Moderationstraining

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Moderationstraining
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Moderationstraining –

Talken, Streiten, Moderieren – so gelingt die Veranstaltung

von Eckart D. Stratenschulte

Kürschners Politikkontakte

Kürschners Politikkontakte

Moderationstraining von Eckart D. Stratenschulte

ISBN 978-3-95879-007-0

978-3-95879-008-7 (EPUB)

978-3-95879-009-4 (MOBI)

Umschlaggestaltung, Layout: Kim Sen-Gupta, Frankfurt/​Main

Satz: Schröder Media GbR, Dernbach

Gesamtherstellung: medienhaus Plump, Rheinbreitbach

Titelfoto: Tobi Grimm, pixelio.de

Anschrift der Redaktion:

Kürschners Politikkontakte

Postfach 1560, 53585 Bad Honnef

E-Mail redaktion@kuerschners.com

Telefon: 02224 3232

Datenbank www.kuerschner.info

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

© 2016 by Kürschners Politikkontakte, NDV GmbH & Co KG, Rheinbreitbach Jede Verwertung auch von einzelnen Teilen des Werkes außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die ausdrückliche Zustimmung des Verlages unzulässig; dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art und die Einspeicherung und Weiterverarbeitung in digitalen Systemen.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Moderationstraining, das Buch, der Autor, das Training

Dieses Buch schreibe ich für alle,

10 Goldene Regeln für erfolgreiche Moderation

1. Kapitel

Das Ziel der Veranstaltung

2. Kapitel

Die Vorbereitung

3. Kapitel

Der Raum und die Umgebung

4. Kapitel

Das Publikum

5. Kapitel

Der Beginn

6. Kapitel

Der Verlauf auf dem Podium

7. Kapitel

Der persönliche Stil

8. Kapitel

Die Einbeziehung des Publikums

9. Kapitel

Störungen

10. Kapitel

Schlussrunde

Nachbetrachtung

Die Podiumsdiskussion als Kommunikationsakt

Kürschners Training: Medientraining

Fußnoten

Moderationstraining, das Buch, der Autor, das Training
Das Buch

Es wurde von Eckart D. Stratenschulte geschrieben, klar in 10 Kapitel aufgeteilt, einfach und prägnant formuliert, dem Ganzen sind die „10 Goldenen Regeln für erfolgreiches Moderieren“ vorangestellt. Die Idee war und ist, mit besonderem Blick auf die Moderation im politischen Umfeld Grundwissen zu vermitteln, Theorie und Praxis zu erläutern, Tipps und Erfahrungen weiterzugeben. Wer es gelesen hat, nimmt Manches mit.

Das Buch möchte Sie darüber hinaus sensibilisieren, ja geradezu auffordern, für sich selbst zu überlegen und zu prüfen, ob nicht ein Moderationstraining ein guter vorausschauender Weg ist, sich entweder für den Fall der Fälle vorzubereiten oder aber eigene Erfahrungen zu vertiefen. Der Autor jedenfalls steht mit all’ seiner Erfahrung für ein professionelles Moderationstraining sehr gerne zur Verfügung.

Das Training

Im praktischen Training üben Sie unter Live-Bedingungen den gesamten Ablauf der Moderation einer Diskussionsrunde. Nach einer intensiven Vorbesprechung wird Ihre Moderation analysiert, gecoacht und im Anschluss verbessert. Dabei werden ganz besonders die Wirkungsweisen Ihrer Moderation auf Veranstalter, Panellisten und Publikum beobachtet und ausgewertet. Sie werden mit Intensivszenarien wie Störungen oder verbalen Entgleisungen konfrontiert und erhalten unmittelbar Feedback zu Ihrem Umgang damit was gut bzw. was es zu verbessern gilt. Viele praktische Tipps und Anleitungen ergänzen das professionelle Moderationstraining.

