Buch lesen: «Der Muskeltest - Was er wirklich kann»
Dr. Christa Keding
Der Muskeltest –
Was er wirklich kann
Erkenntnisse aus der Praxis:
Chancen – Grenzen – Erfahrungen
VAK Verlags GmbH
Kirchzarten bei Freiburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Inhalt
TEIL I: ERFAHRUNGEN
Warum dieses Buch und für wen?
Was Sie erwartet
Kinesiologie – ein Einblick, nicht nur für Einsteiger
Analytische Kinesiologie
Grundlagen des Muskeltests
Qualitätssicherung
Glaubwürdigkeit
TEIL II: IRRITATIONEN
Das Image der Kinesiologie
Die Adressaten
Die Präsentation
Problemzonen
Irrungen und Wirrungen
Eiertänze auf dem Hochseil
Kinesiologie oder Muskeltest?
Hypothesen
Die „Spielregeln“ meiner Arbeitsweise
Die Technik des Muskeltestens
Das Bewusstsein beim Muskeltesten
Von Therapeuten und Gelehrten
Stolperstein 1 – meine ganz persönliche Odyssee
Stolperstein 2 – statistische Wahrheiten
Stolperstein 3 – sich selbst bestätigende Systeme?
TEIL III: (ER-) KLÄRUNGEN
Wer oder was antwortet beim Muskeltest?
Die Testperson als „offenes Buch“?
Direkter Draht zum „kollektiven Unbewussten“?
Informations- und Kommunikationsfelder
Alltagserfahrungen
Das Feld des Testenden
Das Feld des Getesteten
Das Feld des Testobjekts
Das „kollektive Unbewusste“
Das Feld der Testumgebung
TEIL IV: KONSEQUENZEN
Es lebe die Objektivität!?
Technik oder Therapeut?
Subjektivität als Chance
Konsequenzen für Testende
Prinzipielles zur Therapeutenrolle
Der Therapeut als „Führungskraft“
Deutungen und Bedeutungen
Empfehlungen für die Praxis
Konsequenzen für die seelische Begleitung
Falsche Erinnerungen
Das Wort als Medizin
Konsequenzen für Lehren und Lernen
Das Feld als Lernhilfe
Das Feld als Lehrobjekt
Trojanische Pferde?
TEIL V: AUSWIRKUNGEN
„Bewusstseinserweiterung“ – ganz praktisch
Muskeltest für jedermann?
Therapeuten als Lebenslehrer?
Therapeuten als Lernende
„Bewusstseinserweiterung“ jenseits des Muskeltests
Geist trifft Materie
Geist trifft Geist
Wer oder was leitet uns?
Blick zurück – und nach vorn
Kinesiologischer Knigge
Ausklang: Ein persönlicher Rückblick
Literaturverzeichnis
Über die Autorin
Hinweis zum Sprachgebrauch
Liebe Leserinnen und Leser, geneigte TherapeutInnen und KinesiologInnen, man / frau tut sich schwer damit, in dieser Weise „frauenfreundlich“ und gleichzeitig flüssig zu schreiben – und das Lesen wird so auch nicht einfacher. Ich empfinde das als gestelzt und unrund, mir fehlt die Eleganz (wie ich sie bei anderen Autorinnen gefunden habe), mit -en und -innen zu jonglieren. Ich bitte deshalb um Nachsicht, wenn ich oft den gewohnten, antiquierten Standard männlicher Wortgebilde beibehalte. Sie stehen weniger für die Personen als für die angesprochene Funktion (zum Beispiel Tester oder Therapeut oder Patient) und insofern erschiene es mir sehr gekünstelt, immer zwischen weiblichen und männlichen Ausübenden (oder „Ausübendinnen“?) zu unterscheiden.
TEIL I
ERFAHRUNGEN
Vor dem Anfang
Im Zentrum dieses Buches steht der Muskeltest, ein Instrument, das primär in der Kinesiologie zuhause und durch sie in unterschiedlichster Weise bekannt geworden ist. Der Muskeltest steht im Mittelpunkt, aber hier nicht deswegen, weil ich in seine Anwendung einführen möchte – das habe ich in meinem Praxisbuch analytische Kinesiologie gründlich getan. (Vgl. Literaturverzeichnis)
Hier geht es um vertiefte, teilweise kritische Auseinandersetzungen mit diesem potenten und zugleich sehr speziellen Zugang zu un(ter)bewussten Informationen von Körper und Seele. Als Leser werden Sie von diesem Buch bestmöglich profitieren, wenn Ihnen dieser Test nicht gänzlich fremd ist, wenn Sie also damit selbst schon Erfahrungen gemacht haben, sei es als Therapeut, als Patient, als Kursteilnehmer oder aus sonstigem Interesse.
