Getauft und engagiert

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Dorothea Steinebach

Getauft und engagiert

Vom innovativen Umgang

mit den alten und neuen Formen

des kirchlichen Ehrenamtes

Dorothea Steinebach

Getauft und engagiert

Vom innovativen Umgang

mit den alten und neuen Formen

des kirchlichen Ehrenamtes


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2011 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de Umschlag: Christine Eisner (Foto: shutterstock) Druck und Bindung: Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg

ISBN 978-3-429-03438-2 (Print)

ISBN 978-3-429-04620-0 (PDF)

ISBN 978-3-429-06017-6 (Epub)

Inhalt

Vorwort

Die Idee

Ein Blick zurück

1. Die ersten Hauptberuflichen

2. Alte und neue Formen des kirchlichen Ehrenamtes

3. Auf das Ehrenamt setzen

Das Interesse an den Verantwortlichen

1. Ermöglichen statt vorgeben

2. Verantwortung in Freitätigkeit

Das Umfeld

1. Fremd

2. Satt

3. Marktmäßig

4. Plural

5. Sporadisch

6. Sprachlos

Projekte

1. Beheimatung anbieten

2. Auf die Talente hin ansprechen

3. Das Evangelium heute lesen

4. Christsein erkennbar machen

Leute-Initiativen

1. Einfach glauben

2. Kreative Fremd- und Selbsthilfe

3. Altes und Neues

Die »neue« Hauptberuflichkeit

1. Die Kompetenzdomäne teilen

2. Professionell handeln

3. Ganzheitlich und alltagsnah

4. Partnerschaftlich und ressourcenorientiert

5. Grenzen aufzeigen

6. Sich Zeit lassen

Kurz und bündig

Anmerkungen

Vorwort

Es sind die Fragen nach dem Christ-Werden, dem bewussten Christ-Sein und dem Christ-Bleiben, die die Diskussion um das »Ehrenamt« in der katholischen Kirche unterscheiden von den Ehrenamtsdiskussionen im sozialen und bürgerschaftlichen Sektor. Über Engagement und Ehrenamt in der katholischen Kirche nachzudenken, ohne diese Fragen zu stellen, verfehlt Wesentliches. Sie bilden den Horizont der Überlegungen dieses Buches, die sich dem Zusammenhang von Taufe und Lebensvollzügen, von Glauben und Engagement widmen. Dieses Zusammenspiel interessiert. Es will heute mehr denn je eröffnet, ermöglicht, unterstützt und begleitet sein. Professionell durch beruflich tätige Seelsorgerinnen und Seelsorger und – wo immer möglich – authentisch und kompetent durch engagierte Glaubenszeugen, nach dem Vorbild vieler biblischer Geschichten wie der vom jungen Samuel (1 Sam 3,1–21).

Eine Menge theologischer Fragen und Begriffe tauchen unwillkürlich auf: z.B. Berufung – Taufe – Kirchenmitgliedschaft – Gemeinde – »Laien«. Sie näher auszuführen und zu vertiefen, ist nicht Anliegen dieses Buches. Wohl aber gut mit ihnen umzugehen und mit ihnen weiterzudenken für das pastorale Handeln, besonders für das Leitungshandeln aller (Mit-)Verantwortlichen unter den »Laien«-Christen in der Gemeindepastoral vor Ort in den immer größer werdenden »pastoralen Räumen«.

Kontext dieses Buches ist der diözesane Prozess der »Perspektive 2014« im Erzbistum Paderborn, den Erzbischof Hans-Josef Becker im Jahr 2004 angestoßen hat und dem er in seinem Zwischenbericht im Jahr 2009 wesentliche Impulse gegeben hat.1 Seither sind richtungsweisend ein »Leitfaden« für die priesterlichen Leiter der neuen pastoralen Räume sowie Arbeitshilfen und Orientierungen für alle pastoralen Akteure in Haupt- und Ehrenamt entstanden oder in Entwicklung. Sie scheinen in meinen Überlegungen immer wieder durch.

Die Basis dieses Buches bilden Gespräche mit Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im Erzbistum Paderborn, für deren Einsatz und Begleitung ich zuständig bin. Seit vielen Jahren beschäftigt mich die Frage nach einem zukunftsträchtigen Miteinander von Haupt- und Ehrenamt – ganz besonders allerdings im weiten Feld der »Gemeindepastoral«. Daher ist die nicht weniger wichtige Pastoral in den Einrichtungen, z.B. in Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäusern, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder Altenheimen, nicht Gegenstand dieses Buches.