Als Leiter der Europäischen Akademie Berlin, in deren Räumen fast täglich Seminare, Konferenzen, Diskussionsrunden und Symposien stattfinden, kennt sich Eckart D. Stratenschulte mit allen Moderationsformaten bestens aus. Nutzen Sie dieses Wissen für sich und Ihr Team.

Weitere Informationen und Links zur Kontaktaufnahme finden Sie unter stratenschulte-consulting.eu oder kuerschners.com

Nun wünschen wir Ihnen eine interessante Lektüre!

Kürschners Politikkontakte

Berlin, März 2016

Dieses Buch schreibe ich für alle,

die regelmäßig oder vielleicht auch überraschend mit der Aufgabe befasst sind, eine Diskussion zu moderieren. Ich möchte Hilfestellungen geben, damit Sie einen solchen Prozess erfolgreich und stressfrei bewältigen können. Das Buch gibt wertvolle Tipps für Vorbereitung, Durchführung und Nacharbeit einer Diskussionsmoderation.

Täglich werden alleine in Deutschland hunderte von politischen Veranstaltungen durchgeführt, bei denen auf einem Podium mehrere Persönlichkeiten miteinander über ein Thema diskutieren. Um jedoch sicherzustellen, dass etwas dabei herauskommt, damit die Zuhörer verstehen worum es geht, und die Podiumsteilnehmer das Gefühl haben, richtig zu Wort gekommen zu sein, bedarf es einer guten Diskussionsleitung. Wer sich damit beschäftigt, merkt schnell, dass das gar nicht so einfach ist, dass man sich für alle Phasen der Vorbereitung und Durchführung entsprechend vorbereiten und darauf einstellen muss. Moderation ist Handwerk, das man erlernen kann, aber auch erlernen muss. Es ist viel mehr als das Führen einer Rednerliste, und die Moderatorenaufgabe beginnt nicht erst, wenn die Diskussionsteilnehmer sich auf dem Podium versammelt haben. Mag sein, es wird nicht jeder zum Top-Moderator, der mühelos Fernsehdiskussionen bewältigt. Aber das ist auch nicht die Aufgabe, vor der die meisten von uns stehen, wenn es darum geht, eine Veranstaltung zu leiten, bei der zwischen 20 und 100 Menschen sich treffen, um ein Thema zu diskutieren. Das, was man beherrschen sollte, bevor man eine solche Moderation übernimmt, kann man sich aneignen.

Dieser Leitfaden soll also denen helfen, die gelegentlich oder regelmäßig vor der Aufgabe stehen, eine Moderation erfolgreich durchzuführen, und die dabei weder sich selbst dem Nervenzusammenbruch nahebringen noch das Publikum langweilen möchten.

Das vorliegende Buch konzentriert sich auf die Moderation von Diskussionsveranstaltungen. Konflikt- oder Eventmoderation sind etwas anderes und werden hier nicht berücksichtigt, um das Buch überschaubar zu halten. Die Publikation basiert auf der vieljährigen Erfahrung mit Moderationen – mit denen, die ich selbst durchgeführt habe, und mit denen, die ich beobachtet und gelegentlich auch durchlitten habe. Nachfolgend finden Sie daher auch keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern einen Erfahrungsbericht. Reißerisch würde man sagen: „Wie es wirklich ist“. Dazu gehört auch die einfache Wahrheit, dass es oftmals anders kommt, als man sich das vorgestellt hat. Veranstaltungen können gestört werden oder aus dem Ruder laufen. Das wird man als Moderator nicht immer verhindern können. Aber je besser man vorbereitet ist, je mehr man um die Risiken weiß, die eine Veranstaltung zum Misserfolg werden lassen können, desto größer ist die Chance, dass all das gar nicht passiert. Und auch aus einer Störung kann man für die Debatte und das Diskussionsklima Gewinn ziehen – man muss nur wissen, wie.

Ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Thema Kommunikation stehen am Schluss des Buches. Auch für Praktiker ist es nicht verkehrt, sich einige Dinge zu vergegenwärtigen, die uns eigentlich klar, aber dennoch nicht immer bewusst sind.

Wer mehr wissen und es selbst ausprobieren will, bevor er auf die Bühne tritt: Ich führe auch Moderationstrainings durch – für Gruppen oder als Betreuung für Einzelne.

Aber vorab noch eine Bemerkung zur Sprache: Deutsch ist ein schönes Idiom, das den Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern in fast allen Substantiven kennt. So gibt es – anders als beispielsweise im Englischen – Moderatorinnen und Moderatoren, Zuhörerinnen und Zuhörer, Diskutantinnen und Diskutanten. Frauen und Männer sind gleichberechtigt, das ist eine Grundlage unseres Lebens und unserer Verfassung. Dem sollte man auch sprachlich Ausdruck verleihen. Das ist aber nicht so einfach. Ein Satz wie „Die Moderatorinnen und Moderatoren sollten immer das Interesse der Zuhörerinnen und Zuhörer im Auge behalten.“ ist politisch korrekt, aber sperrig. Seit einiger Zeit wird versucht, die Substantive durch Partizipkonstruktionen zu ersetzen. Wir kennen das schon von den „Studierenden“, die jetzt von „Dozierenden“ unterrichtet und sicher demnächst von Verwaltenden administriert werden. Der langen Rede kurzer Sinn: Dieses Buch richtet sich an Frauen und Männer, an Leserinnen und Leser, an Moderatorinnen und Moderatoren, an Sprecherinnen und Sprecher, an Diskutantinnen und Diskutanten, an Politikerinnen und Politiker, an Professorinnen und Professoren, an Studentinnen und Studenten, an Zuhörerinnen und Zuhörer – aber es greift in den meisten Fällen aus Gründen der Lesbarkeit auf die maskuline Form als Gattungsbegriff zurück.

 

Wer damit hadert, kann eine Diskussion über den sprachlichen Ausdruck der Gleichberechtigung organisieren – wie er (oder sie) diese Debatte moderieren kann, ist auf den nächsten Seiten zu erfahren.

Ihr


10 Goldene Regeln für erfolgreiche Moderation

1. Seien Sie fair und freundlich, aber versuchen sie nicht, jedermanns Liebling zu werden!

→ 2. KAPITEL

2. Bereiten Sie pro Diskussionsteilnehmer zwei Fragen vor. Es ist besser, eine Frage in petto zu haben und sie nicht zu stellen, als eine stellen zu müssen und nicht vorbereitet zu sein!

→ 2. KAPITEL

3. Seien Sie bereit und flexibel, von Ihrem Plan abzugehen, wenn die Diskussion sich anders entwickelt!

→ 2. KAPITEL

4. Intervenieren Sie bei gravierenden Regelverstößen sofort!

→ 4. KAPITEL

5. Der Moderator ist für die Diskussion die wichtigste Person im Raum, aber lassen Sie das niemanden merken!

→ 4. KAPITEL

6. Der Anfang einer Podiumsdiskussion entscheidet über ihr Gelingen. Ist der Anfang schlecht, bekommt das Ende keiner mehr mit!

→ 5. KAPITEL

7. Seien Sie als Moderator der Anwalt des Publikums. Ihre persönliche Meinung interessiert niemanden!

→ 6. KAPITEL

8. Prüfen Sie sich vor der Übernahme einer Moderationsverpflichtung, ob Sie die nötige Unabhängigkeit für diese Diskussionsleitung besitzen!

→ 6. KAPITEL

9. Ärgern Sie sich nicht über Störungen, sondern nehmen Sie sie souverän als Herausforderung!

→ 9. KAPITEL

10. Verlassen Sie die Veranstaltung nicht sofort nach dem offiziellen Ende, sondern stehen Sie noch für Gespräche zur Verfügung!

