „Bei den Katastrophen in unserer Umwelt ist diese rücksichtslose Haltung ein wesentlicher Grund, dass es jeweilen zu Zerstörungen auf breitester Front kommt.“
„In meinem Betrieb kann ich diese egoistische Haltung nicht brauchen. Wir müssen ein Team sein. Jeder muss sich gruppenorientiert verhalten können, ohne dass er seine Eigenständigkeit aufgibt. Bei der Gestaltung komplexer Prozesse in der nachhaltigen Produktion ist dies eine wesentliche Voraussetzung für die Zielerreichung.
Alain würde ich nie anstellen, auch dann nicht, wenn er ein ausgezeichneter Facharbeiter wäre. Das Problem ist nur, dass es immer eine gewisse Zeit braucht um herauszufinden, wie jemand tickt.
Bei der Entwicklung des Wegs zum ökologischen Zertifikat waren deshalb die Werte und Einstellungen der Mitarbeitenden von grösster Bedeutung. Es ist uns – so glaube ich – recht gut gelungen, dass die Verhaltensweisen auf die verlangte Norm ausgerichtet werden konnte. Es standen Teamverhaltensweisen, aber auch Motivationsfragen im Zentrum. Wir legen jedes Jahr im Jahresendgespräch darüber Rechenschaft ab, wie gut es uns gelungen ist, die beschriebenen Werte zu leben.“ Das ist die wesentliche Erfahrung von Paul, der stolz darauf ist, was er mit seinen Mitarbeitenden erreicht hat.
„Das hört sich sehr gut an. Du bist offensichtlich ein Vorzeigeunternehmer“, meint Armin. So sind beide zuhause angekommen. Sie wohnen direkt nebeneinander, was die Nachbarschaft natürlich verstärkt. „Grüsse an Anna“, verabschiedet sich Paul. „Grüsse an Greta“, ruft Armin seinem Freund zu, der schon vor der Haustüre steht und eintritt.
Die beiden angesprochenen Frauen sind gute Freundinnen und haben den Abend bei einem gemütlichen Essen im Restaurant verbracht. So gibt es nach der Rückkehr der beiden Männer noch einiges zu erzählen. Frauen erzählen „Frauengeschichten“. Diese drehen sich häufig um die Themen Mode, Schuhe oder ,Taschen.
Wenn alles besprochen ist, dann sind es die Männer, welche zur Debatte stehen. Erst nachher kommen die Sachthemen, mit denen man sich bei der Arbeit befasst. Beide Frauen sind berufstätig. Sie bringen ein selbstständiges Einkommen ein und bewahren sich dadurch einen wohltuenden Grad an Eigenständigkeit. Die klassische Rolle „sie am Herd, er auf der Jagd“ ist aufgebrochen. Beide Frauen wollen sich ihre Unabhängigkeit auch bewahren, denn im Verlauf der Zeit haben sie mehrfach erfahren, dass es wohltuend ist, wenn nicht jeder verdiente Franken gedreht werden muss.
Beide Frauen haben den gleichen Jahrgang. Sie gehen gegen 40 Jahre und diskutieren in letzter Zeit immer wieder das Thema „Kinder kriegen“. Die biologische Uhr tickt, das wissen beide sehr gut. Beiden Frauen ist auch klar, dass es auch nach 40 noch möglich ist Kinder zu kriegen und dass dies in der modernen Zeit immer häufiger vorkommt. Allerdings sind die Risiken zu beachten, die damit verbunden sind. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Zusätzlich ist es auch noch so, dass nicht unbedingt Kinder gezeugt werden müssen. Alles andere ist graue Theorie.
„Paul ist viel beschäftigt. Als Selbstständiger ist das normal. Ich akzeptiere das auch. Leider kommt aber das Persönliche zu kurz. Du weisst, was ich meine, Anna?“ „Ja, sicher. Ihr habt zu wenig Sex miteinander. Euer Lebensprinzip ist wohl, zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das moderne Leben sucht doch eher einen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit.
