Buch lesen: «Star Trek - Titan: Kriegsglück», Seite 2

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KAPITEL 3

Es war der unangenehmste Teil von Dalit Sarais wöchentlicher Routine und stets der Tiefpunkt des Tages, an dem er anstand: der obligatorische Bericht an ihren Führungsoffizier. Vor ihrer Stationierung als XO auf der Titan hatte sie das Protokoll nicht gehasst. Während sie im Außeneinsatz für den Geheimdienst der Sternenflotte tätig gewesen war, hatte die Kontaktaufnahme eine Reihe wichtiger Funktionen erfüllt, vor allem um stets auf dem Laufenden zu sein über aufkommende Bedrohungen und sich verändernde Situationen. Nun lief der Informationsfluss strikt in eine Richtung – von ihr zu der Person, die sie an der sprichwörtlichen kurzen Leine hielt. Und das konnte nur zu Unmut führen.

Sarai überprüfte, ob sie die Tür zu ihrem Quartier abgeschlossen hatte. Sie konnte nicht riskieren, in den nächsten paar Minuten gestört zu werden. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass sie ungestört war, holte sie zwei Objekte aus einem Versteck hinter der Wartungsplatte ihrer Waschgelegenheit. Das erste war klein und oval. Es ähnelte den Kommunikatoren früherer Zeiten, natürlich ohne das vertraute Sternenflottenlogo. Ein ungeübter Betrachter hätte es für eine unauffällige Brosche halten können. Bei dem zweiten Objekt handelte es sich um einen schlichten Metallstab mit einem einfachen Display an der Seite.

Ihr jahrelanges Training als Agentin ließ Sarai ihr Quartier mit dem Stab durchsuchen. Der kompakte Scanner konnte jedoch keine verborgenen Abhörgeräte aufspüren. Sie stellte ihn ab, legte ihn wieder weg und tippte dann eine wohlvertraute Sequenz in das bronzefarbene Oval ein. Das handflächengroße, abhörsichere Komm-Gerät vibrierte kurz in ihrer Hand. Das bedeutete, dass sich das Gerät mit dem sicheren Computernetzwerk der Titan verband, wobei es die Anmeldedaten eines gewöhnlichen Padds oder Trikorders imitierte. Innerhalb von Sekunden deaktivierte es das automatische Mikrofonsystem ihres Quartiers und stellte eine verschlüsselte Verbindung zur Subraumtransceiverphalanx des Raumschiffs her.

Dann vibrierte es zweimal schnell hintereinander. Nun war sein geheimer Kanal offen. Sarai tippte eine weitere Sequenz in das Gerät ein, um seinen verschlüsselten Kanal auf den Computerbildschirm ihres Schreibtischs umzuleiten. »Aktiv. Bereit.«

Auf dem Schirm erschien das strenge Gesicht einer grauhaarigen Frau: Sarais Vorgesetzte, Admiral Marta Batanides, Leiterin des Sternenflottengeheimdiensts. »Bericht!«

»Admiral Riker überstrapaziert weiterhin die Ressourcen unserer Eskortschiffe.«

»Details, bitte.«

»Seit letzter Woche hat Admiral Riker die Canterbury, die Ajax und die Wasp in Richtungen geschickt, die sie meiner Meinung nach zu weit auseinander bringen, um im Falle einer Krise der Titan oder einander taktische Unterstützung bieten zu können.«

Batanides dachte darüber nach. »Was ist mit Captain Vale? Hat sie das in ihrem Logbuch vermerkt?«

»Negativ. Ich habe ihr gegenüber meine Bedenken unter vier Augen geäußert, doch sie hat sie mit der Begründung zurückgewiesen, dass es mir nicht zustünde, den Admiral in taktischen Entscheidungen zu hinterfragen.«

»Da stimme ich dem Captain zur Abwechslung mal zu. Aber Ihre Bedenken sind zur Kenntnis genommen, Commander … Haben Sie sonst noch etwas von Interesse über Captain Vale zu berichten?«

Sarai zögerte, ihre Beobachtungen über ihren kommandierenden Offizier zu teilen, aber sie wusste, dass Batanides nicht an das Sprichwort »Keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten« glaubte. »Sie hat in den letzten sieben Tagen bei zwei Gelegenheiten eine fragwürdige Bereitschaft demonstriert, Riker ihre Befehle hinterfragen zu lassen. Keiner der Vorfälle hatte jedoch eine bedeutsame Auswirkung auf die Missionsergebnisse.«

