Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren

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Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren
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Dieter Kremp

VON DER WEISHEIT UND VOM BRAUCHTUM UNSERER BÄUERLICHEN VORFAHREN

Der Alltag auf dem Dorfe in der guten alten Zeit

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto © Tino Hemmann

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Weißt du noch, wie es früher auf dem Dorfe einmal war? Es gibt einen „Garten Eden“, ein Paradies auf Erden, aus dem wir nicht vertrieben werden. Es ist das Paradies der Erinnerungen an unsere Kindheit.

Je älter wir werden, umso stärker tauchen die Erinnerungen an unsere Kindheit in uns auf. Und oft schwelgen wir in längst vergangenen Zeiten – und unstillbare Wehmut lässt uns Tränen vergießen.

Der pensionierte Rektor und bekannte Autor Dieter Kremp schildert in diesem Buch einfühlsam und nachdenklich das bäuerliche Leben in den vierziger und fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, oft in Anlehnung an seine eigene Familiengeschichte. Der Autor entführt in die fast vergessene Welt des Dorfalltags.

„Einst war der Gartenzaun ein hölzernes Tor zu wundersamen Welten“, erinnert sich Dieter Kremp. „Hier arbeitete man nicht nur tagsüber, hier wohnte und feierte man an lauen Sommerabenden. Am späten Abend nach getaner Arbeit saß man gemütlich unter dem Walnussbaum zusammen, der als Dorfbaum zu jedem Bauernhof gehörte, wohl wissend, dass der Geruch der Walnussblätter Stechmücken vertrieb.“

Das Buch ist gewidmet meinen Urgroßeltern Magdalena und Konrad Raber, meinen Großeltern Karl und Karoline Neu, Margarethe und Ludwig Kremp, meinen Eltern Bertha und Ludwig Kremp, und als Vermächtnis für unsere Vorfahren meinen Enkelkindern Helena, Joshua und Samuel.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Ein hölzernes Tor zu wundersamen Welten

Der alte Bauernhof

Hausschlachtungen früher

Wie Großmutter noch Sauerkraut einlegte

Als Großmutter noch den „Laxem“ rührte

Als es noch Eichelkaffee und Bucheckerferien gab

Wenn die Zeit eilt

Spinn- und Strickabende unserer Vorfahren

Als es noch Eisblumen am Fenster gab

Eisblumen am Fenster

Als die Kornmutter noch im Kornfeld wachte

Vom „Korekaschde“ und dem „Kaffeeblech“

Die erste und die letzte Garbe

Gut gedengelt und gesenst

Als es den „Wannerschdaach“ noch gab

Schalmeien am Kuckuckstag

Das Brauchtum des Maisingens

Neue Besen kehren gut – In der Besenbinderstube meines Großvaters

Vom Pflügen, Eggen und Säen unserer bäuerlichen Vorfahren im März

Als die Schulmeister noch bettelarm waren

Selbst gesponnen, selbst gemacht

Das Zimtwaffeleisen meiner „Großel“

Vom „Strohpatt“ und der „Binsegoth“

Von der „Katzenmusik“ bis zum „Leichenimbs“

Als noch das „Heimsje“ auf dem Bauernhof auf der Pirsch war

Der „Pfingstquak“ im Ostertal

Als die Frösche noch quakten

Als die „Kersche“ noch „bockich“ waren

Mit der Schelle unterwegs: „Pass off, de Schitz kommt meddem Stecke“

Vom Großknecht und vom Kleinknecht auf dem Bauernhof

Vom Aberglauben im Ostertal

Von der Bullenzucht früher im Bauerndorf

Der Hahn, der Ritter im Dorf

Als der „Grombierekewwer“ noch von Schulklassen auf den Kartoffelkäfern abgesammelt wurde

Von Bauerntrachten im Dorf

Das alte Bauernhaus

Hausbau und Richtfest

Der Einzug in das neue Haus und die damit verbundenen Bräuche

Gegenstände mit schützenden Eigenschaften im und am Bauernhaus sowie heilige Tiere und Pflanzen

