Die Verhütung des Unheilbaren

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Die Verhütung des Unheilbaren
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Dr. med. Max Bircher-Benner

Die Verhütung des Unheilbaren

Impressum

Bitte beachten Sie dass einige Ausführungen in vorliegender Schrift nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechen. Dr. Max Bircher-Benners Methoden haben sich dennoch in der praktischen Ausführung bereits tausendfach bewährt. Um etwaige Risiken zu vermeiden, sprechen Sie bitte vor Anwendung der im Inhalt geschilderten Ratschläge mit Ihrem Arzt. Der Verlag übernimmt keinerlei Haftung.

„Die Verhütung des Unheilbaren“ von Dr. med. Max Bircher-Benner

Erstveröffentlichung: Wendepunkt-Verlag 1934

Cover: Vincenzo Campi – The Fruit Seller

Überarbeitung: F. Schwab Verlag

Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de

Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag

Inhalt

Impressum

Inhalt

Einleitung

Das Inferno des Unheilbaren

Die Ursachen des Unheilbaren

Die hauptsächlichsten Fehler in der Ernährung der zivilisierten Völker

Die Verbesserung der Volksgesundheit

Einleitung

Das Unheilbare sowohl wie auch die Frage seiner Verhütung sind Probleme des Lebens von solchem Umfange und so unerschöpflichem Inhalte, dass darüber im besten Falle nur eine bescheidene Auslese und ein lückenreiches Stückwerk vorgetragen werden kann. Vieles muss schon um der Zeit und des Raumes willen ungesagt bleiben; anderes — vielleicht das Wichtigste — bleibt deshalb ungesagt, weil es mit Worten nicht auszusprechen und vom menschlichen Vorstellungsvermögen nicht mehr zu erfassen ist. Wer auf Einwände und Widersprüche sinnt, wer das Positive, die Hauptsache, nicht sehen will, wird daher leichtes Spiel haben; die anderen aber bitte ich, diese sachlich bedingte Beschränkung nicht zu vergessen.

Die Wanderung durch das Reich des Unheilbaren, mit der unser Thema zu beginnen hat, führt uns zu düsteren Szenen menschlicher Not, körperlicher und seelischer Leiden, dorthin, wo bitteres Klagen und unerfüllbares Flehen um Hilfe herrschen. Wir treffen da auf Millionen von Mitmenschen, die, auf den Irrwegen des Lebens traumhaft wandelnd, ins Jammertal des Unheilbaren gerieten, wo sie eines schönen Tages erwachen und mit Schrecken ihrer Lage bewusst werden. „Warum“, fragen sie verzweifelt, „warum hat niemand uns gewarnt und gelehrt, solches Schicksal zu verhüten?“

Deshalb kommt nun heute der Arzt und sagt: „Ihr Wanderer auf den Irrwegen des Lebens, lernet das Unheilbare und die Wege, die hinführen, kennen, bevor es euch erfasst hat. Nur der entgeht ihm, der es früh genug ernst nimmt und mit kraftvollem Entschlusse seine Verhütung wirkt.“

Als Dante „in der Mitte seiner Lebensreise sich, verirrt in einem dunklen Walde, wiederfand, weil er vom rechten Wege abgewichen, und jeder Ausweg ihm versperrt war“, da kam, von der Himmelsmutter gesandt, Virgil zu ihm und sprach:

„Ich führe zu der Stadt voll Schmerz und Grauen,

Ich führe zu dem wandellosen Leid,

Ich führe hin, wo die Verlornen hausen.“

„Wir sind zur Stelle, wie ich kund dir tat,

Wo ich zu dem betrübten Volk dich bringe,

Das der Erkenntnis Gut verloren hat.“

„Da hob Gestöhn und Weh und Heulen an

Rings durch die sternenlose Luft zu hallen,

Dass anfangs ich zu weinen drob begann.“

Über der Eingangspforte dieser Stadt voll Schmerz und Grauen aber standen die Worte: „Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.“ Dantes Weg zur Erlösung führte durch die Hölle, das Inferno, den Läuterungsberg, das Purgatorio, zum Paradiso. Das ist auch unser Weg des Heils. Das Unheilbare aber ist das wahre Inferno auf Erden, und jedes Wort, das Virgil spricht, gilt hier.

