Grundkurs Arbeitsrecht für die Soziale Arbeit

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Beispiel

Erzieherin E arbeitet in einer Kindertagesstätte, die einen kleinen „Waldkindergarten“ als Außenstelle betreibt. Die Leitung des Waldkindergartens obliegt der im Haupthaus tätigen und auch für die dortigen Gruppen zuständigen Kindheitspädagogin K. Hier handelt es sich bei Haupthaus und Außenstelle um einen einheitlichen Betrieb.

Der Betrieb als Organisationseinheit ist auch entscheidend, wenn es um die Errichtung von Betriebsräten und deren Zuständigkeit geht (vgl. §§ 1, 3, und 4 BetrVG); Betriebsvereinbarungen gelten nur für die Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebs (vgl. § 77 Abs. 4 BetrVG).

Unternehmen

Ein Unternehmen ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Inhaber einen bestimmten wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verfolgt. Es kann aus nur einem Betrieb oder aus mehreren organisatorisch verbundenen Betrieben bestehen. Entscheidend für den Unternehmensbegriff ist, dass ein einheitlicher Rechtsträger besteht, etwa eine natürliche Person als „Unternehmer“, eine juristische Person oder eine Gesellschaft. Dieser Unternehmensträger ist der Vertragspartner des einzelnen Arbeitnehmers!

Beispiel

Ein großer freier Sozialträger in der Form einer gGmbH betreibt Kinderheime, Seniorenheime und Behindertenheime in allen größeren und einigen kleineren Städten. Hier verfügt der Träger – die GmbH – über ein Unternehmen, das aus mehreren Betrieben (den jeweiligen Einrichtungen) besteht.

Der Begriff des Unternehmens spielt v.a. im Rahmen der Mitbestimmung von Arbeitnehmern eine Rolle: Wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebe mit Betriebsräten existieren, ist auf der Unternehmensebene ein Gesamtbetriebsrat zu bilden (§ 47 BetrVG), der Angelegenheiten zu behandeln hat, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen. Dieser kann auch Gesamtbetriebsvereinbarungen abschließen, die dann für alle Arbeitnehmer eines Unternehmens gelten können.

Aber auch im Bereich des Kündigungsschutzes kann es wichtig werden, ob ein Unternehmen mehrere verschiedene Betriebe hat: Möglicherweise entfällt nämlich der Grund für eine betriebsbedingte Kündigung, wenn in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens ein geeigneter freier Arbeitsplatz für den zu kündigenden Arbeitnehmer existiert (Kap. 4.2.2).

Beispiel

Der freie Träger F betreibt in Augsburg und Umgebung mehrere Privatkliniken. Aus Rentabilitätsgründen wird die Klinik in Friedberg geschlossen und der dortigen Kliniksozialarbeiterin K gekündigt. Wäre in einer Klinik des F im benachbarten Augsburg eine Stelle für die Sozialarbeiterin frei, so wäre die Entlassung der K sozial nicht gerechtfertigt. Entscheidend für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung ist nämlich nicht der Betriebs-, sondern der Unternehmensbegriff (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Sind mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst, spricht man von einem Konzern (§ 18 AktG). Auch in einer solchen Situation ist Arbeitgeber das einzelne Unternehmen und nicht der Konzern als solcher. Das Vorliegen eines Konzerns ist v.a. in Bezug auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (z. B. § 5 MitbestG) oder den sog. „Konzernbetriebsrat“ nach §§ 54 ff. BetrVG relevant. Außerdem können in Arbeitsverträgen sog. „Konzernversetzungsklauseln“ vorkommen, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, Arbeitnehmer in verschiedenen Unternehmen des Konzerns einzusetzen.

Fall 1: Arbeitnehmerin oder Selbstständigkeit?

