Seewölfe - Piraten der Weltmeere 595

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 595
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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-009-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Davis J. Harbord

Duell auf der Themse

Sie nehmen die Herausforderung an – doch der Gegner kämpft mit Haken und Ösen

Tower-Pier, April 1598, vormittags.

Als die Fanfaren am Westtor zu schmettern begannen und die Vorreiter der Tower-Garde auftauchten, wußten die Arwenacks, daß die Königin erschien.

Philip Hasard Killigrew nickte seinen Mannen lächelnd zu und setzte mit einem gewaltigen Sprung gleich vom Achterdeck der Schebecke zur Pier hinüber.

Die Karosse Ihrer Majestät wurde von acht Schimmeln gezogen. Sie hielt auf der Höhe der Schebecke. Hinten sprangen zwei Lakaien vom Trittbrett, eilten zur rechten Tür der Karosse und öffneten sie. Vom Bock der Karosse stiegen zwei weitere Lakaien und stellten eine kleine, dreistufige Treppe vor die Tür.

Die Gardisten auf ihren Pferden schirmten die Karosse ab.

Hasard trat an die Karosse.

Ein Mann, groß, schlank und braunhaarig, entstieg der Karosse, musterte Hasard aus eisigen Augen, zog indigniert die rechte Braue hoch, wandte sich der Tür zu und half Ihrer Majestät aus dem Prunkwagen. Das allerdings hatte Philip Hasard Killigrew tun wollen, aber der Höfling war ihm zuvorgekommen. Und mit untrüglichem Instinkt wußte der Seewolf, daß dieser Mann gefährlich war …

Die Hauptpersonen des Romans:

Elisabeth I., Königin von England – Ihre Majestät verstößt gegen die Sitte, was ihr aber herzlich gleichgültig ist.

Robert Devereux – der Earl of Essex hat ein seltenes Geschick, sich immer zwischen zwei Stühle zu setzen.

Gilbert Batten – der Hauptmann der Seesoldaten befehligt eine Prunk-Yacht und führt stur Befehle aus.

Potter – der Bootsmann dieser Prunk-Yacht ist ein berüchtigter Schläger, findet jedoch seinen Meister.

Mac Pellew – hält sich für den schönsten Mann Englands, weil ihn die Königin geküßt hat.

Philip Hasard Killigrew – beugt sich auf Befehl Ihrer Majestät einer Herausforderung und zeigt die Zähne.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Edwin Carberry konnte es nicht lassen.

Kaum hatte die Königin ihren Fuß auf die erste Stufe des Treppchens gesetzt, da röhrte der Profos los, und wenn der Profos röhrte, dann war was gefällig. Mac Pellew hatte mal erzählt, bei „Plymmie“ Plymson, dem Kneipenwirt der „Bloody Mary“ in Plymouth, wären beim Brüllen des Profosen die Kellerfenster aus den Rahmen geflogen, und in der Küche wäre ein Tellerbord auf die Steinfliesen gekracht.

Wie dem auch sei, der Profos riß begeistert den Arm hoch und röhrte: „Unserer geliebten Lissy ein dreifaches Hipp-hipp-hurra – Hipp-hipp-hurra – Hipp-hipp-hurra!“

Klar, daß die Mannen mit einstimmten, und so steigerte sich des Profosen Anfeuerungsruf zu einem Donner aus genau dreiunddreißig Männerkehlen, Philip Hasard Killigrew nicht mitgerechnet, und diese dreiunddreißig Arwenacks hatten allerlei auf der Lunge.

Daß auch Don Juan de Alcazar mitbrüllte – und dies als Spanier – hing schlicht mit der Tatsache zusammen, daß er zu dieser verschworenen Gemeinschaft salzwassergetränkter Rauhbeine gehörte wie die gekreuzten goldenen Säbelklingen zum schwarzen Tuch der Kampfflagge des Bundes der Korsaren. Außerdem hatte er als Kapitän die spanische Schatzgaleone „Fidelidad“ bis hierher an die Towerpier gesteuert.

Sie lag hinter der Schebecke, fest und sicher vertäut.

Also: die Begrüßung der Arwenacks für ihre „geliebte Lissy“ fegte über die Pier, prallte gegen die Towermauern und raste über die Themse, daß die Möwen kreischend davonstoben und in den Hafengassen die Fensterscheiben klirrten.

