Einsamkeit überwinden

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Einsamkeit überwinden
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DR. DORIS WOLF

Einsamkeit überwinden

Sich geborgen, geliebt und verbunden fühlen



Sich nicht mehr ausgeschlossen

und ungeliebt fühlen.

Wie Sie sich aus

dem Gefängnis der

Einsamkeit befreien.

PAL Verlagsgesellschaft mbH

Seit 35 Jahren der Verlag für praktisch anwendbare Lebenshilfen erfahrener Psychotherapeuten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, abrufbar im Internet über http://dnb.d-nb.de

© PAL Verlagsgesellschaft, München

www.palverlag.de

eISBN 978-3-923614-14-1

17. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

Bild Umschlag: © Maksim Pasko - stock.adobe.com

Bilder Innenteil: © S. 6 Fabrice Villard - unsplash.com

Dr. Doris Wolf arbeitet seit über 35 Jahren zusammen mit ihrem Partner und Kollegen Dr. Rolf Merkle als Psychotherapeutin in eigener Praxis. Die Internetseite der Autorin: www.doriswolf.de

Die Ratschläge dieses Buches sind von der Autorin und vom Verlag sorgfältig geprüft. Autorin und Verlag können jedoch keine Garantie geben und schließen jede Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus. Dieser Ratgeber ersetzt keine therapeutische Behandlung.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil IUrsachen der Einsamkeit

1Fühlen Sie sich einsam?

2Was ist Einsamkeit? Der Versuch einer Beschreibung

3Wie entstehen Gefühle?

Teil IIBeziehung zu sich selbst knüpfen

4Die Liebe zu sich selbst

5Widerstände in Ihrem Kopf

6Wie gewinne ich mehr Selbstachtung?

Teil IIIBeziehungen zu anderen knüpfen

7Wie mache ich mich attraktiv?

8Wie nehme ich Kontakt zu anderen Menschen auf?

9Wie kann ich Menschen treffen?

10Wie gehe ich mit den ersten Kontakten um?

Teil IVBeziehungen zu anderen vertiefen: andere lieben

11Die Angst vor Nähe und die Angst vor dem Verlust

12Wenn der Partner nicht mehr will

13Bewusste Entscheidung zum Alleinsein

14Zusammenfassung der wichtigsten Schritte zur Überwindung der Einsamkeit

Schlusswort


Einleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

lange Zeit habe ich mir überlegt, wie ich am besten mit diesem Buch beginnen könnte. Um das Gefühl der Einsamkeit richtig zu verdeutlichen, müsste ich wohl hundert leere Seiten aneinander heften und auf der letzten Seite das kleine Wörtchen ich notieren. Einsamkeit lässt sich wahrscheinlich besser mit Bildern darstellen als mit Worten.

Einsamkeit ist ein stummes Leiden. Deshalb wird in unsererGesellschaft auch die Zahl der Menschen, die unter Einsamkeit leiden, unterschätzt. Der Einzelne sieht es als eine Art Versagen an, einsam zu sein, und zieht sich immer mehr zurück.

Einsamkeit ist immer verbunden mit Gefühlen von Isoliertsein, Nichtgeborgensein, Ausgeschlossensein, Hilflosigkeit, dem Eindruck des endlosen Fallens in ein tiefes schwarzes Loch.

Aus Untersuchungen wissen wir, dass sich jetzt im Augenblick die Hälfte aller erwachsenen alleinlebenden Menschen und mehr als ein Viertel aller Verheirateten einsam fühlen. Einige fühlen sich schon solange sie sich erinnern können einsam und erwarten auch, ihr restliches Leben einsam zu sein. Andere leiden unter momentaner Einsamkeit, die sie in einigen Wochen oder Monaten überwunden haben werden. Einsamkeit zieht sich durch alle Altersgruppen – Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, das Mittelalter und alte Menschen. Die einsamsten Menschen sind diejenigen zwischen 30 und 40 Jahren, ganz entgegen der Volksmeinung also nicht die alten Menschen.