Sibylle S hat sich als Sozialarbeiterin selbstständig gemacht. Sie ist einen Tag in der Woche (7,5 Stunden) in einer Erziehungsberatungsstelle als „Beraterin auf Honorarbasis“ (so der Wortlaut des Vertrags) tätig, wo sie sich auf die Beratung in Trennungs- und Scheidungssituationen spezialisiert hat. In der Beratungsstelle stellt ihr der Träger der Einrichtung („Elternrat e.V.“) einen Arbeitsplatz in einem Büro mit zwei anderen dort Beschäftigten zur Verfügung; zudem kann sie auf den Sekretariatsdienst (Terminvereinbarung, ein- und ausgehende Korrespondenz) zugreifen und hat einen E-Mail-Account, den der Träger bereitstellt und der sibylle.s@elternrat.de lautet. Mit dem Träger muss sie auch ihre „Urlaubstage“ abstimmen, wobei ihr sechs Tage pro Jahr zustehen; sie ist auch verpflichtet, sich im Krankheitsfall unter Vorlage eines Attests abzumelden. Neben dieser Tätigkeit wurden ihr vom Familiengericht fünf Vormundschaften für Kinder übertragen; des Weiteren wird sie gelegentlich vom Jugendamt als „Freelancer“ gebucht, um Hausbesuche bei belasteten Familien vorzunehmen und für das Jugendamt Sozialberichte über die betreffenden Familien und dabei insbesondere die Situation der dort lebenden Kinder zu verfassen. Die Berichte erstellt S zuhause an ihrem eigenen PC; das Jugendamt verwendet diese für die Hilfeplanung (§ 36 SGB VIII) und die Familiengerichtshilfe (§ 50 SGB VIII). S hat schon mehrfach aus Termingründen die Erstellung solcher Berichte abgelehnt. Ist S mit ihren Tätigkeiten ein oder mehrere Arbeitsverhältnisse eingegangen?

Fall 2: Mehr oder weniger Urlaub?

Der freie Träger „Elternrat e.V.“ beschäftigt auch eine Psychologin P in Vollzeit an fünf Tagen in der Woche. In deren Arbeitsvertrag werden ihr aufgrund ihrer geschickten Verhandlung im Bewerbungsgespräch 31 Urlaubstage zugebilligt. Darüber hinaus enthält der Vertrag den Passus: „Für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses gelten die Bestimmungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) sinngemäß.“ Dort heißt es in § 26 S. 2: „Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage.“ Laut § 3 BUrlG beträgt der Urlaub jährlich mindestens 24 Werktage. Alle anderen Beschäftigten bei „Elternrat“ erhalten 28 Tage. Wie viele Urlaubstage stehen P zu?

2Arbeitsvertrag

Die grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen zum Arbeitsvertrag finden sich in §§ 611a bis 630 BGB. Von einem „normalen“ Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB unterscheidet sich der Arbeitsvertrag dadurch, dass der Arbeitnehmer durch ihn – anders als bei anderen gegen Geld erbrachten Dienstleistungen (z. B. Behandlung durch einen niedergelassenen Arzt, Betreuung von Pflegebedürftigen durch einen Pflegedienst) – zu einer weisungsgebundenen und fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet wird (§ 611a Abs. 1 S. 1 BGB). Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer also in den Betrieb des Arbeitgebers integriert (Kap. 1.2.1).

Mit dem Vertragsschluss entsteht eine auf Dauer angelegte Verbindung (sog. „Dauerschuldverhältnis“) zwischen den Vertragspartnern. Aus dem daraus resultierenden Treue- und Abhängigkeitsverhältnis ergeben sich soziale Pflichten des Arbeitgebers, die bei einem allgemeinen Vertrag über Dienstleistungen nicht bestehen.

Ehrlicherweise muss man zur Kenntnis nehmen, dass immer wieder Arbeitgeber versuchen, sich diesen Pflichten zu entziehen, indem sie alternative Bezeichnungen („Selbstständiger“, „Subunternehmer“, „Freelancer“, Honorarbasis“) oder andere Vertragstypen (v.a. den Werkvertrag) verwenden, um die eigenen Arbeitgeberpflichten zu umgehen. Nach § 611a Abs. 1 S. 4 BGB ist für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses aber nicht die Bezeichnung maßgeblich, sondern der faktische Inhalt des Vertrages (Kap. 1.2.1). Dieser ist dafür entscheidend, ob die nur für Arbeitnehmer geltenden Schutzgesetze (z. B. KSchG, EFZG, ArbZG) zur Anwendung kommen oder nicht. Konkret ist der Arbeitsvertrag deshalb von den nachfolgenden Vertragsgestaltungen zu unterscheiden:

•Bei einem Werkvertrag (§ 631 BGB) wird ein bestimmter Leistungserfolg geschuldet (z. B. das Anstreichen eines Hauses oder die Reparatur eines Wagens). Gegenstand des Dienst- oder eben des Arbeitsvertrages ist dagegen ausschließlich die Dienstleistung als solche, die nicht an einen bestimmten Erfolg geknüpft ist. Zudem zeichnet sich der Arbeitsvertrag durch ein gewisses „Zeitmoment“ aus: Hier wird nicht nur eine Dienstleistung geschuldet, sondern insbesondere auch das „Zur-Verfügung-Stehen“ während einer zumindest dem Umfang nach festgelegten Arbeitszeit.

Beispiel

Im Rahmen der sozialen Beratung (z. B. Erziehungsberatung, Migrationsberatung, Schwangerenberatung, Suchtberatung) ist nicht ein bestimmter Beratungserfolg geschuldet, sondern nur die Beratungsleistung als solche. Gleiches gilt für andere sozialarbeiterische Leistungen wie Streetwork, Familienhilfe oder die Durchführung einer Zukunftswerkstatt. Werden SozialarbeiterInnen bei einem Sozialen Dienst als Fachkräfte eingestellt, liegt also ein Arbeitsvertrag und kein Werkvertrag vor.

•Ein Auftrag (§ 662 BGB) ist gekennzeichnet durch seine Unentgeltlichkeit. Wer einen Auftrag ausführt, kann lediglich Aufwendungsersatz vom Auftraggeber verlangen (§ 670 BGB), nicht aber eine feste Entlohnung. Dagegen ist die Leistung bei einem Arbeitsvertrag immer an eine bestimmte, ggf. stillschweigend vereinbarte Vergütung geknüpft (vgl. §§ 611a Abs. 2 und 612 Abs. 1 BGB).

Selbstständige Tätigkeit, wie sie etwa von Freiberuflern und / oder Honorarkräften erbracht wird, zeichnet sich dadurch aus, dass der Leistungserbringer selbst entscheiden kann, ob, wann und wie er die Leistung erbringt. Der selbstständige Dienstleister ist nicht in den Betrieb des Auftraggebers integriert, nicht abhängig und auch nicht weisungsgebunden. Er schließt daher zwar einen Dienstvertrag i.S.v. § 611 BGB, aber keinen Arbeitsvertrag nach § 611a BGB ab.

Beispiel

 

In ihrer „Familienpause“ will Sozialarbeiterin S „auf Honorarbasis“ als Familienhelferin oder als Vormünderin für das Jugendamt tätig werden. Dabei will sie bewusst als „Selbstständige“ tätig werden, damit sie ihre Arbeitsbelastung selbst und abhängig vom Betreuungsbedarf ihrer eigenen Kinder steuern kann. Da sie über die volle Entscheidungsfreiheit verfügt, Fälle anzunehmen oder nicht, ist sie nicht Arbeitnehmerin, sondern Selbstständige.

Wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit (vgl. § 105 GewO) kann der Arbeitnehmer (und natürlich auch der Arbeitgeber) frei entscheiden, ob er einen Arbeitsvertrag abschließt (sog. „Abschlussfreiheit“) und mit wem er einen Arbeitsvertrag abschließt („Freiheit der Vertragspartnerwahl“). Von diesem Grundsatz gibt es zwei nur selten vorkommende Ausnahmen:

•Im Gesetz finden sich vereinzelt gesetzliche Einstellungsfiktionen, d. h., das Gesetz unterstellt einen Vertragsschluss, obwohl von den Beteiligten gar keine entsprechenden Willenserklärungen abgegeben wurden.

Beispiel

Ein Beispiel für eine Fiktion ist die Übernahme eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung in ein Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Ausbildungszeit, sofern der Arbeitgeber dem Auszubildenden nicht drei Monate vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses schriftlich mitgeteilt hat, dass er diesen nicht übernehmen will (§ 78a BetrVG).

Gemäß § 10 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) entsteht ein Arbeitsvertrag zwischen einem „Entleiher“ und einem Leiharbeitnehmer, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist (Kap. 2.2.4).