Sitten und Bräuche der Volksgemeinschaft im Wandel eines Jahres

Wie meine Großmutter noch die „schäle Migge“ vertrieb

Von der Heublumenmedizin meiner Urgroßmutter

Als noch Fuhrleute und Kutscher auf den Dorfstraßen unterwegs waren

Allerlei Aberglauben um die Rabenvögel

Als die Dorfstraßen noch gekehrt wurden

„Wo ein Schaf hingeht, da gehen sie alle hin“ - Vom Schafhirt im Bauerndorf

Bauerntracht – Selbstgemacht

Die Rezepte der Bauersfrau, der halben Doktorin

Eigener Herd ist Goldes Wert

Die vielen Berufe der Bauersfrau

Der Bauer- der Patriarch auf dem Hof

Vom krumm und bucklig Schaffen der Bauern

Der Sperling auf dem Dach

„Maikäfer, flieg …“

Maikäfer Summsebrumm

„Er liebt mich, liebt mich nicht …“

Seifenblasen auf der Wiese

Als früher noch die Glühwürmchen in der Johannisnacht leuchteten

Von fratzigen „Rommelboozen“ und Kartoffelfeuern

Drachen tanzten über den Stoppelfeldern

 

Vom Ostereiersuchen und der Hexennacht

Als noch die „Tratschtante“ im Dorf unterwegs war

Als noch die Kirmes „begraben“ wurde

Das „Kranzheraustanzen“ an der Kirmes

Von Haus und Hof und allem, was sich dort tummelt

Das liebe Vieh auf dem Bauernhof

In der „gudd Stubb“ meiner Urgroßmutter

Jahrmärkte nach der Erntezeit

Was Großvater noch wusste – Wie man Lagerkartoffeln und Obst überwintert

Was Großvater noch wusste – Der Trick mit den Kartoffeln

Wie die Saat, so die Ernte

Vom Aberglauben unserer Vorfahren zum Schutz der Ernte

Als es im Keller noch eine „Wäschkich“ gab

Von der Prügelstrafe und der Backpfeife in der Schule

Wie unsere Vorfahren Donner und Blitz bannten

Von „Bengeln“ und Nüssen

Auf der Ruhebank unterm Walnussbaum

Als das Schneeballwerfen auf den Straßen noch verboten war

Die Bäuerin war auch eine gute Hausmutter

Auf dem Bauernhof ständig auf der Pirsch – die Katze

Wenn der Maulwurf nervt

Kompost war die Sparbüchse für den Bauerngarten

Meine „Großel“ und ihre Barbarazweige

Vor 200 Jahren gab es noch Winterschulen – Die Lehrer waren damals Bauern und Handwerker

Friedhofsordnung früher: Im Leichenzug gehen der Lehrer und die Schuljugend vor der Bahre

Riechkräuter im Bauerngarten

Blumenschmuck im Bauernhaus

Ein Sträußchen Mutterkraut zum Muttertag

Zum Schmunzeln bestimmt: Aus Urgroßvaters Gartenratgeber von 1887

Was Großvater noch wusste: Säen nach dem Blühkalender der Natur

Die Maikönigin tanzte um den Maibrunnen

Maibrunnenfeste mit Frau Holle

Vom Tanz unter dem Maibaum

Auch die „Richtmaie“ beim Hausbau war ein Maibaum

Als meine Schwestern noch Ehelehre, Säuglingslehre und Erziehungslehre in der Schule hatten

Zur Hochzeit pflanzte man einen Apfelbaum

Großmutter und ihr Butterfass

Am Kuckuckstag schnitzte Großvater Rindenflöten für uns

Als es noch eine Landwirtschaftsschule gab

Was Großvater noch wusste: Der erfahrene Pflanzendoktor bei der Arbeit – wie er Ameisen und Maulwurfsgrillen bekämpfte