Die königliche Lissy war entzückt, und ihr bleiches Gesicht mit der herrischen Adlernase und den dunkelblauen Augen färbte sich rot.

Das Gesicht des Mannes an ihrer Seite hingegen – Hasard sah es genau – zeigte kein Entzücken. Es wechselte vom Angewidertsein zu einer Maske arroganter Ablehnung.

Und mit Empörung und näselnder Stimme fuhr er Hasard an: „Wie können Sie Ihre Majestät derart erschrecken, Mister?“

Philip Hasard Killigrew blieb eine Antwort erspart.

Verärgert und abrupt löste sich die Königin von den stützenden Händen des Mannes und fauchte ihn an: „Halt’s Maul, Essex!“

Sie konnte recht drastisch werden, diese Elisabeth I., Königin von England, und von den Arwenacks liebevoll „Lissy“ genannt.

Aha! dachte Hasard. Dieser Schönling ist also Robert Devereux, Graf von Essex, der derzeitige Günstling Ihrer Majestät. Und er sah mit innerlichem Vergnügen, wie das arrogante Gesicht des Grafen rot wurde vor Wut.

Er hat nicht die Gabe, sein Mienenspiel zu beherrschen, dachte Hasard, verbeugte sich tief vor der Königin und nahm ihre rechte Hand, die sie ihm entgegenstreckte.

„Da bist du also wieder, Rebell“, sagte sie mit klirrender Stimme. „Man berichtete mir, du wolltest nie wieder nach England zurückkehren!“ Sie musterte ihn scharf.

„Da bin ich“, sagte Hasard lächelnd, „also stimmt es nicht, was man Ihrer Majestät berichtete.“

„Hm-hm, ich sehe silberne Haare an deinen Schläfen, Rebell“, sagte die Königin, „und dein Gesicht ist härter geworden – und noch männlicher. Du wirst mir viel zu erzählen haben. Es heißt, du hättest vor etwa vier Jahren eine englische Expedition in die Karibik unter Sir Andrew Clifford, Sir Henry Battingham und Sir John Killigrew vernichtet und die drei Gentlemen erschießen lassen …“

„Unerhört!“ fauchte der Graf von Essex. „Majestät, man sollte diesen Mann sofort von der Towergarde verhaften lassen!“

Die Königin drehte sich langsam zu ihm um, musterte ihn kühl und sagte: „Den Teufel werde ich tun, mein Guter! Und misch dich nicht in Sachen, die dich nichts angehen und von denen du nichts verstehst.“

Da wurde der Graf von Essex noch röter im Gesicht. Innerhalb von ein paar Minuten hatte ihn die Königin zweimal zurechtgewiesen. Hasard fand das sehr beachtlich und legte es zu seinen Gunsten aus.

Als sich die Königin ihm wieder zuwandte, sagte er: „Ich muß diese Geschichte berichtigen, Majestät. Das Todesurteil gegen Henry Battingham und John Killigrew wurde von einem Kriegsgericht unter Vorsitz des Kommandanten der ‚Orion‘ – Sir Edward Tottenham – ausgesprochen. Die Anklage lautete: Verletzung der Ehre Englands, Mißbrauch von Kriegsgaleonen Ihrer Majestät zum Zwecke der persönlichen Bereicherung sowie Verletzung der Ehre und Würde meiner Person als eines von Ihrer Majestät zum Ritter geschlagenen Mannes, womit auch die Ehre Ihrer Majestät in Frage gestellt und beleidigt worden war. Im einzelnen hatte sich Henry Battingham für Lüge, Betrug und Rechtsanmaßung zu verantworten und John Killigrew für Raub, Entführung und Desertion. Ich selbst war nicht Mitglied dieses Kriegsgerichts und hatte folglich nichts mit der Verhandlung und Urteilsfindung zu tun.“

„Und was war mit Clifford?“ fragte die Königin scharf.

