Plan C

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Plan C
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Doris Nox

Plan C

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Impressum neobooks

Kapitel 1

Der Wecker reißt mich aus der schönsten Stelle meines Traumes.

Draußen ist es noch dunkel.

Ich beschließe, liegen zu bleiben und schalte rasch den Wecker aus. Dann kuschle ich mich noch tiefer in meine warme Decke und stelle mir kurz vor, was Helena wohl sagen wird, wenn ich nicht pünktlich im Büro antanze.

Die Autos hetzen am geöffneten Fenster vorbei, während ich lieber dem fröhlichen Gezwitscher der Vögel im Garten lausche, bevor ich in aller Ruhe meinen Traum zu Ende zu träume.

Irgendwann stehe ich auf und bereite mich genüsslich auf den heutigen Tag vor.

Valentin ist bereits unterwegs.

Es ist schrecklich, mit einem Frühaufsteher zusammen zu wohnen.

Valentin ist nämlich abends immer so früh müde. Doch gestern konnte ich ihn nach dem Abendessen noch zu einem kleinen Spaziergang überreden.

Ich wollte ihm etwas Wichtiges zeigen.

Der Vollmond tauchte die Flusslandschaft in silbriges Licht und während wir auf die glatte, schimmernde Wasseroberfläche des Flusses starrten, lauschte Valentin neugierig meinen Ausführungen.

Erst zu Hause bemerkten wir, wie durchgefroren wir waren von der frostigen Nacht. Zu rockiger Musik schälten wir uns langsam aus unseren Klamotten und ich begann, wild im Wohnzimmer umher zu tanzen, während Valentin ins Badezimmer trottete.

Ich rufe Helena an und teile ihr mit, dass ich verschlafen habe und in 30 Minuten bei ihr bin. Sie reagiert erstaunlich gelassen.

Als ich nach Hause komme, hat Valentin die Küche in Beschlag genommen.

Eigentlich mache ich mir nichts aus Essen, aber wenn Valentin kocht, werde ich schwach. Aus den einfachsten Zutaten kann er die besten Gerichte zaubern.

Neugierig schaue ich in die Kochtöpfe und in den Backofen.

Dann schwant mir etwas und schaue ihn erschrocken an.

„Dachte ich mir – du hast vergessen, dass wir heute Abend Besuch von Maximilian und Melanie bekommen!“

Meine gute Laune ist wie weg geblasen.

Nur die Aussicht auf Valentins hervorragendes Essen kann mich trösten.

Dennoch frage ich hoffnungsvoll:

„Muss das wirklich sein? Müssen wir ausgerechnet diesen Abend mit unseren langweiligen Nachbarn verbringen?“

„Ja, das muss sein. Die beiden laden uns schließlich auch regelmäßig zu sich ein und eigentlich wären wir bereits vor zwei Monaten dran gewesen.“

Wie schnell doch die Zeit bei angenehmer Beschäftigung vergeht!

Valentin nimmt das angenehm duftende Brot aus dem Backofen.

Und ich seufze.

Mir macht es keinen Spaß, dieses unauffällige, angepasste Leben zu führen, das Helena von uns erwartet, während Valentin damit kein Problem mehr zu haben scheint.

Hingebungsvoll tunke ich mit einem Stückchen Walnussbrot die Sherry-Sauce aus dem kleinen Topf.

„Hey Doro - und was ist mit euch?“

Ich habe mal wieder nicht zugehört und schaue Maximilian fragend an.

Dabei merke ich, wie mir Soße langsam und feucht an den Mundwinkeln herunterläuft. Geschickt fange ich das kostbare Nass mit Hilfe meiner Zunge auf.

Melanie kichert.

Valentin räuspert sich und flüstert Maximilian etwas zu.

Melanie kann sich nicht länger zurückhalten und teilt mir überglücklich mit:

„Wir heiraten!“

„Glückwunsch!“, antworte ich, artig lächelnd und wende mich schnell wieder meiner Sherry-Soße zu, denn warm schmeckt sie einfach am Besten.

Kapitel 2

Obwohl ich nicht alles gut heiße, gefällt es mir sehr gut auf diesem Planeten.

Allerdings muss ich mir auch sehr viel Mühe geben, nicht allzu viel gute Laune zu versprühen. Denn jemand, der nie nörgelt, macht sich verdächtig. Seit geraumer Zeit existiere ich nun diesem menschlichen Körper und ich glaube, so langsam bekomme ich das Frettchen, also meinen Body, in den Griff. So wie ich Helena, meine Entwicklerin verstanden habe, hat sie mich in den Kopf einer Verrückten implantiert, damit ich meine Intelligenz vollumfänglich einsetzen und in die große, weite Welt tragen kann.