Bei einem Betriebsübergang gehen gemäß § 613a Abs. 1 BGB die Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes auf den neuen Inhaber über, sofern der Arbeitnehmer dem nicht nach § 613a Abs. 6 BGB widerspricht.

•Im öffentlichen Dienst kann sich wegen des dort geltenden strengen Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG), das auch für Tarifangestellte gilt, ein Anspruch des am besten qualifizierten Bewerbers auf Einstellung ergeben.

Gemäß §§ 154 ff. SGB IX sind Arbeitgeber je nach Betriebsgröße dazu verpflichtet, eine bestimmte Zahl schwerbehinderter Menschen zu beschäftigen (zur genauen Berechnung s. §§ 156 ff. SGB IX). Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine gesetzliche Zielbestimmung; ein einzelner Arbeitnehmer kann aus § 154 SGB IX keinen Anspruch auf Einstellung ableiten.

2.1Abschluss des Arbeitsvertrags

Bei einem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen „normalen“ schuldrechtlichen Vertrag, der daher weitestgehend den Bestimmungen des BGB unterliegt. Allerdings können sich Besonderheiten aus den speziellen arbeitsrechtlichen Gesetzen ergeben.

Wie jeder andere Vertrag kommt auch der Arbeitsvertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Angebot und Annahme – zustande. Dabei müssen sich die Vertragsparteien zumindest über die Art der geschuldeten Leistung und die Höhe des Entgelts geeinigt haben. Wurde die Vergütung nicht genau festgelegt, so gilt nach § 612 Abs. 1 und 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart, wenn die Arbeitsleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Das ist regelmäßig der Tariflohn, sofern ein solcher in einer bestimmten Branche existiert.

Die Stellenausschreibung ist für sich noch kein Angebot des Arbeitgebers, da dieser nicht mit jedem Bewerber einen Arbeitsvertrag abschließen will und kann. Es handelt sich bei Stellenangeboten (z. B. in Tageszeitungen, dem Internet oder den Job-Centern) nur um eine Aufforderung an Interessierte, ein Angebot abzugeben (sog. „invitatio ad offerendum“); diese Aufforderung bringt jedoch noch keinen konkreten rechtlichen Bindungswillen zum Ausdruck.

Beispiel

Eine Suchtberatungsstelle schreibt eine Stelle für eine sozialpädagogische Fachkraft aus. Es gibt 25 BewerberInnen auf diese Stelle. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch keine 25 Arbeitsverträge abgeschlossen wurden. Vielmehr befindet sich der Vertrag noch im Verhandlungsstadium.

Ein rechtlicher Bindungswille fehlt auch bei sog. Gefälligkeiten.

Beispiel

Sozialarbeiter S pflegt gelegentlich abends seinen schwer körperbehinderten Vater. Hier erbringt S zwar eine Dienstleistung; im Vordergrund steht aber die verwandtschaftliche Beziehung. Es geht nicht darum, Geld mit der Pflege zu verdienen. Selbst wenn S ab und zu „als Dankeschön“ einen Geldschein von seinem Vater zugesteckt bekommt, steht doch die innerfamiliäre Bindung und damit die Gefälligkeit im Vordergrund. Ein Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen.

Allerdings sind auch unter Verwandten Arbeitsverhältnisse möglich (Kap. 1.2.1).

Beispiel

Der schwer pflegebedürftige A schließt mit seiner Cousine C, die gelernte Krankenschwester ist, einen Pflege- und Betreuungsvertag ab. Konkret soll sie A täglich sieben Stunden betreuen und versorgen. Dafür soll sie monatlich 2.800 EUR brutto erhalten. Da hier eindeutige, regelmäßige Pflegeleistungen und -zeiten definiert wurden und auch eine regelmäßige Vergütung in einer für die Tätigkeit üblichen Höhe vereinbart ist, deutet dies darauf hin, dass eine rechtlich verbindliche Absprache und mithin eine vertragliche Regelung beabsichtigt sind. Es wurde ein Arbeitsvertrag geschlossen.