Während 43 Jahren ärztlicher Praxis sah ich Tausende mit unheilbaren Schäden, Schwächen, Minderwertigkeiten und Krankheiten vorüberziehen, sah ich das Unheilbare sich erstrecken und verschärfen über Generationen, über die Kette von Großeltern, Eltern, Kindern und Kindeskindern. Eine Fülle von eindrucksvollen Erlebnissen sammelte sich in mir und verdichtete sich schließlich zu einer Gestaltung, die einst griechische Meister als Gleichnis erschufen: zur Laokoongruppe. Vater und Söhne, zwei Generationen, stehen da von einer Riesenschlange umschlungen. Aus des Vaters Munde tönt der Schrei der Verzweiflung. Dieses Bild gewann in mir neues Leben: so sehe ich die Menschheit umschlungen von der Schlange des Unheilbaren und höre den millionenfachen Schrei der Not und der Verzweiflung. Doch diese Schlange umschlingt nicht nur zwei, sondern viele Generationen, nicht nur Individuen, sondern die Kette. Der Ruf nach Hilfe hallt als „Gestöhn und Weh und Heulen durch die sternenlose Luft“. Die Hilfe aber ist da: sie heißt Verhütung!

In derselben Zeit, da durch die Wucht des Erlebens dieses Gleichnis mich ergriff, stieß die wissenschaftliche Forschung auf die bisher verborgenen Ursachen des Unheilbaren. Mit der Entdeckung der Ursachen aber brachte sie uns auch die Möglichkeit der Verhütung. Nicht nur das Inferno auf Erden ist da, es gibt auch einen Läuterungsberg, den die Menschheit ersteigen kann. Das ist die frohe Botschaft, die ich Ihnen bringen möchte.

Wer vom Unheilbaren hört, denkt zuerst an jene Krankheiten, die nach der Erfahrung in der Regel allen bekannten Heilverfahren widerstehen und von den Kranken und ihren Angehörigen als tragisch und schicksalhaft empfunden, von den Nochgesunden aber gefürchtet werden: an die Geisteskrankheiten, die Krebskrankheit, die Lungenschwindsucht, die Rückenmarksleiden usf. Das menschliche Gemüt wird durch den Anblick dieser Leiden erschüttert. Es empfindet sie als unbarmherzige Vernichtung der Person oder des Lebens, als Grausamkeit, als Ungerechtigkeit, als Sinnlosigkeit. Die ursächlichen Zusammenhänge vermag es nicht zu erfassen. Darum sieht der Mensch das qualvolle Siechtum, das diese Krankheiten mit sich bringen, mit Grauen und weiß nicht warum und wozu.

Millionen werden jedes Jahr von solchen Krankheiten erfasst und ziehen weitere Millionen in Mitleidenschaft, sei es seelisch durch Leid und Not, oder sei es durch ökonomische Belastung. Die Nachkommen werden von der grausen Angst der erblichen Belastung erfasst. An solchen Leiden gemessen erscheint der Tod als Erlöser, und selbst der verfrühte, plötzliche, gewaltsame Tod eines Angehörigen wird tröstlicher empfunden, „weil er doch nicht lange leiden musste“.

Es gibt aber andere Masken des Unheilbaren, in denen es unscheinbarer, scheinbar weniger brutal, geräuschloser, in Wirklichkeit aber noch heimtückischer auftritt, und deshalb weniger beachtet wird und zu wenig Eindruck macht. Es geht zunächst nicht an das Leben, sondern macht nur die Organe, die Sinne, den Körper und den ganzen Menschen minderwertig, schwächt die Lebenskraft, raubt die Lebensfreude, den Fortpflanzungs- oder Zukunftswert. Es mischen sich in ihm Angeborenes, Vererbtes mit Erworbenem. Die Kette ist davon ergriffen.

