Buch lesen: «Lehrbuch Musiktherapie»

utb 3068
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Hans-Helmut Decker-Voigt
Dorothea Oberegelsbacher
Tonius Timmermann
Lehrbuch Musiktherapie
3., aktualisierte Auflage
Mit 8 Abbildungen und 4 Tabellen
Ernst Reinhardt Verlag München
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Helmut Decker-Voigt, 1990–2010 Direktor des Instituts für Musiktherapie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, seitdem dort Senior-Professor in der Lehre und Forschung für Künstlerische Therapien, Gast-und Stiftungsprofessuren in USA, Japan, Ungarn, Estland, Russland, Gründungsherausgeber der Zt. „Musik und Gesundsein“, freier Schriftsteller. www.decker-voigt-archiv.de
Von Hans-Helmut Decker-Voigt außerdem im Ernst Reinhardt Verlag lieferbar: „Schulen der Musiktherapie“ (ISBN 978-3-497-01574-0) und „Mit Musik ins Leben“ (ISBN 978-3-497-01928-1).
Dr. Mag. Dorothea Oberegelsbacher lehrt Musiktherapie an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Wien, und Psychotherapie an der Sigmund Freud Privat-Universität, Wien. Niedergelassene Musiktherapeutin und Psychotherapeutin.
Prof. Dr. Tonius Timmermann, leitete die Berufsbegleitende Musiktherapieausbildung am Freien Musikzentrum München und den Masterstudiengang an der Universität Augsburg. Zahlreiche Veröffentlichungen. Freie Praxis in München und Wessobrunn. Nähere Informationen unter www.timmermann-domain.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
UTB-Band-Nr.: 3068
ISBN 978-3-8252-5295-3
© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München
Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in EU
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Foto auf S. 51 von Ulrike Höhmann, Haslach
Satz: ew print & medien service gmbh, Würzburg
Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München
Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de
Inhalt
Vorwort
Einleitung
IGrundlagen
1Definition
von Dorothea Oberegelsbacher
2Praxisfelder und Indikation
von Tonius Timmermann und Dorothea Oberegelsbacher
3Forschungsstand Musiktherapie
von Dorothea Oberegelsbacher und Tonius Timmermann
4Forschungsstand Musikmedizin und Musikpsychologie oder:„Das Gehirn hört mehr als die Ohren“
von Hans-Helmut Decker-Voigt
5Das Instrumentarium: Streicheln und Ermorden – Musikinstrumente: ihr Appell, ihre Symbolik
von Hans-Helmut Decker-Voigt
6Praxeologie
von Tonius Timmermann
7Improvisation
von Tonius Timmermann
8Rezeption
von Tonius Timmermann
9Das Wort in der Musiktherapie
von Tonius Timmermann
10Anthropologische und ethnologische Aspekte
von Tonius Timmermann
11Historische Aspekte
von Tonius Timmermann
12Die Musiktherapie der Gegenwart
von Dorothea Oberegelsbacher und Tonius Timmermann
13Zusammenfassung
von Dorothea Oberegelsbacher,Tonius Timmermann und Hans-Helmut Decker-Voigt
IIMensch und Musik: Lebenszyklen – Klinische Praxis – Theoriemodelle
14Der pränatale Raum oder: „An-Stoß und An-Spiel“
14.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
14.1.1Der ungestörte Schwangerschaftsverlauf unter Aspekten der Entwicklungspsychologie und der Rolle der Musik
von Hans-Helmut Decker-Voigt
14.1.2Pränatale Prävention
von Dorothea Oberegelsbacher
14.2Beispiele aus der klinischen Praxis – Musiktherapie mit belasteten Schwangeren
von Dorothea Oberegelsbacher
14.3Theoriebildung
von Dorothea Oberegelsbacher
15Der perinatale, postnatale und präverbale Raum (0–2): „Da, da, da“
15.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
15.1.1Normalverlauf unter Aspekten der Entwicklungspsychologie und der Rolle der Musik
von Hans-Helmut Decker-Voigt
15.1.2Störungsmöglichkeiten
von Dorothea Oberegelsbacher
15.2Beispiele aus der klinischen Praxis
15.2.1Musiktherapie in der Neonatologie
von Dorothea Oberegelsbacher
15.2.2Musiktherapie mit einem sog. „Schrei-Baby“
von Dorothea Oberegelsbacher
15.2.3Musiktherapie mit einem autistischen Patienten
von Dorothea Oberegelsbacher
15.3Theoriebildung
15.3.1Die Sphäre des Traumatischen in der Musiktherapie
von Dorothea Oberegelsbacher
15.3.2Narzissmus:Wer klingt am schönsten im ganzen Land?“
von Hans-Helmut Decker-Voigt
15.3.3Das Spezifische des Nonverbalen in den künstlerischen Psychotherapien und die Rolle der Musiktherapie
von Tonius Timmermann
16Kleinkindphase (2–6): „Alle meine Entchen“
16.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Hans-Helmut Decker-Voigt
16.2Ein Beispiel aus der klinischen Praxis – Musiktherapie mit einem vierjährigen Mädchen nach dem Tod der Mutter
von Tonius Timmermann
16.3Theoriebildung
16.3.1Theorien zum Kleinkindalter von Kohut, Erikson, Piaget und Winnicott: „Kindsein hat viele Theorieväter“
von Hans-Helmut Decker-Voigt
16.3.2Entwicklungsretardierungen
von Dorothea Oberegelsbacher
17Späte Kindheit (6–12)
17.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Tonius Timmermann
17.2Beispiele aus der klinischen Praxis
von Hans-Helmut Decker-Voigt
17.2.1Musiktherapie mit Trennungskindern
17.2.2Musiktherapie mit einem elfjährigen Jungen
17.2.3Musiktherapie bei einem sexuell missbrauchten Mädchen
17.2.4Gruppenmusiktherapie mit kriegstraumatisierten Kindern
von Tonius Timmermann
17.3Theoriebildung
von Tonius Timmermann
18Pubertät (12–16): „Weder Fisch noch Fleisch“
18.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Hans-Helmut Decker-Voigt
18.2Beispiele aus der klinischen Praxis
18.2.1Musiktherapie mit einem 14-jährigen magersüchtigen Mädchen
von Tonius Timmermann
18.2.2Musiktherapie mit einem 16-jährigen verhaltensauffälligen Jungen
von Tonius Timmermann
18.2.3Musiktherapie mit einer 15-jährigen Patientin mit Schädel-Hirn-Trauma
von Tonius Timmermann
18.2.4Gruppenmusiktherapie mit geistig behinderten Jugendlichen
von Dorothea Oberegelsbacher
18.3Theoriebildung: „Vom Kindsein im Erwachsenwerden“
von Hans-Helmut Decker-Voigt
19Adoleszenz (16–28)
19.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Dorothea Oberegelsbacher
19.2Beispiele aus der klinischen Praxis
19.2.1Musiktherapie mit einer 26-jährigen bulimischen Patientin
von Tonius Timmermann
19.2.2Gruppenmusiktherapie in der stationären Jugendpsychiatrie
von Tonius Timmermann
19.2.3Musiktherapie mit einem schizophrenen Mann
von Dorothea Oberegelsbacher
19.3Theoriebildung
von Dorothea Oberegelsbacher
20Mittlere Lebensphase (28–60)
20.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Tonius Timmermann
20.2Beispiele aus der klinischen Praxis
20.2.1Musiktherapie mit einer 29-jährigen bulimischen Patientin
von Tonius Timmermann
20.2.2Musiktherapie mit einer forensischen Patientin
von Tonius Timmermann
20.2.3Dora – Eine musiktherapeutische Aufstellungsarbeit
von Tonius Timmermann
20.2.4Gruppenmusiktherapie in der stationären Behandlung von Alkoholkranken
von Dorothea Oberegelsbacher
20.2.5Musiktherapie mit einer Dialysegruppe
von Hans-Helmut Decker-Voigt
20.3Theoriebildung: Systemische Grundorientierung in der Erwachsenentherapie und Aufstellungsarbeit
von Tonius Timmermann
21Senium (60–75)
21.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Dorothea Oberegelsbacher
21.2Beispiele aus der klinischen Praxis
21.2.1Ein Lebenslauf – musikalisch betrachtet
von Tonius Timmermann
21.2.2Eine Fallvignette aus der Einzelmusiktherapie mit einer neurologisch erkrankten Patientin
von Hans-Helmut Decker-Voigt
21.3Theoriebildung
von Tonius Timmermann
22Letzter Lebensabschnitt (ab 75)
22.1Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten
von Tonius Timmermann
22.2Ein Beispiel aus der klinischen Praxis – Musiktherapie in einem Hospiz
von Tonius Timmermann
22.3Theoriebildung
von Tonius Timmermann
IIIBerufsprofile – Ausblicke – Vernetzungen
23Berufliche Identität