Im Fall der in Kapitel 2 angesprochenen Fiktionen kommt der jeweilige Arbeitsvertrag nicht durch ein bestimmtes Verhalten, sondern „automatisch“ durch das Gesetz zustande. Ebenso verhält es sich, wenn ein ursprünglich befristeter Arbeitsvertrag wissentlich und stillschweigend fortgesetzt wird (§ 15 Abs. 5 TzBfG und § 625 BGB).

2.1.1Minderjährigkeit

Da die Vollzeitschulpflicht in aller Regel mit Abschluss des 15. Lebensjahres endet, gehen zwangsläufig auch Minderjährige Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisse ein. In einem solchen Fall sind beim Vertragsschluss die §§ 104 ff. BGB zu beachten. Dort findet sich in § 113 BGB eine Besonderheit: Gemäß dieser Vorschrift können Minderjährige Arbeitsverhältnisse eingehen und alle damit im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte (z. B. Eröffnung eines Gehaltskontos; Kauf von Arbeitsmaterial und -kleidung; bei auswärtiger Ausbildung sogar Anmieten einer Wohnung) ohne Beteiligung ihrer Eltern abschließen (sog. „partielle Geschäftsfähigkeit“), sofern der gesetzliche Vertreter in die Eingehung des Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnisses als solches eingewilligt hat.

2.1.2Formvorschriften

Grundsätzlich ist der Abschluss eines Arbeitsvertrags formlos, also durchaus auch mündlich, telefonisch oder per E-Mail möglich (vgl. § 105 GewO). Da dies eine große gestalterische Freiheit ermöglicht, bestimmt das Nachweisgesetz (NachwG) aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Beweiserleichterung für den Arbeitnehmer, dass die wesentlichen Vertragsinhalte, wie sie letztlich vereinbart wurden, immer schriftlich festgehalten werden müssen (§ 2 NachwG).

Beispiel

A und B vereinbaren mündlich, dass B als Ergänzungskraft in der Kita des A arbeiten soll. Der Arbeitsvertrag ist auch durch die „nur“ mündliche Vereinbarung wirksam geschlossen worden. Allerdings ist A gemäß § 2 Abs. 1 NachwG verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und an B auszuhändigen.

Unterbleibt die schriftliche Niederlegung, hat dies auf den Bestand des Arbeitsvertrags allerdings keine Auswirkung. Ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz hat lediglich zur Folge, dass bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten Beweiserleichterungen für den Arbeitnehmer greifen.

Ähnliche Niederlegungsvorschriften finden sich auch in § 11 Abs. 1 BBiG für Auszubildende bzw. in § 11 Abs. 1 AÜG für Leiharbeitnehmer. Auch diese dienen nur der leichteren Beweisführung und der gegenseitigen Rechtssicherheit über die geschlossenen Absprachen.

Zum Teil wird in Tarifverträgen oder in Gesetzen die Einhaltung der Schriftform vorgeschrieben. Das bedeutet gemäß § 126 BGB eigentlich, dass der Arbeitsvertrag von beiden Vertragspartnern eigenhändig unterschrieben sein muss. Allerdings führt die Nichteinhaltung der Form entgegen § 125 BGB nicht zwingend zur Nichtigkeit des Vertrags, da viele Formvorschriften im Arbeitsrecht nur Beweiszwecken dienen und das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses gerade nicht verhindern sollen.

Beispiel

§ 2 Abs. 1 der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen (TVöD) bzw. der Länder (TV-L) bestimmt, dass der Arbeitsvertrag durch die hier gebundenen öffentlichen Arbeitgeber, die gerade im Bereich der sozialen Arbeit eine sehr große Bedeutung haben, schriftlich zu schließen ist. Diese Formvorgabe ist nur deklaratorisch und daher keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertragsschluss.

Anders ist es gemäß § 14 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Demnach bedarf jede Befristung eines Arbeitsvertrages der Schriftform, um wirksam zu sein – auch wenn der Arbeitsvertrag selbst zulässigerweise in mündlicher Form geschlossen worden ist. Ist die Befristung wegen dieses Formfehlers unwirksam, gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 TzBfG). Formbedürftig ist also nicht der Vertrag, sondern nur die Befristungsabrede.