Der „Pfingstbutz“ holt den Sommer rein

Von Pfingstochsen und Hütejungen

Reges Brauchtum rankte sich um das „Wedihnachtsscheit“

Kulinarische Nachlese der Osterfeiertage unserer Vorfahren

Sympathetische Nützlichkeiten für den Garten von 1858

Großvaters allerliebste Apfel- und Birnensorten

Worüber wir heute schmunzeln

Was Großvater noch wusste: Schneckenfang mit Rhabarberblättern

Vom Hausbau und Richtfest unserer Vorfahren

Bäuerliche Rituale bei der Geburt eins Kindes

Allerlei Aberglauben rund um die Taufe

Alte Sitten und Bräuche rund um den Geburtstag

Der erste Schultag

Hochzeitszeremonien früher

Vom Hochzeitsessen

Tänze bei der Hochzeit

Vom Hochzeitshahn und dem Brautgeschenk

Jung gefreit, selten bereut

Vom Tod und der Beerdigung früher

Die letzte Stunde

Als noch Quecken und Raden im Kornfeld wuchsen

Als noch der „Wetz“ und das „Schessmähl“ im Garten wuchsen

Sympathetische Heilungen unserer bäuerlichen Vorfahren am Vieh

Sympathetische Kunststücke in Bezug auf den Menschen

Großvaters Birkensaft als Frühjahrskur

Sympathetische Nützlichkeiten für Großmutters Bauerngarten

Vom Pflügen, Eggen und Säen unserer bäuerlichen Vorfahren im März

Die Bedeutung der Pflanzen im Volksglauben unserer Vorfahren

Heiliger Baum

Alte mundartlich-bäuerliche Ausdrücke über die Getreidearten - Als noch die Spreu vom Weizen getrennt wurde

Sympathetische Heilungen von Krankheiten am Menschen

Das dörfliche Leben früher und die Dorfgemeinschaft

Die Dorfbewohner früher, ihre Nachbarschaft und ihre Verwandtschaft

Die Hausgemeinschaft früher auf dem Dorf

Der alte Bauernhof

Haus und Hof im alten Bauernhaus

Die Wohnstube im Bauernhaus und die Schlafkammern

Die Nahrung der bäuerlichen Familie

Der Alltag, der Werktag in der bäuerlichen Familie

Sonntag und Festtag bei unseren bäuerlichen Vorfahren

Das religiöse Leben, Fasten und Wallfahren unserer bäuerlichen Ahnen

Vom Aberglauben im Leben unserer bäuerlichen Vorfahren

Der Apfelbaum in magischen Handlungen unserer Vorfahren

Jakobsfeste zu Beginn der Getreideernte

Was Großmutter noch wusste: Säen nach den Zeichen der Natur

Kartoffelfeste und Hahnenwettkämpfe am Gallustag

Wenn Kühe auf der Weide waren

Großvaters Gartentipps fürs Säen, für Gurken und Kartoffeln

Hexerei und Zauber mit dem Johanniskraut

Vor Unterrichtsbeginn mussten die Kinder noch den Stall reinigen

„Schliwwersch Louis“

Getreideernte im Laufe der Zeiten

Erntebräuche – Erntefeste unserer Vorfahren

Als es noch Abtritte und Aborte im Dorf gab

Als es noch Kartoffelferien für die Schulkinder gab

Als die Bauern die Knechte und Mägde noch dingten – Im Ostertal gab es früher auch noch das Weiberdingen

Als es noch Eichelkaffee gab – Großmutters uraltes Rezept

Großvaters Magenwärmer

Vom Brauchen und alten Hausmitteln

Tanzveranstaltungen waren für Schüler verboten

Großvaters Umgangsformen mit den Gartenpflanzen – Vom Gießen der Pflanzen

Bei Großvater geht es jetzt um die Zwiebeln

Rund um den Stammtisch – Ergo bibamus!