Einsam sein, bedeutet zu einem wesentlichen Teil das Gefühl haben, von einem ganz bestimmten Menschen oder auch von den Mitmenschen überhaupt nicht mehr akzeptiert, anerkannt und gebraucht zu werden.

Es gibt zahlreiche Statistiken, die verdeutlichen, dass einsame Menschen eine geringere Lebenserwartung haben und sich häufiger in therapeutischer Behandlung befinden als andere Menschen. Alleinsein, den Kontakt mit anderen wünschen, aber die Wege dazu nicht finden können, das ist der schmerzhafte Widerspruch, unter dem der Einsame leidet. Die Angst vor Enttäuschung durch andere und die Angst, andere zu enttäuschen, lähmt den Einsamen.

Damit Sie in Zeiten des Alleinseins nicht in Trostlosigkeit und Verzweiflung verfallen, müssen Sie zweierlei leisten: Sie müssen auf den anderen zugehen, Kontakte aufnehmen können und Sie müssen sich selbst ein Stück weit in sich selbst ruhend, auf sich selbst vertrauend erleben können.

Mit diesem Buch möchte ich in Kontakt mit Ihnen treten. Ich möchte Ihnen die Hand reichen und Sie aus Ihrem schwarzen Loch befreien. Auch für Sie gibt es Sonne, Wärme, Liebe und die Nähe anderer Menschen.

Wie gehen Sie am besten vor, um sich aus der Einsamkeit zu befreien?

Lesen Sie dieses Buch zunèchst einmal Kapitel für Kapitel im Schnelldurchlauf durch, um Ihre Neugierde zu stillen. Dann beginnen Sie, sich nacheinander intensiv mit den einzelnen Kapiteln auseinander zu setzen und die einzelnen Übungen in Ihren Alltag zu integrieren. Fahren Sie erst mit der Bearbeitung der weiteren Kapitel fort, wenn Sie bei sich eine gefühlsmäßige Veränderung verspüren. Ich habe das Buch so aufgebaut, dass Sie lernen, zunächst eine positive Beziehung zu sich selbst zu knüpfen und dann die Beziehung zu anderen aufzunehmen.

Da Einsamkeit bei so vielen Menschen, die sich in unterschiedlichen Lebenslagen befinden, auftritt, kann es sein, dass das eine oder andere Kapitel nicht ganz so wichtig für Sie ist. So könnte es sein, dass Sie verheiratet sind und sich dennoch einsam fühlen. Dann empfinden Sie es vielleicht als nicht wichtig für sich, einen neuen Partner finden zu können. Vielleicht ist es für Sie aber wichtig, neue Freunde zu finden.

Sie sollten auch überlegen, ob Sie nur Teile des Kapitels, zum Beispiel – Wie mache ich mich attraktiv? – auf sich anwenden möchten. Lesen Sie zunächst alle Kapitel durch und freuen Sie sich darüber, dass Sie die eine oder andere Hürde schon genommen haben. Nehmen Sie es als Bestätigung für die Richtigkeit Ihres Weges, auf dem Sie sich befinden.

Ich wünsche Ihnen die Bereitschaft, sich selbst eine Chance zu geben, und die Energie, am Ball zu bleiben.

Ihre Doris Wolf

Ich werde in diesem Buch der Einfachheit halber von „den anderen kennenlernen“ sprechen und meine damit selbstverständlich Männer und Frauen.

Teil I Ursachen der Einsamkeit

Wenn man Menschen danach fragt, was sie unter Einsamkeit verstehen und woher sie kommt, antworten diese meist, dass Einsamkeit dann auftritt, wenn man allein ist. Sie glauben, dass man sich in bestimmten Situationen einfach einsam fühlen muss, und fühlen sich der Einsamkeit ausgeliefert. Sie haben als Folge davon Angst vor der Einsamkeit im Alter, im Urlaub, am Wochenende, nach der Trennung und in vielen anderen Situationen.