Dazu kommt, dass immer weniger Leute sich selbständig machen wollen, es sei denn, sie müssen. Greta, ich kann Dir nur raten, dass Du das mit Paul regelst. Es ist wichtig für Eure Zukunft, dass Ihr füreinander auch Zeit findet und diese auch nehmt. Es gibt zu viele Paare, die in der Beziehung scheitern, weil sie zu wenig Zeit miteinander verbringen. Verstehst Du, was ich meine?“
„Ja, sicher, liebe Anna. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Letztlich geht es um das Geld, welches wir verdienen müssen, damit wir leben können. Es müssen Löhne und die Lieferanten bezahlt werden. Die Zahlungsmoral der Kunden ist zum Teil sehr schlecht. Der Lohn, welchen wir uns bezahlen können ist tief. Es geht in die Richtung des Existenzminimums. Wenn ich nicht mitverdienen würde, dann könnten wir uns fast nichts leisten. So ist die Realität. Ich hoffe, dass bessere Zeiten kommen und Paul, als Kleinunternehmer, nicht jedem Auftrag hinterher rennen muss. Du hast gut reden, mit einem studierten Mann, einem sicheren Job, der Freizeit ohne weiteres zulässt. Wie ist den Eure „Worklife-Balance“, wie man heute sagt?“
„Ach. Du hast vorher den Unterschied zwischen Theorie und Praxis erwähnt. Diesen gibt es bei uns auch. Lass mich dies an einem Beispiel erklären: „Armin kommt abends häufig erschöpft nach Hause. Ich habe schon gelesen, dass rund ein Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz unter Stress stehen. Ich habe aber bisher noch nie herausgefunden, was ihn wirklich stresst. Für mich hat es mit Über- oder Unterforderung zu tun. Es kann die Arbeit sein, aber auch das Umfeld oder der Chef. Armin ist gut ausgebildet. Er hat sein Studium mit Bravour hinter sich gebracht. Ich habe auch den Eindruck, dass ihm die Arbeit gefällt. Vielleicht bin es auch ich, aber dann müsste er ja nicht erschöpft nach Hause kommen. Im Extremfall könnte er auch etwas vormachen, sich müde oder ausgelaugt geben, damit er eine Entschuldigung hat, wenn ich von ihm etwas will. Du weisst schon was…aber die Libido sollte doch in seinem zarten Alter noch kein Problem darstellen.“
„Könnte es auch sein, dass Du Dir etwas zu viel Sorgen machst?“, meint Greta. „Aber erzähl mir doch einmal, wie er auf Dich als Person wirkt.“ „Jetzt wird es also so etwas wie psychologisch, oder so“, gibt Anna zurück. „Also gut, ich versuche es einmal mit ein paar Bildern aus dem Alltag. Er zeigt sich in seinem Verhalten häufig sehr nachgiebig. Du musst nur Druck machen, dann erreichst Du, was Du willst. Er ist einerseits weich, andererseits kann er nicht kompromisslos sein. Das ist zwar angenehm. Es kann einem aber auch viel Nerven kosten, wenn Du erwartest, dass er sich für einmal von der Seite der Durchsetzung zeigen sollte. Aber da kann man wahrscheinlich nichts machen. Er ist einfach zart besaitet. Wahrscheinlich auch kein Zufall, dass er Ökologie zu seiner Berufung gemacht hat. Kollegen sagen von ihm, er sei ein „Gutmensch“. Wahrscheinlich stimmt dies im Kern auch.
In seiner Arbeit ist er fleissig. Er verlangt von sich auch ziemlich viel und ist mit schnellen Ergebnissen nicht zufrieden, weil er seine Arbeit stark hinterfragt. Sein Chef bestätigt ihm auch immer wieder, dass er gerne arbeitet und bei der Sache ist. Er erwartet natürlich auch, dass ein Wissenschaftler sich kritisch zu seinen Ergebnissen und Untersuchungen zeigt.