Diese Masken des Unheilbaren überragen an Bedeutung jene erstgenannten, schweren und unheilbaren Krankheiten um das Vielfache. Sie sind heute auf allen Fronten des Lebens im Wachsen begriffen, breiten sich aus wie eine Sintflut, in der die Gesundheit und die Kraft der Konstitution der Menschheit versinken. Eine unheimliche, schleichende Vernichtung, ein Untergang vollzieht sich, wie sie die Geschichte der Menschheit noch nie gekannt hat. Das Eigenartige an diesem Geschehen aber ist, dass es die Aufmerksamkeit der Gemeinschaft nicht auf sich zieht, dass daher seine Bedeutung und Gefahr nicht erkannt wird, so dass jede wirksame Gegenwehr unterbleibt.

Im Gebiete der Infektionskrankheiten zum Beispiel handelt es sich ja stets um einen Kampf zwischen dem Bakterium und dem menschlichen Organismus. Das Bakterium ist der Angreifer, der Organismus der Verteidiger. In dem Kampfe hängt der Ausgang einmal von den Kräften des Bakteriums, dann aber von den Widerstandskräften des Menschen ab, von seiner Immunkraft. Die Infektionskrankheit lässt sich verhüten, indem man die Infektion verhindert. Diese Verhütung wird heute in vollem Maßstabe und mit großem Erfolge ausgeübt. Ist aber die Infektion eingetreten, so entscheidet die Widerstandskraft (Immunität) des menschlichen Körpers über den Ausgang. Zu den verborgenen, schleichenden Taten des Bösen, das das Unheilbare schafft, gehört auch die Schwächung der Immunität. Dieser Tat wird nun bei weitem nicht in ausreichendem Maße, nicht im Bereich des Möglichen, nicht in den Hauptursachen entgegengetreten. Wohl sucht man auf künstlichem Wege die Immunität herzustellen; die natürliche Immunität zu schützen und zu stärken, das wird vergessen.

Wie in diesem Beispiele, so ist das Verhalten auf dem ganzen, großen Gebiete des Unheilbaren. Es werden uns noch viele Beispiele begegnen. Gerade das, was jede Vernunft in unserer selbstbewussten Zeit des Fortschritts erwartet, ein Aufgebot aller guten Kräfte zu zielbewusstem, wohlorganisiertem Abwehrkampfe, geschieht nicht.

Das darf nicht weiter so bleiben. Wir wollen zusammen unsere Augen auf das Unheilbare richten. Wir wollen es kennenlernen. Wir wollen seine Ursachen erfassen und sehen, ob uns nicht die Kraft zur Verhütung daraus erwächst. So bitte ich Sie denn, mir auf einer Wanderung durch das Reich des Unheilbaren zu folgen.

 

Das Inferno des Unheilbaren

Zahnkrankheiten — Darmstörungen — Senkung der Eingeweide — Schädigungen der Verdauungsdrüsen — Zuckerkrankheit — Chronische Magenleiden — Störung der Einsonderungsdrüsen: Schilddrüsenerkrankung, Kropfbildung, Erkrankung der Hirnanhangdrüse — Herzkrankheiten — Rheuma — Chronische Hautflechte — Migräne — Rachitis — Stoffwechselkrankheiten — Geisteskrankheiten.

Gleich zu Beginn stößt der Wanderer auf die allgemeine, fortschreitende Vernichtung des menschlichen Gebisses. Sie tritt in dreifacher Krankheitsgestalt auf: als Zahnfäule oder Karies, als Zahnfach- und Zahnfleischtaschen-Erkrankung oder Paradentose und Alveolarpyorrhoe und als Kieferverkümmerung oder Malokklusion.

Der Zahnfäuleprozess hat seine Vorbedingung, also seine Hauptursache, in einer Minderung der Zahnhärte, einer Erweichung des Zahnes von innen her durch eine abnorme Beschaffenheit des seine Haargefäßnetze durchströmenden Blutes. Sowohl das Haargefäßnetz des Zahnmarkes, wie diejenigen der Zahnwurzelhaut und des Zahnfleisches erwiesen sich bevorzugt empfindlich auf abnorme Blutveränderungen. Den Anfang der Zahnfäule und den Boden, auf dem sie wächst, bildet also eine verschlechterte Zahnernährung. Am schlechternährten, erweichten Zahn kommt es zu Einbrüchen des Schmelzes (Emailüberzuges), wodurch der Zahn dem Angriff von Säuren und Bakterien zugänglich wird. An den eröffneten Stellen bilden sich nun Geschwüre, die zu Fäulnishöhlen werden, immer tiefer ins Innere gegen das Zahnmark hin vorrücken, bis auch dieses durch Bakterieneinwanderung in Entzündung gerät. Wachsende Schmerzen begleiten den Prozess; Eiterungen um die Zahnwurzel gesellen sich hinzu. Es bilden sich Zahnabszesse. Zahn um Zahn wird von diesem Krankheitsprozess ergriffen, bis schließlich das ganze Gebiss zerstört ist.