Wenn es nach mir ginge, würde ich am liebsten in einer einsam gelegenen Berghütte wohnen. Doch Helena ist strikt dagegen und ich habe keine Lust auf unnötige Diskussionen mit ihr.

Ist es nicht beängstigend, mit welch energiefressenden Diskussionen die meisten Menschen ihr Leben verplempern?

Anstatt auf einer Berghütte lebe ich mit Valentin in einer ehemaligen Bergmanns-Siedlung. Bei uns wohnen außerdem Bob Dylan und Leonard Cohen, ein kleiner munterer Kanarienvogel und ein Riesen-Kater, genannt Leo.

Anfangs war ich strikt gegen diesen lauten Piepmatz, aber Valentin hat mich dann doch überzeugt.

„Wir wohnen hier in einem ehemaligen Bergbau-Gebiet!“

„Ja, und?“

„Der Kanarienvogel gehört zur Bergbau-Siedlung, wie das Kamel in die Wüste! Falls Bob Dylan aufhört zu singen, wissen wir, dass die Luft wird für uns knapp wird, wie damals die Kumpel unter Tage!“

Es ist Sonntag.

Valentin ist auf irgendeiner Fortbildung und nachdem ich Bob Dylan neue Lieder beigebracht habe, klettere ich mit Leo auf den Dachboden.

Wir haben dort noch immer nicht alle Schätze gesichtet, denn bevor wir die Sachen weg werfen, sollen wir sie eingehend für wissenschaftliche Zwecke inspizieren.

Na ja, eigentlich bin nur ich diejenige, die diese staubige Arbeit macht. Bisher hat Valentin sich elegant davor gedrückt, mit mir auf den Dachboden zu steigen.

In einer dunklen Ecke entdecke ich einen großen, alten Koffer und tauche ein in die bewegte Geschichte der ehemaligen Bewohner, während Leo sich an mich schmiegt und beruhigend schnurrt. Ich finde Zeugnisse voller Hass, voller Liebe, voller Zweifel und voller Hoffnung und bin froh, dass ich kein richtiger Mensch bin.

Dann packe ich alles wieder sorgfältig in den Koffer und beeile mich, den schweren Koffer nach unten zu schleppen, um den Inhalt im Kamin zu verbrennen.

Kurz darauf kommt Valentin zurück.

Bob Dylan empfängt ihn mit seinem neuen Song.

Valentin lacht und schmettert ausgelassen mit: „Smoke on the water, fire in the sky ..“.

„Und, konntest du heute endlich die Welt endlich retten? Denn dann hättest du endlich auch mal wieder Zeit, mir eine Torte zu backen und die Waschmaschine zu reparieren!“

Valentin zwinkert mir zu.

„Die Waschmaschine hast du doch gestern schon selbst repariert, Doro. Glaubst du wirklich, ich hätte das nicht bemerkt?“

„Naja, gesagt hast du zumindest noch nichts“, schmolle ich.

„Außerdem geht es gar nicht darum, die ganze Welt auf einmal zu retten. Es muss immer auch noch das Böse, das Negative geben, damit niemand zu leichtsinnig wird und sich in falscher Sicherheit wiegt.“

Ein seltsames, undefinierbares Gefühl überkommt mich, als Valentin mir tief in die Augen schaut.

„Was ist mit meiner Torte?“ Ich kann sehr hartnäckig sein.

Valentin hebt die Augenbrauen und verzieht er sich in die Küche. Erst jetzt fällt mir mit Schaudern wieder ein, dass wir heute Abend schon wieder Besuch bekommen. Obwohl ich starke Fluchtgedanken wahrnehme, folge ich Valentin in die Küche und übernehme die Zubereitung des Desserts.

Zumindest die Aussicht auf ein gutes Essen, versöhnt mich wieder ein bisschen mit meinem Schicksal.

 

Die Soße mit Madeira ist ein wahres Gedicht. Es ist noch erfreulich viel übrig in der Sauciere und ich genehmige mir noch eine zweite Scheibe Brot, um die allerletzten Reste herauszuschaufeln.

„Hey Doro - und was ist mit euch?“

Ich schaue Maximilian an, während ich eilig die Soße von meinen Lippen lecke.

Melanie kichert.

Valentin räuspert sich und flüstert Maximilian etwas zu.

Melanie kann sich nicht länger zurückhalten und teilt mir überglücklich mit:

„Ich bin schwanger!“

„Großartig!“, trompete ich mit vollem Mund anerkennend in Richtung Maximilian und sorge dafür, dass ich nicht allzu dumm aus der Wäsche schaue.