Mit dieser Auffassung über Einsamkeit gibt es keine Möglichkeit, die Einsamkeit jemals selbst aktiv zu überwinden. Bevor wir darangehen können, an der Überwindung der Einsamkeit zu arbeiten, müssen wir deshalb zunächst genau überprüfen, was es mit der Einsamkeit auf sich hat.

 

In Teil I werden Sie erfahren, wie stark Ihre Einsamkeitsgefühle ausgeprägt sind und wie Einsamkeit und alle anderen negativen und positiven Gefühle entstehen.

1Fühlen Sie sich einsam?

Der folgende Fragebogen hilft Ihnen, den Grad Ihrer Einsamkeit einzuschätzen. Lesen Sie sich jede einzelne Frage sorgfältig durch und kreuzen Sie an, wie häufig Sie so fühlen, denken oder handeln. Es gibt keine richtigen und falschen Antworten. Es geht darum, für sich selbst herauszufinden, wie stark Sie in Ihrer Einsamkeit gefangen sind.

Fragebogen zur Einsamkeit
1. Fühlen Sie sich einsam?


2. Haben Sie Freunde, die sich um Sie bemühen?


4. Fühlen Sie sich abgelehnt und ungeliebt?


5. Können Sie es alleine mit sich aushalten und sich beschäftigen?


6. Haben Sie einen oder mehrere Freunde, bei denen Sie sich geborgen fühlen?


7. Denken Sie, dass Sie liebenswert sind?


8. Denken Sie, dass alle anderen besser, intelligenter, attraktiver sind als Sie?


9. Denken Sie, dass Sie es nicht anders verdient haben, als einsam zu sein?


10. Sind Sie unglücklich darüber, so viele Dinge alleine tun zu müssen?


Wenn Sie die einzelnen Fragen beantwortet haben, können Sie die Zahlen, die über Ihren Kreuzchen stehen, zusammenzählen. Das Ergebnis beträgt im Höchstfall 40, das heißt Sie sind sehr einsam, und im besten Fall 0, das heißt Sie fühlen sich nicht oder nur ganz selten einsam. Je höher die Zahl ist, desto einsamer fühlen Sie sich.

Der erste Schritt, aus der Einsamkeit herauszufinden, ist zunächst zuzugeben, dass Sie einsam sind.

Gleichgültig was Sie gewählt haben, um Ihre Einsamkeit nicht so zu spüren – Flucht in Alkohol, Medikamente, Arbeit, Schlaf, Langeweile, Grübelei – sie ist da und Sie können sie überwinden. Wagen Sie es, zu Ihrer Einsamkeit zu stehen und die Augen nicht vor ihr zu verschließen. Erst die genaue Diagnose ermöglicht es Ihnen, etwas dagegen zu unternehmen.

Sie sind nicht der einzigste Mensch auf der Welt, der sich einsam fühlt. Einsamkeit ist ein Gefühl, das jedem Menschen vertraut ist. Aber auch jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, seine Einsamkeit hinter sich zurückzulassen. Sie haben die Fähigkeit, sich aus Ihrem Käfig zu befreien, in den Sie sich eingesperrt haben!

2Was ist Einsamkeit? Der Versuch einer Beschreibung

Tagtäglich erlebe ich Menschen in meiner Praxis, die unter Einsamkeit leiden. Einige waren bereit, sich zu öffnen und Ihnen ihre Gefühle mitzuteilen. Sie haben dabei die Form und Sprache gewählt, die ihre Einsamkeitsgefühle am besten widerspiegeln können.