Das Birkenreis war die Lebensrute

Die Birke war der Hexenbaum unserer Vorfahren

 

Sympathetische Kunststücke unserer Vorfahren mit Tieren, in Bezug auf die Natur und mit Speisen und Getränken

Vom Tanzvergnügen früher auf dem Bauerndorf

Bräuche unserer Vorfahren am Hubertustag

. . . und wir schämten uns

Das Schlachtvieh ist vor der Tötung durch Stirnschlag mit Beil oder Keule zu betäuben

Die Hauskobolde unserer bäuerlichen Vorfahren

Familienbräuche im bäuerlichen Leben unserer Vorfahren

Kräht der Hahn auf dem Mist …

Des Bauern Schlankheitskur

Vom Fruchtbarkeitszauber bei der Ernte

Erntedank früher und heute

Ährenrauschen

Was man früher auf dem Lande las

Meine Tante „Lottche-Goth“ und ihre 14 Kinder

Das Bild der Mutter

Harte Arbeit – Frohe Feste

Wenn die Bauern nicht wären …

„Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum …“

Das liebe Vieh des Bauern

Warum der Storch die kleinen Kinder bringt

Vom Zauber der Pflanzen in der Walpurgisnacht

Der Polterabend vor dem Hochzeitsfest

Glöckchen vertreiben die Hochzeitsgeister

Brot – glücksbringendes Hochzeitsessen

Die früheren Arbeiten in Haus, Hof und Feld eines Bauernhofes

Kultstätten im Bauernhaus

Wie die Bauernfamilie früher die Geister und Dämonen abwehrte

Sympathetische Kunststücke, um Ungeziefer, Ratten und Mäuse zu vertreiben

Sympathetische Heilungen und Nützlichkeiten rund um den Wein

Kräuter, die Hexen an ihrem verderblichen Treiben hindern

Mit dem „Quak“ an Pfingsten durch das Dorf

Äpfel durften früher am Christbaum nicht fehlen

Sitten und Brauchtum im Lebenslauf des einzelnen (Kindheit)

Alte Bauerntrachten

Das ländliche Haus – das Bauernhaus früher

Vom Geflügel auf dem Bauernhof

Die magische Funktion des Mobiliars im Bauernhaus

Eine bäuerliche Legende aus Frankreich

Schluss mit dem Floh-Zirkus! Wie Großvater die Erdflöhe im Garten austrickste

Magische Schmuckelemente zum Schutz des Hausrats

In den Winterschulen von einst waren die Lehrer auch Bauern und Handwerker

Altbäuerliche Rituale zum Schutz der Ernte und des Viehs

Sympathetische Nützlichkeiten für den Garten – aus dem Handbüchlein der Sympathie von 1858

Das Bauernhaus in der Tradition: eine Stätte des Brauchtums und des Kults

Von der „Gottlosigkeit“ der Menschen im Ostertal

Großvater ließ der „kalten Sophie“ keine Chance

Aus dem Schultagebuch von 1842: Die Lehrer hatten einen Drang zur Trunkenheit – Die Kinder „schwänzten“ die Schule

Die Reinlichkeit in den Schulen ließ zu wünschen übrig – Abtritte und Pissoire sind besonders zu reinigen

