Raus aus der Mutterfalle

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2.
Übermütter, Rabenmütter
und andere

Wie schon ausgeführt, gibt es seit den 1990er Jahren kein vorherrschendes Mutterbild mehr. Aufgrund von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen hat sich eine Vielzahl verschiedener Lebensformen entwickelt. So gibt es inzwischen, zusätzlich zu den bekannten Muttertypen wie der nicht erwerbstätigen und der berufstätigen Mutter, zahlreiche andere. Sie zu unterscheiden ist wichtig, wenn man verstehen will, ob, und wenn ja, welche Probleme diese verschiedenen Mütter haben, einem wie auch immer empfundenen Ideal der „guten Mutter" nahe zu kommen.

Ich unterscheide die folgenden Muttertypen:

1 nach der Zeit, die die Mutter für das Kind aufbringt:die nicht erwerbstätige Mutter oder kurz: Vollzeit-Mutterdie berufstätige Mutterals alleinerziehendeals nicht alleinerziehendeals Karriere-Mutter

2 nach der Art und Weise des Umgangs mit dem Kinddie Freundin-Mutterdie Chaos-Mutterdie Helikopter-Mutterdie Tiger-Mutterdie eingeschüchterte Mutter

Die Vollzeit-Mutter

Frauen dieses Typs können sich, weil sie nicht berufstätig sind, neben ihren Aufgaben in Haushalt und Partnerschaft voll auf ihre Mutterrolle konzentrieren. Dabei streben sie einen mehr oder weniger hohen Grad an Perfektion an. Sie wechseln Windeln, singen Schlaflieder, lesen vor oder sind mit dem Nachwuchs auf dem Spielplatz. Sie trösten bei Wehwehchen, kutschieren die Kinder durch die Gegend, werfen die Waschmaschine an, kochen, erledigen den Einkauf und beseitigen das Chaos im Kinderzimmer. Sie organisieren das Leben ihrer Kinder - angefangen vom selbst gekochten Biogemüsebrei über Frühförderkurse bis hin zur ultimativen Geburtstagsparty mit selbst genähten Kostümen. Vollzeitmütter sind Entertainerinnen, Psychologinnen, Reinigungskräfte, Köchinnen, Chauffeurinnen, Krankenschwestern und Erzieherinnen zugleich.

Vollzeit-Mütter verstehen sich als Managerinnen ihrer Kinder. Berufstätigkeit ist für diesen Muttertypus kein Thema. Ihr Ziel besteht darin, ein heimisches Paradies zu schaffen, und sie fühlen sich für das Glück ihrer Kinder verantwortlich.

Doch wie bei manchen anderen Muttertypen ist das Leben als Vollzeit-Mutter nicht immer ganz freiwillig gewählt. Fragt man diese Mütter nach ihrem Lebenskonzept, dann wünschen sich die meisten insgeheim, dass sich Beruf und Familie zusammen verwirklichen ließen.

Gelingt es ihnen aber nicht, nach der Elternzeit in den Beruf wieder einzusteigen, oder erleiden sie bei dem Versuch Schiffbruch, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, ziehen sich viele auf ihre Mutterrolle zurück. Doch für viele ist dieser (Aus-)Weg weder finanziell noch von ihrem Selbstverständnis her gangbar, denn zu groß ist die Angst vor Scheidung oder mangelnder Versorgung im Alter.

Inzwischen hat sich die Akzeptanz der Vollzeit-Mutter in der Gesellschaft etwas geändert: Während sich früher berufstätige Mütter rechtfertigen und als „Rabenmütter" titulieren lassen mussten, sind es heutzutage die Vollzeit-Mütter, die in eine Rechtfertigungssituation kommen.