Die Zahnärzte leisten eine ungeheure Arbeit, um die ergriffenen Zähne zu retten. Jedes Fäulnisloch wird gereinigt, desinfiziert und mit erhärtetem Material (Amalgam, Zement, Porzellan) ausgefüllt und verschlossen. Wo die Zahnkrone zu weitgehend zerstört ist, wird eine künstliche Goldkrone aufgesetzt, so dass sich der Zahn am Kauakt wieder beteiligen kann. Doch alle diese sorgfältige und kunstvolle Arbeit garantiert keineswegs eine Rettung des kranken Zahnes. Langsam schleichend bilden sich um die Wurzelspitzen von vielen plombierten Zähnen herum Bakterienherde, die sich in den Kieferknochen ausdehnen. Man nennt diese Herde Granulome. Aus den Granulomen sickert ein leiser Strom von Giften in die Lymphbahnen des Knochens und von da ins kreisende Blut, sich nun über den ganzen Organismus verbreitend; oft wandern auf dem gleichen Wege auch die Bakterien in die Lymphbahnen und ins Blut. In dem Körper, dessen geschwächte Widerstandskraft sich schon im Weichwerden der Zähne offenbarte, führt nun diese Einwanderung von Bakterien und ihren Giften zu schweren Erkrankungen, zuerst zu chronischer Halsmandelentzündung, dann zu Magen- und Zwölffingerdarmleiden, zu Nierenleiden und zu schweren chronischen Formen des Gelenkrheumatismus; Krankheiten, die nicht mehr heilen, solange die Granulome als Brutstätten von Bakterien und Giften fortbestehen. Eine neue Aufgabe erwächst dem Zahnarzte: die Beseitigung der Granulome. Sie ist in der Regel nur durch Entfernung des Zahnes zu erfüllen. Die im Körper neuentstandenen Infektionsherde dagegen kann er ebensowenig entfernen wie die Organ- und Gelenkschäden.

Und — während der Zahnarzt die vorhandenen Löcher schließt, die Granulome behandelt, unrettbar kranke Zähne auszieht, kostspieligen Brückenersatz schafft, entstehen an den anderen, bisher noch gesunden Zähnen neue Fäulnisgeschwüre, an den neuplombierten neue Granulome, daraus neue Vergiftungen usw. Die ganze Behandlung wird ein, allerdings notwendiges und unerlässliches Flicken ohne Ende, denn trotz all dieser mühseligen und sorgfältigen Behandlung schreitet die Zahnfäule unbeirrt fort, bis das ganze Gebiss zerstört ist.

Bis in die allerneueste Zeit sah man die Ursache der Zahnfäule in der Verschmutzung der Zähne durch bestimmte Speisen, so durch stärke- und zuckerhaltige Speisen, von denen Teile an den Zähnen kleben bleiben, sich zersetzend Säuren bilden, die den Zahnschmelz anfressen und den Bakterien Zugang zum Zahninnern verschaffen; im Weichkochen der Speisen, in der Weichheit des Weißbrotes usw., kurz in allem, was das kräftige Kauen erspart und dadurch die Selbstreinigung der Zähne verhindert. Aus dieser Ursachenlehre leitete man Maßnahmen zur Verhütung der Zahnfäule ab: künstliche Reinigung nach den Mahlzeiten mit Bürste und Pasten, Spülungen mit antiseptischen Mundwässern. Eine mächtige Bürsten-, Pasten- und Mundwasserindustrie entstand; die Schulen und dann die Schulzahnkliniken wetteiferten, um der Jugend Mundhygiene beizubringen. Doch alle diese Bemühungen waren fruchtlos. Die Zahnfäule wucherte weiter.