»Die Auswirkungen auf die Besatzungsmoral machen mir mehr Sorge.« Batanides’ Gesichtsausdruck wurde milder. »Sie sind nun seit acht Monaten an Bord der Titan. Wie haben Sie sich eingelebt?«

»Das Vertrauen des Captains in mich bleibt verhalten und ich vermute, dass der Admiral meine vorgeschriebene Anwesenheit immer noch kritisch sieht. Was den Rest der Mannschaft angeht …« Sie fragte sich, ob sie erwähnen sollte, dass sie von einigen Kollegen aufgrund ihres distanzierten Benehmens immer noch als »Eiskönigin« bezeichnet wurde, doch sie entschied sich dagegen. Stattdessen log sie. »Sie erkennen meine Autorität an.«

»Selbst der Chefingenieur? Ra-Havreii? Er hat den Ruf eines Nonkonformisten.«

Die Erwähnung von Ra-Havreii verärgerte Sarai. »Sobald ich ihm zu verstehen gegeben hatte, dass ich, nur weil ich ebenfalls Efrosianerin bin, keine Verpflichtung sehe, seine sexuellen Frustrationen zu mildern, hat sich unsere Arbeitsbeziehung enorm verbessert.« Sie verschwieg lieber, dass sie ihn geohrfeigt hatte. Zweimal.

»Und das bringt uns zu Troi. Ich sehe es weiterhin kritisch, dass sie neben Riker dient. Hat ihre Anwesenheit die Effektivität von Riker oder Vale in irgendeiner Weise beeinträchtigt?«

Sarai war versucht, Troi anzuschwärzen, hauptsächlich deshalb, weil die empathischen Fähigkeiten der Halbbetazoidin sie nervös machten, doch Sarais Anstand gewann die Oberhand. »Ich habe keinen Hinweis darauf gesehen.«

»Dann sehen Sie genauer hin.«

Die Herzlosigkeit und der Zynismus von Batanides’ Befehl verärgerten Sarai, doch es stand ihr nicht zu, sich zu beschweren. Zwei Jahre zuvor hatte sie während der Bashir-Andor-Krise Übergangspräsident Ishan Anjar hinter dem Rücken des Admirals wichtige Informationen zugespielt – ein riskanter politischer Zug, der nach hinten losgegangen war, als Anjars kriminelle Vergangenheit ans Tageslicht kam. Er war in Ungnade gefallen, genau wie jeder, der mit seiner Kandidatur für die Präsidentschaft der Föderation zu tun gehabt hatte, einschließlich Sarai. Ihr war klar, dass sie wahrscheinlich in irgendeinem Sackgassenjob in einem Munitionsdepot auf Luna feststecken würde, wenn Batanides sie nicht als Maulwurf auf der Titan rekrutiert hätte.

Doch das bedeutete nicht, dass sie bereit war, Verfehlungen zu erfinden, um die obsessive Vendetta ihrer Vorgesetzten gegen Admiral Riker und die Führungsoffiziere der Titan zu befriedigen.

»Sollte mir in Ausübung meiner Pflicht etwas Verdächtiges auffallen, werde ich es wie befohlen melden.« Insgeheim freute sie sich zu sehen, wie Batanides vor Zorn über ihren passiv-aggressiven Trotz schäumte. Um dem unangenehmen Gespräch zu entkommen, fügte Sarai hinzu: »In zehn Minuten beginnt meine Schicht auf der Brücke. Gibt es sonst noch etwas?«

»Ich erwarte Ihren nächsten Bericht in fünf Tagen.« Admiral Batanides schloss den sicheren Kanal.

Sarai gab die Deaktivierungssequenz in ihr sicheres Komm-Gerät ein, dann deponierte sie es zusammen mit dem Scanstab wieder in seinem Versteck und setzte die Wartungsplatte wieder ein. Sie überprüfte ihr Spiegelbild: Ihre dunklen Haare waren zu einem den Vorschriften entsprechenden Pferdeschwanz gebunden und ihre nach oben geschwungenen Augenbrauen sahen noch immer elegant und wohlgeformt aus. Schließlich holte sie tief Luft, atmete die Anspannung von ihrem Gespräch mit Batanides aus und verbannte damit jegliche Spur von Emotion aus ihren kantigen Gesichtszügen.

Nachdem ihre Maske der Distanziertheit wieder saß, verließ sie ihr Quartier, um einen neuen Tag als Spion im Dienst des Sternenflottengeheimdiensts an Bord des Raumschiffs Titan zu beginnen.

