Praxisbuch psychologische Kinesiologie

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Praxisbuch psychologische Kinesiologie
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Dr. Christa Keding
Hinweise des Verlags

Inhalt

Einführung

Was mich zu diesem Buch veranlasst hat

Psychotherapeutische Unschärfen

Der rote Faden dieses Buches

Die Stress-Release-Technik – Lösung von emotionalem Stress

Stress Release als Selbsthilfe im Alltag

Wurzeln in der Kinesiologie – Wandel in meiner Anwendung

Stress Release – eine synaptische Weichenstellung?

Einseitige Schaltkreise

Der Vorlauf zum Stress Release

Die praktische Durchführung

Die Dauer der Stress-Release-Anwendung

Risiken? Unerwünschte Wirkungen?

Die Psyche in Resonanz bringen

Der erste Schlüssel: Keine Scheu vor Fragen!

Der zweite Schlüssel: „Spiegeln“

Der dritte Schlüssel: „Herauskristallisieren“

Der vierte Schlüssel: Den Blick wenden

Gesprächsleitfäden

Der Muskeltest – Brücke zum Unterbewusstsein

Glaubenssätze

Treffende Worte

Testlisten

Der Muskeltest als Wegweiser

Wonach suchen wir?

Muster statt Ereignis

Zeitliche Zuordnung

Selbstwertgefühl und Selbstgefühl – Kindliche Prägungen

Wie Prägungen entstehen

Vorgeburtliche Erfahrungen

Die Geburt

Die Neugeborenen- und Säuglingszeit

Das Kleinstkind

Das Kleinkindalter

Die frühe Schulzeit

Pubertät und Jugendzeit

Von der Verwicklung zur Entwicklung

Frei zu neuem Fühlen und Handeln

Wegbegleitung

Indikationen

Psychosomatische Erkrankungen

Psychische Beschwerden und Störungen

Ängste

Phobien

Depressionen

Konflikte und Problemkonstellationen

Krisen

„Burn-out“

„Stress“

Süchte

Störungen des Essverhaltens

Traumata

Selbstfindungsprozesse

Psychotische Störungen

Erfolge, Nebenwirkungen, Aussichten

Vorsicht: „Suchtpotenzial“!

(Fehl-) Deutungen

Mentale Übertragungen

Der Therapeut als „Heilmittel“

Jenseits des Muskeltests: Das Fundament der Weltsicht

Mein „Findungsweg“

… und meine Konsequenzen als Therapeutin

Blick nach vorn: Werte und Sinn

Anhang

Grundlagen des Muskeltests

Testlisten mit Triggerbegriffen

Die Meridian-Alarmpunkte

Literaturempfehlungen

Über die Autorin

Liebe Leserinnen und Leser,

geneigte „TherapeutInnen“ und „KinesiologInnen“,

zwei Anmerkungen möchte ich vorausschicken:

1. Zur Schreibweise: Man / frau tut sich schwer damit, in dieser Weise (wie oben) „frauenfreundlich“ und gleichzeitig flüssig zu schreiben – und das Lesen wird so auch nicht einfacher. Ich empfinde das als gestelzt und unrund, mir fehlt die Eleganz (wie ich sie bei anderen Autorinnen gefunden habe), mit -en und -innen zu jonglieren. Ich bitte deshalb um Nachsicht, wenn ich den gewohnten, antiquierten Standard männlicher Wortgebilde beibehalte. Sie stehen weniger für die Personen als für die angesprochene Funktion (zum Beispiel Tester oder Therapeut oder Patient) und insofern erschiene es mir sehr gekünstelt, immer zwischen weiblichen und männlichen Ausübenden (oder „Ausübendinnen“?) zu unterscheiden.