→ 10. KAPITEL

1. KAPITEL
Das Ziel der Veranstaltung

Niemand organisiert eine Talk- oder Diskussionsrunde, um „nur mal darüber zu reden“, jeder Veranstalter verfolgt damit eine Absicht. Als Moderator sollte man diese Absicht kennen, andernfalls kann man kräftig daneben tappen.

Bei allen Podiumsdiskussionen gibt es neben den offiziellen Zielen auch inoffizielle. Das ist ja immer so, wenn Menschen miteinander in Kontakt treten. Wenn Kollege A der Kollegin B im Betrieb öffentlich zum Geburtstag gratuliert, will er ihr einen Glückwunsch aussprechen (offizielles Ziel), er will ihr aber vielleicht auch gefallen oder den anderen zeigen, dass er ein besserer Redner ist als die Herren C und D, er will vielleicht demonstrieren, dass er im Team der primus inter pares ist und deshalb die Glückwünsche von ihm übermittelt werden. Das alles sind mögliche inoffizielle Ziele – und die spielen immer eine Rolle, oftmals sogar die entscheidende.

Bei organisierten Diskussionen ist das nicht anders: Eine Partei will ihre Positionen unters Wahlvolk bringen, die Europäische Union will zeigen, was sie Gutes für die Menschen tut, ein Unternehmen möchte auf die segensreiche Wirkung eines neuen Produkts hinweisen (und dieses auch verkaufen), ein Verlag möchte eine Autorin bekannt machen, na und so weiter. So werden Podiumsdiskussionen über ein Sachthema oftmals angesetzt, um einer bestimmten Person, beispielsweise aus der Politik, ein Forum zu bieten. Mag sein, die besagte Person will sich bald in einem Wahlkampf um ein Parlamentsmandat bewerben und sich bekannt machen, mag sein, sie möchte sich in einem innerparteilichen Machtkampf positionieren. Es kann auch darum gehen, einen Ort zu profilieren, indem dort etwas stattfindet – und dabei ist dann ziemlich egal, worum es sich handelt, Hauptsache es zieht Publikum und eventuell die Presse an. Das alles ist völlig legitim.

Als Moderator sollte man diese Ziele aber kennen und einschätzen können, in welchem Spannungsverhältnis das offizielle und das inoffizielle Ziel stehen und was für die Veranstalter wie (ge)-wichtig ist. Leicht erkennbar ist das, wenn eine politische Stiftung eine Podiumsdiskussion zu einem aktuellen Thema anbietet und einer der Podiumsteilnehmer ein Abgeordneter der Partei ist, der die Stiftung politisch verbunden ist. Die Vermutung liegt nahe, dass es der Stiftung nicht (nur) darum geht, ein bestimmtes Thema in die öffentliche Diskussion zu bringen, sondern vielmehr, den Kandidaten zu positionieren. Es kann auch die Absicht der Veranstalter sein, eine bestimmte inhaltliche Position zu bewerben.

Der Moderator hat in der Regel auf die Zielformulierung keinen Einfluss. Er wird vielmehr „eingekauft“, wenn die Veranstaltung mehr oder weniger vollständig geplant ist. Er wird allerdings bei seiner Moderation sowohl die offiziellen als auch die oftmals wichtigeren inoffziellen Ziele im Auge haben müssen, wenn seine Moderation erfolgreich sein soll. Erfolgreich in diesem Sinne ist sie, wenn sowohl das Publikum, das eine bestimmte inhaltliche Erwartung hat, als auch der Veranstalter, der eben mehrere Ziele im Blick hat, das berechtigte Gefühl haben, dass ihren Interessen entsprochen worden ist.