Beispiel

Kinderpflegerin K und der Träger einer Kita, eine kleine Elterninitiative, die als e.V. organisiert ist, verständigen sich mündlich darauf, dass K bis zum Ende des Kindergartenjahres in Vollzeit für den e.V. arbeiten wird. Der Arbeitsvertrag ist wirksam geschlossen, da hier keine Schriftform einzuhalten ist. Allerdings ist die Befristungsabrede („bis zum Ende des Kindergartenjahres“) nach § 125 BGB unwirksam, denn diese hätte gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG schriftlich erfolgen müssen. K ist damit im Ergebnis auf unbefristete Zeit bei dem Trägerverein eingestellt worden (§ 16 TzBfG).

2.1.3Allgemeine Geschäftsbedingungen

Zunehmende Bedeutung erlangt die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) i.S.v. §§ 305 ff. BGB in den Arbeitsvertrag: Viele Arbeitgeber verwenden Musterarbeitsverträge, die von den Arbeitgeberverbänden zur Verfügung gestellt werden, von Personal- und Rechtsabteilungen vorformuliert sind oder sich im Internet finden lassen. Für diese einseitig von einem Vertragsteil vorformulierten Vertragsbestimmungen gelten nach den §§ 305 bis 310 BGB besondere Beschränkungen zum Schutz des anderen Vertragspartners. Dies gilt gemäß § 310 Abs. 4 BGB auch im Arbeitsrecht. Dabei wirkt sich dieser Schutz ganz überwiegend zugunsten der Arbeitnehmer aus, da diese als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB gelten. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterliegen die Vertragsbedingungen daher sogar der AGB-Kontrolle, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung vorgesehen waren. Voraussetzung ist nur, dass der Arbeitnehmer – wie meistens – auf die vorformulierten Vertragsklauseln keinen Einfluss nehmen konnte.

Es kann also sein, dass „Formulararbeitsverträge“ rechtlich ungültige Klauseln enthalten. Das ist der Fall, wenn

•eine Klausel so ungewöhnlich ist, dass der Arbeitnehmer nicht mit ihr rechnen musste (§ 305c Abs. 1 BGB),

•der Arbeitnehmer durch eine Klausel unangemessen benachteiligt wird (§ 307 BGB), wobei die §§ 307 Abs. 2, 308 und 309 BGB den Begriff der „unangemessenen Benachteiligung“ konkretisieren und Regelbeispiele für derartige unwirksame Klauseln enthalten.

Beispiel

So wird etwa ein formularmäßiger Verzicht auf Kündigungsschutzklagen ohne jegliche Kompensation durch den Arbeitgeber als unzulässig anzusehen sein. Gleiches gilt für die uneingeschränkte Pflicht zur Rückzahlung aller betrieblichen Aus- und Fortbildungskosten für den Fall einer Kündigung durch den Arbeitnehmer.

Eine vertragliche Ausschlussfrist (z. B. für die Geltendmachung von Schadensersatz- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen), kann unzulässig sein, wenn sie im Vertrag unter einer missverständlichen Überschrift „versteckt“ wurde oder kürzer als drei Monate ist.

 

Ist eine Klausel vom Arbeitgeber nicht eindeutig formuliert, so geht dies zu seinen Lasten, d. h., bei mehreren denkbaren Auslegungsmöglichkeiten ist die für den Arbeitnehmer „verbraucherfreundlichste“ Auslegung als vereinbart anzunehmen (§ 305c Abs. 2 BGB). Gänzlich unklare und unverständliche Klauseln (wenn also der Arbeitnehmer der Klausel gar nicht entnehmen kann, was genau auf ihn zukommt) sind ohnehin unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).

Auch die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR, Kap. 6.2), die die kirchlichen Arbeitgeber ihren Arbeitsverträgen zu Grunde legen, sind rechtlich betrachtet Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

Da sich die Rechtsprechung in diesem Bereich sehr schnell weiterentwickelt, muss wegen der Details auf die rechtswissenschaftliche Literatur verwiesen werden.

2.2Besondere Arten von Beschäftigungsverhältnissen

2.2.1Teilzeitbeschäftigung

Bei einer Teilzeitbeschäftigung ist die regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer als die regelmäßige Wochenarbeitszeit der in einem bestimmten Betrieb vollzeitbeschäftigten Personen (§ 2 Abs. 1 TzBfG; ist eine Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, wird auf die Jahresarbeitszeit abgestellt).

Auch die sog. „geringfügige Beschäftigung“ (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, auch „Minijob“ genannt) gilt als Teilzeitbeschäftigung, § 2 Abs. 2 TzBfG. Für Minijobs gelten nur im Bereich der Sozialversicherung Besonderheiten, da bei diesen das Arbeitsentgelt einen Höchstbetrag nicht übersteigt.

Die Möglichkeit einer Tätigkeit in Teilzeit bringt insbesondere verbesserte Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder in Bezug auf die Pflege von Angehörigen mit sich. Manche Arbeitnehmer reduzieren ihre regelmäßige Arbeitszeit aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus. Während früher nur die Alternative „ganztags“ oder „halbtags“ bestand, gibt es inzwischen unterschiedlichste Teilzeitmodelle, bei denen entweder die tägliche Arbeitszeit reduziert wird (z. B. „sechs statt acht Stunden Arbeitszeit täglich“) oder diese auf einzelne Tage konzentriert wird (z. B. „zwei Tage mit sechs Stunden und ein Tag mit vier Stunden Arbeitszeit“), ggf. sogar kombiniert mit einer teilweisen Tätigkeit von zuhause aus („Home-office“).

§ 8 Abs. 1 TzBfG gibt jedem Arbeitnehmer, der schon länger als sechs Monate bei einem Arbeitgeber mit regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmern (§ 8 Abs. 7 TzBfG) tätig ist, einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung. Der Anspruch kann sogar mehrfach stufenweise eingesetzt werden, allerdings nur im Rahmen der in § 8 Abs. 6 vorgesehenen jeweiligen Zweijahresfrist.

Der entsprechende Antrag des Arbeitnehmers muss spätestens drei Monate vor Beginn der Arbeitszeitverringerung unter Angabe der gewünschten Arbeitszeitverteilung gestellt werden. Die konkrete Verteilung der Arbeitszeit ist zwar grundsätzlich Vereinbarungssache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 3 TzBfG). Der Arbeitgeber muss jedoch der vom Arbeitnehmer gewünschten Arbeitszeitverteilung zustimmen, wenn dieser keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Dies wäre insbesondere denkbar, wenn die gewünschte Zeitverteilung die ordnungsgemäßen betrieblichen Arbeitsabläufe extrem erschweren würde oder mit unverhältnismäßigen Kosten für den Arbeitgeber verbunden wäre; weitere Ablehnungsgründe könnten auch in einem Tarifvertrag festgelegt werden (§ 8 Abs. 4 TzBfG).

Beispiel

In einem Kinderheim ist Sozialarbeiterin S als „Bezugsbetreuerin“ für drei Mädchen eingesetzt. Sie will ihre Arbeitszeit reduzieren und nunmehr an zwei Tagen pro Woche in der Einrichtung arbeiten. Dies hätte zur Folge, dass die Bezugskinder an fünf Wochentagen über keine Vertrauensperson unter den Beschäftigten verfügen. Der Arbeitgeber von S hätte somit einen fachlichen Grund, der gewünschten Arbeitszeitverteilung gemäß § 8 Abs. 4 TzBfG zu widersprechen.

Lehnt der Arbeitgeber den Antrag nicht spätestens einen Monat vor Beginn der Arbeitszeitreduzierung schriftlich ab, gilt seine Zustimmung als erteilt (§ 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG).

Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht anders behandeln als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, sofern nicht sachlich nachvollziehbare Gründe für die Ungleichbehandlung vorliegen (§ 4 TzBfG).

Beispiel

Gruppenleiterin G arbeitet ebenso wie ihre Kolleginnen in einer Fünf-Tage-Woche. Sie hat jedoch ihre Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden täglich reduziert. Gleichwohl kann sie ebenso viele Urlaubstage beanspruchen wie ihre vollzeitbeschäftigten Kolleginnen. Ein rechtlicher Grund, warum sie einen geringeren Urlaubsanspruch haben sollte, ist nicht ersichtlich.