„Das hatte mit dem Kriegsgericht nichts zu tun und passierte eine Woche zuvor“, erwiderte Hasard. „Clifford behauptete, er habe bei Hofe und Ihrer Majestät gegen mich Anklage erhoben wegen Betruges, Unterschlagung von Beute sowie wegen Hoch- und Landesverrats. Damit hatte er meinen Namen, meine Ehre und mein Ansehen in den Dreck gezogen. Ich forderte ihn zum Zweikampf heraus und überließ ihm die Wahl der Waffe. Er entschied sich für Pistole. Wir nahmen an einem Strand Rücken an Rücken Aufstellung. Dann marschierten wir los. Erst auf Zuruf des Kampfrichters durften wir uns umdrehen und auf den Gegner feuern. Ohne Zuruf des Kampfrichters drehte sich Clifford nach etwa vier Schritten um, schoß mir eine Kugel in den Rücken, und ich brach zusammen. Wegen Verletzung der Duellregeln – in diesem Fall war es ein Mordversuch – wurde Clifford Sekunden später von einem meiner Männer erschossen.“

Hasard zog seine ärmellose Lederweste aus, dann das weiße Hemd und drehte der Königin den Rücken zu. Da konnte sie die Schußnarbe sehen.

Hasard wandte sich wieder zu ihr um, sah ihr in die Augen und sagte: „Das ist die Wahrheit, Majestät, und wer etwas anderes behauptet, ist ein Lump!“ Sein Blick wurde eisig, als er jetzt zu dem Grafen von Essex schaute. „Das sollten Sie sich merken – Mister!“

Die Rechte des Grafen zuckte zum Degengriff.

„Laß das Ding stecken, Essex“, sagte die Königin, und sie schien sich zu amüsieren. „Ich habe Sir Hasard einmal bei Hof mit dem Degen kämpfen sehen – gegen Sir Jon Doughty, der ihn beleidigt hatte. Der gute Sir John stand hinterher nur noch im Unterbeinkleid da – ein gedemütigter Hanswurst, den Sir Hasard schließlich mit einem Tritt in den Hintern aus dem Saal beförderte. Ich warne dich also, mein Guter. Sir Hasard ist ein Sieger – nicht mal ein feiger Schuß in den Rücken hat ihn umgebracht. Er steht unter meinem Schutz. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

 

„Jawohl, Majestät“, sagte der Graf von Essex, und es klang, als habe er eine quabbelige Qualle im Mund.

„Danke, Majestät“, sagte Hasard und verneigte sich wieder.

„Du hattest mir gestern eine Botschaft geschickt“, sagte die Königin, „und mich gebeten, dich hier um diese Stunde aufzusuchen. Ist das nicht etwas ungewöhnlich, Rebell? Bittsteller kommen zu mir, aber nicht umgekehrt.“

„Das gebe ich zu, Majestät“, erwiderte Hasard, „aber ich bin kein Bittsteller. Vielmehr ist es mein Wunsch, Ihrer Majestät etwas zu übergeben, und das konnte ich nicht nach Whitehall schleppen. Ferner liegt mir daran, daß Ihre Majestät persönlich sieht, um was es sich handelt, nämlich um ein Schiff mit einer kostbaren Ladung. Leider ist es so – jedenfalls nach unserer Erfahrung –, daß bei unseren jeweiligen Ankünften in London zwischen Ihrer Majestät und uns stets gewisse Gentlemen auftauchten, die meinen, sie könnten ihr eigenes Süppchen kochen. Kurz, sie zeigen sich äußerst interessiert an den Ladungen, die wir mitbringen. Wir haben sie die ‚Themsegeier‘ getauft, jene Kerle, die als Beamte in hohen Positionen sitzen und aufgrund ihrer Machtstellung meinen, sich an Ihrer Majestät vorbei die eigenen Taschen füllen zu können. Darum bat ich Ihre Majestät hierher – eben um zu verhindern, daß noch einmal Unbefugte auftauchen, die sich in ihrer Gier an einer für Ihre Majestät bestimmten Ladung vergreifen. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Ihre Majestät hierher bemühen mußte.“

„Das ist korrekt“, sagte die Königin nachdenklich, „aber du weißt, daß die Schuldigen bereits enthauptet wurden.“

„Ja, das weiß ich“, sagte Hasard, „aber mir ist unbekannt, wie viele Schuldige es noch gibt. Die Hydra ist vielköpfig, wenn man ihr einen Kopf abgeschlagen hat, wachsen zwei neue nach. Meine Männer und ich wundern uns über nichts mehr. Vielleicht ist es unser Mißtrauen, daß wir alle noch am Leben sind. Also: Unser Geschenk für Ihre Majestät ist jene Galeone samt Ladung, die hinter unserer Schebecke liegt …“

„Schebecke?“ unterbrach die Königin. „Was für ein merkwürdiges Schiff!“ Sie spähte an Hasard vorbei zu dem schlanken Dreimaster.