Ranul Kerus Meinung nach gab es kein größeres Geschenk, als an einem neuen Tag zu erwachen.

Sein Weckalarm – sanftes Vogelgezwitscher – erklang um 0615. Erfrischt nach einem perfekten Schlaf öffnete Keru die Augen und sah, dass ihn sein Liebhaber Bowan Radowski von der anderen Seite des Betts anschaute.

»Morgen!«, sagte Keru.

Bowan lächelte. »Hey!«

Es gab um diese frühe Uhrzeit nichts zu besprechen. Es fühlte sich für Keru einfach gut an zu wissen, dass Bowan da war und in diesem Moment den gleichen Raum mit ihm teilte.

Keru rollte sich aus dem Bett und betrat den Wohnbereich ihres gemeinsamen Quartiers – eine kürzliche Veränderung ihrer Lebensverhältnisse, die vom Captain genehmigt und mit freudiger Effizienz vom Quartiermeister umgesetzt worden war. Nachdem sich Keru ein paar Minuten lang gestreckt hatte, um wach zu werden, begann er mit seinem üblichen morgendlichen Training. Laut Chronometer war Donnerstag, also war heute Yoga dran. Jeder Wochentag hatte seinen eigenen Trainingsplan. Am Tag zuvor war es ein flotter Lauf in einer Holodecksimulation der verlorenen Strände von Risa gewesen, am nächsten Tag würden es Aikido-Übungen sein.

Irgendwo zwischen dem Sonnengruß und der Kriegerpose spürte Keru, wie sich seine Sehnen entspannten. Schweißtropfen rollten ihm von der Brust, kitzelten seine Kehle und verschwanden in seinem Bart, während er eine einhändige Baumpose machte. Dieser Handstand war ihm erst nach jahrelanger Übung gelungen und es fiel ihm immer noch schwer, die Pose zu halten. Es war fast eine Erleichterung, als es an der Zeit war, in die Sayanasana-Skorpionpose zu gehen, in der er seinen in die Höhe gestreckten Körper auf den Ellbogen balancierte, die Beine eingeschlagen, während seine Füße auf seinen Kopf zeigten.

Dann fühlte er sich mutig genug, um den Verletzten Pfau zu versuchen – und umzufallen. Eines Tages werde ich das hinbekommen. Er rollte sich in die Ruhehaltung, um sein Training abzuschließen und seine Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Es sah einfach aus – ruhig auf dem Rücken liegen, sich nicht bewegen und still sein. Doch die wahre Herausforderung war der eigene unruhige Geist. Heute zumindest lösten sich Kerus Gedanken im Strom seines Atems auf. Er war hier und jetzt mit sich im Reinen.

Leise Schritte auf dem Teppichboden holten ihn aus seiner Meditation. Bowan schritt über ihn hinweg und fragte ihn auf dem Weg zum Replikator: »Bereit fürs Frühstück?«

»Absolut. Aber es muss schnell gehen. Ich muss vor meiner Schicht noch duschen.«

»Schnell ist gut. Gesund ist besser.« Er aktivierte den Replikator. »Eiweißomelette mit Schweizer Käse, Frühlingszwiebeln und Brokkoli. Pumpernickelbagel, getoastet und gebuttert. Irish Breakfast Tea, heiß.« Als seine Mahlzeit mit einem Aufblitzen von Farbe und einem melodischen Klang Gestalt annahm, fragte er Keru: »Und für dich?«

»Zwei ktarianische Eier, pochiert, auf gedämpftem vulkanischem Seegras. Eine halbe terranische Pink Grapefruit. Raktajino, ungesüßt. Und, weil ich nicht immer perfekt sein kann, ein zibalianisches Blätterteigteilchen.«

Bowan nahm das Tablett mit seinem Frühstück aus dem Ausgabefach, dann wiederholte er Kerus Bestellung. Während er sein Essen zum Tisch brachte, tupfte sich Keru mit einem Handtuch den Schweiß von Gesicht und Armen. Sie aßen ihr Frühstück und plauderten, während Bowan die morgendlichen Nachrichten auf seinem Padd überflog. Als sie fertig waren, warf Keru einen Blick auf das Chronometer und sprang auf. »Ich bin spät dran!«

Er stürmte durch ihr Schlafzimmer und unter die Schalldusche. Auch wenn er es hasste, sich beim Duschen hetzen zu müssen, hasste er es doch mehr, auch nur eine Minute zu spät für eine Schicht auf der Brücke zu sein. In unter neunzig Sekunden war er sauber, zog sich panisch an und erstarrte, als ihm klar wurde, dass etwas fehlte.