Herr G., 35 Jahre alt, fühlte sich einsam, nachdem seine Frau sich von ihm getrennt hatte: „Einsam fühle ich mich dann wenn ich eine Hand suche und nur Worte finde.“

Herr D., 27 Jahre alt, allein lebend: „Vor allem im Alter von 17 bis ca. 21 Jahren hatte ich starke Einsamkeitsgefühle. Hauptsächlich abends oder wenn ich zu Bett ging. Ich war alleine im Bett und ich hatte eine so starke Sehnsucht nach einer Frau oder nach der Frau, welche ich gerade liebte. Ich musste fast jeden Abend stark weinen, aber ich tat es leise, damit es niemand von den Familienangehörigen bemerkte. Es war mir peinlich und es wurde auch nie in unserer Familie und in meinem Bekanntenkreis über Liebe, Sexualität und Partnerschaft gesprochen. Ich behielt alles für mich. Sogar die Frauen, welche ich so stark liebte, wussten kaum von meinen Gefühlen und um meinen Schmerz. Wenn ich so stark verzweifelt war, nahm ich oft mein Kopfkissen und drückte es fest an mich und küsste es. Oft lag ich die halbe Nacht wach im Bett und machte mir Gedanken, stellte mir vor, wie schön es sein könnte, wenn ... und war am träumen.“

Frau L., 40 Jahre alt, fühlte sich einsam, nachdem sie sich entschieden hatte, sich von ihrem Partner, der mit einer anderen Frau verheiratet ist, zu trennen: „Ich habe Sehnsucht nach ihm, warte auf ein Zeichen, das nie kommen wird. Ich warte, wie immer, auf ein Wunder, das plötzlich alle meine Probleme löst. Ich rauche wie ein Schlot. Der Tag heute ist schlimm. Ich fühle mich alt, hässlich und krank. Ich habe Sehnsucht nach ihm. Alles, was ich sehe, erinnert mich an ihn. Ich bin nicht fähig, klar zu denken und zu handeln. Alles, was ich tue, möchte ich ihm mitteilen, und dann, meine ich, hat das Erlebte einen Inhalt für mich. Ohne ihn fühle ich mich leer und ausgepumpt. Er verkörpert im Augenblick alles, was ich für mich selbst gerne hätte. Ich hätte ihn gerne als Vehikel, mit dem ich meine eigene Unzulänglichkeit überwinden könnte.“

Frau K., 56 Jahre alt, verheiratet: „Es kommt ganz plötzlich dieses Gefühl der Einsamkeit. Man fühlt sich unverstanden, ausgeschlossen, auch inmitten von Gesellschaft. Man ist Gefangener seiner eigenen Gedanken. Es ist wie ein Weg durch die Wüste. Keine Oase. Die Angst weicht nicht, auch Unsicherheit, Zweifel, ja sogar Verzweiflung. Man hat nur einen Wunsch, schlafen, schlafen und am besten nicht mehr aufwachen.(tm)“

Frau B., 34 Jahre alt, allein lebend: „Manchmal, wenn ich zum Fenster hinausschaue, hauptsächlich bei schönem Wetter, dann könnte ich weinen, weil mein Leben mit 34 Jahren einfach so an mir vorbeiläuft und nichts Besonderes geschieht (ohne Partner) und ich denke, das wird so gehen, bis ich 40 Jahre bin, und dann sind sowieso die schönsten Jahre einer Frau vorbei. Und diese Jahre habe ich so sinnlos verbraucht. Andere haben einen Partner und in ihrem Leben geht es weiter (Kinder werden groß) und bei mir bleibt alles beim Alten. Ich bleibe immer auf der gleichen Stufe stehen. Dann frage ich mich, was dieses Leben dann noch für einen Sinn haben soll, wenn man als Zuschauer lebt. Ich komme mir vor, wie wenn ich gelebt werde und nicht selbst am Leben teilhabe, nur existiere. Ein schlimmer Schicksalsschlag im Leben und das ganze Leben ist vorbestimmt. Wie schön es doch manche haben, bei denen alles von Kindheit, Jugendzeit bis zur Frau behütet und geordnet ist, dann hat man ganz andere Voraussetzungen, die das Leben schön und leicht machen. Dann sagen manche, man könnte es noch schlimmer treffen, da das stimmt, muss man auch froh sein, dass man wenigstens körperlich gesund ist. Das ist natürlich auch eine Ansicht.“