In unzähligen Gesprächsanlässen mit Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten scheint die Kooperation mit den Ehrenamtlichen vor Ort immer wieder als »Thema« durch, ausdrücklich oder am Rande. Im vergangenen Jahr ist daraus meine Dissertation entstanden unter dem Titel: »Den Anderen begegnen. Zur Zukunft von Haupt- und Ehrenamt in der katholischen Kirche.« Die Seiten des nun vorliegenden Buches bieten so etwas wie eine »erweiterte Essenz« daraus: Es geht hier nicht mehr nur um ein zukunftsträchtiges Miteinander von »Haupt- und Ehrenamt«, sondern umfassender um den innovativen Umgang all derer, die in der Gemeindepastoral mit anderen Menschen von heute verantwortlich umzugehen bereit sind, ob beruflich oder ehrenamtlich.

Einen Teil dieses Buches bilden Erfahrungen von Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, die vor Ort neue Wege im Umgang mit den alten und neuen Formen des kirchlichen Ehrenamtes suchen und gehen. Von ihnen können wir in der »Zentrale« eines Generalvikariates in besonderer Weise lernen, wie heute Sorge getragen werden kann für das Weiterleben des Glaubens und was dabei im Umgang mit den Menschen weiterführt und was nicht. Aus der Berufsgruppe möchte ich namentlich erwähnen und danke sagen: Ann-Kristin Idzik (Pastoralverbund Möhnesee), Ursula Klauke (Pastoralverbund Ruhr-Valmetal), Thomas Wendland (Pastoralverbund Bad Lippspringe-Schlangen) und Susanne Wiehen (Pastoralverbund Lippstadt-Mitte). Im Text sind ihre Beiträge im Schrifttyp hervorgehoben. Sie stehen für viele andere, die wie sie phantasievoll, ideenreich und kreativ unterwegs sind mit den Menschen von heute: getauft und engagiert. Auch ihnen möchte ich danke sagen!

Verl, im Juni 2011

Dorothea Steinebach

Die Idee

Nehmen wir einmal an, Sie sind getauft: Was bedeutet Ihnen das? Oder: Was könnte Ihnen Ihr Getauft-Sein bedeuten?

Sie sind nicht getauft? Sie gehören auch keiner der großen Weltreligionen an? Sie führen ein erfülltes Leben? Dazu gehört dann sicher auch, dass Sie sich hin und wieder fragen: Ist das alles? Und: Ist das sinnvoll? Vielleicht haben Sie von guten Bekannten erfahren, dass es über die katholische Kirchengemeinde verschiedene Initiativen und Events gibt. Initiativen, die sich ganz ansprechend anhören. Würden Sie dorthin gehen? Was könnte Sie locken? Engagiert? Natürlich sind Sie engagiert: Tag für Tag gestalten Sie Ihr Leben; engagieren sich in der Familie, im Beruf, in der Nachbarschaft, vielleicht in einem Verein, beim Sport, in einem Hobby. Dort, wo es Sie hinlockt, und da, wo jemand Sie braucht. Sie engagieren sich so, wie Sie es für richtig halten. Andere könnten an Ihre Stelle treten – aber ganz so wie Sie würde es niemand tun. Sie bringen sich eben als Sie selbst ein. Hat das etwas mit Ihrer Taufe zu tun? Oder: mit Ihrem Suchen nach einer Antwort auf Ihre Lebensfragen?

 

Gehören Sie vielleicht zu denen, die beruflich oder ehrenamtlich verantwortlich in der Seelsorge tätig sind? Und suchen Sie immer wieder auch ehrenamtliche Mitstreiter? Wozu genau suchen Sie sie? Um Ihre viele Arbeit auf weitere Schultern zu verteilen? Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Durchführung Ihrer Konzepte und Ideen zu gewinnen? Haben Sie sich dann schon einmal gefragt, ob die Art Ihres Suchens nach Ehrenamtlichen Ihrem eigenen Anspruch an ein engagiertes Leben aus der Taufe entspricht?