Die berufstätige Mutter

Die Lebensumstände und damit auch die Möglichkeiten einer berufstätigen Frau, ihre Mutterrolle auszuüben, hängen ab von ihrem Familienstand, ihrer Stellung im Beruf und dem, damit in engem Zusammenhang stehenden, verfügbaren Einkommen. Im Folgenden unterscheide ich die alleinerziehende Mutter, die nicht alleinerziehende Mutter und die Karriere-Mutter.

Die alleinerziehende Mutter

Immer mehr Kinder in Deutschland wachsen bei nur einem Elternteil auf (Einelternfamilie) - meist bei der Mutter, die ein gewisses Organisationstalent an den Tag legen muss, um die Elternrolle allein auszufüllen und daneben zu arbeiten, um den Familienunterhalt zu verdienen.

Kinder alleinerziehender Mütter werden notgedrungen schnell zur Selbstständigkeit erzogen. Oft plagt alleinerziehende Mütter ständig ein schlechtes Gewissen, z. B. wenn sie aus Zeitnot schon wieder zur Fertigpizza greifen müssen statt zum frisch gekochten Essen oder sich nicht an der Renovierung der Kita oder der Schule beteiligen.

Alleinerziehende Mütter schätzen es durchaus, ihr eigener Herr zu sein und ihren Lebensweg selbst bestimmen zu können, zugleich lastet die alleinige Verantwortung insbesondere für die Kinder schwer auf ihnen, und sie haben auch nur wenig Freiraum für ihr Privatleben.

Miriam, 37:

„Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kindern (9 und 4). Das schaffe ich nur, weil ich ein gewisses Organisationstalent besitze, das ich zweifellos von meiner Mutter geerbt oder unbewusst übernommen habe und das mir sehr dabei hilft, alles allein zu managen. Ich fülle die Elternrolle allein aus und bin zudem voll berufstätig. Zwangsläufig werden meine Kinder in viele Aufgaben im Rahmen ihrer Möglichkeiten einbezogen und dadurch schnell zur Selbstständigkeit erzogen. Mich plagt oft das schlechte Gewissen, wenn einfach die Zeit für manches fehlt. Obwohl ich viel Unterstützung von meinen Eltern bekomme, gelange ich immer wieder an den Rand meiner Kräfte, denn seitdem mein Mann uns verlassen hat, bin ich permanent gefordert, denn ich bin die Hauptzuständige, die alles organisiert. Ich empfinde es als anstrengend, den Familienalltag allein zu organisieren. Alles lastet auf meinen Schultern, den Sohn vom Kindergarten abholen, einkaufen, kochen, mit der Tochter Hausaufgaben machen, die Kinder ins Bett bringen, aufräumen. Ich bin nie fertig, immer erschöpft und habe keine Zeit für mich selbst."

Im Gegensatz zu Miriam, die vollzeitbeschäftigt ist, besteht das größte Problem alleinerziehender Mütter in unzureichender finanzieller Absicherung. „90 Prozent aller Alleinerziehenden sind weiblich, viele von ihnen auf Hartz IV angewiesen und auch später von Altersarmut bedroht."3

Durch die Agenda 2010 hat sich für viele alleinerziehende Mütter die Lebenssituation deutlich verschärft. Sie sind gegenüber anderen Müttern, die in anderen Familienkonstellationen leben (Ehe oder Lebenspartnerschaft), sowohl steuerlich wie auch bezüglich des Unterhalts schlechter gestellt. Darüber hinaus sind sie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Sie finden meist nur im Teilzeit- und Niedriglohnsektor Beschäftigung.

Der spezifische Bedarf alleinerziehender Mütter, der in flexiblen, guten, bezahlbaren Kitas und Ganztagsschulen besteht, wird immer noch ignoriert und es alleinerziehenden Müttern überlassen, wie sie Erwerbs- und Erziehungsarbeit miteinander vereinbaren können. Oft kollidieren die Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen mit Schichtdiensten. Und am Ende werden alleinerziehende Mütter im Alter infolge des niedrigen Verdienstes, ihrer geringen Einzahlungen in die Altersvorsorge und wenig privater Vorsorgemöglichkeiten überproportional häufig von Altersarmut betroffen sein.