Der Graf von Essex geruhte, die Nase zu rümpfen.

„Das ist kein Schiff, Majestät, sondern ein Unding, ein Nichts“, sagte er verächtlich. „Ein Treffer unserer Schiffsgeschütze genügt, um dieses Brettergerüst in seine Bestandteile zu zerlegen. Ich habe selten etwas Minderwertigeres gesehen – ähem!“

„Sie scheinen überhaupt bisher wenig gesehen zu haben“, sagte Hasard sarkastisch, „jedenfalls, was Schiffe betrifft. Ich habe mit diesem ‚Brettergerüst‘, sie Sie das Kampfschiff der nordafrikanischen Piraten soeben bezeichneten, auf der Fahrt von Cadiz bis hierher einige spanische Kriegskaravellen und Kriegsgaleonen zu den Fischen geschickt, die allesamt mit Ihren sogenannten Schiffsgeschützen bestückt waren. Das ‚Brettergerüst‘ empfing zwar auch einige Treffer, über die Sie mein Schiffszimmermann gern belehren wird, aber in seine Bestandteile wurde es nicht zerlegt, sonst würde es nicht hier an der Pier liegen. Sie scheinen etwas vorschnell zu urteilen, Mister – wie war doch Ihr Name?“

„Robert Devereux, Graf von Essex“, schnappte der sehr ehrenwerte Earl. „Im übrigen bin ich der Generalfeldzeugmeister Ihrer Majestät, wenn Sie das bitte zur Kenntnis nehmen würden.“

„Das nehme ich gern zur Kenntnis“, entgegnete Hasard kühl, „hoffentlich sind Ihre Beurteilungen über die Ausrüstung, Bewaffnung und Kampfkraft spanischer Armeen besser als Ihr Urteil über das, was Sie ein Brettergerüst nannten.“

Dem Grafen schwoll der Kamm.

„Verbitte mir Ihre Belehrungen!“ schnarrte er.

Hasard zuckte mit den Schultern und wandte sich der Königin zu, die aufmerksam gelauscht hatte.

„Sehen Sie, Majestät“, sagte er, „das ist genau der Punkt, den ich vor zehn Jahren ansprach, als Sie mir anboten, eine führende Position in der Royal Navy zu übernehmen. Majestät erinnern sich?“

Die Königin senkte den Kopf, dachte nach und murmelte: „Du sagtest dem Sinn nach, ihr – du und deine Männer – würdet euch keinem unterordnen, Ihr wäret euch euren Wertes bewußt, hättet aber oft genug Gelegenheit gehabt, bei den englischen Seeoffizieren bis hin zum Admiral auf Dilettantismus, Unfähigkeit und Arroganz gestoßen zu sein. Ihr wolltet mir lieber als Einzelkämpfer dienen, ohne dabei an die Kette gelegt zu werden. Stimmt’s?“

„Richtig, Majestät, genau das. Vielleicht ist Ihr Generalfeldzeugmeister ein hervorragender Mann, was ich nicht zu beurteilen habe. Aber ich spreche ihm das Recht ab, dieses Schiff dort als ein Unding oder Nichts oder Brettergerüst abzuqualifizieren. Mit diesem Schiff schafften wir es, unsere Beutegaleone abzuschirmen und alle Angriffe der Spanier abzuschlagen. Und sie waren hinter uns her wie der Teufel hinter der armen Seele.“ Hasards Stimme wurde schärfer. „Nein, nein, so geht das nicht. Wir haben überlebt, weil wir dieses Schiff hatten, genau dieses Schiff, das flinker, schneller und wendiger als alle Segler ist, die ich bisher kennenlernte. Wenn die Handelsfahrer im Mittelmeer ein solches Schiff an der Kimm auftauchen sehen, dann wissen sie, was die Stunde geschlagen hat. Und Kapitän und Mannschaft sprechen ihr letztes Gebet. Denn sie wissen, daß die Schebecken der nordafrikanischen Piraten wie Jagdhunde sind.“ Hasard schüttelte den Kopf und sagte fast wütend: „Aber was rede ich da! Entweder hat man einen Blick für Schiffe, oder man hat ihn nicht. Bei dem Grafen von Essex scheint der Blick vernebelt zu sein!“

Der Graf von Essex, seines Zeichens Generalfeldzeugmeister, blickte grimmig drein.