Fragen, die bewegen. Fragen, die die christlichen Kirchen zeitgemäß zu beantworten suchen. Dabei sind es ganz besonders die Akteure vor Ort, die »an der Basis« experimentieren und mit den Menschen entdecken, welches Miteinander zukunftsträchtig ist. Aus einigen ihrer Rückmeldungen wollen wir auf den Seiten dieses Buches einen innovativen Umgang mit den alten und neuen Formen des kirchlichen Ehrenamtes skizzieren und zeigen: Eine Krise des Ehrenamtes gibt es nicht; was es gibt, das ist eine Krise der Verantwortlichen im Umgang mit dem Ehrenamt. Solange es aber (noch) pastorales Personal und viele ehrenamtlich Verantwortliche unter den »Laien«-Christen gibt, ist der Zeitpunkt günstig (»Kairos«), diesen Wendepunkt (»Krise«) zu nutzen und die Weichen für eine Kirche auf dem breiten Fundament vieler Menschen zu stellen.

Wir beginnen diese Skizze mit einem Blick zurück, um zu schauen, welche Art des Umgangs bisher üblich war, weil sie weitgehend funktioniert hat. In diesem Blick zurück in die Phase der ersten beruflich tätigen »Laien«-Christen in der Seelsorge der katholischen Kirche wird das »mentale Modell« einer »Hauptberuflichenkirche« vorgestellt. Es liegt auch heute noch jedweder Suche nach »Laien« zur Entlastung der Priester und zur Versorgung der Gemeinden zugrunde – oft selbst dort noch, wo man sehr anerkennend und wertschätzend »auf das Ehrenamt setzt«. Dieses Modell, das über viele Jahrzehnte seinen Sinn und seine Funktion hatte, gilt es heute aber zu verabschieden.

Scheinbar paradox dazu wendet sich das zweite Kapitel den Verantwortlichen zu, und zwar sowohl unter den Berufstätigen als auch im Ehrenamt. Es wird sich nämlich zeigen, dass man über das Interesse an ihnen besonders gut dem Anliegen der Verabschiedung des Versorgungs- und Mitmach-Modells nachkommen kann, indem man es durch ein innovatives Miteinander der »Hauptberuflichen« und der verantwortlichen Ehrenamtlichen mit den Menschen vor Ort – gestützt durch ein neues mentales Modell – ablöst.

Warum dem so ist, das erklärt sich aus einem Blick in das heutige »postmodern« geprägte Umfeld. Im Rahmen dieses kleinen Buches kann dieses Umfeld nur in Ansätzen skizziert werden. Als prägnante Stichworte wählen wir dazu: fremd – satt – marktmäßig – plural – sporadisch – sprachlos.

Wie in diesem Umfeld innovative pastorale Projekte bzw. Leute-Initiativen und ihre begleitende Unterstützung aussehen können, das wird in zwei weiteren Kapiteln ausführlicher entfaltet, und den Abschluss der Skizze bildet der Versuch, die Eigenschaften der Leitungsverantwortung beispielhaft zu Merkmalen einer »neuen« Hauptberuflichkeit zu bündeln. Er spannt damit den Bogen zurück zum Beginn der Innovationsüberlegungen: zum bewussten Abschied von einer »Hauptberuflichenkirche«.

Ein Blick zurück

Es ist keine 100 Jahre her, dass es in der katholischen Kirche zu einer bemerkenswerten Initiative kam. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts suchte man im Kirchenvolk, unter den so genannten »Laien«, nach Helfern und Helferinnen für die Seelsorge. Ein unerhörter Vorgang – war doch die Seelsorge bis dahin ausschließlich Sache der geweihten Priester.

1. Die ersten Hauptberuflichen

Die Initiative ging allerdings von einigen Priestern selbst aus. Sie war Ausdruck einer tiefen Krise. Man rang darum, Menschen, die sich von der christlichen Religion abgewandt hatten, zum christlichen Glauben in der katholischen Kirche zurückzuführen, sie wieder zu »verchristlichen«. Vor allem in den Großstadtgemeinden und in der Diaspora beobachtete man die zunehmende Entfremdung der Bevölkerung vom Leben der Kirche. Die Zahlen der Kirchenbesucher gingen zurück. Der Einfluss der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre auf die Gestaltung von Ehe, Familie, Kultur und Gesellschaft erlebte Erschütterungen. Priester allein konnten mit ihrem beruflichen Engagement und mit der Vorstellung einer »Komm-Struktur« von Seelsorge die Menschen nicht mehr erreichen. Die Erwartung der Priester, dass die Leute selbstverständlich – wie gewohnt und soziokulturell kontrolliert – zu den Gottesdiensten kommen würden, um ihre Katechesen zu hören und so mit den Inhalten des christlichen Glaubens genährt und gestärkt zu werden, erfüllte sich nicht mehr. Ein neues Seelsorgeverständnis war gefragt, eine »Geh-Struktur« sollte aufgebaut werden: in Hausbesuchen wollte man sich stärker der Individualseelsorge zuwenden. Das erforderte viele neue Kräfte.

Zunächst suchte man diese unter den engagierten Männern und Frauen des so genannten »Laienapostolats«. Schon bald erkannte man aber, dass diese »Laienhelfer«, die solche Aufgaben in ihrer Freizeit übernahmen, schon angesichts ihrer zeitlichen Inanspruchnahme durch Beruf und Familie überfordert waren. Man musste also nach Laien-Mitarbeitern Ausschau halten, die bereit waren, ihr Leben ganz – und das bedeutete erstmals: beruflich – dem kirchlichen Dienst zu widmen. Ihnen wollte man eine grundständige Ausbildung und ein angemessenes Entgelt für den Lebensunterhalt zukommen lassen. So ausgerüstet, sollten die beruflichen Mitarbeiter schwerpunktmäßig die Pfarrkartei führen und sich Kenntnis verschaffen über die darin dokumentierten Lebensverhältnisse der katholischen Gläubigen. Sie sollten bei ihnen Hausbesuche machen, aufmerksam sein für ihre vielfältigen Nöte und mit ihnen ins persönliche Gespräch kommen. Das katholische Glaubensleben in den Ehen und Familien galt es zu retten.

Obwohl man für diesen apostolischen Dienst grundsätzlich sowohl Männer als auch Frauen in der Verantwortung sah, meinte man doch, Frauen seien hierzu besser geeignet. Dem damaligen Frauenbild entsprechend brauchte man Frauen wegen ihrer gewissen »fraulichen Fähigkeiten« und Eigenarten, ihrer Hingabebereitschaft und ihrer Fähigkeit zu geduldigem Nachgehen. Bei den Frauen sah man eine besondere und eigene Verpflichtung und Verantwortung, eine besondere Begabung für das Apostolat, ein besonderes Einfühlungsvermögen in die Wechselwirkung von Glaube und Engagement. Erste Mitarbeiterinnen, die so genannten »Gemeindehelferinnen«, rekrutierte man unter den Fürsorgerinnen der Caritas. Ihr diakonisches, fürsorgerisches Know-how und Engagement schienen besonders gut geeignet, sich einen Zugang zu den Menschen zu verschaffen.

Arbeit gab es in dieser »indirekten Seelsorge« genug. Und so musste die berufstätige Gemeindehelferin auch ihrerseits selbst wieder nach Unterstützung suchen durch hilfsbereite Männer und Frauen. Man bezeichnete sie als »Laienhelfer«. Sie waren auch genau dies: Helfer der Gemeindehelferin. Wenn die Gemeindehelferin den Anforderungen, die an sie gestellt waren, allein nicht mehr gerecht werden konnte, traten diese treuen, hilfsbereiten Mitarbeiter, Männer und Frauen, auf den Plan. In Schulungen durch die Gemeindehelferin wurden sie in die Lage versetzt, sowohl in sittlich-asketischer als auch in fachlicher Hinsicht innerhalb der ihnen übertragenen Aufgaben Entscheidungen treffen zu können. Sie arbeiteten mit in dem Bewusstsein eines feinen hierarchischen Gefälles innerhalb des »Laien«-Standes – von der (berufstätigen) Gemeindehelferin über die (nicht-beruflich tätigen) Laienhelfer hin zu den übrigen Christen –, und zwar in gemeinsamer Zu- und Unterordnung unter den Pfarrherrn.