Die Analyse der Ziele beginnt für den Moderator ganz simpel damit, etwas über die Veranstalter herauszufinden. Das ist bei den Parteien oder den politischen Stiftungen sehr einfach, aber auch bei allen anderen Organisationen möglich. Bevor man sich mit ihnen direkt in Kontakt setzt, sollte man die allgemein zugänglichen Quellen anzapfen, was in der Regel eine kleine Internetrecherche bedeutet. Auch ein Herumfragen im Bekannten- und Kollegenkreis kann hilfreich sein: Kennt jemand die Prometheus-Stiftung? Wer steckt dahinter? Wer finanziert sie? Wer sitzt im Vorstand, im Kuratorium, im Beirat? Daraus lassen sich Schlüsse auf die politischen oder materiellen Interessen des Veranstalters ziehen. Hierzu ein – verfremdetes, aber reales – Beispiel: Da widmet sich ein gemeinnütziger Verein der Verbesserung der Wohnverhältnisse in einem Teil Europas. Zu diesem Zweck organisiert er Seminare und Konferenzen. Die Mitglieder sind, der Internetseite des Vereins zufolge, Experten für die Bereiche Wohnungswirtschaft, Technik, Energiewirtschaft und Banken- und Versicherungswesen. Das ist sicherlich verdienstvoll, aber ist es die ganze Wahrheit? Die Internetrecherche zeigt, dass der Verein professionell aufgestellt ist, er verfügt über eine Geschäftsstelle und über Personal. Wer sind die Geldgeber? Abgesehen davon, dass der Verein sich um öffentliche Mittel bewirbt, hat er Unternehmen der Wohnungswirtschaft als Finanziers, die verständlicherweise ihr Know-how in andere Länder verkaufen wollen. Das ist in keiner Weise anrüchig oder unehrenhaft. Wenn dieser Verein jedoch Diskussionsveranstaltungen durchführt, wird er die materiellen Interessen seiner Förderer im Auge haben müssen. Diese Interessen wiederum können unterschiedlicher Natur sein: Mindestens ein Diskutant wird Lösungen vorschlagen, die den Verein tragende Unternehmen „zufälligerweise“ anbieten, oder: Ein Diskutant bzw. seine Firma sollen in der Veranstaltung als besonders kompetent positioniert werden, vielleicht auch: Der Inhalt der Veranstaltung dient nur dazu, die richtigen Leute zusammenzubringen.

Wenn Sie sich vorher kundig machen, vermeiden Sie auch, dass Sie einem obskuren Verein aufsitzen, der vielleicht einen Allerweltsnamen trägt, aber eine Ideologie vertritt, mit der Sie nicht in Verbindung gebracht werden wollen. Nehmen Sie als Beispiel den Titel „Junge Freiheit“. Gegen Jugend und Freiheit kann man ja eigentlich nichts haben. Im konkreten Fall verbirgt sich dahinter jedoch eine Zeitschrift aus dem sehr rechten Spektrum, mit der man nicht in einem Atemzug genannt und für die man nicht als „nützlicher Idiot“ eingespannt werden möchte.

Apropos: Natürlich muss ein Moderator sich nicht mit dem Veranstalter identifizieren oder eine besondere Nähe zu ihm haben. Wer eine Diskussion der SPD moderiert, muss nicht Genosse sein, und wer eine Debatte bei der Sparkasse leitet, darf sein Konto auch bei einer anderen Bank haben. Aber es gibt auch Spinner und Extremisten, die sich gerne mit „bürgerlichen Namen“ schmücken, um sich so salonfähiger zu machen. Daher Vorsicht: Mit dem guten Ruf eines Moderators ist es wie mit dem guten Ruf generell. Er ist schneller zerstört als aufgebaut.

Bevor man also als Moderator „in den Ring“ steigt, sollte man – durchaus auch im Gespräch mit dem Veranstalter – klären:

1. Wer ist der Veranstalter?

Was sind seine generellen Ziele?

Was ist seine „Philosophie“?

Das geht heute im Allgemeinen recht leicht. Meistens gibt es eine Selbstdarstellung auf der Website der Organisation (, ,Über uns“), oftmals auch ein – allerdings immer sehr allgemein formuliertes – Leitbild. Aufschluss geben auch die Veröffentlichungen und die sonstigen, im Netz dokumentierten Ereignisse.