Die Königin indessen lächelte und sagte: „Der gute Essex liebt schnelle Yachten, Rebell, damit du das weißt! Er und seine Freunde veranstalten Wettfahrten auf der Themse. Bisher hat ihn hoch niemand geschlagen.“

Hasard runzelte die Stirn. „Wettfahrten auf der Themse? Haben die Gentlemen nichts Besseres zu tun? Was kostet denn so eine Yacht?“

Der Graf von Essex warf sich in die Brust und näselte: „Meine ‚Arrow‘ hat zwanzigtausend Pfund gekostet, sie ist die verbesserte Kopie einer holländischen Staatenyacht – verbessert natürlich nach meinen Plänen – ähem.“

„Soso“, murmelte Hasard und erinnerte sich an jene „Arrow“, die hinter der „Fidelidad“ an der östlichen Towerpier vertäut lag.

Sie waren an ihr beim Einlaufen zu ihrem Liegeplatz vorbeigesegelt.

„Scheint die Luxuslaube von so einem hochwohlgeborenen Arschloch zu sein“, hatte der Profos in seiner unnachahmlichen Direktheit von dieser Prunkyacht gesagt und damit den Nagel auf den Kopf getroffen.

Was das Äußere dieser „Arrow“ – es bedeutete soviel wie „Pfeil“ – betraf, da konnte der Unterschied zur Schebecke der Seewölfe allerdings kaum größer sein. Gegen die Schmucklosigkeit der Schebecke war die „Arrow“ ein funkelnder Edelstein.

Mein Gott, dachte Hasard, zwanzigtausend Pfund für ein Schiff, das diesen Nichtstuern zu Vergnügungsfahrten auf der Themse dient! Es ist nicht zu fassen. Es reicht nicht, daß sie wie die Gecken herumstolzieren, ihre Finger mit Ringen schmücken und Prunkwaffen zur Schau tragen, nein, sie müssen dem niederen Volk ihre eingebildete Erhabenheit auch noch mit solchen Prunkyachten demonstrieren.

Und die Königin ließ das zu?

Sie las seine Gedanken und sagte: „Es paßt dir nicht, Rebell, nicht wahr?“

„Ich habe nicht darüber zu befinden, ob sich der Graf von Essex einen goldenen Ring durch die Nase zieht“, erwiderte Hasard geradeheraus. „Und ich muß dabei an die Admirale Hawkins und Drake denken. Meine Männer und ich waren Augenzeugen ihrer letzten Fahrt in die Karibik. Ich denke dabei an den Zustand der Mannschaften und der Schiffe. Er war erbarmungswürdig. Es lag an der mangelhaften Ausrüstung, an schlechtem Proviant und Trinkwasser. So lautet denn die Frage, ob jene ehrenwerten Gentlemen, die sich für zwanzigtausend Pfund zum privaten Vergnügen eine Prunkyacht leisten können, nicht besser täten, mit diesem Geld die Schiffe Ihrer Majestät auszurüsten, jene Schiffe, die gegen Spanien kämpfen und England abschirmen? Nun, ich sagte, ich habe nicht darüber zu befinden. Dafür freut es mich um so mehr, Ihrer Majestät die ‚Fidelidad‘ übergeben zu dürfen. Sie liegt hinter unserer Schebecke. Darf ich Ihre Majestät an Bord bitten?“

„Gern“, sagte die Königin lächelnd, hakte sich bei Hasard ein und ließ sich von ihm zur „Fidelidad“ führen.

