Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020

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Ausgezeichneter Wohnungsbau 2020
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Die besten

Wohnbauten

Deutschlands

2020

AUSGEZEICHNETER WOHNUNGSBAU

Ulrich Maly

Cornelia Dörries


INHALT

Vorwort

Ulrich Maly

Einleitung

Cornelia Dörries

Die Jury

Die Partner

1. Preis

Stadtmacher

Metropolenhaus Am Jüdischen Museum Berlin

Sonderauszeichnung

Herzstück

Altes Garmisch neu gelebt, Garmisch-Partenkirchen

Anerkennungen

Lückenschluss

Eisberg, Berlin

Fünf gewinnt

Stadtvillen Freiburg

Pas de deux

Liebighöfe Aschaffenburg

Gegenüber vom Bauhaus

Gropiusallee, Dessau-Roßlau

Ausgezeichnete Projekte

Außenraum/Landschaftsarchitektur

Grüne Aorta

Hartenecker Höhe, Ludwigsburg

Modularer Wohnungsbau

Aus Holz

LiWooD-Punkthaus, München

Nachhaltiges Energiekonzept

Großstadtbiotop

P#01 Das Nest, München

Wohnkraftwerk

Erstes energieautarkes Mehrfamilienhaus Deutschlands, Wilhelmshaven

Nachverdichtung

Kiezgröße

AHOJ! Zu Hause im Richardkiez, Berlin

Neue Nachbarn

Wohnhaus Buchauerstraße, München-Solln

Surplus

Platensiedlung, Frankfurt am Main

Partizipative Planung

Festkörperphysik

Der kleine Prinz, München

Im Karree

Prinz-Eugen-Park, München

In the Woods

Holzhaus am Waldpark, Potsdam

Premiumwohnen

New Kid On The Block

Wohn- und Geschäftshaus Feilitzschstraße, München

Waterkant Berlin

WAVE Waterside Living, Berlin

Über der Schwebebahn

Stadthaus G82, Wuppertal

Quartiersentwicklung

Stadt am Wasser

Quartier 52° Nord, Berlin

Wenn wenig wirklich mehr ist

Am Bramfelder Dorfgraben, Hamburg

Alt und Neu

Gebäudeensemble im Kringsgat, Essen-Kettwig

Suburbia

Fasanenhöfe, Vaterstetten

Von wegen stillgestanden

Le Quartier 1 im Wohnpark am Ebenberg, Landau

Um die Ecke gedacht

Wohnen im Eichenpark, Langenhagen

Main-Perspektiven

Hafengold, Offenbach am Main

Grün und stadtnah

Parklogen Schwabing, München

Revitalisierung/Umbau

Über sich hinausgewachsen

SonnenTurm im Finkenpark, Fürth

Ganz oben mit Seeblick

Gründerviertel, Eutin

Sozialer Wohnungsbau

Blickfang

Wohnanlage Deininger Weg, Neumarkt in der Oberpfalz

Willkommene Abwechslung

Paul-Zobel-Straße, Berlin

An der schönen blauen Donau

Familiengerechtes Bauen in den Donauauen, Ingolstadt

Ein Haus von Bestand

Brüxer Straße, Erlangen

Farbkästen

Wohnanlage Peisserstraße, Ingolstadt

Wohnhochhaus

 

Primus inter pares

Strandhaus by Richard Meier, Hamburg

Verzeichnis Bauherrschaft und Architekten

Impressum

Vorwort

Ulrich Maly

Architektur ist, so hat es Ernst Bloch einmal formuliert, der „Produktionsversuch von Heimat“.

Ein starker Begriff, wie ich finde, der die Architektur weit über die technische Disziplin, ein ordentliches Haus abzuliefern, hinaushebt. Zu Recht.

„Heimat“ – was ist das eigentlich? Ein Wort, das es in dieser Konnotation nur in der deutschen Sprache gibt, ein Begriff, der missbräuchlich nationalisiert und vorsätzlich verkitscht worden ist. Genau deshalb meiden ihn viele Menschen, insgeheim treibt die Menschen aber genau diese Sehnsucht nach Heimat an, wie die Suche nach einem unbekannten Ort.

Heimat ist sicher keine Postadresse eines Wohngebäudes, auch nichts, was in vier Wänden stattfindet. Heimat ist, soziologisch gesprochen, die Projektionsfläche für die Sehnsucht nach bleibenden Werten.

Es war wiederum Ernst Bloch, der mit seiner Definition von Heimat eine heute noch gültige Interpretation des Begriffs geliefert hat. Danach ist Heimat das, „das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war.“

Der Begriff wird dadurch ent-örtlicht, auf das uns sozial und kulturell Prägende gelenkt und gleichzeitig noch weniger greifbar.

Die Stadt ist nach Georg Simmel eben doch keine Ansammlung von Häusern, in denen Menschen wohnen, sondern eine Ansammlung von Menschen, die auch Häuser bauen.