Auf die konkrete Anwendung des Tests werde ich nur kurz eingehen, setze also gewisse Grundkenntnisse voraus. Falls Sie sich auch ohne kinesiologische Vorkenntnisse von diesem Buch angezogen fühlen, werden Ihnen ein paar Anmerkungen begegnen, die Sie vielleicht nicht gleich einordnen oder nachvollziehen können. Sie sind jedoch für die wesentlichen Aussagen dieses Buches nicht entscheidend, sodass Sie über solche kurzen Passagen ohne Verlust hinweglesen können. Die erwähnten Anmerkungen gehören in dieses Buch, weil ich damit Leser ansprechen möchte, die sich in meinen Erfahrungen wiedererkennen und am Ende hoffentlich auch sehr konkrete und praktische Fragen an den Muskeltest auf diesem Weg beantwortet finden.
Bevor es zur Sache geht, lassen Sie mich etwas persönlicher werden. Ich glaube, dass manche Leser mehr Zugang zu meinen Fragen und Überlegungen finden und von meinen Gedanken und Hypothesen mehr profitieren, wenn ich nicht nur eine theoretische Abhandlung schreibe, sondern meinen persönlichen Weg dorthin skizziere. Und so beginnen wir nicht inmitten der Kinesiologie, sondern – sehr persönlich – auf meinem Balkon:
Zehn Seelen in meiner Brust …
Da sitze ich nun wieder (zum wievielten Mal?) an meinem Laptop, heute bei traumhaftem Sommerwetter, auf meinem Balkon in Hamburg. Mitten im Getümmel der Großstadt reicht mir „meine“ Eiche einen Ast über das Balkongitter und filtert das Sonnenlicht eines warmen Augusttages. Lauer Wind streichelt die Haut und trägt das Kreischen und Lachen der Kinder vom Spielplatz herüber.
Und warum sitze ich ausgerechnet an solch einem Tag beim Schreiben? Vielleicht ist es ein Versuch, mich von der wunderbaren Atmosphäre eines seltenen Sommertages tragen und inspirieren zu lassen. Mehrere Wochen liegen hinter mir, in denen ich keine einzige Zeile formulieren konnte. Anfangs ärgerte ich mich nur über diese Schreibblockade – wollte ich doch mein Buch den vielen Interessenten allzu gern bei einer Tagung zum Jahresende präsentieren. Überhaupt fand ich es an der Zeit, mit diesem Thema endlich zum Abschluss zu kommen. Und ahnte (zum Glück) nicht, dass ich einen Sommer später immer noch an demselben Buch arbeiten würde …
Es begann damit, dass ich mithilfe einer schriftlichen Ausarbeitung einige Irritationen rund um den Muskeltest klären wollte, um in meinen Ausbildungskursen zur analytischen Kinesiologie bei einigen schwierigen Fragen Rede und Antwort stehen zu können. (Mein Praxisbuch analytische Kinesiologie ist 2013 ebenfalls bei VAK erschienen.)
Dazu gehörten vor allem erhebliche Irritationen durch die unterschiedlichen Erfahrungen, die verschiedene Anwender mit dem Muskeltest gemacht hatten: Wie konnte es sein, dass mit diesem Instrument einerseits vergessene OP-Tupfer in einer Wunde aufgespürt werden konnten oder dass der Test vor einem unmittelbar bevorstehenden Blinddarmdurchbruch warnte und so vielen Menschen entgegen der medizinischen Erwartbarkeit zur Gesundheit verhalf, dass derselbe Test aber andererseits in anderen Händen eine definitiv nicht vorhandene Schwangerschaft „bewies“ und „begleitete“?
Mit solchen und vielen ähnlichen Fragen musste und wollte ich mich dringend auseinandersetzen, um meine Seminare glaubwürdig fortsetzen zu können. Und da mir gute Einfälle oft beim Schreiben kommen, begann ich dieses Medium zu nutzen, um in meiner Tätigkeit als Kursleiterin voranzukommen.
Je länger ich mich jedoch mit diesen Themen beschäftigte, umso klarer wurde mir, dass die erarbeiteten Informationen nicht nur in meine Kurse gehörten, sondern auch meine früheren Bücher Gesund durch analytische Kinesiologie und Gesund durch psychologische Kinesiologie vertieften und ergänzten. Ebenso wurde immer deutlicher, dass diese Fragen nicht mal eben nebenbei abzuhandeln waren, sondern Raum und Zeit brauchten, ihnen auf den Grund zu gehen. So zeichnete sich allmählich ab, dass es nicht bei ein paar kurzen Aufzeichnungen bleiben würde, sondern dass es ein größeres, rundes Werk werden müsste, ein ganzes Buch.
Und so begann ich zu schreiben, nicht ahnend, auf was ich mich da eingelassen hatte. Was zunächst nur nach Ausleuchten einiger Schwierigkeiten und Skizzieren einiger Ideen aussah, entwickelte sich zu einem Großprojekt. Erst kurz vor Abschluss des Buches wurde mir das Ausmaß klar: zum einen, dass ich in diesem Buch die Ergebnisse und Beobachtungen jahrelanger intensiver Untersuchungen und Auseinandersetzungen auswerte, und zum anderen, dass einige Schlussfolgerungen, wenn man ihre Tragweite zulässt, erhebliche Konsequenzen für Anwender der Kinesiologie wie auch für die therapeutische Arbeit allgemein haben können.
Doch immer wieder wurde mein Schreibfluss unterbrochen. Nicht nur durch die alltäglichen Aufgaben in Praxis und Seminaren, sondern vor allem, weil ich sozusagen einen „Knoten“ in den Gehirnwindungen hatte und keine Zeile zustande brachte. Zum Glück habe ich durch meine Patienten und Kursteilnehmer gelernt, dass es meist einen Sinn hat, wenn eine Blockade sich vor uns aufbaut, und nur in den seltensten Fällen besteht der Sinn, die Aufgabe darin, dieses Hemmnis zu beseitigen und sich in derselben Spur fortzubewegen.
So habe ich in den fast vier Jahren, in denen ich an diesem Buch gearbeitet habe, selbst wichtige Entwicklungs- und Erkenntnisschritte durchgemacht und phasenweise wahre Geburtsprozesse durchlebt, und erst in ihnen wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich seit Beginn meines Schreibens mit einer grundsätzlichen inneren Auseinandersetzung zu Fragen von Kinesiologie, Muskeltest und Bewusstsein „schwanger“ gewesen bin.
Viele Inhalte dieses Buches haben mich lange beschäftigt, sind Schritt um Schritt gereift, haben sich nach und nach erst während der Formulierung erschlossen. Aber keiner hat mich so anhaltend in Spannung versetzt wie die Frage: Wie gehe ich mit kritischen Kommentaren um? Wie weit steht es mir zu, den Finger in die Wunde eines anderen zu legen, den Splitter in seinem Auge zu suchen? – – Konnte ich eine „neutrale“ Darstellung anbieten, nur mit Blick auf Dinge, wie sie wünschenswerterweise wären (in der Hoffnung, dass sich das Positive dann von allein durchsetzt), oder ist es vielleicht sogar nötig, gerade auch das aufzugreifen und zu identifizieren, was „schiefläuft“ und Sand ins Getriebe streut?
Dieses Buch ist genau aus der Tatsache geboren, dass es viele Menschen gibt, die sehr fragwürdige (und teilweise unverantwortliche) Erfahrungen mit der Anwendung von Muskeltest und Kinesiologie gemacht haben. Genau diese Erfahrungen waren mir der Stein des Anstoßes, von dem ich kaum zu hoffen wagte, dass er möglicherweise eines Tages zum Stein der Weisen werden könnte …
Und so bremste mich im Laufe dieser vier Jahre immer wieder der Kampf meiner inneren Seelenanteile: die „Aufmüpfige“ gegen das „brave Kind“, die Kritikerin gegen die Beschwichtigende, die Besserwisserin gegen die Diplomatische, die Anklägerin (mit dem Aufruf, keinesfalls zu „werten“) gegen die Anwältin des Muskeltests (mit dem Plädoyer, Klartext zu reden).
Gesiegt hat die Anwältin des Muskeltests. In ihrem Plädoyer zitierte sie die vielen Therapeuten und Kinesiologen, denen wie mir eine seriöse Arbeit am Herzen liegt, die dem großartigen Instrument Muskeltest ein besseres Image und Glaubwürdigkeit wünschen und die zugleich mit Bedauern viel zu häufig Unsicherheiten, unschöne Auswüchse und im Extremfall sogar Missbrauch in der Anwendung dieses Testverfahrens beobachten.
Vermutlich stellen sich viele von ihnen dieselben oder ähnliche Fragen wie ich – und wahrscheinlich haben sie oft ähnliche Antworten gefunden. Ich denke, dass diejenigen, denen meine Sichtweise neu und fremd ist, bislang vielleicht nur noch nicht genauer über das Thema nachgedacht haben und dass viele Leser eher „Ach ja!“ und „Ja, genau!“ sagen werden, als dass sie sich an meinen kritischen (manchmal provokanten) Hinweisen stoßen. Ich möchte solche Beispiele als „Aufhänger“ verstanden wissen, die nötig sind, um etwas Wesentlicheres klar zu machen und die zugrunde liegenden Prinzipien zu verfolgen. Falls ich dabei der einen oder anderen kinesiologischen Arbeitsweise in meiner Darstellung nicht gerecht werde oder sogar etwas missverstanden habe, bitte ich um Nachsicht, weil ich nicht in jeder aktuellen Entwicklung auf dem neuesten Stand sein kann. Da ich gern dazulerne, freue ich mich gegebenenfalls über entsprechende Rückmeldungen und „Updates“.
Und so sitze ich wieder einmal an einem lauschigen Sommerabend auf meinem Balkon – das Eichhörnchen huschte gerade hinterm Laptop vorbei – und freue mich, dass ich den Dreh zum Schreiben wiedergefunden habe. Und ich hoffe, dass ich im Sommer 2008 ohne Laptop auf dem Balkon sitzen werde …
Warum dieses Buch und für wen?
Der rote Faden:
Wie die wunderbare Methode der Kinesiologie für mich immer wunderlicher wurde und wie scheinbar banale Fragen meine alten Vorstellungen zum Einsturz brachten, aus den Trümmern aber schließlich ein neues Denkmodell entstand
*
Ende der 1980er-Jahre muss eine Glücksfee mein Leben gestreift haben. Ich war Hausärztin mit einer großen Landpraxis. Ich war glücklich – und zugleich frustriert. Einerseits liebte ich meine Aufgabe und ich liebte auch die Patienten. Das war aber andererseits Anlass zu Kummer und Frustration, denn je mehr mir die Menschen ans Herz wuchsen, die mir ihr Vertrauen schenkten, umso mehr erkannte ich, wie unzulänglich all meine schulmedizinischen Bemühungen waren. „Erfolg“ war, wenn ein Abszess nach der Eröffnung ausheilte, wenn akute Beschwerden (oftmals von allein?) wieder verschwanden, wenn ich chronisch Kranke mit einem Medikament so „einstellen“ konnte, dass sie weniger litten oder bessere Laborwerte zeigten. Aber dass chronisch Kranke auch wieder gesund wurden, das kam nicht vor. Auch dass ungeklärte Beschwerden und Symptome die Patienten weiter quälten, ohne dass wir eine Diagnose oder Ursache fanden, machte sie wie mich unglücklich.
Als langjährige Begleiterin meiner Patienten sperrte ich mich gegen den klassischen Satz „Damit müssen Sie leben“. Mein oft wiederholtes Stoßgebet lautete: „Lieber Gott, du hast den menschlichen Körper mit seinen Selbstheilungskräften so wunderbar angelegt – er ist doch sicherlich in der Lage, die eine oder andere chronische Störung zu beheben, ohne dass wir nur ihre Symptome bekämpfen. Wenn ich dazu beitragen kann, lass es mich bitte herausfinden!“
Ich fand auch einiges – Pflanzenheilkunde, Homöopathie, Neuraltherapie und manches mehr –, blieb aber weiterhin unzufrieden. So hilfreich und nebenwirkungsarm manches davon war, es entsprach nicht wirklich dem, wonach ich suchte.
Dann kam die besagte Fee: Sie nahm meinen Mann mit auf ein Chirotherapie-Seminar. Als er von dort zurückkehrte, ahnte ich noch nicht, dass sich von diesem Zeitpunkt an unsere Welt auf den Kopf stellen und zugleich mein Herzenswunsch in Erfüllung gehen würde: Er brachte den Muskeltest mit. Ein scheinbar ganz einfaches Instrument, bei dem sich un(ter)bewusste Instanzen über eine veränderte Muskelkontrolle sichtbar und fühlbar und damit bewusst, verständlich „mitteilen“: Man versucht, den ausgestreckten Arm eines anderen hinunterzudrücken – wenn er „hält“, ist alles in Ordnung, wenn nicht, bedeutet das „Alarm“ oder „Holzweg“.
Indem der Muskeltest es ermöglichte, bei jedem Patienten Ursprünge seiner Krankheitsentstehung nachzuweisen und dort therapeutisch hoch individualisiert anzusetzen, revolutionierte er geradezu meine Praxis. Er öffnete einen völlig neuen Blick auf Gesundheit und Krankheit und bewirkte vor allen Dingen Heilung in so vielen Fällen, wie es mir mit schulmedizinischen Mitteln nie gelungen war.
Alles das, was dieses Testverfahren aus der Kinesiologie für mich und meine Praxis bedeutete, erfüllte mich so sehr, dass ich es nach einiger Erfahrung mit anderen teilen wollte. So entstanden zunächst Seminare und später meine ersten beiden Bücher.
Auch zu dem vorliegenden Buch ist der Anlass weiterhin die Begeisterung über und die Liebe zu einem grandiosen Helfer für Heilung und Gesundheit – der Anstoß dazu kam diesmal jedoch nicht aus der überfließenden Freude, sondern aus Irritation, Frustration und teilweise sogar aus Ärger. Denn irgendetwas stimmte nicht mit meiner heiß geliebten Methode.
Nicht etwa, dass meine Arbeit damit unbefriedigend wurde, ganz im Gegenteil. Sand kam von anderer Seite ins Getriebe. Hin und wieder „knirschte“ es bei bestimmten Themen in meinen Seminaren, häufiger aber noch fühlte ich mich fast schon persönlich betroffen, wenn ich in der Öffentlichkeit und vor allem im Kollegenkreis erlebte, dass man kein gutes Haar an der Kinesiologie ließ. Das wiederum sensibilisierte mich, aufmerksamer einiges von dem zu registrieren, was andere an dieser Methode bemängelten, schon allein, weil ich sie verteidigen wollte. Was mich dann aber am ärgsten traf, war mein Erschrecken: Die Kritiker hatten gar nicht in allem Unrecht!
Das machte mir erheblich zu schaffen. Denn ich liebe diese Methode und ich sehe in ihr ein großes Potenzial, die ärztliche Praxis enorm zu erleichtern und zu bereichern. Und wo immer ich jemanden oder etwas liebe, liegt es mir am Herzen, dass Unstimmigkeiten ausgeräumt, Krisen gelöst und Potenziale gefördert werden.
Meine „Wunderkiste“
Der Muskeltest ist in meinen Augen ein wunderbares Werkzeug, mit dem sich einfach und systematisch Krankheitsursachen und optimale Therapiewege aufzeigen lassen für tiefgründige Heilprozesse. Aber es wird auch viel Wunderliches mit dem Test angestellt, sodass manche ihr blaues Wunder erleben (in der Resonanz der Öffentlichkeit). Es verwundert nicht, dass der Kinesiologie viel Skepsis begegnet, angesichts so mancher wundersamer Auftritte.
Sie werden unschwer heraushören, dass ich mit der Kinesiologie auch unschöne Erfahrungen gemacht habe. Ich habe solche am eigenen Leibe erlebt und hörte sie in ähnlicher Weise vielfach von Freunden, Kursteilnehmern, Patienten und Lesern meiner Bücher. Die eine oder andere „schlechte Erfahrung“ ist natürlich nichts Besonderes, das kommt bei jeder Therapieform vor. Wenn diese schlechten Erfahrungen jedoch auf Ergebnissen basieren, die per Muskeltest aus der untersuchten Person selbst „herausgelesen“ werden und damit doch letztlich deren „Wahrheit“ sein sollen, dann wundert mich das.
Andererseits: Konnte überhaupt alles wahr sein, was da an Testergebnissen herauskam? Wenn das stimmte, dann hatten manche Patienten zwei konträre Wahrheiten, denn es passierte nicht allzu selten, dass zwei Untersucher per Muskeltest exakt Gegenteiliges herausfanden. Oder es wurden mit dem Test Behauptungen aufgestellt, die sich schlichtweg als falsch herausstellten, beispielsweise, indem zeitlich definierte Heilungsversprechen „ausgetestet“ wurden, die der Körper des Patienten dann aber nicht einlöste.
Und nicht nur am Patienten direkt kommen manchmal widersprüchliche, unlogische oder gar gefährliche Aussagen zustande; auch Ausbilder ein und derselben kinesiologischen Richtung lehren hin und wieder diametral Gegensätzliches. Das Wunderlichste an diesem Phänomen ist, dass innerhalb seines eigenen Systems der jeweilige Anwender „beweisen“ kann, dass es nur nach seiner Fasson funktioniert, und er widerlegt seinen Kollegen, der vom Gegenteil ausgeht und dieses ebenfalls „beweisen“ kann!
Anfangs vermutete ich darin Missverständnisse oder einen Mangel an genauerer Information, doch bestätigten sich bei sorgsamer Recherche diese Differenzen immer mehr. Solche Beobachtungen machten mich stutzig. Und sie waren letztlich der Anstoß zu diesem Buch: Es nahm seinen Ausgangspunkt in etlichen Irritationen, die mich vorübergehend sozusagen ausbremsten. Wonach sollte ich mich richten, wenn es konträre Wahrheiten zu geben schien?