2. Zu den Fallgeschichten aus der Praxis: In meiner Darstellung von beispielhaften Patientenbegleitungen habe ich mich bemüht, der Balance von Authentizität und Anonymität gerecht zu werden, indem ich Namenskürzel, Umstände, Daten und veranschaulichende Details verfremdet habe, sodass niemand hier seinen Nachbarn oder seine Arbeitskollegin entdecken dürfte. Sollten Sie als Leserinnen und Leser jedoch in dem einen oder anderen Fall den Eindruck haben, ein Stück Ihrer eigenen Geschichte wiederzuerkennen – selbst wenn wir uns nie begegnet sind –, dann mag sich darin widerspiegeln, was uns im gemeinsamen menschlichen Erleben und Erkennen verbindet.

Christa Keding

Einführung

Als Marlene H. in meine Praxis kam, litt sie an chronischer Leukämie. Sie kam nicht mit der Erwartung, von der Leukämie geheilt zu werden, sondern wollte ihren Beruf als Sängerin „loslassen“ können: Marlene H. war Opernsängerin, aber aufgrund der Erkrankung hatten alle behandelnden Ärzte, vom Hausarzt bis zum Onkologen, ihr dringend zur Schonung geraten, um Lebenszeit hinzuzugewinnen. Keine Anstrengung, keine Aufregung – erst recht keine Auftritte! „Die Bühne kann sie das Leben kosten“, hatte man ihr gesagt. Frau H. war darüber zutiefst unglücklich, denn Singen und Bühne waren ihr Ein und Alles und nun wollte sie mit diesem Abschied besser zurechtkommen – mit meiner Hilfe.

Doch unsere Begegnung verlief anders, als wir beide es anfangs erwartet hatten: Nach wenigen Sitzungen entschied sie sich sehr bestimmt, „jetzt erst recht“ zu singen: „Und wenn ich auf der Bühne zusammenbreche, dann war ich wenigstens noch einmal richtig glücklich!“ – Und sie sang. Und sie trat auf. Und sie ging zu Kontrolluntersuchungen: Je mehr sie sang, desto besser wurde ihr Blutbild!

 

Indem wir nicht (nur) ihrer Vorstellung vom Therapieziel folgten, sondern es dahingehend erweiterten, dass es für sie darum ging, den ihr entsprechenden Weg einzuschlagen, wurde buchstäblich wahr, was sie mir zu Beginn unserer Begegnung gesagt hatte: „Musik ist mein Leben!“ Sie widersprach schließlich allen medizinischen Prognosen, weil sie „zu sich selbst“ und zu dem gefunden hatte, was ihr Leben wirklich lebenswert machte.

So oder ähnlich könnten sicherlich auch andere Bücher beginnen, die ein überzeugendes Therapieverfahren vorstellen wollen. Ganz gewiss haben zahlreiche Wege seelischer Begleitung in konventioneller und komplementärer Heilkunde große Erfolge aufzuweisen. Und der „Markt der Möglichkeiten“ dürfte bei der Fülle der Angebote inzwischen allemal gesättigt sein – was also bewegt mich, dieser Fülle mit diesem Buch noch ein weiteres Verfahren hinzuzufügen oder entgegenzusetzen? Reicht es nicht aus, dass Therapeuten längst vor einer überaus üppigen Auswahl stehen, aus der sie ganz nach eigener Neigung schöpfen können?

Ich muss gestehen, dass ich mich inzwischen recht orientierungslos und eher übersättigt fühle angesichts so vieler Methoden, die das (psycho)therapeutische Spektrum bereichern. Bevor ich mich entschloss, mit einem weiteren Buch ebenfalls noch etwas dazu beizusteuern, war also zu fragen, welchen Bedarf es dafür überhaupt geben könnte: Was macht die Arbeitsweise der psychologischen Kinesiologie so besonders und erwähnenswert? Was sollte Sie als Leserinnen und Leser gegebenenfalls zu diesem Buch hinziehen? Wofür könnte sich das Weiterlesen lohnen?

Um das, was Sie in diesem Buch erwartet, auf den Punkt – bzw. auf drei entscheidende Punkte – zu bringen, muss ich zunächst ein wenig ausholen und zwei Gedankenstränge zusammenführen: einmal ein Stück persönlicher Entwicklung, die das Schreiben meiner Bücher begleitet hat, und zum anderen einen Blick auf die aktuelle Landschaft von Psychosomatik und Psychotherapie.