Die Zusammenarbeit in diesem strukturell-hierarchischen Gefälle ist typisch auch für die Folgejahre nach der Berufs-Gründungszeit. Bis zum Zweiten Weltkrieg kamen lediglich einige weitere Aufgaben für die »Laien« hinzu. Neben die Hausbesuche und die Sorge um die notleidenden Menschen, um deren Kleidung, Ernährung und Kindererziehung, traten vielfältige Tätigkeiten im Pfarrbüro und in der Pfarrbücherei und zunehmend auch die erweiterte Mithilfe in der Kinder- und Jugendseelsorge. Allmählich rückten die Aufgaben der Caritas mehr in den Hintergrund und die Seelsorgehilfe genoss eine Aufwertung als Erhöhung und Erweiterung der »Alltagscaritas«.

Die Jahre während des Zweiten Weltkriegs erhöhten den Bedarf an »Seelsorgehelferinnen«, wie die beruflichen Laienkräfte jetzt genannt wurden, noch einmal. Die zur Wehrmacht eingezogenen Priester mussten in der Verwaltung und in den seelsorglichen Diensten der Gemeinden vertreten werden. Viele kirchliche Vereine und Vereinsaktivitäten waren verboten. Die Zahl der nicht-beruflichen Laienhelfer nahm ab. Die berufliche Laienseelsorge hatte sich also zu konzentrieren, und zwar auf die Pfarrgemeinde. Sie geriet damit immer enger ausschließlich in den kirchlichen Raum.

In dieser Richtung veränderte sich das Aufgabenprofil der beruflichen Laienseelsorge auch nach dem Krieg nochmals weiter: Der Zustrom unzähliger katholischer Ostflüchtlinge musste aufgefangen werden. Viele Priester waren im Krieg gefallen oder noch in Gefangenschaft. Laienkräfte, weibliche und wo möglich auch männliche, wurden in kürzeren Kursen zu so genannten »Pfarrhelferinnen« und »Pfarrhelfern« ausgebildet. Mit dem Klerus und den nicht-beruflichen »fallweise mitarbeitenden« Laienkräften sah man keine Möglichkeit, dem – wie man es formulierte – »Seelsorgenotstand« beizukommen. Das Aufgabenspektrum der Seelsorgehelferinnen musste folglich wieder erweitert werden: Die »Gemeindepastoral« mit den drei Grundfunktionen der Verkündigung, der Diakonie und von hier aus auch der Liturgie wurde ihr breites Aufgabenfeld. Ihre originären Aufgabenfelder blieben freilich in der Verkündigung und der Diakonie.

Insgesamt bildete dieser Vorgang mehr und mehr das Grundmuster der »Hauptberuflichenkirche« aus, einer »Versorgungs-« und »Mitmachkirche«: Die durch die Ausbildung besser qualifizierten Seelsorgehelferinnen galten als die Fachfrauen; die übrigen Laienkräfte waren ihnen zu- und untergeordnete Helferinnen und Helfer, die durch die Seelsorgehelferinnen für die Mitarbeit geschult und »geformt« wurden. Dadurch wurden diese Helferinnen und Helfer selbst wieder zu Fachleuten unter ihresgleichen – und so fort: ein steiles, wohlgegliedertes hierarchisches Gefälle des Sagens und des Mitmachen-Dürfens, rückgebunden an die Amtsautorität des Pfarrers und durch sie autorisiert. Es ist das Grundmuster, in dem man sich schließlich auch daran gewöhnte, innerhalb der »Laien« begrifflich zu unterscheiden zwischen »Haupt- und Ehrenamt«. Solange man unter den »Hauptamtlichen« der katholischen Kirche grundsätzlich nur die Priester verstand und der Unterschied zwischen Priestern und »Laien« bestimmend war, hielt der Begriff des Ehrenamtes in der katholischen Kirche nicht Einzug. Erst durch die Etablierung von »Hauptamtlichen« unter den »Laien« wurde nahegelegt, den Begriff des »Ehrenamtes« aus dem bürgerlichen und sozialen Kontext in den eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen und die nicht-beruflichen Laienhelfer aus dem Laienapostolat als »Ehrenamtliche« zu bezeichnen. Im Grundmuster der »Hauptberuflichenkirche« sind sie diejenigen, die von den Hauptberuflichen zum Mitmachen in den eigenen Aufgaben gewonnen werden – ein Vorgehen, das in einem volkskirchlich geprägten Milieu über viele Jahrzehnte unhinterfragt weitgehend gut funktioniert hat.

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