Frau M., 24 Jahre alt, befreundet: „In mir ist eine stille Wut erwacht, nach einem Gespräch mit Marianne. Auch sie gehört zu denen, die mich nicht akzeptieren, wie ich nun mal bin. Ich habe sie satt, diese Leute, die glauben, sie müssten mich auf ihren richtigen Weg bringen und am meisten ärgert mich, dass mich das nicht kalt lässt. Wenn ich allein bin, fühle ich mich eigentlich ganz wohl mit mir. Warum hört das auf, sobald ich mit anderen Menschen zusammen bin? Warum finde ich die anderen grundsätzlich besser, interessanter als mich? Nein, die Frage: „Warum“ ist falsch, dass es an meiner Erziehung liegt, weiß ich – meine Mutter fand nie etwas gut, was ich getan habe, und alle Initiativen, die ich zeigte, wurden unterdrückt oder zumindest angezweifelt. Aber ich will nicht mein ganzes Leben unter den Fehlern meiner Erziehung leiden. Mit allen Freunden, sowohl in Liebesbeziehungen wie in sonstigen Freundschaften, lief immer das gleiche Schema ab. Wenn es nicht so war, habe ich erstaunlicherweise die Kontakte abgebrochen. Ich habe meine Person nicht behauptet und jetzt ist sie mir verloren gegangen. Ich habe immer nur versucht, es anderen recht zu machen, so dass ich jetzt nicht mehr weiß, was ich eigentlich glaube und denke. Ich weiß nur, ich habe es satt, so wie es jetzt ist. Immer habe ich langsam aber sicher die Leute, an denen mir etwas lag, davon überzeugt, dass ich wertlos bin. Aber nicht durch direkte Worte, durch was aber dann? Durch Verhaltensweisen, stetiges Bereitsein, ohne eigene Wünsche, wenig Eigeninitiative. Ich muss mir wohl selbst einen Wert verschaffen: Dazu muss ich zunächst von zuhause weg, mich selbst ernähren, ganz und gar, nicht nur halb unerreichbar sein für Muttis Eingriffe, die Kräfte nicht für Kämpfe zuhause verbrauchen. Ich brauche aber wenigstens eine Person, bei der ich mich aussprechen kann, ohne negativ bewertet zu werden. Dinge verfolgen, machen, die mir Spaßmachen, zunächst allein, bis ich mir sicher bin, dass ich das, was ich tue, auch wirklich gern tue, und ich mit der Situation des Alleinseins besser zurechtkomme. Mich bei allem, was ich sage, zuerst selbst frage, was ich wirklich darüber denke, und nicht das sage, was ich irgendwo gelesen habe oder von einem mir „wertvollen“ Freund gehört habe, weil es gerade so schön zu dem passt, was mein Gesprächspartner von sich gibt.“

Frau R., 45 Jahre alt, getrennt lebend: „Warum suche ich immer Männer, die mich leiden lassen? Warum haben mich normale Verhältnisse nicht interessiert? Selbst wenn kein Anlass dazu ist, schaffe ich mir wenigstens einen. Es fehlt mir in jeder Beziehung, die mir etwas bedeutet, das Vertrauen in mich selbst. Ich kann nicht glauben, dass ich auch ein besonderer Mensch bin. Ich gestehe es bereitwillig vielen anderen zu, mir nicht. Beziehungen, die unsicher sind, bestätigen mir natürlich jedesmal meine Unzulänglichkeit. Es läuft immer der gleiche Film: Du siehst ja wieder einmal, du kannst keinen Mann halten. So etwas wie du taugt ja auch gar nichts. Alle Frauen sind besser und schöner als du.“

Alleinsein muss nicht Einsamkeit bedeuten

Bevor ich auf die Ursachen der Einsamkeit eingehe, möchte ich auf den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit zu sprechen kommen. Viele einsame Menschen glauben, dass man sich in dem Augenblick, in dem man alleine ist, auch einsam fühlen muss. Sie sehen das Alleinsein als die Ursache der Einsamkeit an. Und sie sehen die Anwesenheit eines anderen als Heilmittel gegen die Einsamkeit an. Dieser Ansicht kann ich mich nicht anschließen. Ich halte die Trennung der beiden Begriffe Alleinsein und Einsamkeit für sehr wichtig.