von Dorothea Oberegelsbacher
24Musiktherapie – Psychotherapie – Ausblick auf die Forschung
von Tonius Timmermann
25Aspekte zu den Musiktherapie-Ausbildungen vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Rahmen der EU
von Hans-Helmut Decker-Voigt
Schlussakkord: „Lieber Herr Kohl …“ – Friedrich Fröbel im Jahre 1847 an den Komponisten Robert Kohl 306
Literatur
Anhang: Adressen von Ausbildungstätten und Organisationen
Sachregister
Vorwort
Persönliches von drei Personen … denn Sie könnten dem Irrtum verfallen, ein „Lehrbuch“ versammele alles gegenwärtige Wissen zu einem Fach, hier: zur Musiktherapie. Nicht einmal an Lexika oder Handbücher kann dieser Anspruch gestellt werden, obwohl der Anspruch „Lehrbuch“ die Denkrichtung hin zu einem Buch mit enzyklopädischem Wissensinhalt auslöst. Irrtümlicherweise. Lehrbücher zeigen auch immer nur Ausschnitte. Unser Anspruch ist am besten zu umreißen mit einem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry:
„Vollkommenheit ist nicht erreicht,
wenn nichts mehr hinzuzufügen ist,
sondern wenn nichts mehr da ist,
was man weglassen könnte.“
Gefunden wurde das obige Zitat von Saint-Exupéry auf der Speisekarte während eines Aeroflot-Fluges von Berlin nach Moskau, und „Speisekarte“ passt gut zum Anspruch dieses Lehrbuches: Auf unserer Speisekarte stehen die Lehrpositionen und Praxisforschungen von uns drei AutorInnen, die der Ausgang für die Entwicklung dieses Buches waren. Auch vor solcher Ausgangsposition gibt es meist einen Anfang: Zunächst wurde dieses Buch vom Ernst Reinhardt Verlag bei Hans-Helmut Decker-Voigt nach seinem allgemeinen Einführungsvortrag in Musiktherapie im Münchner Gasteig in Auftrag gegeben. Bald die Unmöglichkeit einsehend, ein Lehrbuch mit dem Anspruch i. S. des Antoine de Saint-Exupéry allein schreiben zu können, begann Decker-Voigt die Suche nach Mit-TrägerInnen dieses Projekts, und so entstand unser bemerkenswertes AutorInnen-Trio. Bemerkenswert, weil wir in mehreren Jahren immer zusammenrückender Zusammenarbeit keinen einzigen wirklichen Streit hatten – und dies, obwohl unsere theoretischen und wissenschaftlichen Positionierungen nicht identisch sind. Im Blick auf Menschenbild und ethische Ziele trafen wir uns jedoch immer konsensual und in einer Schnittfläche aus folgenden inhaltlichen Positionen: Tiefenpsychologisch-phänomenologisch, besonders Individualpsychologie und Psychoanalyse, bei Dorothea Oberegelsbacher – tiefenpsychologisch orientiert, dabei humanistische und systemisch-phänomenologische Aspekte einbeziehend, bei Tonius Timmermann. Intermodal-ausdruckstherapeutisch vor dem Hintergrund humanistischer Psychologie und damit auch tiefenpsychologisch-phänomenologisch arbeitend: Hans-Helmut Decker-Voigt. Alle zusammen arbeiten wir am Brückenschlag zwischen qualitativen und quantitativen Erforschungsinstrumentarien zur Rolle der Musik im Menschsein zwischen Gesundheit und Krankheit.
Wir schauen mit Dankbarkeit auf das halbe Jahrzehnt unserer Zusammenarbeit als Trio zurück – immerhin die Zahl, die die normalerweise anstrengendste Gruppierung im menschlichen Miteinander bedeutet.
Insgesamt haben wir vier Jahre an diesem Buch gearbeitet, geschätzt hatten wir am Anfang – ein Jahr! Bei 360 Seiten – vom Verlag vorgegeben durch den Reihencharakter bei UTB – klang ein Jahr geradezu viel: „Nur“ 120 Seiten pro AutorIn … Wir haben uns selten in unseren zusammengezählt 85 Jahren Berufs- und Publikationserfahrung derart geirrt! Denn die verabredete Pflicht, die jeweiligen Themen der beiden anderen AutorInnen zu bearbeiten, zu redigieren i. S. eines teaminternen Fachlektorats, wurde zur Lust, und zwar zur zeitraubenden. Denn diese „kreuzmodale“ Bearbeitung und Begleitung der anderen löste wiederum lebhafte tags- und nachtsüber geführte Gespräche aus. Wir gerierten zu einem Dauer-Symposion.