Die Hälfte der Alleinerziehenden ist immer wieder von Arbeitslosigkeit betroffen oder nur geringfügig beschäftigt. Selbst gut ausgebildete Alleinerziehende finden oft schwer Arbeit oder haben zeitlich befristete Jobs, die weit unter ihrer Qualifikation liegen. Sehr viele Alleinerziehende erhalten nur Teilzeit-Arbeitsplätze oder müssen diese wählen, um die zeitlichen Anforderungen des oder der Kinder zu erfüllen.

Viele alleinerziehende Mütter beziehen Sozialhilfe, jedoch in den meisten Fällen nur für eine begrenzte Zeit, nämlich solange sie in Elternzeit sind. Entsprechend liegt der durchschnittliche Sozialhilfebezug von Alleinerziehenden nach Auskunft des Verbandes Alleinerziehender Mütter und Väter e. V. (VAMV) bei 22 Monaten. Oft reicht das in Teilzeit erwirtschaftete Geld danach nicht aus, so dass eine teilweise Abhängigkeit von der Sozialhilfe bestehen bleibt, indem bis zum Hartz-IV-Satz mit staatlicher Unterstützung „aufgestockt" wird.

Ein weiteres Problem - besonders für alleinerziehende, berufstätige Mütter - besteht darin, dass die öffentlichen Angebote der Kinderbetreuung nicht zur modernen Arbeitswelt passen. Die Öffnungszeiten von Kitas sind nicht kompatibel mit Schichtdiensten, beispielsweise in Pflegeberufen.

In manchen größeren Unternehmen setzt sich inzwischen, vor allem wegen der mittlerweile knapper werdenden Arbeitskräfte, eine familienfreundlichere Politik durch, indem firmeneigene Kindergärten eingerichtet werden, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice angeboten werden. Die Probleme der zu niedrigen Bezahlung und der fehlenden Aufstiegschancen bleiben dagegen.

Viele alleinerziehende Mütter leiden unter dem Gefühl der Zerrissenheit, weil sie weder für die Familie noch für den Beruf genug Zeit haben. Ihnen fehlt die Hilfe, die z. B. berufstätige, verheiratete Mütter haben, die meist durch ihre Ehemänner unterstützt werden.

Petra, 47:

„Ich bin geschieden und alleinerziehend. Mein Sohn ist zehn. Ich arbeite als Betriebswirtin bei einer Bank Vollzeit: Im Gegensatz zu vielen Alleinerziehenden mit ihrem deutlich erhöhten Armutsrisiko habe ich zumindest genug Geld. Woran es mangelt, ist Zeit. Ich gehe so früh wie möglich ins Büro, damit ich nachmittags zeitig nach Hause kann. Mein Sohn ist infolgedessen das erste Kind in der Frühbetreuung. Nachmittags muss er die Wege zum Klavierunterricht, zum Sport, zu Freunden alleine finden. Zwischen Büro und Wohnung hetze ich im Supermarkt vorbei, damit ich etwas Frisches kochen kann. Kein Wochenende vergeht ohne Wanderausflug, Kinderkonzert oder Fußballturnier.

Wenn mein Sohn endlich im Bett ist und schläft, checke ich Mails und vollende, was im Büro liegen blieb. Die Zeit vor Weihnachten finde ich jedes Jahr besonders stressig. Zwar kommen nur die Großeltern, aber da muss die Wohnung geputzt sein, das Essen soll schon etwas Besonderes sein, der Tisch perfekt gedeckt, das Freizeitprogramm geplant, die Geschenke originell verpackt sein. Plätzchen kaufen geht gar nicht. Die müssen auf jeden Fall selbst gebacken sein. Die Frage ist nur: wann?"

 

Petra ist offensichtlich das, was man als „Powerfrau" bezeichnet. Sie ist gut strukturiert und organisiert und lebt selbstbestimmt und unabhängig. Woran es ihr mangelt, ist Zeit.