»Mein Kommunikator!« Er drehte sich erst in die eine, dann in die andere Richtung. »Hast du meinen …?«

Bowan stand in der Tür des Schlafzimmers und hielt Kerus Kommunikator zwischen zwei Fingern. »Den hast du im Wohnzimmer liegen lassen. Mal wieder.«

Keru schnappte sich den Kommunikator aus der Hand seines Lebensgefährten und gab ihm auf dem Weg zur Tür einen Kuss. »Was würde ich ohne dich machen, Bo?« Über seine Schulter rief er noch: »Bis heute Abend!« Dann war er im Korridor und lief zum nächsten Turbolift.

Jeder, der auf seinem Weg zum Lift an ihm vorbeikam, lächelte ihn an. Er fragte sich, ob sie etwas wussten, das ihm entgangen war. Dann sah er im Vorbeigehen sein Spiegelbild in einer Komm-Konsole und ihm wurde klar, dass ihn alle anlächelten, weil er selbst wie ein Idiot von einem Ohr zum anderen grinste.

Das Glück war an diesem Morgen auf seiner Seite. Die Turbolifttüren standen offen, als er ankam, und er konnte hineinschlüpfen, kurz bevor sie sich schlossen. Er nickte Lieutenant Karen McCreedy von der Technik zu. »Guten Morgen!« Dann sagte er an den Computer gewandt: »Brücke.« Die Bewegung war kaum spürbar, als der Lift aufwärts beschleunigte.

Als Führungsoffizier auf dem Weg zur Brücke hatte sein Ziel Priorität vor dem von McCreedy. So war es auf allen Schiffen der Sternenflotte üblich, doch diesmal fühlte er sich verpflichtet, den Lieutenant verlegen anzusehen und »Entschuldigung« zu murmeln.

Sie schüttelte den Kopf. »Kein Problem, Sir.«

Die Türen öffneten sich mit einem Zischen und Keru betrat die Brücke der Titan. Er erreichte die Sicherheits- und die taktische Konsole, die während der Nachtschicht von Commander Tuvok bemannt worden war. Der Vulkanier nahm Kerus Ankunft mit einem höflichen Nicken zur Kenntnis. »Alle Decks vermelden Sicherheit. Schiffsstatus normal. Keine feindlichen Kontakte innerhalb der Sensorreichweite.«

»Verstanden. Ich löse Sie ab, Commander.«

»Sie haben die Station.« Tuvok trat einen Schritt zurück und übergab Keru die Konsole genau eine Minute vor dem offiziellen Beginn der Alpha-Schicht. Wie üblich hielt er sich danach nicht mehr lange auf der Brücke auf. Er ging geradewegs zum Turbolift, der sich vor ihm öffnete und mehrere Passagiere ausspuckte, einschließlich Commander Sarai, der Pilotin Lieutenant Commander Aili Lavena und dem seit Kurzem der Brücke als Ingenieur zugewiesenen Lieutenant Torvig Bu-Kar-Nguv.

Torvig tanzte an seinen Posten, der sich an einer hinteren Konsole in der Nähe von Keru befand, und setzte sich. Der junge Choblik sah aus wie eine Mischung aus einem flugunfähigen Vogel und einem zweibeinigen Waldtier, mit einem Greifschwanz, der in einem Set agiler robotischer Finger endete, und sein Körper war mit kybernetischen Verbesserungen einschließlich zweier bionischer Arme ausgestattet.

Ein paar Minuten später bemerkte Keru aus dem Augenwinkel, dass ihn Torvig neugierig ansah. Er erwiderte den Blick des Ingenieurs. »Was ist los, Tor?«

»Ich wollte Sie gerade das Gleiche fragen, Ranul.«

»Warum?«

»Sie haben gesummt.«

Das überraschte den Trill-Sicherheitschef. »Ich habe was?«

»Gesummt. Ziemlich laut.« Er wurde entschuldigend. »Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Es klang ziemlich fröhlich.«

Ein kurzer Blick in die Runde bestätigte Keru, dass ihn andere Offiziere in der Nähe ebenfalls neugierig musterten, einschließlich Ensign Peya Fell, der neuen Wissenschaftsoffizierin der Alpha-Schicht. Fell lächelte amüsiert, bevor sie den Blick senkte, und Keru fragte sich, was die junge Deltanerin wohl von ihm dachte.