In diesem Zusammenhang muss unbedingt zur Lektüre unserer Danksagung motiviert werden. Denn unsere professionelle Lektorin im Verlag und unsere nächsten Menschen (Familie, KollegInnen, StudentInnen) wurden während der Dauerankündigung, wir befänden uns in der Fast-Schlussphase und das Buch erschiene in einem halben Jahr, auf eine für sie harte Geduldsprobe gestellt. Sie antworteten mit Sanftmut und Verständnis für diese Ablösungsprobleme von einem gemeinsamen geistigen Kind – gezeugt, getragen, geboren zu Dritt. Neben der Heimarbeit trafen wir uns zweimal jährlich wechselnd an unseren Wohnsitzen
●im bayerischen Wessobrunn,
●in Allenbostel/Lüneburger Ostheide und – als zugehöriges Gegenteil zum dörflichen Teil
●in der Metropole Wien.
Lachen Sie nicht: Die Orte und ihre Einbindung in unterschiedlichste Land- und Stadtschaft prägten auch dies Buch: Es ist gefüllt mit Einladungen zu Überblicken, zu Overviews, mit denen Bewohner von Flachlandschaften leben. Es ist gefüllt mit Tiefengrabungen zu vielen unserer Spezifizierungen in der Musiktherapie, zu denen der Blick von Bergen in Täler einlädt. Und es ist gefüllt mit der Dichte von beidem, Überblicke und Spezialisierungen, die sich teilweise bedingen, teilweise widersprechen, nur erkennbar in der Dichte einer lange gewachsenen Metropole.
Tiefsinnigerweise arbeiteten Dorothea Oberegelsbacher und Tonius Timmermann lange in der Stadt Sigmund Freuds mit seinen Verzweigungen zu C. G. Jung, zu Skinner. Sie, später wir drei, arbeiteten in der Stadt, in der der erste Studiengang für Musiktherapie im deutschsprachigen Westeuropa an der damaligen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst gegründet wurde; wir wanderten nach Hamburg, von wo aus die ersten Hochschulstudiengänge für Musiktherapie in der (damals westlichen) BRD gegründet wurden und trafen uns am meisten in der fast geografischen Mitte bei München, das im Freien Musikzentrum eine der führenden nicht staatlichen Ausbildungen in Musiktherapie anbietet und von dem wesentliche Impulse für neuere Studiengangsgründungen aus gingen (z. B. Augsburg).
Addiert verfügen wir drei über genau 85 Jahre musiktherapeutische und psychotherapeutische Berufserfahrung sowie pädagogische Erfahrung in der Ausbildung junger Menschen in diesem Beruf. Das machte uns angesichts des großen Netzwerks zu anderen KollegInnen und deren Institutionen auch mutig genug, verschiedene Musiktherapieströmungen in dieses Buch zu integrieren – mindestens durch eindrucksvolle Fallbeispielvignetten, die nicht unbedingt unsere eigenen musiktherapeutischen Repertoires spiegeln müssen.
Wir stellten fest, dass wir langsam „weise“ zu werden im Begriff sind – „weise“ i. S. von den beiden Baltes, die 1990 Weisheit definierten als „Expertenwissen im Bereich grundlegender Lebensfragen“ und weiter ausführten, dass zur Weisheit gehören:
●viel Faktenwissen zu verschiedenen Lebensbereichen,
●reichhaltiges Handlungswissen,
●ein hohes Maß an Verständnis der unterschiedlichen (oft widersprüchlichen) Kontextgebundenheiten des Lebens,
●Wissen, dass jedes Urteil immer nur relativ zu persönlichen und kulturellen Wertsystemen gültig ist und
●die Erkenntnis, dass jede Analyse von Lebensproblemen zwangsläufig unvollständig bleibt (Baltes/Baltes 1990).