Wegen seiner Nachgiebigkeit ist Armin auch von einem Gemeinschaftssinn beseelt, der den Eindruck hinterlässt, dass er manchmal fast hilflos ist. Er lässt sich also gerne helfen, auch von mir. Das führt auch dazu, dass er von anderen Personen, die nicht so anständig sind, ausgenützt wird. Ich wünschte mir manchmal schon einen Mann, der seinen „Mann“ stellt und auch eigenwillig sein kann. Doch, so ist das Leben. Du kannst nicht alles haben. Wahrscheinlich habe ich unbewusst jemanden gesucht, der mich ergänzt oder anders tickt als ich es tue. Ich kann schon kompromisslos sein, bin auch eher auf die Freizeit orientiert und bin auch eigenwillig. Er sagt mir manchmal, dass ich einen sturen Kopf habe und dass er immer nachgeben müsse, damit wir im Haus Frieden haben“.
„Wenn Du mir das so erzählst, liebe Anna, dann habe ich schon den Eindruck, dass es stimmt, dass sich Gegensätze anziehen. Es ist doch das Salz in der Suppe, wenn es durch die Gegensätzlichkeit von zwei Menschen Spannungen gibt, die das Zusammenleben spannend machen. Langeweile dürfte bei Euch wohl kaum aufkommen.
Wahrscheinlich musst Du den fein besaiteten Mann an Deiner Seite akzeptieren. Selbst wenn er im Bett nicht immer das abliefern kann, was Du – als eher kompromissloser Mensch – von ihm erwartest. Vielleicht finden wir miteinander doch noch einen Schlüssel, damit Ihr Euer Seelenleben verbessern könnt. Erzähl doch weiter über Deinen Armin. Das ist ja sehr interessant, wie Du Deinen Mann schilderst. Bei diesem anspruchsvollen Kommunikationsstil kann nichts schief gehen.“
„Wenn Du das so siehst, dann plaudere ich gerne noch etwas mehr aus der Schule. Du erzählst ja das, was Du von mir hörst, nicht direkt an andere Personen weiter, die dann alles Gehörte nochmals umdrehen, so dass am Schluss Schlagzeilen für die Boulevardpresse entstehen.
Die Nachgiebigkeit ist bei Armin mit Einfühlsamkeit gepaart. Das kann so weit gehen, dass er so sehr die menschliche Seite betont, dass er zu weich ist. Unbarmherzigkeit oder Unmenschlichkeit ist bei ihm nicht denkbar. Da erscheint wiederum der Gutmensch, der keiner Seele etwas antun könnte. Weiter ist er dann wieder gewissenhaft. Dies nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Umgang mit mir. Er steht zu dem, was er tut, ohne dass er selbstquälerisch oder bedrückt ist.
Der Gutmensch hat, als problematische Folge seines Charakters, einen starken Harmoniedrang, der ihn wehrlos erscheinen lässt. Einen handfesten Krachhatten wir noch nie.
Seine Art friedliebend zu sein stösst bei meiner kompromisslosen Art manchmal an. Ich kann ihm aber nicht böse sein, denn er ist so wie er ist. Das ist bei mir natürlich auch so, nur anders herum. Eigentlich ist Armin ein wunderbarer Mensch, nicht geschaffen für unsere brutale Welt, wo jeder jeden über den Tisch zieht. In seiner wissenschaftlichen Arbeit blüht er aber richtig auf und kann sein Verantwortungsbewusstsein richtig ausleben. Ich selber habe mich schon öfters gefragt, ob ich einen solchen Gutmenschen auch wirklich verdient habe, bei meinen Ecken und Kanten, die ich habe. Aber irgendwo muss es doch auch Gemeinsamkeiten geben, die uns verbinden. Nur die Gegensatzpaare der Persönlichkeit können es ja auch nicht sein.