Was mich zu diesem Buch veranlasst hat

Ende der 1990er-Jahre veröffentlichte ich zwei Bücher: Gesund durch analytische Kinesiologie und Gesund durch psychologische Kinesiologie. Aus der Komplexität der Kinesiologie hatte ich mir schon seit Längerem einzelne Bausteine herausgegriffen und sie zu einer einfachen Systematik modifiziert, um damit in der Praxis als Ärztin Krankheitsursprüngen auf den Grund zu gehen. Meine eindrucksvollen Erfahrungen und meine Kenntnisse hierzu gab ich bald in Seminaren weiter; später stellte ich meine Arbeitsweise in den beiden genannten Büchern vor. Dabei widmete sich der erste Band der medizinischen Anwendung (im Zentrum steht das Untersuchungsinstrument Muskeltest als „Übersetzer“ vegetativer Informationen) und der zweite – der Name sagt es – der seelischen Begleitung (wiederum mit einem Schwerpunkt auf dem Gebrauch des Muskeltests, verbunden mit Stress Release als Reflexbehandlung zum Lösen von „Blockaden“).

Wegen der Schließung meines damaligen Verlags wurden die beiden vergriffenen Bücher seit 2010 nicht mehr neu aufgelegt. Das bedauerte ich nicht, denn 15 Jahre, Hunderte von Patienten und viele Ausbildungskurse später hatte ich einiges dazugelernt, mit der Folge, dass ich die Bücher sicherlich nicht mehr auf dieselbe Weise geschrieben hätte. Inzwischen war vieles vertieft, gereift und wesentlich klarer geworden; dem wurden die alten Ausgaben nicht mehr gerecht.

Wenn nun also die Überlegung anstand, meine Arbeitsweisen erneut auf dem jetzt aktuellen Stand vorzustellen, dann musste ich mich fragen, ob sie heute noch denselben Stellenwert haben wie vor 15 Jahren. Das ließ sich für den medizinisch orientierten Band schnell bejahen ließ und führte im Frühjahr 2013 zum Praxisbuch analytische Kinesiologie – für den Nachfolger von Gesund durch psychologische Kinesiologie erschien mir das zunächst weniger selbstverständlich:

In den letzten 20 Jahren hat sich das Angebot an psychisch regulierenden und balancierenden Methoden vervielfacht – die psychologische Kinesiologie, wie sie in meinem damaligen Buch dargestellt wurde, wäre nur eine von vielen Facetten rivalisierender komplementärer Therapieverfahren, eine etwas individualisierte Sonderform der Kinesiologie. Wenn mich die Entwicklung auf dem „Psycho-Markt“ mit ihren immer neuen Methoden nun ohnehin schon ermüdete, würde ich mich dann nicht selbst ad absurdum führen, indem ich Gesund durch psychologische Kinesiologie ein wenig auffrischte und damit eben diesem Markt nur eine weitere Variante hinzufügte? Zumal ich ohnehin immer öfter all dessen überdrüssig bin, was „wesentlich mehr“ sucht oder anbietet – ich sehne mich eher danach, in „mehr Wesentlichem“ zur Ruhe zu kommen.

Wenn dieser Anspruch folglich auch für meine eigene Arbeit gilt, finde ich dann solche „wesentlicheren“ Aspekt in der psychologischen Kinesiologie, wie sie sich seit dem Erscheinen des ersten Buches vor 15 Jahren weiterentwickelt hat? Gibt es eine Leerstelle im therapeutischen Kontext, an der Stress Release und Muskeltest – neben allen bereits bestehenden Methoden – die therapeutische Arbeit tatsächlich wesentlich ergänzen?