Bevor er sich für seinen unbewussten Ausrutscher schämen konnte, fragte ihn Torvig: »Fühlen Sie sich heute Morgen wirklich so überschwänglich? Oder ist es eine Überkompensation?« Er vollführte das Äquivalent seiner Spezies zu einem Schulterzucken. »Manchmal fällt es mir schwer, die Emotionen von Humanoiden zu deuten.«

Keru lächelte und entschied, seine gute Stimmung zu genießen.

»Was soll ich sagen, Tor? Das Leben ist schön.«

»Das Leben ist ätzend.« Doktor Xin Ra-Havreii schritt an einer Reihe nervöser Ingenieure entlang, die in der Mitte des Hauptmaschinenraums an ihren Konsolen standen. »Und Ihre schlampige Arbeit ist der Grund dafür.« Er deutete im Vorbeigehen auf einen Schirm nach dem anderen. »Meldok, Ihr Intermixverhältnis weicht um null Komma null zwei ab … Crandall, die Verzerrungsresonanz der Steuerbordwarpspule sollte nie über null Komma null drei Millicochrane hinausgehen, ich sehe null Komma null fünf … Verdammt noch mal, Rossini, ich will keine Beimengungen im Strom der Bussardkollektoren, die über null Komma null fünf Millionstel hinausgehen … Tabyr, reinigen Sie die EPS-Leitungen, bis …«

»Die Spezifikationen für die Bussardkollektoren besagen, dass das System Beimengungen von Konzentrationen bis null Komma zwei fünf Millionstel herausfiltern kann«, unterbrach Rossini.

Ra-Havreii drehte sich wieder zu Ensign Paolo Rossini um. Er baute sich vor dem drahtigen jungen Mann auf und starrte ihn streng an. »Bitte entschuldigen Sie, Ensign. Ich hätte schwören können, dass ich gerade von einem Junioringenieur über die Spezifikationen belehrt wurde. Als wäre nicht ich es, der die Spezifikationen für dieses Schiff geschrieben hätte. War das eben eine akustische Halluzination, Ensign

Rossini ging in Habachtstellung. »Nein, Sir.«

»Sie haben mich also über die Spezifikationen belehrt?« Ra-Havreii lehnte sich nah genug heran, dass seine dramatischen, äußerst buschigen Augenbrauen Rossinis Gesicht kitzelten, während er ihn weiter rügte. »Sie sind jünger als einige meiner Narben, Ensign, also will ich Sie in ein kleines Geheimnis einweihen. Raumschiffdesigner erarbeiten eine Unmenge empfohlener Spezifikationen für ihre Schöpfung. Bei den meisten davon handelt es sich um pure Schätzungen, basierend auf Simulationen und Kurzstreckentestflügen. Niemand weiß wirklich, wie ein System funktioniert, bis es in der Praxis eingesetzt wird. Und jedes Raumschiff ist anders. Nach ein paar Jahren im Dienst und einigen Nachbesserungen entwickelt jedes Schiff seine persönlichen Eigenarten. Ein guter Ingenieur lernt, diese Macken zu respektieren. Unerfahrene Ingenieure«, er senkte seine Stimme zu einem bedrohlichen Knurren, »zitieren Spezifikationen aus dem Handbuch. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Mister?«

»Aye, Sir.«

Ra-Havreii deutete auf Rossinis Konsole. »Zurück an die Arbeit!«

Er ging die Reihe weiter entlang. Niemand sonst wagte es, ihm zu widersprechen … bis er die letzte Station erreicht hatte, die Hauptstatusanzeige. Während der meisten Schichten bemannte er diesen Posten am liebsten selbst. Doch seit der letzten Überholung der Titan – die nötig geworden war, nachdem das Schiff Anfang des Jahres im Kampf gegen die Solanae Schäden davongetragen hatte – waren auf Befehl des Sternenflottenkommandos zwei erfahrene Ingenieursoffiziere in seine Abteilung versetzt worden. Lieutenant Commander Aluno, eine zurückhaltende Catullanerin, hatte sich freiwillig für die Nachtschicht gemeldet. Dadurch hatte Ra-Havreii sie praktisch nicht mehr gesehen, seit sie an Bord gekommen war.

Wenn er doch über Lieutenant Commander Szevich Dalkaya nur das Gleiche sagen könnte! Der junge und fachlich hervorragende Zibalianer verkörperte alles, was Ra-Havreii an Untergebenen nicht leiden konnte. Zu allem Übel war Dalkaya auch noch ziemlich ehrgeizig und trat immer so arrogant auf, dass Ra-Havreii ihm am liebsten die Tätowierungen aus dem Gesicht geohrfeigt hätte.