Weitere Schutzvorschriften für Arbeitnehmer im Kontext von Teilzeitarbeit, nämlich ein Diskriminierungs- und ein Kündigungsverbot, enthalten die §§ 5 und 11 TzBfG.

Macht ein Arbeitnehmer von seinem Verringerungsrecht nach § 8 TzBfG Gebrauch, gilt die verringerte Arbeitszeit grundsätzlich unbegrenzt. Will er nach einer gewissen Zeit seine Arbeitszeit wieder „aufstocken“, muss der Arbeitgeber dieses Anliegen gemäß § 9 TzBfG bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung grundsätzlich bevorzugt berücksichtigen. Zudem gibt § 9a TzBfG (lesen!) die Möglichkeit der sog. „Brückenteilzeit“: Danach ist es möglich, für maximal fünf Jahre vorübergehend in Teilzeit zu gehen und danach zur bisherigen vertraglichen Arbeitszeit zurückzukehren. Arbeitgeber kleinerer Unternehmen (mehr als 45 und weniger als 200 Arbeitnehmer) können den Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit allerdings ablehnen, wenn sich schon eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern in Brückenteilzeit befindet.

2.2.2Aushilfen

Auch Aushilfskräfte, d. h. Mitarbeiter, mit deren Hilfe ein Arbeitgeber einen nur vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften abdecken will (z. B. wegen Ausfalls mehrerer „Stammkräfte“), sind grundsätzlich „normale“ Arbeitnehmer, wenn sie in den Betrieb des Arbeitgebers i.S.v. § 611a Abs. 1 BGB eingegliedert sind und weisungsgebundene Arbeit leisten.

Beispiel

Sozialarbeitsstudentin S will zur Finanzierung ihres Studiums gelegentlich einen „Zuverdienst“ haben, kann aber wegen des strengen Stundenplans nicht regelmäßig arbeiten. Deshalb hilft sie tageweise in verschiedenen Lokalen als Bedienung aus. Da sie an den jeweiligen Arbeitstagen in den Restaurantbetrieb eingegliedert ist, ist sie Arbeitnehmerin; handelt es sich um Lokale verschiedener Arbeitgeber, hat sie ggf. mehrere Arbeitsverhältnisse geschlossen.

Handelt es sich um ein Aushilfsarbeitsverhältnis, so haben die beschäftigten Aushilfen wie alle anderen Arbeitnehmer Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsansprüche (Kap. 3.2.4). Gemäß § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB kann jedoch die gesetzliche Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag verkürzt werden, wenn eine Aushilfe nicht länger als drei Monate beschäftigt wird. Die Nachweispflicht nach § 2 des Nachweisgesetzes entfällt, wenn die Aushilfstätigkeit nicht länger als einen Monat ausgeübt wird (§ 1 NachwG).

Bei einer Aushilfe, die als Arbeitnehmer „auf Abruf“ eingesetzt wird, also ihre Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall erbringt, ist zumindest eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festzulegen, sonst gilt eine zehnstündige Wochenarbeitszeit als vereinbart (§ 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG). Zudem muss der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitteilen (§ 12 Abs. 2 TzBfG); anderenfalls ist der Arbeitnehmer zur Verweigerung der Arbeitsleistung berechtigt.

Beispiel

Sozialarbeitsstudentin S arbeitet neben dem Studium im Sommer als Bedienung „auf Abruf bei schönem Wetter“ in einem Biergarten. Es ist keinerlei zeitlicher Rahmen vereinbart. Damit greift die Fiktion des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG und es wird eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden angenommen. Ruft der Arbeitgeber die Studentin am Freitag an und fordert er sie wegen des guten Wetters zur Arbeit am darauffolgenden Samstag auf, so kann sie den Arbeitsantritt verweigern, denn die Mitteilungsfrist wurde nicht eingehalten.

2.2.3Ausbildungsverhältnisse

Im Rahmen der betrieblichen Bildungsmöglichkeiten sind die „klassischen“ (meist dualen, d. h. Lehre und Berufsschule) Ausbildungsverhältnisse im engeren Sinne einerseits und praktische Ausbildungen andererseits zu unterscheiden.

Betriebliche Ausbildung

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