Ähnlich Albert Schweitzer, der formulierte: „Erst bauen Menschen Häuser, dann bauen Häuser Menschen.“

Eine Ansicht, die in ihrer positiven Wirkung schwer belegbar ist – oder macht ein hübsches Einfamilienhaus automatisch glücklich? –, in ihrer negativen Wirkung aber evident. Als vor einigen Jahren in den Banlieues von Paris die Barrikaden brannten, waren neben den sozialen und migrationspolitischen Ursachen schnell auch die städtebaulichen gefunden. Die Trabantenstadt in ihrer Seelenlosigkeit als Zuchtanstalt für das Böse im Menschen.

Dieser Zusammenhang zwischen Architektur, Städtebau und sozialen Unruhen wurde in fast allen überregionalen Medien thematisiert.

Die Architektenschaft hört es nicht gerne, aber wenn man ehrlich ist, haben auch die deutschen Trabantenstädte der 60er- und 70er-Jahre bei vielen Menschen eine posttraumatische Belastungsstörung hinterlassen. Wenn heute in Zeiten extremer Flächenknappheit in deutschen Großstädten bei Bürgerversammlungen über Verdichtung und Hochhäuser gesprochen wird, löst das mehrheitlich Entsetzen aus.

Gleichzeitig fotografieren wir die engen Altstadtgassen unserer unzerstörten oder wiederaufgebauten Altstädte mit ebenso großem Entzücken wie die engen Gassen Venedigs, die Silhouette von Orvieto oder die pittoresken Dörfer der Cinque Terre.

Die Stadt ist eben doch keine Ansammlung von Häusern, in denen Menschen wohnen, sondern eine Ansammlung von Menschen, die auch Häuser bauen.

Wenn die GFZ oder die GRZ dieser Siedlungen bekannt wären, würde man das abstrakt für menschenfeindliche Architektur halten.

Das macht klar: Dichte allein ist kein Problem, wenn die städtebauliche Qualität stimmt.

Ein Haus steht nicht für sich allein, sondern korrespondiert mit der Umgebung. Seine Qualität resultiert gleichermaßen aus dem privaten „Inneren“ wie aus seiner Interaktion mit dem Draußen, also mit den halböffentlichen Räumen und dem öffentlichen Raum.

Diese Schichtungen zwischen dem privaten, halböffentlichen und öffentlichen Raum sind der Wesensgehalt der europäischen Stadt seit ihrer Entstehung. Das Private in der europäischen Stadt gab (und gibt uns heute) Schutz, Sicherheit und die Autonomie, unsere eigene Individualität im Stadtorganismus zu entwickeln. Dem gegenüber liegt der öffentliche Raum mit der Agora, dem Ort der gemeinsamen Willensbildung, wenn man so will, dem Sitz des kollektiven Bewusstseins, der Keimzelle der Demokratie im Diskurs über gute und schlechte Stadtregierung, über der Stadt Bestes, das gemeinsam zu suchen ist.

Gute Architektur produziert aber nicht nur Heimat, sondern auch Ästhetik, Maßstäblichkeit, Interaktion zwischen Alt und Neu, technischen Fortschritt z. B. in ökologischen Fragen. Gute Architektur ist Wellness für unsere Augen.

Es gibt kaum ein langlebigeres Produkt in unserer Volkswirtschaft als Gebäude. Deshalb soll man auf dem Stand des jeweils noch nicht widerlegten Irrtums ökologisch bauen, deswegen muss Architektur das Umfeld aktiv berücksichtigen und dort, wo Bestandsgebäude umgenutzt oder reaktiviert werden, die Historie respektieren, ohne sie für unantastbar zu erklären.

Schlechte Baukultur ist eine Sünde, die jahrzehntelange Reue nach sich ziehen kann, so lange eben, wie man das anschauen muss, was nicht hätte gebaut werden dürfen.

Das, was unbedingt hat gebaut werden müssen und woran wir uns erfreuen, findet sich in diesem Jahresband zu ausgezeichnetem Wohnungsbau im doppelten Wortsinn.

Schwierige Grundstückszuschnitte, Lagen an städtebaulich tektonischen Gräben, Altbausubstanz, die man zu anderer Zeit vielleicht abgerissen hätte, für all das finden sich im 2020er-Jahrgang gute und beste Beispiele: Architektur, die gefällt, ohne gefällig zu sein, Raumkonzepte, die auf unterschiedliche Lebensformen reagieren, Orte zum Leben mit Lebensqualität, Bauten, die das Kriterium, Wellness für die Augen zu sein, erfüllen.

Der Respekt gebührt sowohl den jeweiligen Baumeistern wie auch den dahinterstehenden Investoren (erfreulicherweise nicht selten öffentliche Bauherren), es nicht so gemacht zu haben, wie es alle gemacht hätten. Das ist eben der kleine Unterschied.

Aufgepasst, in diesem Buch wird Heimat produziert!

Dr. Ulrich Maly, langjähriger Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg und zuletzt Vizepräsident des Deutschen Städtetags, setzte sich in seiner Amtszeit engagiert für mehr bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten ein.