Dalkaya stand mit verschränkten Armen vor der Hauptsystemanzeige und zog verächtlich eine Augenbraue in die Höhe. »Wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen Ihre Sandsäcke Paroli bieten, sollten Sie vielleicht lieber auf dem Holodeck trainieren.«

»Jetzt weiß ich, warum Ihre Spezies allgemein als unhöflich gilt.«

»Unhöflich? Wohl eher brutal ehrlich.« Dalkaya warf einen Blick zu Rossini, dann zurück zu Ra-Havreii. »Er hat recht, wissen Sie? Die Spezifikationen …«

»Ich kenne die Spezifikationen«, blaffte Ra-Havreii.

»Dann sollten Sie sie aktualisieren, anstatt von uns zu erwarten, dass wir Ihre Gedanken lesen.«

Ra-Havreii runzelte die Stirn und tat so, als müsste er etwas an der Hauptsystemanzeige korrigieren. »Ich werde darüber nachdenken.«

Dalkaya schien sich von der angeblichen Beschäftigung des Chefingenieurs nicht täuschen zu lassen. »Und wenn Sie schon dabei sind, lassen Sie Ihren Frust doch bitte auch woanders ab.«

»Wie bitte?« Er drehte sich um und sah den Zibalianer vernichtend an. »Muss ich Sie daran erinnern, dass Sie mit Ihrem vorgesetzten Offizier sprechen?«

Dalkaya verzog abfällig das Gesicht. »Na klar, lassen Sie nur Ihren Rang raushängen. Wie läuft das denn so für Sie? Soweit ich sehen kann, verspannt sich jeder Ingenieur an Bord, wenn er Sie nur sieht. Super für die Moral an Bord!«

»Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich ein Perfektionist bin, wenn es um dieses Schiff geht.«

»Mit einem Perfektionisten könnten sie umgehen. Aber Sie sind außerdem ein Kontrollfreak und ein herablassender Mistkerl. Und das ist für die meisten ein bisschen zu viel. Auch für mich.«

Ra-Havreii warf sich in die Brust. »Wollen Sie runter von diesem Schiff? Sie müssen nur fragen.«

»Keineswegs. Ich mag dieses Schiff und ich mag seine Offiziere und Mannschaft.« Dann musterte er Ra-Havreii missbilligend. »Anwesende ausgenommen.«

Ra-Havreiis Puls begann zu rasen und seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Dalkaya, Ihnen ist hoffentlich klar, dass ich Sie für diese Aufmüpfigkeit vor ein Militärgericht bringen kann.«

Der Zibalianer wirkte ungerührt. »Wenn Sie dieses Fass wirklich aufmachen wollen, nur zu. Sie haben in letzter Zeit so viele Leute angepisst, dass es auf diesem Schiff wohl kaum noch einen Offizier gibt, der mich auf Ihr Wort allein hin verurteilen würde.«

»Ach wirklich? Und wen soll ich angeblich verärgert haben?«

Dalkaya deutete mit einer ausladenden Geste auf seine anwesenden Kollegen. »Alle, die Sie kennen. Sie werden es Ihnen nicht ins Gesicht sagen, aber alle beginnen, Sie dafür zu hassen, dass Sie sich in ihre Arbeit einmischen und ihnen Ratschläge erteilen, die sie weder wollen noch brauchen.«

»Und ich soll glauben, dass niemand von denen etwas sagen würde? Dass allein Sie den Mut haben, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen?«

Die Reaktion war ein bescheidenes Schulterzucken. »Glauben Sie, was Sie wollen. Aber diese Leute haben Sie nur deshalb noch nicht aus einer Luftschleuse geworfen, weil sie wissen wollen, wen Sie als Ihren Stellvertreter empfehlen.«

Das überraschte Ra-Havreii. Er hatte nicht gewusst, dass seine Ingenieure darüber Bescheid wussten, dass ihn Commander Sarai seit Monaten bedrängte, einen Stellvertreter zu ernennen, um im Fall eines Notfalls eine klare Befehlskette zu haben. Er hatte sich Zeit gelassen, hauptsächlich um Sarai heimzuzahlen, dass sie ihn abgewiesen hatte, doch er hatte es damit begründet, dass keiner der »Dilettanten« unter seiner Aufsicht einen solchen Titel verdiente.

Doch offensichtlich hatte es sich herumgesprochen.