Allerdings sollte man sich nicht allein auf die Angaben des Veranstalters beschränken, sondern seinen Namen in eine Suchmaschine eingeben, wodurch man noch einmal einen anderen Blick erhält. Manchmal ist die Position des Veranstalters auch allgemein bekannt. Nehmen wir ein Beispiel: Wenn die Katholische Kirche eine Diskussion über die Abtreibung organisiert, geht es ihr nicht darum, das Pro und Contra einer Abtreibung aufzulisten, um die Teilnehmerinnen der Diskussion anschließend mit einer „Checkliste“ nach Hause zu schicken, anhand deren sie sich dann für oder gegen eine Abtreibung entscheiden. Die Katholische Kirche positioniert sich sehr stark gegen die Abtreibung. Sie wird also die Diskussion nutzen, gegen Abtreibungen zu argumentieren, um Menschen auch in diese Richtung zu beeinflussen. Wer bereit ist, für die Katholische Kirche die Moderation einer Veranstaltung zum Thema Abtreibung zu übernehmen, sollte sich darüber im Klaren sein.

2. Was ist das offizielle Ziel der Veranstaltung?

Diese Ziele werden oft recht allgemein formuliert. Ziel ist es, Öffentlichkeit oder Zuhörerschaft mit dem Thema XY vertraut zu machen oder das bislang in der öffentlichen Diskussion vernachlässigte Thema XY in den Fokus zu rücken oder auf Aspekte des Themas XY aufmerksam zu machen, die bislang in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigt wurden – oder ähnliches. Diese Ziele sind nicht unbedingt vorgeschoben, man darf den meisten Veranstaltern glauben, dass sie sie wirklich erreichen wollen. Diese Ziele zu identifizieren ist recht einfach. Der Veranstalter teilt sie im Briefing mit oder sie finden sich in der Veranstaltungsbeschreibung oder -einladung. Der Moderator muss diese Ziele ernst nehmen, denn das sind die Erwartungen, oder vorsichtiger ausgedrückt: auch die Erwartungen, die das Publikum hat, das dieser Veranstaltung beiwohnt. Schwieriger ist der dritte Analyseschritt:

3. Was sind die inoffiziellen Ziele der Veranstaltung?

Wenn Sie von einem Veranstalter, den Sie nicht kennen, als Moderator angefragt werden, sollten Sie sich als erstes, wie bereits beschrieben, über ihn informieren Nach einem ersten Überblick über den Veranstalter sollte man mit diesem über die Ziele der Veranstaltung reden. Manchmal erfährt man nur die offiziellen Ziele: „Wir wollen das Thema Demografie von verschiedenen Seiten beleuchten, wir wollen eine Bestandsaufnahme des Sozialstaats machen etc.“ Wenn der Veranstalter offen ist oder man sich schon ein bisschen kennt, wird er auch über die inoffiziellen Ziele sprechen. In einer normalen bis vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre können Sie hier auch nachfragen. Nehmen Sie eine Diskussion zu einem aktuellen politischen Thema, die von einer politischen Stiftung organisiert wird. Auf dem Podium sitzen zwei Wissenschaftlerinnen, ein Journalist und ein Abgeordneter der Partei, der die Stiftung nahesteht. Es ist recht naheliegend, dass es darum geht, diesem eine Plattform zu bieten, sich einer breiteren Öffentlichkeit als kompetenter Fachmann zu präsentieren. Also fragen Sie ruhig: Welche Rolle spielt der Abgeordnete XY? Vielleicht erfahren Sie Erstaunliches, zum Beispiel dass es in Wirklichkeit darum geht, den einflussreichen Abgeordneten zu hofieren, um das Standing der Stiftung zu verbessern.