Kapitel 3

„Menschen sind kompliziert und komplex. Im Laufe ihres Lebens spielen Sie ganz verschiedene Rollen. Und immer schlummert in ihnen dieses kleine, verletzliche Kind, das sie einmal waren und an das sie sich nicht mehr erinnern können. Daher sind menschliche Wesen sehr fragil und jedes Wesen reagiert auf seine ganz eigene und ganz besondere Art und Weise auf das Leben.“

„Es kommt der Tag, da will auch künstliche Intelligenz leben!“

Helenas Grinsen bringt mich zur Weißglut und ich fixiere die Orchidee, die neben mir auf dem Schreibtisch steht.

Prima Wurfgeschoss!

Doch das sanfte Lamm, in dessen Haut ich stecke, denkt gar nicht daran, meine Befehle auszuführen.

Ich bin den Tränen nahe und schluchze:

„Wieso durfte ich nie Kind sein? Wieso hast du mich so brachial in diese Welt gebracht und mich so unvorbereitet auf die Menschheit los gelassen? Wieso durfte ich nie Kind sein!“ Zornig stampfe ich mit dem Fuß auf.

„Weil wir keine Zeit mehr haben für eine weitere Generation, die ihre Kindheit mit Spiel und Spaß verplempert. Wir brauchen jetzt die richtigen Leute an der richtigen Stelle, sonst ist es zu spät!“

„Du, mit deinem seltsamen Verständnis von Zeit. Also …!“

„Verschon‘ mich mit deinen komplizierten Erklärungen, Doro. Es ist höchste Zeit für einen neuen Plan!“

„Verschon‘ du mich bitteschön mit deinen lächerlichen Plänen, die sowieso nicht funktionieren! Plan C, D oder E? XY oder Z? Die taugen doch alle nicht. Das sind doch nur austauschbare Alternativen in deinem limitierten Gehirn! Du kennst meine Meinung zu deinen halbherzigen Plänen, der nichts bewirkt, als genau so weiterzumachen, wie bisher, liebste Helena! Wenn du schon Algorithmen einschaltest, dann solltest du ihnen wenigstens vertrauen. Ansonsten das Verbrechen, nicht gehandelt zu haben, um so größer!“

Reden strengt mich an, weil ich so unglaublich viel schneller im Denken bin.

Ich verbrenne mir die Zunge an dem viel zu heißen Kaffee und fauche mit zusammengekniffenen Augen:

Helena seufzt und streicht sich die Haare aus dem blassen Gesicht.

„Keine Ahnung, wieso du dich ständig wie ein Kind in der Trotzphase oder in der Pubertät aufführen musst. Könntest du bitte mal damit aufhören? Das ist doch lächerlich! Sieh dich doch mal an!“

Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich springe auf und renne in den Flur, wo der große Spiegel hängt. Ich sehe noch immer die adrette Frau, die ich angeblich sein soll. Ich nicke ihr aufmunternd zu: „Wird schon, Schnuckelchen!“

Als ich zurückkomme, steht Helena da, wie ein begossener Pudel.

Ich liebe diesen kleinen, begossenen Pudel – auf meine ganz eigene und ganz besondere Art und Weise.

Ich will gerade gehen, als ein unvorhergesehener Gast aufkreuzt. Es ist Theo, ein besonders verschrobener Freund und Kollege Helenas.

Wenn dieser Kerl aufkreuzt, bedeutet das nie etwas Gutes für mich und ich versuche, zunächst nur mental, eine Lösung zu finden, wie ich ihn für immer loswerden könnte.

Schnell will ich mich nach einer eiskalten Begrüßung aus dem Staub machen.

Doch Helena bittet mich so flehend, noch etwas zu bleiben, dass ich ihr zuliebe wie angewurzelt im Flur stehen bleibe.

„Heute gibt es Hühnchen in Zitronensoße. Deshalb muss ich unbedingt pünktlich zum Abendessen zu Hause sein“, sage ich betont langsam und fixiere dabei Theo, wie eine Schlange das Kaninchen.

„Ich kann auch nicht ewig bleiben“, versucht Theo, mich zu beruhigen.

„Jaja, Zeit wird immer kostbarer, je älter man wird“, philosophiere ich, wohl wissend, dass Theos Körper genau doppelt so alt ist, wie mein junger, knackiger Körper.

„Der Wert der Lebenszeit schießt im Alter exponentiell in die Höhe. Wie schnell sind die letzten 20 Jahre deines Lebens verflogen? Und niemand weiß, wie viele Jahre dir noch bleiben. ..“

Ich bin in Hochform und schaue triumphieren von Helena zu Theo und wieder zu Helena. Die beiden schweigen.

„Wünsche den Herrschaften noch einen harmonischen Abend“, zische ich und strebe zur Ausgangstüre. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur an das Hühnchen denke.

„Take it easy, altes Haus! Es gibt immer eine gute, eine schlechte und eine humorvolle Seite“ rufe ich Helena aufmunternd zu, bevor ich endgültig von dannen ziehe.

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