Die gleichen Ursachen, die die Vorbedingung der Zahnfäule durch Schwächung des Zahnlebens herbeiführen sie können erst später genannt werden —, schädigen auch die Speicheldrüsen, so dass der Speichel an Qualität verliert, das Zahnfleisch, das Zahnmark und die Wurzelhaut. Mit der Wertverminderung des Speichels leidet nicht nur die Wirkung auf die Nahrung, sondern auch die Schutzwirkung des Speichels für die Zähne. Während im Munde die Zahnfäule fortschreitet, zieht sich das Zahnfleisch vom Zahne zurück. In seinen Taschen siedeln sich Bakterien an, wodurch die Zahntascheneiterung (Alveolarpyrrhoe) entsteht. Die Schädigung der Wurzelhaut führt zur Erweichung des umliegenden Kieferknochens, so dass die Zähne sich lockern und schließlich ausfallen (Paradentose). Die von innen (!) kommende Schädigung des Zahnmarkes mit Zahnerweichung aber und die Paradentose mindern die Kaukraft, so dass mehr und mehr die weichen Speisen bevorzugt werden, wodurch der Kreis der Fehler geschlossen wird.

Alveolarpyrrhoe und Paradentose haben bei uns eine enorme Verbreitung, bei den Erwachsenen wohl in ebenso hohen Prozentzahlen wie die Zahnfäule. Beide widerstehen hartnäckig jeder örtlichen Behandlung.

Zu diesen Zahnkrankheiten kommt nun noch eine ganz merkwürdige Erkrankung des menschlichen Gebisses hinzu: die Kieferverkümmerung. Wir stehen vor der Tatsache, dass bei der zivilisierten Menschheit die Kiefer sich krankhaft verkleinern, so dass die Zahnreihe nicht mehr genügenden Platz findet. So wachsen denn die Zähne zu eng aneinandergedrängt heraus, verschieben sich nach hinten oder vorne aus der Reihe, verdrehen sich. Die Kauflächen der oberen und unteren Zahnreihen passen nicht mehr aufeinander, wodurch selbstverständlich das Kauvermögen leidet. Die eng aneinandergepressten Zähne verfallen besonders leicht der Zahnfäule. Weil die Kauflächen der Zahnreihen nicht mehr natürlich aufeinander schließen, nennt man diese Krankheit Malokklusion. Sie wird schon im Kindesalter sichtbar und steht in naher Beziehung zu der das ganze Knochensystem treffenden englischen Krankheit oder Rachitis. Nach zuverlässigen Angaben findet sich die Malokklusion bei 75 Prozent der zivilisierten Menschen!

Wer Ohren hat zu hören, erkennt aus diesen Tatsachen, dass das menschliche Gebiss einer schauerlichen Vernichtung verfallen ist. Alle bisher ins Werk gesetzten Abwehrmaßnahmen blieben, trotz aufopfernder Tätigkeit der Zahnärzte, ohne Erfolg und den Fortschritten der Krankheit gegenüber ohnmächtig. Nichts vermag die Vernichtung aufzuhalten. Die Krankheit scheint unheilbar zu sein. Die Bewohner von Gebirgsdörfern des Kantons Wallis, die vor 50 Jahren die Zahnfäule kaum kannten, sind heute zu 35-50 Prozent davon befallen. Im Kanton Appenzell findet sie sich bei 100 Prozent der Bevölkerung.

In dieser Gebissvernichtung sehen Sie ein Beispiel einer unheilbar gewordenen, stetig fortschreitenden Krankheit, der weder vom Einzelnen, noch von der Öffentlichkeit, noch vom Staate die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Nur die Industrie zieht ihren Nutzen daraus, und die Zeitungen sind voll von Anpreisungen völlig unwirksamer Gegenmittel. Gewiss ist die Mundreinigung dringend nötig, sind die Maßnahmen und Behandlungen der Zahnärzte wertvoll und hilfreich, aber dies alles reicht nicht an die Wurzeln der Krankheit, vermag das vernichtende Geschehen weder zu heilen noch viel weniger zu verhüten.