 

Dies kann man den Veranstalter durchaus fragen, allerdings kann man sich nicht darauf verlassen, in jedem Fall eine ehrliche und umfassende Antwort zu bekommen. Kehren wir zu dem Beispiel der Katholischen Kirche zurück, die eine Veranstaltung über Abtreibung organisiert. Man muss kein Detektiv sein, um sich klar zu machen, dass das inoffizielle Ziel der Veranstaltung ist, eine Abtreibung als Möglichkeit auszuschalten und alternative Optionen für Frauen oder Paare, die sich mit einem Kind überfordert fühlen, herauszustellen. Das ist aber nicht in jedem Fall so klar wie in diesem Beispiel. Dann muss man den Veranstalter genauer anschauen, im Allgemeinen hilft dabei wiederum das Internet. Wie hat sich der Veranstalter bisher zu der Diskussionsfrage positioniert? Wenn es hier eine klare Stellungnahme gibt (zum Beispiel für oder gegen das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen TTIP), kann man davon ausgehen, dass der Veranstalter möchte, dass diese Position sich schlussendlich aus der Diskussion herausmendelt.

In der Regel moderiert man ja Diskussionen mit mehr als einem Gesprächspartner. Bei der Ermittlung der inoffiziellen Ziele hilft auch die Analyse des Podiums. Der Veranstalter wird zur Vertretung seiner Position niemand benennen, der schwach auftritt. Im Umkehrschluss heißt das: Die starken Diskussionsteilnehmer sollen die Erreichung des inoffiziellen Ziels bewerkstelligen. „Stark“ können sie in Bezug auf die Rhetorik, aber auch im Hinblick auf ihre gesellschaftliche oder politische Stellung sein. Umgekehrt kann es allerdings auch darum gehen, einen relativ schwachen Vertreter, der bespielsweise noch recht unbekannt zu einer Wahl antritt, dadurch aufzuwerten, dass er mit Persönlichkeiten diskutiert, die mehr Ansehen als er genießen. Man nennt so etwas „positiven Imagetransfer“. Die Zusammensetzung eines Podiums folgt also einem Plan der Veranstalter. Das ist auch durchaus vernünftig, schließlich will man mit der Debatte auch ein „Diskussionsstück“ aufführen, das einer vorgeplanten Dramaturgie folgt. Dass dann in der konkreten Besetzung auch noch Zufälle hinzutreten, weil einer der Angefragten keine Zeit hat oder kurzfristig ausfällt und ersetzt werden muss, geschieht natürlich immer wieder. Allerdings werden auch die Ersatzkandidaten derselben politischen Logik folgen. Wenn man also ein Podium mit einem CDU-Bundestagsabgeordneten besetzen möchte, der allerdings dann nicht teilnehmen kann, wird man keinen Vertreter der Links-Partei stattdessen einladen, sondern eben ein anderes Bundestagsmitglied, das der CDU angehört.

Die offiziellen und die inoffiziellen Ziele stehen nicht notwendigerweise im Widerspruch zueinander. Sollte das informelle Ziel sein, einen Veranstaltungsort zu popularisieren oder – beispielsweise bei Diskussionen, die die ausländischen Botschaften organisieren – eine Sprecherin oder einen Sprecher aus einem bestimmten Land bekannt zu machen, steht dies nicht unbedingt im Konflikt damit, ein Thema kritisch von allen Seiten zu beleuchten. Der Moderator hat es hier recht einfach. Er kann darauf achten, dass die offiziellen Ziele erreicht werden – und die inoffiziellen erledigen sich von selbst mit. Das ist auch bei Veranstaltungen der Bundeszentrale oder der Landeszentralen für politische Bildung der Fall, deren Aufgabe es ist, zur Meinungsbildung beizutragen und die nicht eine bestimmte Position präferieren. Auch das ist allerdings nicht in allen Fällen so, beispielsweise bei Veranstaltungen, die sich gegen rechtsradikale Strömungen und Parteien richten und bei denen es verständlicherweise nicht darum geht abzuwägen, was gut und was schlecht sei am Neonazitum.