Vielleicht sind es Themen in der Kommunikation; wir gehen beide auf andere Personen zu, sind also sicher nicht scheu. Wir sind aber auch nicht aufdringlich und hören auch zu, wenn andere etwas sagen wollen. So gelten wir bei unseren Bekannten und Freunden als höflich, wir halten uns an die Form und sind diplomatisch. Wir werden als bescheiden erlebt. Aufschneider sind wir mit Bestimmtheit nicht. Unsere Gesinnung ist liberal und tolerant. Der persönliche Spielraum für uns und andere ist uns wichtig. Wir sprechen häufig über unsere Zukunft und die gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Vergangenheit ist nicht im Fokus unserer Gedanken. Die Weitsicht ist aber nicht mit Illusionen verbunden, so dass wir sicher nicht weltfremd sind. Beide sind aber auch selbsterhaltend.
So verfolgen wir beide unsere eigenen Interessen. Wir pflegen unsere Individualität ohne extrem egoistisch zu sein. Wenn es die Situation verlangt, sind wir durchaus selbstlos. Schwieriger ist es bei der Art zu denken. Doch ich meine, dass wir den Überblick ins Zentrum stellen und dann geordnet, systematisch vorgehen. Auf dem Weg zu einem Ziel zeigen sich dann aber auch andere, neue Möglichkeiten, die wir dann auch aufnehmen. Ich habe also den Eindruck, dass wir durchaus eine schöpferische Ader haben. Die Motivation etwas zu tun kommt bei beiden von uns von innen her gesteuert. Wir sind durchaus ziel- und erfolgsorientiert und setzen uns dafür ein. Dazu gehört eine gute Portion Lernbereitschaft. Wir glauben auch meist daran, dass Missstände behoben werden können. So sind wir für das, was wir tun und nicht tun auch bereit Verantwortung zu übernehmen.“
„Da habt ihr ja ein grosses Repertoir an Gemeinsamkeiten, die den Zusammenhalt in einer Partnerschaft nachhaltig positiv beeinflussen müssen. Ihr beide müsst dann glücklich sein, wenn ihr auch eure Gemeinsamkeiten pflegt“, meint Greta. So geht der Austausch zu Ende.
Armin kommt vom Gespräch mit den glorreichen Sieben nach Hause und möchte noch erfahren, was die beiden Freundinnen besprochen haben. „Ach, wir haben über uns gesprochen, was wir gemeinsam haben und was uns trennt. Da sind viele Dinge durch den Kopf gegangen. Die Gedanken sind gebüschelt worden und die Einsicht steht am Schluss, dass wir gut zusammenpassen, weil wir auch viele Gemeinsamkeiten haben.“
Es ist schon später Abend und die beiden versprechen sich am folgenden Tag die Details der heutigen Gespräche zu erzählen.
Auch Patrick, der pensionierte Lehrer, kehrt zu seiner Frau Maya zurück. Er erzählt ihr kurz davon, dass sie in der heutigen Schule die Lösung komplexer Aufgaben immer schwieriger wird und wie er sich mit einfachen Fragestellungen seinerzeit ins Zeug gelegt hat, dass die Schüler fürs Leben etwas mitnehmen können. „Dann hast du wieder einmal deine Lieblingsbotschaft an die Menschheit versendet“, mokiert sich Maya. „Du glaubtest in deinem Lehrer-Ghetto wirklich daran, dass sich die aktuellen Probleme lösen, wenn die Kinder deine wichtigen Fragen zur Klärung der Situation und zum richtigen Vorgehen stellen. Da sollten doch eher mal die politisch Verantwortlichen mit gutem Beispiel vorangehen und endlich eine Koordination der Lehrpläne erreichen, bevor sie sich wieder darüber streiten ob nun Französisch oder Englisch in der Grundstufe Priorität hat. Ich staune ja immer wieder darüber, wie lange es schon die Feststellung gibt, dass Schulabgänger weder lesen, rechnen noch schreiben können, unabhängig vom Kanton und obwohl die Unterrichtsstunden in den Kantonen grosse Unterschiede aufweisen. Wenn die Schüler mit deutlich mehr Schulstunden auch tatsächlich schlauer würden, dann kann es doch nicht sein, dass eben solche Kantone bei der Wettbewerbsfähigkeit hinten anstehen. Das habe ich heute in der Zeitung gelesen. Der Zusammenhang von Schulstunden und Wettbewerbsfähigkeit habe ich allerdings selber konstruiert.“
„Ja, du denkst eben über die Nase hinaus.“ Patrick ist sogar der Meinung, „Du, liebe Maya, müsstest eigentlich Bildungsdirektorin unseres Kantons werden“. „Dass ich nicht lache“, wirft Maya ein, „Du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass ein Bildungsdirektor in diesen Fragen etwas ausrichten könnte und dass sich die Situation verbessern würde“.
Mit dieser wohl realistischen Einschätzung der Situation gehen beide ins Bett und träumen von einer besseren Welt, mindestens einmal von der Welt der Schule. Diese ist komplex und voller Widerstände, was die aktuellen Probleme betrifft.
Maya ist eine früh pensionierte Lehrerin. Sie hat eine Schwester, Penelope, die eben 40ig geworden ist. Über den neuen Lebensstil dieser Generation hat sie sich schon viele Gedanken gemacht, weil diese Generation vor Selbstbewusstsein fast platzt. Penelope gilt als „Nesthöckerchen“. Maya denkt, dass ihre Schwester im wirklichen Leben noch nicht so richtig angekommen ist. Bei ihrer Generation handelt es sich um die „Grossartigen“, auf welche unsere Gesellschaft schon lange gewartet hat. Die Generation der Grossartigen ist von ihren Fähigkeiten stark überzeugt. Wenn sich jemand als Autor berufen fühlt, wird ohne Hemmung Manuskript um Manuskript an die Verlage geschickt mit der Aufforderung doch bitte bald darauf zu reagieren. Die Lohn- und Honorarforderungen sind dann nicht weit weg. Es ist selbstverständlich, dass man sich als wertvolle Person zu verkaufen weiss. Es entsteht der Eindruck, dass man auf diese Grossartigen gewartet hätte. Das Selbstvertrauen wird bis zur Arroganz gepflegt. Die Selbstkritik, als Distanz auf das eigene Tun mit dem Erkennen der eigenen Grenzen, fehlt. Die ältere Generation der Babyboomer hat zu viel an sich gezweifelt und zu Autoritäten aufgeschaut. Das ist bei der „GenerationY“ verloren gegangen. Die Generation „Praktikum“, wie sie auch genannt wird, weiss häufig auch nicht mehr was sich gehört. Das kann man unter Anstand abbuchen. Es zeigt sich vor allem bei Bewerbungsgesprächen. Die Unterlagen sind tadellos. Das Gespräch ist getragen von festen Stimmen. Klar und deutlich wird formuliert, was die persönlichen Erwartungen sind. Vorträge und Präsentationen zu halten, ist kein Problem, das hat man gelernt. Die sozialen Medien sind ein gutes Feld sich zu präsentieren, auch wenn es lediglich um eine „zweite Person“ geht, die mit der wirklichen Person nicht viel zu tun haben muss. Der Idealismus fehlt. Wenn es darum geht sich für ein Vorhaben idealistisch einzusetzen, haben diese Generationenvertreter keine Zeit. Das Konsumdenken ist im Zentrum; gerne werden geschätzte Aufwandstunden aufgerechnet, selbstverständlich mit der Verdoppelung von Sonntagsaufwendungen. Eine grosse Distanz zwischen dem was gefordert und geliefert wird, kann und muss festgestellt werden. Es gibt eben Unterschiede zwischen bloggen, liken, sharen, kopieren, nachdenken, einordnen. Was entsteht ist Selbstüberschätzung. Wo ist die Leidenschaft?“
So endet der Tag der Sieben Aufrechten und fördert gesellschaftliche Prinzipien der Anatomie ans Tageslicht:

 Der Austausch von Erfahrung und Wissen über die Altersgrenzen und Generationen hinaus fördert die individuelle Entwicklung

 Die Vergeistigung im Leben einer Person verlässt den Boden der Realität und führt zu persönlichen Störungen

 Handwerk führt zu Bodenständigkeit und entwickelt den Sinn für das Praktische

 Das ganzheitliche Denken führt zur Übersicht, kann aber auch Oberflächlichkeit auslösen

 Das kreative Denken setzt sich mit Beobachtung und späterem Experimentieren und Umsetzen auseinander. Im Chaos der Gedanken werden Ordnungsmuster und neue Problemlösungen gefunden. Viele Menschenverfolgen den umgekehrten Weg um Probleme zu lösen.

 Der logische Denkapparat ist langsam und anstrengend. Die Intuition ist automatisch und schnell. Beide Denkapparate führen zu besseren Lösungen. Die Intuition ist stark, wo wir kein Wissen haben. Diese Situation ist sehr häufig.

 Die Menschen haben häufig die Neigung, etwas sofort haben zu wollen; lieber heute das Ei, statt morgen die Henne. Erfolgreiche Menschen können ihre Bedürfnisse zeitlich verschieben.

 Der Kreis der Gewohnheiten führt dazu, dass wir immer wieder am gleichen Ort den „Kopf anschlagen“.

 Methoden sind die ausgetretenen Bahnen des Geistes und des Intellekts; sie können zu Glaubenskriegen führen und Problemlösungen verhindern.

 Die Komplexität kann nicht reduziert, aber beherrscht werden. Risikoanalysen sind beim Prozess der Beherrschung nötig, damit Ängste vor dem Unbekannten reduziert werden können. Der logische Denkapparat analysiert die Risiken. Die Intuition prüft deren Aussagekraft. Die Intuition, kombiniert mit dem „gesunden Menschenverstand“ ist besser als alle Optimierungs- und Maximierungsstrategien, kombiniert mit Entscheidungsmodellen.

 Erfahrung und Lernen sind zwei wichtige gegenseitige Pole. Wer ausschliesslich auf Erfahrung baut, hat Defizite beim Lernen. Sehr stark Lernen Orientierte flüchten sich in theoretische Konstruktion um sich Erfahrungen ersparen zu können. Bei der Auslösung von Lernprozessen sind die richtigen Fragen zentral. Bei der gesellschaftlichen Entwicklung zeigt sich immer wieder, dass die Menschheit grosse Probleme hat aus der Geschichte zu lernen und Fehler in der Zukunft zu vermeiden. Interessen, Macht, wirtschaftliche Abhängigkeiten sind häufige Gründe dafür.

 Lebensprinzipien sind einem steten Wandel der Werte unterworfen. Der gesellschaftliche Wohlstand führt zu anderen Prinzipien, als die Armut. Die Prioritäten sind anders gesetzt und bauen auf den Grundbedürfnissen in der Gesellschaft auf. Wohlstand verstärkt die ökonomischen Werte, löst tendenziell Neurosen aus und führt zur Verweichlichung, in Kombination mit esoterischen Ausrichtungen.

 Die Verteilung der Vermögen und Einkommen sind in einer Gesellschaft wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die direkte Demokratie kann ein Momentum sein, welches die Gleichheit unterstützt.

 Bei der Auseinandersetzung zwischen der Natur und dem Menschen bleibt die Natur immer Sieger, weil diese nicht nachahmbare Kräfte freisetzen kann. Der Mensch wird immer die Tendenz haben, die Natur zu zerstören.

 Kulturgüter sind vom Menschen geschaffen. Der Stellenwert der Kultur hat sich zur Wertanlage entwickelt. Kultur wird stark kommerzialisiert. Jede Gesellschaft verfügt über jene kulturellen Werte, die sie verdient. Die Kultur ist immer ein Ausdruck des Zeitgeschehens.

 Gleichberechtigung und Gleichstellung sind sehr alte Postulate und warten – auch in entwickelten Zivilgesellschaften – auf die Verwirklichung.

 Konflikte gehören zum normalen Ablauf im Leben. Es gibt Wahrnehmungs-, Meinungs-, Interessen- und Wertekonflikte. Diese sind unterschiedlich aktuell, abhängig von der sozialen Rolle, die ein Mensch einnimmt. Konflikte sind Quelle für Verbesserungen und für die persönlichen Entwicklungen.

 Je ausgebauter die medizinischen Angebote, desto grösser ist die Nachfrage nach medizinischen Leistungen. Dies bei einem grossen Grundversorgungskatalog. Die Wirkungen der Prämienerhöhungen für die Krankenversicherungen sind deutlich spürbar. Wir gehen zurück in die Welt der „eingebildeten Kranken“. Die „Götter in Weiss“ sind nicht unfehlbar; rund die Hälfte der Diagnosen sind falsch. Die in eigener Regie verabreichten Medikamente verfehlen das Ziel der Therapie.

 Die Abwägung von Sicherheit und Risiko ist eine zentrale Herausforderung bei entwickelten Volkswirtschaften. Die unterschiedlichen, kulturellen

Der kostenlose Auszug ist beendet.