Die ganze, unheilvolle Bedeutung der Tatsachen wird jedoch erst demjenigen bewusst, der das Vernichtungswerk in seinem Wesen und seinen ursächlichen Zusammenhängen kennenlernt und dabei erfährt, dass der Gebissschaden nur der Anzeiger eines allgemeinen Ruines ist, der — hervorgerufen durch die eine große Ursache — sich über sämtliche Organe, ja über den ganzen Körper erstreckt.

Nach der Gebissvernichtung führt uns der Weg zu einer Krankheitserscheinung, die mit vielen Ausläufern ins Unheilbare hinüberführt: zur Darmträgheit mit Stuhlverstopfung (Konstipation) und zum chronischen Dickdarmkatarrh (Colitis). Über ihre Verbreitung existieren keine statistischen Erhebungen. Man müsste die Apotheker und Drogisten fragen, Welchen Umfang der Handel mit Öffnungsmitteln erreicht hat. Die Verbreitung überschreitet schon deshalb alle vorhandenen Begriffe, weil auch eine nur einmalige Stuhlentleerung pro Tag Zeichen vorhandener Darmträgheit ist. Bei der Colitis treten oft während langer Zeiten weiche bis flüssige, auch schaumige Stühle auf, die auf hochgradige Gärung des Darminhaltes hinweisen. Beide Krankheitsformen stehen zueinander in naher Beziehung und sind keineswegs Gegensätze.

Auch diese Darmstörungen sind ebensowenig wie die Zahnkrankheiten einfach örtliche Organkrankheiten, sondern entspringen einer stetig wirkenden, Tag für Tag sich wiederholenden Schädigung des Gesamtorganismus, die vor allem das vegetative Nervensystem, das Blut und dann erst den Darm trifft. Auch sie sind Anzeiger schleichender Unterminierung der Gesundheit im ganzen Organismus. Durch Fäulnis und Gärung des stagnierenden Inhaltes wird der Dickdarm zu einer Brutstätte von Giften und gefährlichen Bakterien. Diese Gifte werden teilweise durch die Darmschleimhaut aufgesaugt, gelangen mit dem Blute in die Leber und von da in den allgemeinen Kreislauf. Die Aufsaugung verstärkt sich, wenn die Bauhin'sche Klappe, die den Rücklauf des faulenden Inhaltes nach dem Dünndarm hin verhindert, durch Ausdehnung des Blinddarmes schlussunfähig wird. So entsteht eine schleichende Selbstvergiftung (Autointoxikation) des Blutes, der Leber und des Körpers, die im Laufe der Jahre bei der Entstehung schwerer Folgekrankheiten mitwirkt. Der berühmte Metschnikoff nannte deshalb den Dickdarm den „Mörder des Menschen“, und Sir Arbuthnot Lane, der englische Chirurge, betonte, dass unter den vielen Frauen, die er wegen Brustkrebs operierte, kaum eine war, die nicht vor der Krebserkrankung jahrelang an Konstipation gelitten hätte.

Gar oft gelangen nicht nur die Fäulnisgifte ins Blut, sondern es wird auch die Barrikade der Darmschleimhaut gegen die Bakterien undicht. Damit beginnt in den Gallenwegen und in den Nieren das Kolibazillenelend; es kommt zur chronischen Gallengang- und Gallenblasenentzündung und zur Nierenbeckenentzündung. In Verbindung damit kommt es auch zur Bildung von Gallen- und Nierensteinen. Eingreifende Operationen werden schließlich notwendig, wie die Entfernung der Gallenblase; doch ist die Krankheitsnot damit keineswegs behoben.

Die chronische Konstipation ist für den Sachkundigen eine unheimliche Sache. Im Hintergrund wirkt die hier noch nicht genannte Grundursache, im Vordergrund die Autointoxikation und der Kolibazillus. Dass unter dem Zusammenspiel dieser Faktoren auch die Fortpflanzungsorgane, insbesondere die weiblichen, erkranken können, ist wohl bekannt, aber niemand vermag den Gesamtbereich der Körperschädigung anzugeben, der so herbeigeführt wird, noch vermag jemand zu ermessen, wie viel Unheilbares auf diesem Boden heranwächst.