Die alten Bauernhöfe und ihre aufgemalten Zauberzeichen

„Im Märzen der Bauer …“

Wenn Gärtner in den Mond gucken

Als die Kinder noch „Heppelches“ und „Kliggerches“ spielten

Unsere Urahnen aßen bereits Blumen

Das kannten noch unsere Großmütter

Die „vergessene“ Haferwurzel, die weiße Schwester der Schwarzwurzel

Die Süßkartoffel wird auch Batate genannt

Auch die Kerbelrübe ist aus unserem Bauerngarten verschwunden

Topinambur, die „Süßkartoffel“ für Zuckerkranke, kommt wieder in Mode

Früher war die Puffbohne in jedem Bauerngarten zu Hause

Rapontika war für Goethe ein Gourmetgemüse

Auch Pastinak ist heute als Wurzelgemüse fast unbekannt

Goethe liebte die Teltower Rübchen

Als die „Lavendelweiber“ noch unterwegs waren

Balsam für die Seele

Als der Zichorienkaffee noch das Standartgetränk in der Küche war

Völlig vergessen: Der Gute Heinrich als Frühgemüse

Ein hölzernes Tor zu wundersamen Welten

Einst war der Gartenzaun ein hölzernes Tor zu wundersamen Welten. Zaunwinden, Vogelwicken und Kapuzinerkressen an den Holzlatten und Pfählen umrankten die Zäune mit ihren Fingern; der Holunderstrauch in der Ecke malte Motive unserer Vorfahren als Schatten in das Gartenbeet. Wenn der Bauer am frühen Morgen in den taufrischen Garten ging, war folgendes das erste was er tat: „Er zog den Hut ab vor dem Holunder“, galt er doch bei unseren Vorfahren als „heiliger Strauch“ und gleichzeitig als lebendige Hausapotheke. Oft stand der Hollerstock dicht am Hausgiebel, weil man glaubte, er könne das Haus vor Blitzschlag schützen. So hatte auf dem Dach auch die Donner- oder Hauswurz ihren Stammplatz, schützte doch auch sie Haus und Scheune vor Blitzschlag.

Dahlien, Astern, Gladiolen und Georginen drängten prunkvoll zwischen dem Gartenzaun, der im Alter oft moosbedeckt war. Stockrosen, Malven, Alant, Eibisch und die Engelwurz eiferten in ihrer bunten Vielfalt und in ihrer majestätischen Größe um die Wette. Über den Gartenzaun schob die Sonnenblume neugierig ihr goldenes Löwenhaupt. Der schönste Zaun im Dorf war der einfache Lattenzaun, vor allem deshalb, weil er dem Pflanzenreichtum keinen Einhalt bot. Hinter dem Gartenzaun begann eine eigene, kleine wundersame Welt der Bauernfamilie. Hier arbeitete man nicht nur tagsüber, hier wohnte und feierte man an lauen Sommerabenden. Jeder Zaun erzählt seine eigene Geschichte.

Die Blumenbegeisterung meiner Großmutter machte am Zaun nicht halt, so dass auch noch der Rand der Dorfstraße mit farbenfrohen Stauden und Edelrosen geziert war. Hier hatte auch die Pfingstrose ihren Stammplatz und in ihrer Nähe auch der lilafarbene Fliederstrauch. In ihrem Reich spielte auch der ambrosianische Duft von Pflanzen eine Rolle. Ein Sträußchen gepresster Duftminzen und Thymian im Gebetbuch sollte mit seinem Aroma während der Sonntagspredigt die Bäuerin wach halten, die ja schon vor dem Kirchgang ein hartes Arbeitspensum hinter sich hatte. Und im Gartenbeet durfte auch das Mutterkraut nicht fehlen, das als „Mottenkraut“ im Kleiderschrank die Motten abwehrte.

Am späten Abend nach getaner Arbeit saß man gemütlich unter dem Walnussbaum, der als Dorfbaum zu jedem Bauernhof gehörte, wohl wissend, dass der Geruch der Walnussblätter Stechmücken vertrieb.

Doch am allerschönsten war an lauen Sommerabenden der Plausch in der Gartenlaube, die früher in keinem Bauerngarten fehlen durfte.

Der alte Bauernhof

Hinter dem Garten am nahen Wiesenhain

stand unser altes Bauernhaus,

wo Efeu und wilder Wein den Gipfel umrankten,

wo Sonnenblumen thronten am Gartenzaun,

Stockrosen und Eibisch im Vorgarten prangten.

Am Abend drang der silberne Mondenschein

durch die gemütliche Laube hinein:

Ein kleines Paradies auf Erden, ein trautes Heim.

Ein hölzernes Tor zu wundersamen Welten

öffnete den Blick auf Großmutters Garten,

wo schlanke Edelrosen sich zur Pose stellten

und Käfer schwirrten auf moosigen Platten.

Vogelwicken umwanden die alten Pfosten,

mit ihren langen, gebogenen Fingern,

sie drehten ihren Blütenhals nach Osten,

Heidebeeren im Gesträuch der Hecken ringten,

Lavendel in dem Kräuterbeet

seinen Sommerduft ins Hause weht.