Andrea, 39:

„Ich kann mich nicht zerteilen, sondern muss Prioritäten setzen, besonders, nachdem ich mich nach meiner Scheidung selbstständig gemacht habe und ein Fußpflegeatelier eröffnet habe. Gerne würde ich mich mehr engagieren und Kontakte zu Frauen in ähnlicher Situation aufbauen, gleichzeitig aber habe ich das Gefühl, mich meinem Sohn (3) nicht intensiv genug zuwenden zu können. Der Mangel an Zeit führt oft zu einer Daueranspannung. Wenn ich zwischen meinem Studio und der Kita hin- und herfahre, zähle ich die Minuten. Und wenn mein Sohn plötzlich krank wird, habe ich erst recht ein Problem."

Wenn die Kita geschlossen ist, sind Alleinerziehende wie Andrea immer wieder auf die Unterstützung von Familie, Freunden und Nachbarn angewiesen. Diese informellen Netzwerke sind eine wichtige Überlebenshilfe, haben aber auch ihre Kehrseiten, nämlich permanente Abhängigkeit. Viele alleinerziehende Mütter empfinden es als belastend, auf andere angewiesen zu sein. Weil es ohne Hilfe von außen nicht geht, müssen sie immer wieder Kompromisse und Zugeständnisse machen, zum Beispiel gegenüber ihren Eltern. Nicht aus dem Haus zu können, ohne einen Babysitter für den Sohn zu organisieren, macht jeden Termin und jede Verabredung zu einer Hürde.

Trotz vieler Schwierigkeiten schätzen viele alleinerziehende Mütter es, ihr Leben selbst bestimmen zu können, obwohl vieles in einer neuen Partnerschaft einfacher wäre. In eine neue Abhängigkeit möchten sie sich jedoch oft nicht begeben. Wichtig ist für sie, ihr Leben so zu organisieren, wie sie es für richtig halten.

Die nicht alleinerziehende Mutter

Der Vater bringt das Geld nach Hause und die Mutter kümmert sich um Haushalt und Kinder - dieses Modell war vor allem in Deutschland jahrzehntelang vorherrschend. Inzwischen üben weit über die Hälfte aller Mütter einen Beruf aus, wie die offiziellen Statistiken zeigen.

Obwohl sich das traditionelle Familienbild auch in Deutschland langsam wandelt, haben es berufstätige Mütter hierzulande immer noch schwerer als in anderen europäischen Ländern. Das liegt zum Teil an fehlenden oder unzureichend vorhandenen bzw. bezahlbaren Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, die in anderen europäischen Ländern längst selbstverständlich sind.

Mit großem Interesse habe ich Barbara Streidls Buch „Kann ich gleich zurückrufen? Der alltägliche Wahnsinn einer berufstätigen Mutter"4 gelesen, in dem die Autorin eine typische Woche aus dem Leben einer Frau mit dreijährigem Sohn und 30-Stunden-Arbeitswoche beschreibt. Und es ist tatsächlich der reine Wahnsinn, obwohl die Umstände ihrer Protagonistin vergleichsweise gut sind: Sie hat einen verantwortungsvollen Ehemann, der sich des Problems bewusst ist und mitmacht, wo er kann, sie hat keine Geldsorgen und auch sonst keine größeren anderweitigen Probleme. Und trotzdem ist das Leben eine reine Hetze.

Mit genauem Blick schildert die Autorin die vielen kleinen Fallstricke der Unvereinbarkeit von „Beruf und Familie". Was mich am meisten deprimiert hat, sind ihre ständig präsenten Schuldgefühle: Schuldgefühle gegenüber den Kollegen, die ihretwegen flexibler sein müssen, gegenüber ihrer alten Mutter, die sie für Not-Kinderbetreuungs-Einsätze einspannt, gegenüber dem Ehemann, mit dem sie zu wenig gemeinsame Zeit als Paar verbringt. Aber auch gegenüber dem Kind hat sie Schuldgefühle, weil sie ständig hetzen muss.