So viel zu unserer gewachsenen und wachsenden „Weisheit“, die wir denjenigen entgegensetzen wollen, die die Weisheit aus einem Pott löffelten, dessen Inhalt bekanntlich ebenso absolut richtig wie begrenzt ist. Der immerwährende rote Faden: Wir wollten ein Lehrbuch zur Musiktherapie schreiben,
●das wir gerne in unseren eigenen Jahren als StudentIn gehabt hätten,
●das wir als Musiktherapie-Lehrende unseren heutigen Studierenden als Arbeitsmittel an die Hand geben und
●welches KollegInnen unserer und mehr oder minder benachbarter Disziplin sowie
●allgemein Interessierte als Wissens-, Anregungs- und Motivationsquelle hoffentlich mit Gewinn nutzen können.
Mögen Sie, liebe Leserinnen und Leser, ruhig und nüchtern mit diesem Buch arbeiten, mögen Sie dieses und jenes gut finden und anderes zu einseitig – dann holen Sie sich andere Bücher zu Rate.
Gewidmet unseren Studierenden in Augsburg, Hamburg, Wien, Zürich, Tallinn, Budapest, Orenburg/Russland, München, Bozen, Assisi sowie jenen aus unseren freien Seminaren.
Hans-Helmut Decker-Voigt,
Hamburg/Allenbostel – Lüneburger Heide
Dorothea Oberegelsbacher, Wien
Tonius Timmermann, Wessobrunn, München
Einleitung
Hinweise zum Aufbau dieses Lehrbuchs
Wir gingen folgendermaßen an dieses Projekt: Weniger i. S. eines „Synkretismus der Musiktherapie“ („synkretismus“ griech. = Verschmelzung verschiedener Lehren und Kulte mit der Gefahr unkritischer Übernahme von Argumenten anderer). Vielmehr mit der Annäherung, das in diesem Lehrbuch versammelte Wissen eklektizistisch aufzubauen und zwar i. S. des ursprünglichen Ekletizismus (griech. = Denkweise, die neben den eigenen, auch die Argumente der Denkmodelle und Handlungsmodelle anderer einbezieht und den Leser auf die Suche schickt, welche Richtung ihm oder ihr gegenwärtig am nächsten kommt). Es ist diejenige Denkweise, nach der wir auch unsere Studiengänge leiten: Das Lehrbuch folgt – entfernt – dem Aufbau einer Sonate (A-B-A’):
Teil I („Exposition“) beschäftigt sich mit den Grundlagen der Musiktherapie. Hier findet man Historisches, Definitorisches, Theoretisches, Praxeologisches …
Teil II („Durchführung“) orientiert sich am Lebenskreis und wie Musiktherapie darin zu wirken vermag. Dieser Mittelteil nimmt den größten Lese- und Denkraum ein und folgt heutiger entwicklungspsychologischer Betrachtung menschlichen Lebens – bezogen auf seine ganze Lebensspanne – in unserem Kulturkreis. So folgen alle Aspekte zur Rolle und Bedeutung der Musik in der jeweiligen Lebensphase dem Dreierschritt:
●Normalverlauf und Störungsmöglichkeiten,
●Beispiele aus der Praxis,
●Theoriebildung (s. Inhaltsverzeichnis).
Teil III („Reprise und Coda“) greift das thematische Material des ersten und zweiten Teils in Form schlussfolgender Reflexionen auf: Berufliche Identität, Einordnung in den Rahmen der Psychotherapie, Ausblick auf Forschung und Ausbildung sowie Adressmaterial zu Organisationen.
Hinweise zur Benutzung
1) Lehrbücher sind nicht nur zum Durchlesen, sondern zum Nach- und Vorarbeiten und Beschäftigtsein mit Teilthemen. Deshalb verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick durch die Kenntnisnahme der Gliederung im Inhaltsverzeichnis.
2) Zur Vertiefung mit einem Teilthema finden Sie am Schluss eines jeden Kapitels Literaturempfehlungen, mit denen wir gute Erfahrungen beim Ausweiten, Vertiefen und Einbinden des Teilaspekts gemacht haben.
3) Wenn Sie zitieren, so bitten wir Sie, den Namen des jeweiligen Autors eines Kapitels zu nennen und nicht nur das Lehrbuch mit allen drei AutorInnen.
4) Der Adressteil mit Angaben zu Organisationen und Verbänden wurde im besten Wissen der Aktualität erstellt. Da sich aber Adressen am schnellsten ändern, stehen wir gerne für Auskünfte dann bereit, wenn Sie keinen sofortigen Kontakterfolg haben.
5) Wir stehen nicht nur bereit, sondern hoffen auf und danken für Feedbacks, für Anregungen aller Art – aus Ihrer Arbeit mit diesem Buch heraus!