Er tat so, als wäre das unwichtig. »Ich werde mich entscheiden, wenn ich so weit bin.«

»Tja, an Ihrer Stelle würde ich nicht mehr so lange damit warten. Je länger es dauert, desto größer wird ihr Unmut. Und falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, man macht sich auf diesem Schiff keine neuen Freunde, indem man sich wie ein aufgeblasener Idiot aufführt.«

Und die wenigen, die ich hatte, ziehen sich jeden Tag mehr zurück, gestand er sich innerlich ein. »Sonst noch was?«

»Ja. Kommen Sie endlich über Melora Pazlar hinweg. Sie hat Schluss gemacht. Kommen Sie damit klar, vorzugsweise in Ihrer Freizeit.«

Ra-Havreii packte Dalkaya an seiner Uniform. »Das geht zu weit, Mister!«

Ein freches Grinsen. »Ich versuche nur zu helfen. Aber wenn Sie mich nicht innerhalb der nächsten fünf Sekunden loslassen, wird für Doktor Ree nicht genug von Ihnen übrig sein, um Sie wieder zusammenzuflicken – Sir

Vielleicht bluffte er nur. Es klang für Ra-Havreii nach gespielter Tapferkeit. Aber er wusste genug über Zibalianer, um zu wissen, dass er sich nicht mit einem prügeln wollte. Besonders nicht, während ein Dutzend anderer Ingenieure gespannt zusah.

Er ließ Dalkaya los. »Sie sind bis auf Weiteres Ihres Postens enthoben und stehen unter Quartiersarrest.«

»Was immer Sie sagen, Boss.« Dalkaya glättete die Vorderseite seiner Uniform und ging trotzig zum nächsten Turbolift. »Was immer Sie sagen.«

Ra-Havreii sah dem Zibalianer nach, dann blaffte er die anderen Ingenieure an: »Was? Zurück an die Arbeit!« Alle senkten den Blick und wandten sich wieder ihren Pflichten zu.

Der Chefingenieur stand nun allein vor der Hauptsystemanzeige, doch er konnte nur grübeln. Er verabscheute Dalkaya. Nicht nur weil der Mistkerl mit allem recht hatte, was er über Ra-Havreii gesagt hatte, sondern weil er ihn nun mit ziemlicher Sicherheit – vorausgesetzt, er leistete sich keinen schweren Fehler bei der Arbeit oder es gäbe einen öffentlichen Mord an einem Würdenträger der Föderation – zu seinem Stellvertreter ernennen müssen würde.

Das Leben ist ätzend.

»Legen Sie es auf die Komm-Konsole«, sagte Admiral William Riker. »Ich will die ganze Tabelle sehen.«

Auf der anderen Seite von Rikers Schreibtisch hielt sein Adjutant Lieutenant Ssura ein Padd fest in seinen Pfoten. Als der caitianische Lieutenant die Stirn runzelte, zuckten seine Schnurrhaare mit. »Ich glaube, wir haben jetzt keine Zeit für eine vollständige Beurteilung, Sir.«

»Unsinn. Auf den Schirm.« Riker lehnte sich zurück, während Ssura die neuesten Missionsschwerpunkte des Sternenflottenkommandos an das große Komm-Display an der Wand sandte. Es war eine gewaltige Tabelle, auf der Ziele nach ihrer Art in Reihen sortiert und in Spalten Schiffen zugeordnet waren. Zusätzlich zu den der Titan zugewiesenen Aufgaben, die als Rikers Flaggschiff und mobiler Kommandoposten fungierte, zeigte die Tabelle, welche Aufgaben die Einsatzplanung des Sternenflottenkommandos den anderen Schiffen unter Rikers Kommando als Teil der Alpha-Quadrant-Grenzerforschungsgruppe oder kurz AQGEG zugewiesen hatte.

Mithilfe der Benutzeroberfläche seines Schreibtischs markierte Riker mehrere Punkte der Tabelle. »Warum wurden der Canterbury so viele Planetenuntersuchungen zugewiesen?«

»Wahrscheinlich wegen der kürzlichen Überholung ihrer Sensoren«, antwortete Ssura.