Wichtig ist, dass Mütter ihren individuellen Mix aus Job und Familie entwickeln. Rollen und Alltagsorganisation innerhalb der Familie bedürfen der Klärung und klarer Absprachen, damit sich die üblichen Frustrationen nicht aufstauen.

Lena, 35:

„Ich bin eine berufstätige Mutter mit 2 Kindern (5 und 2) und schaffe den Spagat zwischen Beruf und Familie nur, weil meine Eltern im Zweifelsfall hinter mir stehen. Manchmal, das gebe ich zu, komme ich trotzdem an meine Grenzen. Das ist besonders dann der Fall, wenn es mir selbst schlecht geht oder ich schon eine sehr lange Zeit nicht eine Minute für mich hatte. Ich weiß, dass diese Belastungen weniger werden, je größer und selbstständiger die Kinder werden. Weil mir meine Arbeit viel Spaß macht, ist sie nicht nur Belastung, sondern gleichzeitig eine Kraftquelle für mich. Ich finde es wunderbar, immer neue Eindrücke von außen zu erhalten. Die Thematik rund ums Kind ist zwar schön und wichtig, und ich möchte meine beiden Kleinen nie wieder missen, aber eine Ergänzung durch die Arbeitswelt ist für mich definitiv eine Bereicherung."

Für Lena gehört zur Lebenszufriedenheit und zum Lebensglück offenbar die Kombination aus Berufstätigkeit und Mutterrolle. Aber ein permanentes Doppelleben heutiger berufstätiger Mütter ist enorm anstrengend: Oft stürzen sie in Panik aus dem Büro, weil die Krippen eher Feierabend machen als sie selbst, das latent vorhandene Unverständnis der kinderlosen Kollegen sitzt ihnen im Nacken und nicht zuletzt schmerzt es sie, zu verpassen, wie ihr Kind die ersten Schritte ohne sie macht. Je kleiner die Kinder, desto größer das schlechte Gewissen - gegenüber der Familie genauso wie gegenüber dem Arbeitgeber. All das verträgt sich nicht mit dem Anspruch vieler Frauen, überall perfekt zu sein.

Die Karriere-Mutter

Seitdem eine Mutter mit 7 Kindern u.a. Familienministerin wurde, hat sich die Einstellung zum Lebensentwurf der Mütter verändert, die beides wollen: Mutter sein und Karriere machen. Es ist immer noch schwer, beides miteinander zu vereinbaren, aber beide Ziele schließen sich nicht mehr grundsätzlich aus.

Gut ausgebildete, emanzipierte Frauen erwarten heute vom Leben all das, was für Männer selbstverständlich ist: einen befriedigenden Beruf und Karriere, eine erfüllte Beziehung, Freizeit und ein anständiges Gehalt. Sobald Paare aber Kinder bekommen, ändert sich alles. Wenn eine Frau dagegen trotz Familie Karriere machen will, braucht sie unerschöpfliche Energie, muss sich gegen Machtspiele am Arbeitsplatz durchsetzen und - nicht nur mehr leisten als ihre männlichen Kollegen, sondern möglichst auch noch attraktiv aussehen.