Der Graf von Essex stand ziemlich dumm da und zuckte zusammen, als Hasard über die Schulter sagte: „Sie sind ebenfalls herzlich zur Besichtigung eingeladen, Sir. Es wird Sie sicher interessieren, welcher Art unsere Geschenke für Ihre Majestät sind.“

Da stelzte der Graf hinter dem Paar her, und seine Miene war nicht sehr fröhlich, was keineswegs verwunderlich war. Wer ließ sich schon gern sagen, er möge sein Geld in die Royal Navy stecken statt in eine private Prunkyacht!

Außerdem war er, der Favorit der Königin, zur Zeit restlos abgemeldet, ja, die Königin himmelte diesen Kerl geradezu an. Unmöglich! Wer war dieser Killigrew denn? Ein hergelaufener Bastard! Gerüchten zufolge ein Kuckucksei in der Killigrewsippe! Und so was wollte ihn, den Earl of Essex, belehren! Trotzdem, ein gefährlicher Bursche …

Plötzlich blieb die Königin am Arm des Bastards stehen und drehte sich um.

„Du siehst verdrießlich aus, mein Guter“, sagte sie. „Ist dir eine Laus über die Leber gekrochen?“ Und sie lächelte spöttisch. „Aber nicht doch! Du solltest dir ein Beispiel an Sir Hasard nehmen. Er schenkt mir mal eben eine spanische Galeone samt ihrer Ladung.“

„Wird nicht weit her sein mit der Ladung“, knurrte der Graf von Essex. „Die Galeone sieht mir nicht gerade danach aus, als sei sie für den Transport einer wertvollen Ladung geeignet. Die Spanier müßten Dummköpfe sein, diesem maroden Schiff kostbare Güter anzuvertrauen!“

„Oh!“ sagte Hasard. „Wir wissen zufällig, daß dieses marode Schiff in einem Geleitzug segelte, der auf der Fahrt von Havanna nach Cadiz unterwegs war. In einem Sturm wurde die ‚Fidelidad‘ von dem Geleitzug getrennt und hatte das Pech, reichlich zerrupft von Überfahrt und Sturm in unsere offenen Arme zu laufen. Leider hatten wir dann nicht die Zeit, das Äußere der ‚Fidelidad‘ so hübsch golden zu verzieren wie Ihre ‚Arrow‘, was natürlich für das Auge wohlgefälliger gewesen wäre. Uns erschien die Ladung wichtiger und vielleicht leuchtet auch Ihnen ein, daß Schiffe aus Westindien – also der Neuen Welt – erstens nach den langen Wochen der Seefahrt nicht so geleckt und gelackt aussehen können wir Ihr Luxusspielzeug und zweitens in der Regel in ihren Laderäumen Güter mitführen, von denen Sie, verehrter Graf, allenfalls träumen können. Es handelt sich nämlich um jene Güter, die in den Goldturm von Sevilla wandern, falls Sie wissen, was ich damit meine.“

Der Graf von Essex biß sich auf die Lippen, denn da hatte er allerlei Ohrfeigen einstecken müssen.

„Dieser Mann beleidigt mich ständig, Majestät!“ beschwerte er sich.

Bevor die Königin antworten konnte, sagte Hasard: „Bitte um Verzeihung, Sir. Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Ich habe nur den Eindruck, daß Sie manchmal nicht wissen, von was Sie sprechen. Ihre Beurteilung der ‚Fidelidad‘ und ihrer Ladung war falsch, und ich habe Sie lediglich korrigiert.“

„Sie haben meine ‚Arrow‘ als Luxusspielzeug bezeichnet!“ fauchte der Graf.

Hasard tat erstaunt. „Ist es doch auch! Oder etwa nicht? Während Sie mit diesem Gefährt Wettrennen auf der Themse veranstalten, sind wir mit dem sogenannten maroden Schiff und dem ‚Brettergerüst‘ vor den spanischen Verfolgern weggerannt – oder stellten sie zum Kampf, je nach Lage und Aussicht auf Erfolg. Wir riskierten dabei Kopf und Kragen, wie das bei Seegefechten üblich ist. Tun Sie das auch bei Ihrem Zeitvertreib auf der Themse?“

Der Graf von Essex schnappte nach Luft.

Die Königin kicherte, hängte sich wieder bei Hasard ein und sagte: „Laß sehen, was du mir mitgebracht hast, Rebell!“

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