Was bisher zur Verhütung der Dickdarmstörungen geschieht, ist belanglos. Es fehlte die Einsicht in die Grundursache. Wo sie aufdämmerte, fehlte der Mut, die unerbittlichen Konsequenzen zu ziehen, die ihre Behebung erfordert. Der höchst beachtenswerte Vorstoß der französischen Schule unter Bouchard-Paris und Combe-Lausanne hatte die diätetische Grundursache nicht richtig erfasst und verlief deshalb, nach einem verheißungsvollen Aufblühen, im Sande. Heroisch zu nennen sind die Bemühungen von Mayr-Karlsbad, die zwar weniger der Verhütung der Konstipation als der Verhütung der Autointoxikation gelten; seine Maßnahmen sind ein zeitlich begrenzter, wirksamer Eingriff, doch fehlt der Dauererfolg, da die Grundursache nicht behoben wird.

 

Die vielen Abführmittel, welche so reichlich gebraucht werden, sind für Millionen Konstipierter eine keineswegs einwandfreie Nothilfe; den im Hintergrunde der Konstipation tätigen Schadenprozess, der die Autointoxikation und die unheilbaren Folgen herbeiführt, vermögen sie nicht zu beheben. Die Bequemlichkeit ihres Gebrauches verhindert Ärzte und Kranke am Eingreifen der einschneidenderen, aber wirkliche Hilfe bringenden Maßnahmen. Auch hier gilt also das Nietzsche-Wort von den kürzeren Wegen, das da sagt: „Die angeblichen „kürzeren Wege“ haben die Menschheit immer in große Gefahr gebracht; sie verlässt immer bei der frohen Botschaft, dass ein solcher kürzerer Weg gefunden sei, ihren Weg — und verliert den Weg.“ (Morgenröte)

Ein weiterer Zustand entschwindender Gesundheit, der aus Angeborenem und Erworbenem hervorgeht und heute noch den Charakter des Unheilbaren trägt, wird durch die Senkung der Eingeweide erkennbar. Er trägt den Namen Glenard-Stiller'sche Krankheit, ist gar oft bei eher hageren Menschen zu finden. Man kann damit leben, bisweilen sogar alt werden, aber dieses Leben ist nicht schön. Es bewegt sich am Rande der Erschöpfung und entbehrt der Lebensfreude. Doch recht oft stellen sich dabei ernste Komplikationen ein, die so lästig oder gefährlich werden, dass mancherlei chirurgische Hilfen notwendig erscheinen, deren Erfolg aber höchst problematisch ist, ja oft die Situation noch verschlimmert. So heftet der Chirurge die gesenkten Wandernieren wieder fest an ihren alten Platz, verkürzt die Mutterbänder, um die Gebärmutter wieder in die richtige Lage zu bringen, faltet den gesenkten und erweiterten Magen auf seine Normalgröße ein. Ich sah eine noch junge Frau mit 5 großen Schnittnarben am Leibe; nach all diesen Operationen kränker wie je. Je mehr solche Verstümmelungen da sind, um so schwerer, unmöglicher wird eine wirkliche Hilfe. Dieser merkwürdigen Krankheit liegt ein Spannungsverlust der Nervenzentren, eine Erschöpfung der Kraftzentralen, zugrunde, demzufolge die glatte und gestreifte Muskulatur erschlafft, ihren natürlichen Tonus verliert. Da die Eingeweide ihre Lage fühlbar verändern können, wird die Erschlaffung durch ihre Senkung angezeigt; sie ist aber am ganzen Körper vorhanden.

Nur die Wiederherstellung der normalen Spannung wäre wirkliche Hilfe, und nur die Behebung der Ursachen, die den Spannungsverlust herbeiführen, wäre Verhütung dieses konstitutionellen Zustandes, der zu so viel Unheilbarem führt. Welches aber sind diese Ursachen?

Schwer zugängliche Seitenpfade führen den Wanderer in die Regionen der Verdauungsdrüsen: der Leber und der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Von der Schädigung der Gallenwege vom Dickdarm aus wurde schon gesprochen. Sie ist unter den Feinden der Leber nicht der Hauptfeind. Es findet in großer Verbreitung eine schleichende, meist lange Zeit völlig unbeachtete Schädigung der Leber, wie Carl Funck sagt, eine Abwertung der Leber, statt, die sich in der Gesundheit des ganzen Körpers auswirkt und schließlich zu schweren, unheilbaren Erkrankungen führt. Gleiche Schadenprozesse vollziehen sich am Pankreas; auch sie kommen in der Regel erst dann zur Wahrnehmung, wenn ernste Folgen hinzutreten, Folgen, wie die beginnende Zerstörung des sogenannten Inselapparates, der die Zuckerverbrennung im Körper leitet. Es stellt sich dann die Zuckerkrankheit (Diabetes) ein, die ja so häufig unheilbar wird.