Der heilige Hollerstock stand dicht am Giebel

und auf dem Hausdach in den alten Ziegeln,

die Donnerwurz das Haus vor Blitzschlag schützte:

Großvaters Aberglaube, der sich im Sommer nützte.

Im Kräuterbeet das alte Mutterkraut,

es schützte in der Nacht das Kleid vor Motten,

im Kleiderschrank ein Säckchen hing,

das frische Heu stark duftete nach Cumarin,

woraus die Bäurin einen Tee gebraut

und Perlentau drang aus der Gräser Soden.

Hut ab, vor dem Holunder!

Das war die erste Prozedur,

wenn Großvater am frühen Morgen

in die Wunderwelt des Gartens trat,

geheilt von allen finstren Sorgen

für seinen ganzen arbeitsreichen Tag.

Wenn sich die Bäuerin zur Ruhe legte

nach einem schweißerfüllten Tag,

sie in der späten Nacht das Beten pflegte,

wo unter ihrem Kissen der Lavendel lag.

Großmutter war das Heimchen am Herd,

wo Bratäpfel im Winter sprühten

und im Advent die Zimtwaffeln glühten.

Der süße Duft zog durch den ganzen Raum:

Auch heute noch für mich ein Kindheitstraum!

An Weihnachten das Scheitholz brannte,

die heißen Gluten durch die Stube flammten.

Großvater am Kamin schlief ein,

die Müdigkeit zog ihn in den wohlverdienten Schlaf hinein.

Er war der Herr der alten Scheune,

im Stall war es der große Knecht,

die junge Magd die Herrin auf dem Felde:

Zusammen sich erfüllten alle Bauernträume,

ein jeder mit der schweren Arbeit kam zurecht.

Sie waren alle vier im Bauerndorf die Helden.

Der Hahn, er war der Ritter auf dem Hof,

am frühen Morgen er den Bauern weckte,

die große Hühnerschar sich um ihn reckte,

schon ging die schwere Arbeit los.

Am späten Abend nach getaner Arbeit,

saß man gemütlich unterm Walnussbaum,

es war die erste kurze Ruhezeit,

nach vielen Stunden im alten Gartenraum.

Ich höre heute noch die Bäurin rufen,

wenn Mäuse in der Tenne tobten,

zart in der Stimme, sanft im Ton:

„Heimsje komm! Heimsje komm!“

Die Katze war der Wächter auf dem Hof,

sie war die Herrin in der vollen Tenne,

und in der Nacht stets auf der Pirsch,

mit Arien ihrer Miezenklänge

ließ sie im Stall die Winde los,

wenn sie durch Haus und Hofe schlich.

Im Frühjahr war’s der Schwalben Sang,

die in der Scheune ihre Nester bauten,

im Sommer war es Großvaters Sensenklang,

der am frühen Morgen unser Herz erfreute,

wenn auch die Morgenglocken läuten.

Im frühen Herbst die Heimchen in der Stube zirpten,

die Grillen auf dem Ährenfeld,

die letzten Schwalben an den Drähten schwirrten:

die volle Ernte war bestellt.

Das Heimchen am Herd,

das Heimchen im Zimmer,

das Heimsje im Haus!

Die alten Gesichter kleiden sich aus

für ewig und immer.

Wo ist die Zeit geblieben?

Wann kommt sie wieder,

die gute, alte Zeit?

Sie ist von uns geschieden

hernieder in ein Armenhaus.

Wann geh’n die Lichter aus

im alten Bauernhaus?

Großmutter, Mutter, Enkel und Kind,

in einer Stube zusammen sind:

Das war einmal

vor langer Zeit.

Kommt sie zurück geeilt?

Wir haben unsre Zeit gestohlen,

die schwangren Ackerschollen und die Gartenbohlen,

den alten Bauerngarten und das Bauernhaus:

Die Lebenslichter auf dem Dorf –

Sie gehen aus.