In ihrem Buch „Karrieremütter: Vom Glück, Kind und Job zu vereinen"5 interviewt die Autorin Regine Schneider 12 prominente Karriere-Mütter, u. a. Rita Süssmuth, Bettina Tietjen, Bärbel Schäfer und Silvana Koch-Mehrin, die erfolgreich in ihrem Beruf und dabei glückliche Mütter oft mehrerer Kinder sind. Sie haben sich für Kind(er) und Karriere entschieden und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Diese Geschichten machen deutlich: Frauen, die arbeiten, tun ihren Kindern gut, denn kein Kind braucht den ganzen Tag seine Mutter um sich. Jenseits der Klischees von „Rabenmüttern" und „Mutterglucken" ist dieses Buch zumindest ein beeindruckendes Plädoyer für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Beschäftigt man sich eingehender mit Karriere-Müttern, so stellt man jenseits aller Idealisierung fest, dass sie sich oft in einem Dilemma befinden: Spannende Aufgaben im Job erfordern ihren vollen Einsatz mit Überstunden und Reisen. Auf der anderen Seite müssen sie ihre Kinder dann in Fremdbetreuung geben. So setzen sie sich immer noch dem Vorwurf aus, Egomaninnen oder Rabenmütter zu sein.

Raphaela, 42:

„Weibliche Führungskräfte verschwinden bei vielen Personalern vom Radarschirm, wenn sie Kinder bekommen, vor allem, wenn sie länger in Elternzeit sind. Dabei müsste es im Interesse der Betriebe sein, Müttern den Wiedereinstieg zu erleichtern. Bei mir war das Gott sei Dank anders, obwohl ich sicherlich eine problematische Bewerberin war: Ende 30, gerade verheiratet, noch keine Kinder, also Risikogruppe Eins. Wahrscheinlich habe ich mehr Glück als Verstand gehabt, dass ich als promovierte Juristin den Job in der Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens trotzdem bekam. Inzwischen habe ich zwei Kinder. Während meiner zweiten Schwangerschaft erhielt ich sogar das Angebot, einen weiteren Geschäftsbereich zu verantworten. Es war für mich kein Nachteil, dass ein zweites Kind auf dem Weg war. Ich habe gesagt, ich möchte beides, Beruf und Kinder, und ich schaffe beides. Wie gut ambitionierte Frauen mit Kind Karriere machen können, hängt meiner Erfahrung nach stark von der Unternehmensphilosophie ab: Ich hatte das Glück, einen Teil meiner Tätigkeit mit Homeoffice abdecken zu können und den Vorteil, im Haus meiner Eltern zu wohnen, die regelmäßig zur Verfügung stehen. Ich kenne aber auch den Druck anderer Karriere-Mütter, wenn die Kinderfrau krank ist oder der Kindergarten früher schließt. Besonders schwierig wird es für sie, wenn Kindergarten oder Schule anrufen, dass das Kind wegen einer laufenden Nase oder einer kleinen Schürfwunde abgeholt werden soll."

Natürlich wurden die Karriereperspektiven berufstätiger Mütter auch wissenschaftlich untersucht:

In dem Projekt „Karriereperspektiven berufstätiger Mütter"6wird untersucht, wie gut sich Karriere und Familie für berufstätige Mütter in Deutschland vereinbaren lässt. Mit dieser empirischen Studie, an der sich 1.801 Mütter aus ganz Deutschland beteiligt haben, wird aufgezeigt, wie schwierig sich Mutterschaft und Karriere in deutschen Unternehmen vereinbaren lassen, mit welchen besonderen Schwierigkeiten berufstätige Mütter zu kämpfen haben und welche Lösungsansätze sie vorschlagen. Aufbauend auf die empirische Studie werden anschließend Handlungsvorschläge sowohl für die karriereorientierten Mütter als auch für die betroffenen Unternehmen herausgearbeitet. Das Projekt Karriereperspektiven von Müttern in Führungsfunktionen in Deutschland soll die Lebenssituation und Interessen von karriereorientierten Frauen mit Kindern in Deutschland aktuell erfassen und verbessern. Ziel des Projektes ist es, das Bewusstsein für die Situation berufstätiger Mütter in deutschen Unternehmen zu schärfen und Verbesserungspotenziale aufzuzeigen, damit künftig mehr Frauen mit Kindern Managementpositionen im Lower-, Middle- und Top-Management innehaben, damit Unternehmen das Potenzial ihrer weiblichen Beschäftigten bestmöglich einsetzen können.