»Meinetwegen, aber dadurch werden sie immer wieder durch den Carinaarm pendeln müssen. Entwerfen Sie einen neuen Plan, der sie auf einem konstanten Auswärtskurs hält, und weisen Sie die restlichen Untersuchungen der Wasp und der Ajax zu.«

Ssura, der niemals widersprach oder sich beschwerte, nickte nur. »Der Plan wird morgen früh zu Beginn der Alpha-Schicht für Sie bereit sein, Sir.«

»Gut.« Riker markierte eine Handvoll weiterer Punkte auf der Tabelle. »Lese ich das richtig, Ssura? Erforschung von Gasanomalien zwischen den galaktischen Armen?«

Sein Flügeladjutant lehnte sich näher an die Komm-Konsole heran. »Soweit ich sehen kann, Sir.«

»Gilt so was heutzutage im Hauptquartier als Witz? Mein Flaggschiff damit zu beauftragen, Gasanomalien zu untersuchen, während die Canterbury wahrscheinlich auf eine Erstkontaktmission geschickt wird?«

Ssura, der zu spüren schien, dass die rhetorische Frage eine Falle war, dachte lange über seine Antwort nach. »Ich nehme an, dass ich die beiden Aufträge vertauschen soll, Admiral?«

»Eine hervorragende Idee, Lieutenant. Machen Sie das.«

Ssura notierte sich den Befehl auf seinem Padd, dann warf er einen Blick auf das Chronometer. »Sechzig Sekunden, Sir.«

Riker sprang von seinem Platz auf. »Nur noch eine Minute? Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt?«

»Ich habe es ja versucht, Sir, aber …«

»Beeilung!« Bei seinem Sprint zur Tür rannte er seinen überarbeiteten Flügeladjutanten fast um. Auch wenn er vermutete, dass Ssura direkt hinter ihm war, konnte Riker es nicht mit Sicherheit sagen, weil die pelzigen Pfoten des Caitianers auf dem mit Teppichboden ausgelegten Deck der Titan vollkommen lautlos waren.

Es war lange her, dass Riker hatte laufen müssen, und als er durch die Korridore der Titan eilte, stellte er mit Bedauern fest, dass er sein Alter langsam spürte – hauptsächlich in den Knien, aber auch in der Hüfte. Ich muss Ree mal darum bitten, einen Blick darauf zu werfen, dachte er.

Er lief eine breite Spiralrampe hinunter, die ein paar Decks der Untertassensektion miteinander verband. Die Rampe war kein Sternenflottenstandard, doch eine Reihe von Spezies, die an Bord der Titan dienten, darunter viele Nichthumanoide, machten sie zu einer Notwendigkeit.

»Platz machen bitte!«, rief Riker den Junioroffizieren und Unteroffizieren vor sich zu, damit er schnell vorbeikam. Es war ein Vorrecht, das er nur selten in Anspruch nahm, weil er fand, dass es effektiver war, wenn er es sich für wahre Notfälle wie diesen hier aufsparte. Nicht immer gleich die Pferde scheu machen, rief er sich ins Gedächtnis.

Am unteren Ende der Rampe wich Riker nur knapp einem Zusammenstoß mit der Computerspezialistin K’chak’!’op aus, einer Pak’shree, deren Größe und Aussehen – sie erinnerte Riker an einen riesigen vieräugigen Käfer, dem Tentakel aus beiden Seiten des Kopfs ragten – ihn stets leicht zusammenzucken ließen. »Tut mir leid!« Er wartete nicht lang genug, um sich die Übersetzung ihrer wütenden Klickgeräusche anzuhören.

Ein paar Türen von seinem Ziel entfernt, blieb Riker stehen und atmete tief durch. Er glättete gerade die Vorderseite seiner Uniform, als Lieutenant Ssura neben ihm zum Stehen kam. »Zeit?«

»Fünfzehn Sekunden, Sir.«

Nachdem Riker eine ruhige Haltung angenommen hatte, betrat er den Schulraum der Titan. Auf der anderen Seite hatten sich mehrere Besatzungsmitglieder versammelt, deren Kinder in der Schiffsschule von Commander Tuvoks Ehefrau T’Pel, einer Zivilistin, angemeldet waren. Die Vulkanierin stand direkt an der Tür und begrüßte Riker, als er eintrat. »Willkommen, Captain! Ihre Frau hält vorne für Sie einen Platz frei.«

»Danke, T’Pel.«

Ganz gleich wie sehr Riker versuchte, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, war es ihm einfach unmöglich, sich auf der Titan zu bewegen, besonders in Umgebungen wie dieser hier, ohne in den Mittelpunkt zu geraten, wenn auch nur kurz. Er lächelte den anderen Eltern zu, während er durch den Mittelgang in die erste Reihe ging. Dort setzte er sich auf einen Klappstuhl neben Commander Deanna Troi, diplomatischer Offizier der Titan und Leiterin des Counselorstabs.

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