Dieses Buch wäre nicht entstanden, wenn mir nicht eine leicht veränderte Betrachtungsweise dieses Wesentliche klar gemacht hätte: Ein entscheidender Unterschied liegt darin, ob etwas als therapeutische Methode oder als reines Instrument verstanden wird. „Methode“ umfasst in diesem Sinne ein in sich relativ geschlossenes, komplexes Regelwerk – die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Touch for Health aus der Kinesiologie, Homöopathie, Neuraltherapie mögen Beispiele dafür sein. Das „Instrument“ jedoch besteht unabhängig vom methodischen Rahmen – so, wie der Gebrauch einer Akupunkturnadel nicht an die TCM gebunden ist.

So arbeitete ich nach meiner Kinesiologieausbildung einige Jahre zunächst methodisch-kinesiologisch, bis ich immer mehr entdeckte, wie die Instrumente Muskeltest und Stress Release auch losgelöst von sonstigen kinesiologischen Regulationsmaßnahmen ihren Dienst tun: Gleich in welchem Kontext stellt das Stress Release mit dem einfachen Berühren von Reflexzonen innerhalb weniger Minuten eine veränderte neurophysiologische Ausgangsbasis her. Und egal in welchem Kontext fungiert der Muskeltest als neuromuskulärer „Übersetzer“ des Un(ter)bewussten.

Beide Instrumente sind tiefgreifende Hilfsmittel von großer Einfachheit – in der Förderung psychischer Heilungsprozesse habe ich bisher nichts Vergleichbares gefunden. Und beide sind frei anwendbar, das heißt: nicht an eine bestimmte Methodik gebunden.

Wo aber können diese „methodikfreien“ Elemente (das Stress Release und der Muskeltest) in der seelischen Begleitung bzw. der psychotherapeutischen Arbeit ihre Qualitäten sinnvoll einbringen? Schauen wir uns, um die spezifische Rolle von Stress Release und Muskeltest verdeutlichen zu können, kurz den zweiten Strang an, den ich eingangs angekündigt hatte, die aktuelle „Landschaft“ von Psychosomatik und Psychotherapie:

Psychotherapeutische Unschärfen

Weltweit steigt die Zahl krankheitsbedingter Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Probleme geradezu explosionsartig an. Dabei sind noch nicht einmal all diejenigen Fälle berücksichtigt, in denen nur eine körperliche Diagnose angegeben wird, die aber Ausdruck einer seelischen Belastung ist.

Immer mehr Menschen haben dementsprechend dringenden Bedarf an therapeutischer Unterstützung. Dabei müssen Betroffene in Deutschland, wenn ihnen überhaupt eine psychotherapeutische Begleitung empfohlen und nicht nur Psychopharmaka verordnet werden, oft ein halbes Jahr und länger auf einen Therapieplatz warten. Das liegt natürlich an dem Mangel an Therapieplätzen – und dieser wiederum hängt nicht nur von der Zahl der Therapeuten ab, sondern auch vom psychotherapeutischen Regelwerk innerhalb unseres Gesundheitssystems: Wenn eine Therapie bewilligt wird, bedeutet das eine längerfristige Bindung zwischen Therapeut und Patient mit sehr engmaschigen Begegnungen. Dadurch werden therapeutische Kapazitäten für neue Patienten blockiert. Was in Einzelfällen durchaus berechtigt sein kann, ist für viele andere Betroffene jedoch weder notwendig noch sinnvoll. Dass die üblichen psychotherapeutischen Leitlinien nicht längst überarbeitet worden sind, sehe ich wiederum in einer noch tiefer liegenden Schwierigkeit begründet, nämlich in mehreren Unschärfen innerhalb der „Materie“ Psyche und ihrer therapeutischen Begleitung:

1. Eine erste zeit- und kostenträchtige Unschärfe liegt in der Psyche selbst: Sie bietet kaum konturierte Ansatzpunkte, lässt sich nicht durch Röntgen oder Labor darstellen. Gefühle, Psyche und Seele sind nicht recht fassbar, oft muss man lange im Trüben fischen, „herumstochern“, ausprobieren, mutmaßen, um voranzukommen – nach meiner Erfahrung oft unnötig lange. Damit will ich nicht bestreiten, dass manche Menschen in manchen Situationen eine solche Begleitung brauchen. Ebenso berücksichtige ich, dass seelische Entwicklungsprozesse so wenig zu beschleunigen sind, wie das Ziehen an Grashalmen diese schneller wachsen lässt.

Aber einer großen Zahl von Menschen in seelischer Not wäre durchaus mit zeitlich weit geringerem Einsatz wirkungsvoll zu helfen – was allerdings einen geeigneten Ansatz voraussetzt. Das betrifft viele Menschen mit Ängsten und Phobien, in depressiven Episoden und Lebenskrisen, und ganz besonders gilt es für viele psychosomatisch Erkrankte. Hier konkreter werden zu können, gezielter zu verstehen und zu fördern, das wäre also eine lohnende Herausforderung.

2. Für letztere, die psychosomatischen Erkrankungen, kommt noch eine weitere „Unschärfe“ hinzu, nämlich die Unsicherheit der Indikation zur Psychotherapie. Trotz vieler nachgewiesener Heilungsprozesse: Wie kann man im Einzelfall vorab einigermaßen sicher sein, dass die organischen Manifestationen wirklich psychischen Ursprungs sind, sodass der aufwendige Einsatz von Psychotherapie gerechtfertigt ist? Man kann Psychotherapie nicht, wie eine Tablette, ein paar Tage „ausprobieren“, ob sie hilft, sondern muss sich in der Regel eine ganze Weile darauf einlassen, um einschätzen zu können, ob sich dieser Weg als heilsam erweisen könnte. Die Entscheidung für eine Psychotherapie muss also gut untermauert sein; benötigt würde schon vorab mehr Sicherheit in der Beurteilung, bevor man diesen kostenträchtigen Weg wählt. Auch hier wäre also eine „Leerstelle“ zu füllen, nämlich die Erleichterung einer solchen Entscheidung.

3. Eine letzte „Unschärfe“ geht von unserem Gehirn als Schaltstelle für automatische Reaktionsmuster aus. Immer mehr bestätigen die Neurowissenschaften, wie erstaunlich plastisch unsere Gehirnfunktionen sind, verbunden mit der großen Chance, selbst eingefahrene Verhaltensmuster zu verlassen und neue Wege zu bahnen. „Bahnen“ ist dabei ein entscheidendes Wort: In der Unzahl von synaptischen Verbindungen, die sich im menschlichen Gehirn zwischen Milliarden von Nervenzellen verschalten, laufen eingeübte emotionale Verarbeitungsweisen und Verhaltensgewohnheiten geradezu über „Autobahnen“ im Kopf ab. Wenn demgegenüber eine bekannte hinderliche Reaktionsweise durch ein gesünderes Verhalten ersetzt werden soll, muss dieses zunächst mühsam noch „unscharfe“ neuronale Trampelpfade betreten. Es wäre ein großer Gewinn, wenn innerhalb einer Therapie der Start in die richtigen Pfade „angebahnt“ werden könnte, indem geeignete synaptische Verknüpfungen begünstigt – die neuen Wege also „geebnet“ – werden.

Genau an diesen drei „Unschärfen“ setzen die Instrumente Stress Release und Muskeltest an: Das Stress Release scheint im Gehirn tatsächlich neurophysiologische Funktionen zu unterstützen, wie ich sie im dritten Punkt angesprochen habe. Und der Muskeltest fördert in der psychotherapeutischen Begleitung das Verstehen innerseelischer Zusammenhänge, indem er unterbewusste Informationen zu einem bestimmten Thema ins Bewusstsein hebt. Darüber hinaus dient er der Klärung, inwieweit überhaupt psychische Einflüsse für ein Krankheitsgeschehen ausschlaggebend sind.

Der rote Faden dieses Buches

So lassen sich beide Elemente, Stress Release und Muskeltest, zwar auch zu einem methodischen Verfahren kombinieren (was einige kinesiologische Richtungen praktizieren und was ich auch ansatzweise in diesem Buch anspreche), aber ebenso bringt jedes für sich im Kontext verschiedener Therapieformen einen im wahrsten Sinne des Wortes entscheidenden Gewinn. Um Sie in diesen Anwendungen nun möglichst gewinnbringend anzuleiten, habe ich dieses Buch folgendermaßen aufgebaut:

 

Gleich zu Beginn lade ich Sie ein, die neuroreflektorische Technik Stress Release kennenzulernen. Ihre Handhabung ist so einfach, dass Sie sie sozusagen von jetzt auf gleich in jede therapeutische Praxis integrieren können. Ganz ohne Aufwand dürften Sie und Ihre Patienten damit erste Erfahrungen machen, die Sie vermutlich nicht mehr missen möchten.

Da das Stress Release in seiner Tiefenwirkung umso nachhaltiger ist, je prägnanter darauf zugearbeitet wird, spreche ich einige Möglichkeiten an, im Gespräch mit Patienten leichter „auf den Punkt zu kommen“.

Mit diesen Elementen ist ein breites Feld psychotherapeutischer Begleitung gut bedient und ermöglicht heilsame Unterstützung. In manchen Situationen jedoch, bei vielen Patienten besonders zu Beginn ihrer Veränderungsschritte, fällt es schwer, allein durch das Gespräch typische störende Reaktionsmuster zu definieren und in ihrem Ursprung nachzuvollziehen. An dieser Stelle kommt der Muskeltest zum Zuge, indem er als direkter Übersetzer des Unterbewusstseins innerseelische Zusammenhänge zu verdeutlichen hilft.

Das Instrument Muskeltest ist vermutlich etlichen Lesern vertraut, anderen noch völlig unbekannt. Da der Lesefluss dieses Buches durch die Anleitung zum Testen zu sehr unterbrochen würde, habe ich das Kapitel „Grundlagen des Muskeltests“ in den Anhang ausgelagert. So können Sie sich entweder auf die psychisch begleitende Arbeit konzentrieren oder Sie widmen sich unabhängig davon vorübergehend dem Muskeltest, um ihn sich in Ihrem eigenen Tempo anzueignen.

Den Muskeltest stelle ich Ihnen dann als das Instrument vor, mit dem wir aus Arbeitslisten mit vorgegebenen Triggerbegriffen diejenigen herausfiltern, die den Patienten in ein tieferes Verständnis seiner Reaktionsmuster hineinführen. Diese emotionalen Reaktionsweisen auf den Punkt zu bringen fördert ein entsprechendes „Umschalten“ beim nachfolgenden Stress Release.

In einem umfangreichen Kapitel betrachte ich schließlich verschiedene Indikationen zur psychischen Begleitung (wie Psychosomatik, Ängste, Depressionen, Lebenskrisen, Sucht), immer mit Blick auf den Stellenwert von Stress Release und Muskeltest. Veranschaulicht wird deren Einsatz durch zahlreiche Beispiele aus der Praxis, mal in detaillierten Szenen, mal in weiträumigen Verlaufsbeschreibungen oder auszugsweise in Stichworten.

Auch ein „Beipackzettel mit Risiken und Nebenwirkungen“ darf nicht fehlen … Seine kurze Betrachtung leitet uns über zum abrundenden Blick auf tiefere Grundlagen im Rahmen psychischer Begleitung.

Alles in allem richtet sich dieses Buch an Menschen, die andere in seelischen Prozessen begleiten. In erster Linie spreche ich Therapeuten und Berater an, doch selbst wer „nur“ freundschaftlich einem Mitmenschen zur Seite steht, wird von dem einen oder anderen Element Nutzen haben – die jeweiligen Grenzen zu einer professionellen Therapie, die es dann zu beachten gilt, sollten sich aus dem laufenden Text erschließen.

Ich freue mich, dass Sie mir bis hierher lesend gefolgt sind – nun denn, gehen wir an die Arbeit!