Der Zustand des Alleinsein heißt nichts anderes, als dass in diesem Augenblick kein anderer Mensch anwesend ist. Dieser Zustand kann als befreiend und stärkend oder als lähmend angesehen werden. Alleinsein kann eine Chance sein, sich selbst besser kennenzulernen und seine eigenen Kräfte zu erfahren. Das Alleinsein kann es uns ermöglichen, uns absolut nach unseren eigenen Bedürfnissen zu entfalten. Perioden des Alleinseins können die fruchtbarsten unseres Leben sein, wenn wir sie einfach annehmen, um uns selbst zu erfahren. Alleinsein kann als Chance und als Strafe erlebt werden.

 

Von Einsamkeit sprechen wir dann, wenn wir das Alleinsein oder Zusammensein mit anderen als Ausgeschlossensein und Verlassensein erleben. Einsam sein bedeutet, sich seelisch von sich und anderen Menschen getrennt zu fühlen.

Einsamkeitsgefühle können vorübergehend auftretenoder Dauergast sein. Sie können auftreten,

•obwohl Sie verheiratet sind,

•obwohl Sie einen Beruf haben,

•obwohl Sievon anderen gemocht werden,

•obwohl Sie noch jung sind,

•obwohl Sie Freunde haben,

•obwohl Sie attraktiv sind,

•obwohl Sie erfolgreich sind,

•obwohl Sie Kinder haben,

•obwohl Sie in der Stadt leben,

•obwohl Sie auf dem Land leben,

•obwohl Sie in einem Verein sind.

Sie können auftreten, wenn Sie pensioniert werden,

•wenn Ihr Partner sich von Ihnen trennt,

•wenn die Kinder in die Schule oder aus der Schule kommen,

•wenn die Kinder ausziehen,

•wenn Sie die Stelle verlieren,

•wenn Sie krank sind,

•wenn Sie in einer geselligen Runde zusammensitzen,

•an Festtagen, an Wochenenden,

•wenn der Partner stirbt,

•auf Partys, im Theater, Kino etc.

•im Urlaub, auf dem Bahnhof,

•nachts.

Ich könnte die Aufzählung noch beliebig fortsetzen, aber ich erspare uns das. Sie könnten geradezu den Eindruck bekommen, gegen den Einsamkeitsbazillus sei man nirgendwo gefeit und dafür gebe es kein Heilmittel. Sie haben Recht. Ein dauerhaftes Heilmittel gibt es nicht – aber es gibt Möglichkeiten, unsere Abwehr zu stärken und besser damit umzugehen, wenn die Einsamkeitsgefühle auftauchen.

Es gibt zwei denkbare Erklärungsansätze für Einsamkeit:

1.Einsamkeit entsteht aufgrund äußerer Umstände und Situationen.

2.Einsamkeit entsteht aufgrund bestimmter persönlicher Einstellungen.

Aus den einzelnen Beschreibungen meiner Klienten erkennen Sie, dass Einsamkeit weitgehend unabhängig ist von Alter, Geschlecht und Stand, also davon ledig, verheiratet, geschieden zu sein. Einige Menschen leben nur stundenweise von ihrem Partner getrennt und fühlen sich einsam. Andere leben Monate oder Jahre getrennt und verlieren ihre Sicherheit nicht. Es gibt keine Regel, nach der wir sicher sagen können: „Du und du, ihr werdet euch in dieser Situation einsam fühlen.“ Die erste Erklärung, dass wir uns in bestimmten Situationen einfach einsam fühlen müssen, trifft also nicht zu. Die äußeren Umstände können die Einsamkeit mit beeinflussen, aber nicht verursachen.

Die Fähigkeit, Einsamkeit zu empfinden, besitzt jeder Mensch. Es gibt kaum einen Menschen, der sich nicht schon einmal in seinem Leben einsam gefühlt hat. Generell lassen sich drei Phasen der Einsamkeit unterscheiden: