Energiewende?

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Sämtliche Quellen und bibliografische Hinweise sowie die Liste der Experten, welche die Inhalte geprüft haben, finden Sie auf der Webseite von Swiss-Energyscope unter:

www.energyscope.ch

Titel der Originalausgabe: «Comprendre la transition énergétique»

© 2015 Presses polytechniques et universitaires romandes, Lausanne

Alle Rechte vorbehalten

François Vuille, Daniel Favrat, Suren Erkman

Energiewende?

Antworten auf 100 brennende Fragen

ISBN Print: 978-3-0355-0367-8

ISBN E-Book: 978-3-0355-0368-5

Grafik und Layout: www.oxyde.ch

Übersetzung: Agentur Altas

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.ch

AUTOREN

 Dr. François Vuille, Leiter Entwicklung im Centre de l’Energie (Zentrum für Energie) der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL)

 Prof. Daniel Favrat, Leiter Technologien im Centre de l’Energie (Zentrum für Energie) der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL)

 Prof. Suren Erkman, Verantwortlicher der Gruppe «écologie industrielle» (industrielle Ökologie), Fakultät für Geowissenschaften und Umwelt, Universität Lausanne (UniL)

WIDMUNG

Unseren lieben Manisha, Djibril, Kavita, Tanja, Sachita, David, Chantal, Rosy und Madeline, deren Geduld und Verständnis es uns erlaubt haben, unsere Energien bestmöglich zum Verfassen dieses Buches einzusetzen.

DANKSAGUNG

Dieses Buch richtet sich an ein breites Publikum, und ist eine gekürzte und vereinfachte Fassung des E-Books «Die Herausforderungen der Schweizer Energiewende» (ISBN 978-2-88914-374-0), veröffentlicht im April 2015 nach der Lancierung der Informationsplattform Swiss-Energyscope.

Die Autoren bedanken sich bei den vielen konsultierten Experten und Expertinnen, die uns während dieses Projekts mit Rat zur Seite standen. Eine Liste dieser Experten ist auf der Online-Plattform www.energyscope.ch abrufbar. Sie danken auch herzlich Melanie Guittet (Zentrum für Energie, EPFL) und Elisabeth Gordon (Wissenschaftsjournalistin) für ihre Hilfe bei der Erstellung des Textes. Unser Dank geht des Weiteren an Franz Lehner für die Korrektur des finalen Manuskripts. Selbstverständlich bleiben die Autoren alleine verantwortlich für möglicherweise verbliebene Fehler oder Ungenauigkeiten in diesem Buch.

Schliesslich danken die Autoren den Partnern, die das Projekt finanziell unterstützt haben: der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), der Schweizerischen Eidgenossenschaft via EnergieSchweiz, dem Kanton Waadt und der Stadt Lausanne.

Vorwort von Bundesrätin
Doris Leuthard

Vorsteherin des Eidgenössischen

Departements für Umwelt,

Verkehr, Energie und

Kommunikation (UVEK)

Wollen, Können, Verstehen – für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiestrategie 2050 sind das die treibenden Faktoren.

Der politische Wille ist spür- und messbar. Der sparsame Umgang mit Energie, die Erforschung neuer Produktionsformen und die Sicherstellung der Versorgung waren seit Mitte der 7oer-Jahre des letzten Jahrhunderts und der Erdölkrise die Parameter der schweizerischen Energiepolitik. Um die Jahrtausendwende wurden per Gesetz und Verordnung eine sparsame Energienutzung und die Förderung von einheimischen und erneuerbaren Energien postuliert. Unterstützt wurden diese Absichten mit dem Förderprogramm von EnergieSchweiz und dem Label «Energiestadt». 2010 hat der Bundesrat die «Grüne Wirtschaft» und damit die Reduktion der CO2-Emissionen auf die Agenda gesetzt. Und die Zukunft wird mit der Energiestrategie 2050 vorgespurt.

Das technische Können ist vorhanden. Innovationen in der Energiewirtschaft und in der Energietechnik nehmen an Bedeutung zu. Betroffen von diesen Trends sind sowohl Hightech- als auch traditionelle Industrieunternehmen. Sie alle können die angestrebte Effizienzrevolution als Chance nutzen. Die Schweiz ist eine der führenden Nationen punkto Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben das wissenschaftliche Know-how und die Fertigkeiten. Entsprechend fruchtbar ist der wissenschaftliche und wirtschaftliche Boden für Cleantech-Unternehmen. Der Masterplan Cleantech des Bundesrates nimmt dabei eine mehrfache Schlüsselrolle ein: bei der Umsetzung der vom Bundesrat beschlossenen Energiepolitik, beim Aktionsplan Grüne Wirtschaft und bei der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz.

Damit das politische Wollen und das technische Können umgesetzt und von vielen Menschen auch angewendet werden, müssen diese Fortschritte auch verstanden werden. Und hier kommt Swiss-Energyscope ins Spiel. Getreu dem Motto: «Tue Gutes und sprich darüber» machen die EPF Lausanne und die Universität Lausanne mit ihrer Informations- und Kommunikationsplattform die Energiewende sichtbar. Diese Plattform schafft Mehrwert und sorgt für Verstehen. Dadurch entsteht Akzeptanz und die wiederum sorgt letztlich für einen friktionsloseren Übergang hin zu einem nachhaltigeren Energiekonsum. Ich beglückwünsche die drei Initianten von Swiss-Energyscope und bedanke mich dafür, dass Sie zur Umsetzung und Verbreitung von Wollen, Können und Verstehen der Energiestrategie 2050 mit Bundesrat, Parlament und EnergieSchweiz am gleichen Strick ziehen. So sichern wir uns eine ressourcenschonende Lebensweise – ohne Kompromisse bei der Lebensqualität oder beim Wohlstand.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Bundesrätin Doris Leuthard

Vorbemerkungen


1Die Herausforderungen der Schweizer Energiewende
[→ F 1]Was versteht man unter der Energiewende?
[→ F 2]Was bedeutet der Beschluss des Atomausstiegs für die Schweiz?
[→ F 3]Welche Herausforderungen wirft die Schweizer Energiewende auf?
[→ F 4]Warum muss unser Energiesektor seine CO2-Emissionen reduzieren?
[→ F 5]Ist die Schweiz als einziges Land mit einer Energiewende konfrontiert?
2Eine stabile Energienachfrage, deren Stromanteil steigt
[→ F 6]Wie viel Energie verbraucht die Schweiz? Und wofür?
[→ F 7]Warum verbrauchen wir immer mehr Strom?
[→ F 8]Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Entwicklung und Energieverbrauch?
[→ F 9]Warum sinkt unser Energieverbrauch trotz unserer Bemühungen nicht?
3Eine Energieversorgung, die sicher bleiben muss Der heutige Schweizer Energiemix
[→ F 10]Warum enthält unser Energiemix zwei Drittel fossile Produkte?
[→ F 11]Warum variieren Stromerzeugung und Stromverbrauch im Jahresverlauf, und warum sind die zwei Kurven zeitlich verschoben?
[→ F 12]Stösst die Schweiz aufgrund ihres sehr «sauberen» Stroms vergleichsweise wenig CO2 aus? Die Wasserkraft, eine in der Schweiz bereits stark ausgebaute Energieform
[→ F 13]Kann man in der Schweiz noch Staudämme bauen?
[→ F 14]Welche Auswirkungen hat das Abschmelzen der Gletscher auf unsere Wasserkraftwerke?
[→ F 15]Kann unsere nationale Stromerzeugung durch Pumpspeicherung gesteigert werden? Das Auslaufen der Kernenergienutzung in der Schweiz
[→ F 16]Kann die Laufzeit unserer Kernkraftwerke verlängert werden?
[→ F 17]Wie wirkt sich der Kernenergieausstieg auf unsere CO2-Emissionen aus?
[→ F 18]Was wird die Schweiz mit ihren radioaktiven Abfällen machen und zu welchen Kosten?
[→ F 19]Könnte die Kernenergie mit zukünftigen Reaktortypen wieder auf die Bühne zurückkehren? Die energiewirtschaftliche Unabhängigkeit und die Versorgungssicherheit
[→ F 20]Wie gross ist die Energieunabhängigkeit der Schweiz?
[→ F 21]Wie können wir unsere Versorgungssicherheit mit Erdöl- und Erdgasprodukten sicherstellen?
[→ F 22]Wie lange könnte die Schweiz ohne Energieimporte auskommen?
[→ F 23]Wird sich unsere Energieunabhängigkeit mit dem Atomausstieg verringern?
4Das weitgehend unausgeschöpfte Potenzial der Energieeffizienz Heizung und Brauchwarmwasser
[→ F 24]Wie heizen wir heute in der Schweiz?
[→ F 25]Welche Rolle spielen künftig Erdgas und Heizöl?
[→ F 26]Warum muss die Elektro-Direktheizung verboten werden?
[→ F 27]Welche Verbesserungen bringen die modernen Heizsysteme?
[→ F 28]In welchem Zusammenhang ist die kombinierte Erzeugung von Wärme und Strom (Wärmekraftkopplung) gerechtfertigt?
[→ F 29]Zentralheizung oder Fernwärme: Was sollen wir fördern? Gebäude
[→ F 30]Welche Energieeinsparungen würden erzielt werden, wenn alle Gebäude auf Minergie®-Standard renoviert würden?
[→ F 31]Ist es besser, den Energieverbrauch der Gebäude zu senken oder deren Produktion von erneuerbaren Energien zu erhöhen?
[→ F 32]Null-Energie-Gebäude: eine plausible Perspektive im grossen Massstab? Verkehr
[→ F 33]Wie entwickeln sich unsere Mobilitätsbedürfnisse?
[→ F 34]Wie können wir unseren Fahrzeugbestand verbessern – einer der Bestände mit dem höchsten Energieverbrauch in Europa?
[→ F 35]Ist das Elektroauto eine zweckmässige Option?
[→ F 36]Welche Perspektiven hat das Wasserstoffauto in der Schweiz?
[→ F 37]Kann die Anzahl der Fahrgäste in den Zügen noch gesteigert werden?
[→ F 38]Können sanfte Mobilität und Telearbeit zur Senkung der Energienachfrage beitragen? Industrielle Prozesse
[→ F 39]Wie gross ist das Energiesparpotenzial der Schweizer Industrie?
[→ F 40]Rationalisiert die Industrie ihren Energieverbrauch? Elektrische und elektronische Geräte
[→ F 41]Sind Energieetiketten sinnvoll?
[→ F 42]Kann die Beleuchtung nach dem Verbot der Glühbirnen noch effizienter gestaltet werden?
[→ F 43]Wie viel Strom verbrauchen die Geräte im Stand-by-Modus? Gesamtpotenzial und Kosten der Energieeffizienztechnologien
[→ F 44]Welchen Beitrag kann die Effizienz zu unserer Energiezukunft leisten?
[→ F 45]Sind die Energieeffizienztechnologien rentabel?
5Die Vor- und Nachteile der neuen erneuerbaren Energien Ausgangslage
[→ F 46]Was versteht man unter «neuen erneuerbaren Energien» (neE)?
[→ F 47]Ist die Schweiz bei der Nutzung der erneuerbaren Energien eine Musterschülerin?
[→ F 48]Warum ist der Ausbau der neuen erneuerbaren Energien in der Schweiz so komplex? Die Solarenergie
[→ F 49]Wie gross ist das Potenzial der Solarenergie in der Schweiz?
[→ F 50]Sollen thermische Solaranlagen oder Fotovoltaikanlagen bevorzugt werden?
Die Windkraft
[→ F 51]Welches Potenzial hat die Windkraft in der Schweiz?
[→ F 52]Kann man zur Minimierung der Auswirkungen auf die Landschaft die Grösse der Windkraftanlagen reduzieren?
[→ F 53]Wie viele Windkraftanlagen braucht man, um ein Kernkraftwerk zu ersetzen? Die Biomasse
[→ F 54]Wird das nachhaltige Potenzial der Biomasse in der Schweiz vollständig ausgeschöpft?
[→ F 55]Sollen wir mit unserer Biomasse Wärme, Strom oder Biotreibstoffe erzeugen?
[→ F 56]Werden an den Tankstellen künftig Biotreibstoffe zu fossilen Treibstoffen beigemischt werden? Die Kleinwasserkraft
[→ F 57]Kann die Kleinwasserkraft einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende leisten?
[→ F 58]Warum wird das Programm zur Unterstützung der Kleinstwasserkraft in Frage gestellt? Die Umgebungswärme
[→ F 59]Welche Rolle sollen die Wärmepumpen spielen?
[→ F 60]Gibt es Einschränkungen bei der Installation von Wärmepumpen? Die Tiefengeothermie
[→ F 61]Wie sehen die Perspektiven und das Potenzial der Tiefengeothermie in der Schweiz aus?
[→ F 62]Können die mit der Tiefengeothermie verbundenen Risiken beherrscht werden? Das kombinierte Potenzial und die Kosten der erneuerbaren Energien
[→ F 63]Können die erneuerbaren Energien die Kernkraftwerke ersetzen?
[→ F 64]Sind die erneuerbaren Energien konkurrenzfähig?
[→ F 65]Wie viel CO2 stossen die erneuerbaren Energien aus?
6Unser Elektrizitätssystem: Konfrontiert mit einem Paradigmenwechsel
[→ F 66]Warum exportieren wir den von uns produzierten Strom und importieren den von uns verbrauchten Strom?
[→ F 67]Wie können wir das heutige Stromnetz an das Energiesystem von morgen anpassen?
[→ F 68]Wie viel kostet die Modernisierung unseres Stromnetzes und wer wird sie bezahlen?
[→ F 69]Was ist das Smart Grid und welche Rolle spielt es im zukünftigen Stromnetz?
[→ F 70]Bedrohen die erneuerbaren Energien die Rentabilität der Schweizer Stromunternehmen?
[→ F 71]Ist die Integration der Schweiz in das europäische Stromnetz notwendig?
7Die unabdingbare Energiespeicherung nach dem Ausbau der erneuerbaren Energien
[→ F 72]Warum ist es notwendig, Energie zu speichern, und für wie lange kann Energie gespeichert werden?
[→ F 73]Wie wird sich die Rolle der Pumpspeicherung entwickeln?
[→ F 74]Wie kann man den überschüssigen Strom aus Wind- und Solarkraftwerken speichern?
[→ F75]Warum ist die saisonale Speicherung eine zentrale Herausforderung für unser zukünftiges Energiesystem?
[→ F 76]Warum wird geplant, gewisse alpine Staudämme zu erhöhen?
[→ F 77]Kann man Kälte und Wärme speichern?
[→ F 78]Wie können wir den Speicherbedarf durch ein besseres Management unseres Stromverbrauchs verringern?
8Die Schweizer Energiepolitik zwischen Steuern und Subventionen
[→ F 79]Genügt der Zuschlag, der auf jede Kilowattstunde Strom für die Förderung der erneuerbaren Energien erhoben wird?
[→ F 80]Bremst die progressive Senkung der finanziellen Unterstützung des Bundes für die erneuerbaren Energien deren Ausbreitung?
[→ F 81]Warum sind 30 000 Fotovoltaikprojekte blockiert?
[→ F 82]Warum ist der Anteil sanierter Gebäude trotz Subventionsprogramm so niedrig?
[→ F 83]Warum ist es wichtig, einen Preis für die CO2-Emissionen festzulegen?
[→ F 84]Wie würde sich eine höhere Besteuerung der Energie auswirken?
9Strategische Optionen für den Ausstieg aus der Kernkraft
[→ F 85]Wie sehen die Grundoptionen des Kernenergieausstiegs aus?
[→ F 86]Was schlägt der Bundesrat in seiner Energiestrategie 2050 vor?
[→ F 87]Gibt es auch noch andere Energieszenarien als jene des Bundes?
[→ F 88]Ist der Stromimport nicht die einfachste und wirtschaftlichste Lösung?
[→ F 89]Ist die Stromerzeugung aus Erdgas in der Schweiz unumgänglich?
[→ F 90]Welchen Einfluss hat die Politik der Europäischen Union auf unsere Energiestrategie?
10Herausforderungen der Energiewende für Bürgerinnen und Bürger
[→ F 91]Wie können wir unseren persönlichen Energieverbrauch senken?
[→ F 92]Wird die Energiewende zu einem Anstieg der Energiepreise führen?
[→ F 93]Wie wirkt sich die Energiewende auf die Bürgerinnen und Bürger aus?
[→ F 94]Kann der Rebound-Effekt die Anstrengungen bezüglich Energieeffizienz zunichtemachen?
11In Richtung nachhaltige Energiezukunft für die Schweiz
[→ F 95]CO2-Abscheidung und -Speicherung: eine Option für die Schweiz?
[→ F 96]Wie wird sich der zukünftige Energiemix vom heutigen unterscheiden?
[→ F 97]Müssen wir unsere Energiekennwerte neu definieren?
[→ F 98]Ist die 2000-Watt-Gesellschaft ein Ziel der Energiewende?
[→ F 99]Welche Risiken gehen wir ein, wenn wir nicht schnell genug handeln?
[→ F 100]Energiezukunft der Schweiz: Welchen Weg sollen wir einschlagen?
Nachwort von Prof. Philippe Gillet
Energieglossar
Biografien

Vorbemerkungen

Ziel

 
 

Dieses Buch gibt 100 einfache Antworten auf 100 denkbare Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zur Energiezukunft der Schweiz. Es soll Ihnen dabei helfen, die nationalen Herausforderungen im Bereich Energie zu verstehen. Mit diesem Werk sollen verschiedene Wahlmöglichkeiten zur «Energiewende» beleuchtet werden, die die Bürgerinnen und Bürger bei den Abstimmungen in den kommenden Jahren haben werden.

Vorwissen

Grundsätzlich wird kein Vorwissen vorausgesetzt, um dieses Buch zu verstehen. Es reicht, den Schlüsselbegriff «Terawattstunde» zu kennen und zu verstehen.

Terawattstunde (TWh)

Die Terawattstunde (abgekürzt: TWh) entspricht einer Milliarde Kilowattstunden (1 000 000 000 kWh). Die kWh ist die am häufigsten verwendete Einheit für den Energieverbrauch einzelner Personen (sie findet sich insbesondere auf den Stromrechnungen). Für Diskussionen über das Thema Energie auf nationaler Ebene eignet sich allerdings die TWh besser. Die nebenstehenden Grafiken sollen die wichtigsten Grössenordnungen der Energieerzeugung und des Energieverbrauchs in der Schweiz verständlich machen.

Frei wählbare Reihenfolge

Die Antworten auf die Fragen sind alle so verfasst, dass sie unabhängig voneinander gelesen werden können. Die Leserinnen und Leser können also problemlos nur jene Fragen und Antworten lesen, die sie interessieren – und zwar in beliebiger Reihenfolge.

Querverweise

Die meisten Antworten enthalten Verweise auf andere Fragen beziehungsweise Antworten, und zwar wie folgt: [→ F XX]. Mit diesem Querverweis-System werden jeweils verwandte Themen in Verbindung gesetzt.

Glossar

Es kommen auch einige technische Begriffe im Text vor. Sie werden am Ende des Buches in einem «Energieglossar» auf einfache Weise erklärt.

Quellen und Lektürevorschläge

Das vorliegende Buch ist eine Kurzversion des Buches «Herausforderungen der Schweizer Energiewende verstehen, um zu wählen: 100 Fragen und Antworten» (ISBN 9782-88914-374-0). Letzteres enthält alle Quellen- und Literaturangaben die verwendet wurden und ist auf der Online-Plattform Swiss-Energyscope bestellbar.

Swiss-Energyscope

Dieses Buch ist Teil eines umfangreicheren Projektes: der interaktiven Plattform zur Information und Bewusstseinsbildung «Swiss-Energyscope» (www.energyscope.ch). Ziel dieser Plattform ist es, die Schweizer Bevölkerung, politische Entscheidungsträger und -trägerinnen sowie die an den Herausforderungen der Energiewende beteiligten Interessengruppen zu informieren. Neben dem vorliegenden Werk bietet diese Plattform auch Online-Kurse für alle Bevölkerungsgruppen sowie einen Energierechner, der es allen ermöglicht, eigene Energieszenarien für die Schweiz von morgen zu erarbeiten.

Viel Spass beim Lesen!



Für die Schweiz bezeichnet die Energiewende den Zeitraum von 2011 bis 2035 beziehungsweise sogar bis 2050. Während dieser Zeitspanne wird unser Energiesystem infolge des Beschlusses des Bundesrats und des Parlaments zum Ausstieg aus der Kernenergie und der eingegangenen Verpflichtungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen grundlegende Änderungen erfahren.

Ein Energiesystem umfasst die Gesamtheit der Infrastruktur und Produktionsmittel, die Umwandlung, Verteilung, Lagerung und Nutzung der verschiedenen Energieformen sowie die Rahmenbedingungen die seine Funktionsweise regeln. Der Energiewendeprozess ist vor allem das Ergebnis politischer Entscheide und gestaltet sich deshalb in den jeweiligen Ländern unterschiedlich.

Während mehr als einem Jahrhundert war unser Energiesystem relativ einfach aufgebaut. Es umfasste eine begrenzte Anzahl an Energieträgern mit getrennten Versorgungskanälen: Wir importierten Benzin und Diesel für unsere Mobilitätsbedürfnisse, Heizöl und Erdgas für unseren Heizbedarf und produzierten unseren Strom in grossen Wasser- und Kernkraftwerken.

Heute stehen wir vor einer neuen Situation. Die Risiken der Klimaerwärmung, das Schreckgespenst der Endlichkeit fossiler Rohstoffe, der Atomunfall von Fukushima und die geopolitischen Risiken bewirken eine grundlegende Veränderung der Energielandschaft. In diesem Umfeld versucht die Schweiz, ihre Abhängigkeit von fossilen Energien zu reduzieren, und hat sich gleichzeitig dazu entschlossen, auf die Kernenergie zunehmend zu verzichten.

Gleichzeitig steigt unser Gesamtenergieverbrauch weiter an, auch wenn er sich tendenziell stabilisiert. Angesichts dieser Entwicklung sind wir mit einigen Herausforderungen konfrontiert, die wir mit unserem derzeitigen Energiesystem nicht bewältigen können – was dessen Umbau erfodert [→ F 3]. Wir müssen also in einem sehr kurzen Zeitraum (20 bis 30 Jahre) Folgendes erreichen:

 Kombination von Energiesuffizienz- und Energieeffizienzanstrengungen, das heisst Reduktion von Energieverbrauch und Verlusten, ohne Einbussen bei Komfort und Wohlstand,

 Förderung des Ausbaus neuer Energiequellen, insbesondere der Erneuerbaren,

 Neubeurteilung von deren Transport beziehungsweise Übertragung, Verteilung und Speicherung,

 Anpassung der Rahmenbedingungen des derzeitigen Energiemarktes.

Welche Strategie auch immer umgesetzt wird, um auf diese Herausforderungen zu reagieren, das daraus resultierende Energiesystem wird viel komplexer, vernetzter und vielfältiger sein als das heutige. Der Umbau unseres Energiesystems stellt also eine wesentliche Etappe für die weitere Gewährleistung der in unserer Verfassung vorgesehenen sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung der Schweiz dar.

Der Beschluss zum Atomausstieg bedeutet, dass unsere Kernkraftwerke am Ende ihrer Laufzeit stillgelegt werden, ohne dass sie durch neue ersetzt werden. Daraus resultiert eine Stromunterproduktion, die wir ausgleichen müssen.

Im Mai 2011 gab der Bundesrat bekannt, dass er aus der Kernenergie aussteigen will. Wenig später wurde dieser Entscheid vom Nationalrat bestätigt und dann vom Ständerat gutgeheissen. Konkret impliziert diese historische Entscheidung des Kernenergieausstiegs, dass die fünf heute noch betriebenen Atomreaktoren definitiv am Ende ihrer Betriebsbewilligung abgeschaltet werden [→ F 16] und in der Schweiz kein neues Kernkraftwerk mehr entstehen sollte.

In der Folge fehlt ein bedeutender Anteil unserer jährlichen Stromerzeugung, nämlich 25 TWh. Das entspricht etwas mehr als einem Drittel (36 Prozent) unseres derzeitigen Stromverbrauchs. Die Schweiz importiert zwar seit etwa zehn Jahren zwischen 2 und 5 TWh jährlich [→ F 11], jedoch wäre es unrealistisch, davon auszugehen, dass wir einfach auf diese 25 TWh verzichten könnten, ohne dass sich das auf unsere Lebensqualität auswirken würde. Zumal gemäss der Prognosen unser Stromverbrauch im besten Fall stabil bleibt und im schlimmsten Fall bis zum Jahr 2050 um 50 Prozent ansteigt [→ F 87]. Das macht den Atomausstieg natürlich zu einer noch viel grösseren Herausforderung.

Wir müssen also die Lücke in der Stromversorgung mit einer der folgenden vier Optionen – oder einer Kombination dieser Optionen – schliessen:

 «Aus weniger mehr machen» – gemäss dem Prinzip der Energieeffizienz, d. h. dieselben Energiedienstleistungen mit weniger Energie (insbesondere weniger Strom) erbringen [→ F 44],

 Steigerung unserer einheimischen Stromerzeugung durch nicht-nukleare Technologien, insbesondere erneuerbare Energien,

 Verhaltensänderungen, um unseren Stromverbrauch zu stabilisieren beziehungsweise sogar zu reduzieren [→ F 91],

 Erhöhung unserer Stromimporte, falls diese Option in Zukunft noch zur Verfügung steht.

Die Herausforderungen sind vielseitig: strategisch, sozioökonomisch, ökologisch und klimaschutzrelevant. Sie sind nicht unüberwindbar, wenn wir rasch handeln.

Die Herausforderungen sollten nicht unterschätzt werden, weil die meisten unserer Stromimportverträge mit Frankreich (12 TWh/Jahr) zwischen 2018 und 2035 auslaufen. Diese Fristen fallen mit der Abschaltung der ersten Kernkraftwerke zusammen [→ F 16]. Ohne neue Versorgungsquellen geht die Schweiz somit das Risiko ein, ab 2020 einem Stromengpass ausgesetzt zu sein, falls alle unsere Kernkraftwerke nach 50 Jahren Betriebsdauer abgeschaltet werden würden. Bei einer Laufzeit von 60 Jahren könnte diese Verknappung bis ungefähr 2030 hinausgezögert werden [→ siehe nebenstehende Abb.].

Ausserdem hat sich die Schweiz zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet. Da die Kernkraftwerke direkt kein CO2 ausstossen [→ F 17], müssen wir unseren Atomstrom so ersetzen, dass wir unsere Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen nicht gefährden.

Die Schweiz möchte auch ihre Energieunabhängigkeit verbessern und ihre Versorgungssicherheit auf einem hohen Niveau halten [→ F 20 und 23]. Daher ist es natürlich nicht wünschenswert, unsere Auslandsabhängigkeit zu erhöhen, indem wir einheimischen Atomstrom durch Importstrom ersetzen [→ F 88].

Ausserdem möchte die Bevölkerung – wie die Debatte um Windkraftanlagen zeigt –, dass die Alternativen zu unseren Kernkraftwerken keine erheblichen Auswirkungen auf unsere Umwelt und Landschaft haben [→ F 48].

Obwohl technische Lösungen für den Kernenergieausstieg vorhanden sind, wird es sehr kompliziert werden, alle – zum Teil widersprüchlichen – Ansprüche zu erfüllen. Die verschiedenen Interessengruppen und politischen Parteien müssen trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen Kompromisse finden und Prioritäten vereinbaren.

Die Schweiz muss sich rasch auf eine Energiestrategie einigen. Der Ersatz der Produktion der fünf Atomreaktoren bei gleichzeitiger Reduzierung unserer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern kann nicht von heute auf morgen erfolgen. Je länger wir warten, uns für einen Weg zu entscheiden, desto weniger Optionen stehen uns zur Verfügung [→ F 99].

Die grosse Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft schätzt, dass die vom Menschen verursachten Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen eine bedeutende Rolle in der Klimaerwärmung und der Versauerung der Meere spielen. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird dies dramatische wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen haben. Die Schweiz muss sich an den globalen Anstrengungen gegen die Klimaerwärmung beteiligen, indem sie die Emissionen – von denen 80 Prozent aus dem Energiesektor stammen – senkt.

Die Schweiz hat im Jahr 2003 das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Dieser Vertrag, der im Jahr 1997 im Rahmen des Abkommens der Vereinten Nationen über den Klimawandel abgeschlossen wurde, enthält Ziele für die Reduzierung der Treibhausgase in mehreren Industrieländern. Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre CO2-Emissionen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 gegenüber den im Jahr 1990 ausgestossenen Emissionen um 8 Prozent zu verringern. Es ist allerdings nicht gelungen, die Emissionen im Inland im vorgesehenen Ausmass zu senken. Die Schweiz hat aber dank des Kaufs von CO2-Zertifikaten im Ausland ihre Verpflichtungen formal eingehalten [→ F 83].

Bis zum Abschluss eines neuen Abkommens (Nachfolgevertrag des Kyoto-Protokolls) hat sich die Schweiz verpflichtet, ihre Reduktionsanstrengungen auf freiwilliger Basis fortzusetzen. Es ist unerlässlich, dass die reichen Länder – die die Hauptverantwortung für die bis dato ausgestossenen CO2-Emissionen tragen – den Weg aufzeigen, weil es ansonsten schwierig wird, andere Länder davon zu überzeugen, selbst Verpflichtungen einzugehen.

Es wird erwartet, dass die globale Erwärmung zu tiefgreifenden Klima- und Umweltstörungen führen wird. Die Schweiz ist bereits mit einem immer rascheren Rückgang der Gletscher konfrontiert, die bis 2100 grossteils verschwunden sein werden. Das allmähliche Auftauen der ganzjährig gefrorenen Böden in hohen Lagen zieht zudem ein erhöhtes Risiko von Erdrutschen nach sich, welche bewohnte Gebiete bedrohen können.

Gemäss dem UN-Klimabeirat (IPCC) belaufen sich die Gesamtkosten der Auswirkungen der Klimaerwärmung bei einem Temperaturanstieg von 2,5 °C bis im Jahr 2100 auf 1450 Milliarden Dollar. Für die EU beziffert die Europäische Kommission die Zahl für denselben Zeitraum auf 250 bis 320 Milliarden Euro, was einen Nettorückgang ihres BIPs um bis zu 2 Prozent darstellt. Nicht zu handeln könnte also um einiges teurer kommen, als Massnahmen zu ergreifen [→ F 99].

Die sozioökonomischen Auswirkungen auf die Schweiz wurden bis dato nicht evaluiert, wären aber unbestritten sehr hoch. So könnte insbesondere das Abschmelzen der Gletscher langfristig bedeutende Auswirkungen auf unser Energiesystem haben [→ F 14].

Nein, die Schweiz ist keine Ausnahme. Angesichts des globalen Charakters der Energieprobleme sind alle Länder mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich für eine Energiewende einzusetzen.

Seit mehr als zwei Jahrhunderten werden die fossilen Brennstoffe (Erdöl, Kohle, Erdgas) in einem sich beschleunigenden Ausmass genutzt und die (leicht zugänglichen) fossilen Rohstoffe gehen nach und nach zur Neige.

Die sogenannten unkonventionellen Rohstoffe (Erdölbohrlöcher in Tief- oder polaren Gewässern, Schiefergas, Ölsand usw.) – mit deren Abbau man begonnen hat – sind teurer und weisen ein hohes Risiko von Umweltbelastungen auf. Sie ermöglichen es, die Frist der unvermeidlichen Erschöpfung der fossilen Rohstoffe um einige Jahrzehnte hinauszuschieben, werden aber die Lage nicht wesentlich ändern. Zahlreiche Länder möchten daher ihre Abhängigkeit von den fossilen Produkten verringern, um ihre Versorgungssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die zwei Ziele sind also eng miteinander verbunden: Wenn man zugunsten eines der zwei Ziele handelt, unterstützt man auch das andere.

Auch Deutschland und Belgien haben sich zu einem Atomausstieg entschlossen. Spanien hat ihn ins Auge gefasst. Italien und Schweden haben sich ebenfalls für einen Ausstieg entschieden, auch wenn diese Frage weiterhin diskutiert wird. Die gegenwärtige französische Regierung strebt an, ihren Atomstromanteil von 75 auf 50 Prozent zu reduzieren.

Die derzeitige Energiewende ist weder die erste noch die letzte der Geschichte. Nach der Beherrschung des Feuers vor circa 400 000 Jahren sind die Menschen zu den traditionellen erneuerbaren Energien (Wind- und Wassermühlen), später zu Erdöl und Kohle und dann in den 1960er-Jahren zur Kernenergie übergegangen. Heute scheint das derzeitige Energiesystem seine Grenzen erreicht zu haben.