Eine Verhütung der Abwertung der Verdauungsdrüsen und ihrer unheilbaren Folgen ist nur durch Vermeidung der Entstehungsursachen möglich. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ursachen in der Nahrung und in den Ernährungsgewohnheiten zu suchen sind, liegt hier auf der Hand. Aber wie sehen diese Ursachen aus?

In benachbarten Regionen stößt der Wanderer auf die chronischen Magenleiden, die Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre. Auch diese Leiden zeigen eine große, sogar eine stetig wachsende Verbreitung und gewinnen nur zu oft den Charakter des Unheilbaren oder führen zu unheilbaren Komplikationen. Da gar oft die Geschwüre der bisher üblichen internen Behandlung trotzen, werden eingreifende Operationen notwendig, aus denen der Mensch mit einem verstümmelten Körper hervorgeht, wobei sich überdies nur zu leicht wieder neue Geschwüre bilden. Chronische Magenleiden und Zwölffingerdarmgeschwüre sind keineswegs nur örtliche Erkrankungen. Nur ein in seinen Fundamenten geschädigter Körper kann so erkranken. Es besteht eine „Geschwürskrankheit“ des ganzen Körpers, bevor sich überhaupt ein Geschwür gebildet hat. Aber diese Krankheit wird wiederum nicht beachtet, ihre Warnungssymptome werden nicht verstanden. Der Entstehungsprozess dieses Vorstadiums zieht sich über Jahre hin. Die gleichen Ursachen, die das Gebiss zerstören, den Dickdarm, die Leber und das Pankreas schädigen, sind dabei tätig und vereinigen sich mit den Giften aus den Zahnwurzelgranulomen und den faulenden Massen im Dickdarm zur gemeinsamen Schadenwirkung. Nur die Belebung der Ursachen kann diese Leiden und ihre unheilbaren Folgen verhüten. Aber welches sind diese Ursachen?

Eine Inschrift weist dem Wanderer den Weg zu einer Region, wo weitere Formen des Unheils ausgebrütet werden. Es heißt dort mit leuchtender Schrift: Zu den Normstörungen und der allmählichen Vernichtung des Systems der Einsonderungsdrüsen. Die Region umschließt ein weites Gebiet menschlicher Minderwertigkeit und Leiden, so vielgestaltig und kummervoll, dass man sich nach dem Anblick weniger Hauptgruppen ergriffen abwendet.

Die Einsonderungsdrüsen erzeugen und übergeben dem kreisenden Blute in kleinen Mengen Stoffe von großer Wirksamkeit, die in die Lebensvorgänge regulatorisch eingreifen. Diese „Hormone“ regulieren das Wachstum, die Ernährung, den Stoff- und Kraftwechsel und die Fortpflanzung. Solche Einsonderungsdrüsen sind: der Hirnanhang (Hypophysis), die Zirbeldrüse, die Schilddrüse (Thyreoidea), die Nebenschilddrüse (Parathyreoidea), die Thymusdrüse, die Nebennieren. Überdies gehen Einsonderungen ins Blut auch aus von der Bauchspeicheldrüse, der Leber, den Keimdrüsen, der Haut usw. Im Normalzustande besteht im Zusammenspiel all dieser Einsonderungsorgane ein wohlgeordnetes, harmonisches Gleichgewicht. Das Geheimnis des goldenen Schnittes, von dem beim Wachstum alle Schönheit der Form des menschlichen Körpers bedingt wird, ist diesem hormonalen Gleichgewicht anvertraut. Kommt Unordnung in dieses Gleichgewicht, wird die natürliche Harmonie gestört, so leidet nicht nur der Körper die mannigfachsten Störungen, sondern es verändert sich der ganze Mensch, der Charakter, die Intelligenz, das Liebesleben usw.

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