Es gibt also offizielle und inoffizielle Ziele – und die inoffiziellen sind häufig die Triebfeder für die gesamte Veranstaltung. Das ist dann von Bedeutung, wenn die beiden Ziele in Widerspruch zueinander geraten. Hier müssen die Moderatoren sich positionieren. Gibt man jetzt der kritischen Beleuchtung des Themas Vorrang oder der Selbstdarstellung des Abgeordneten XY? So ganz grundsätzlich betrachtet ist die Antwort natürlich klar: Es geht um die Sache und damit um die Verfolgung der offiziellen Ziele. So können Sie als Moderator auftreten – in der Regel allerdings nur einmal. Der Veranstalter und andere, die das beobachten, werden Sie nicht mehr verpflichten. Keiner holt sich einen Moderator ins Haus, der die tatsächlichen Ziele, und das sind in der Regel die inoffiziellen, nicht im Auge hat oder gar konterkariert. Keine Stiftung beschäftigt einen Moderator, der „ihren“ Abgeordneten „in die Pfanne haut“.

Eine Checkliste zur Ermittlung des Veranstaltungsziels finden Sie auf Seite 21.

Auf der anderen Seite möchte man sich als Moderator auch bei einem Veranstalter nicht anbiedern oder gar prostituieren. Abgesehen davon, dass dies für das eigene Ego nicht gut ist, ist das auch geschäftsschädigend. Harmlose und Stichwortgeber sind als Moderatoren nicht gefragt, denn indem sie den Veranstaltern nach dem Mund reden, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit beim Auditorium – und damit wird der tatsächliche Veranstaltungszweck auch nicht erreicht.

Wenn Sie die offiziellen oder inoffiziellen Ziele persönlich strikt ablehnen, sollten Sie die Finger von der Veranstaltung lassen. Wenn Sie aber damit leben können, sollten Sie sich vorher überlegen, wie beide Ziele erreichbar sind. Da diese Ziele oftmals konfligieren – die kritische Debatte versus das gute Aussehen des Abgeordneten XY –, müssen sie eine Kompromisslinie entwickeln. In unserem Beispiel von der Diskussion mit dem Abgeordneten könnte dies beispielsweise sein, dass sie nach einer offenen und kritischen Diskussion des Gegenstandes dem Abgeordneten noch einmal das Wort zu Schlussbemerkungen geben:

Live klingt das so:

Hier sind viele Kritikpunkte an dem Vorhaben geäußert worden. Herr Abgeordneter XY, Sie tragen ja politische Verantwortung, wie können Sie im politischen Prozess diese Punkte aufnehmen.

Damit hat man Herrn XY herausgehoben (er ist derjenige, der politische Verantwortung trägt), das tut ihm schon mal gut, und man gibt ihm Gelegenheit, seine Position noch einmal – und schlussendlich – darzustellen.

Manchmal gibt es auf den Podien auch ein Schwergewicht, dem man von vornherein mehr Raum gewähren muss. Wenn man ein Gespräch mit einer sehr bekannten oder im jeweiligen Kontext besonders wichtigen Persönlichkeit moderiert und zwei oder drei weitere Gäste mit auf dem Podium sitzen, wird jeder akzeptieren, dass die anderen zusammengenommen genauso viel Redezeit haben wie diese Persönlichkeit alleine. Das dürfte auch die Erwartungen des Publikums treffen, das vermutlich vor allem gekommen ist, diese Persönlichkeit zu hören und zu erleben. Der Moderator wird in diesem Fall nach dem Motto des Buches „Farm der Tiere“ verfahren müssen: Alle Podiumsteilnehmer sind gleich, aber einer ist gleicher. Das Leben ist auch hier ein Kompromiss. Wer nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen, sollte sich mit Moderationen nicht beschäftigen.