Einleitung

Cornelia Dörries

Es ist gut möglich, dass das Corona-Jahr 2020 als eine Zeit in die Geschichte eingehen wird, in der die Menschen auf der ganzen Welt so viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht haben wie nie zuvor. Denn mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie verlagerten sich alle Selbstverständlichkeiten des modernen Alltags – von der Erwerbsarbeit über Schule und Freizeit bis hin zum Einkaufen – unvermittelt in die Räume, die sonst einer Tätigkeit zugeschrieben werden, mit der sich kein zielgerichtetes Tun verbinden lässt: dem Wohnen.

Doch was genau machen Menschen, wenn sie wohnen? Eine Definition findet sich nirgends. Während der Duden es bei dem Vermerk „schwaches Verb“ belässt, unterteilt die Baupraxis Wohnen mit dem nüchternen Pragmatismus eines Grundrisses: Essen, Schlafen, Küche, Bad.

Wohnen ist freilich mehr als die Organisation von Funktionsbereichen. In seiner Wohnung ist der Mensch bei sich. Und an der Qualität der Wohnräume, sowohl innen als auch außen, bemessen sich mithin die Möglichkeiten ihrer Nutzer, sich einzurichten – mit ihren Habseligkeiten, ihren Lebensgewohnheiten, der Familie, den Nachbarn und allem, was eine Person braucht, um sich in der Welt behaust zu fühlen. Nicht zuletzt der epidemiologisch bedingte Rückzug einer ganzen Gesellschaft in das eigene Zuhause hat in diesem Jahr gezeigt, was den Wert – und nicht den Preis – einer guten Wohnung ausmacht.

Wohnen ist mehr als die Organisation von Funktionsbereichen. An der Qualität der Wohnräume bemessen sich die Möglichkeiten ihrer Nutzer, sich in der Welt einzurichten.

Dieser Perspektive kann sich auch der Award Deutscher Wohnungsbau 2020 nicht entziehen. So sind die 35 Projekte, die das vorliegende Buch versammelt, zwar schon eine geraume Zeit vor Ausbruch der Pandemie geplant und errichtet worden, doch sie mussten in diesem Jahr einem durch die aktuelle Krise geschärften Blick standhalten, der nicht nur guter Architektur und intelligenten Wohnungsgrundrissen galt, sondern auch dem Wechselverhältnis zwischen (halb-)öffentlichem Draußen und privatem Drinnen, dem physisch verknüpften Zusammenhang von Rückzugsräumen und gemeinschaftlichen Bereichen.

Wie sich selbst unter Bedingungen eines heiß laufenden städtischen Immobilienmarkts Wohnhäuser realisieren lassen, die diese strukturellen, gestalterischen und sozialen Anforderungen auf beispielhaft gelungene Weise erfüllen, beweist das Metropolenhaus Am Jüdischen Museum in Berlin (Bauherrschaft: Metropolenhaus Am Jüdischen Museum GmbH & Ko. KG, Architekturbüro: bfstudio-architekten). Die fast tollkühne Idee, die Käufer hochwertiger Eigentumswohnungen zur Finanzierung nicht kommerzieller Projekträume im Erdgeschoss zu verpflichten, die sich mit ihrem Programm an die umliegende Nachbarschaft richten, verdient in ihrer städtebaulich und architektonisch überzeugenden Umsetzung zu Recht den 1. Preis.

Auch unter Bedingungen eines heiß laufenden städtischen Immobilienmarkts lassen sich Wohnhäuser mit gestalterischem Anspruch und sozialem Mehrwert realisieren.

Doch auch im Windschatten des dynamischen Großstadtgeschehens entstehen bemerkenswerte Projekte, die innovative strukturelle Konzepte in eine Architektur übersetzen, die gewachsene Traditionen mit zeitgenössischer Handschrift fortschreibt und zugleich etwas wirklich Neues schafft. Dafür steht das Quartier „Garmisch neu gelebt“ (Bauherrschaft: VEHBL Baugemeinschaft/Quartiersentwicklungsgesellschaft Konstanz, Architekturbüro: Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner), das mit einer Sonderauszeichnung geehrt wurde.

Die Einreichungen für den Wettbewerb belegen auf eindrückliche Weise, dass der Mehrgeschosswohnungsbau auch als städtebauliche Aufgabe verstanden wird, nicht nur, wenn es darum geht, bestehende Wohnlagen mit Neubauten zu ergänzen, sondern auch bei der Planung und Errichtung ganzer Quartiere, die vorrangig auf ehemaligen Kasernenanlagen oder ausgemusterten Bahn-, Industrie- und Hafenarealen entstehen und rein quantitativ das Baugeschehen vor allem in den großen Städten prägen. Diese Bedeutung spiegelt sich auch im aktuellen Jahrgang des Awards wider: Die Kategorie Quartiersentwicklung ist gleich mit neun Projekten vertreten. Doch auch die öffentliche Hand als Bauherr spielt eine zunehmend größere und bemerkenswerte Rolle. Kommunen und gemeinnützige Akteure zeigen anhand von sieben ganz unterschiedlichen Projekten, dass sich gute Architektur und sozialer Wohnungsbau nicht ausschließen.

Und der Award Deutscher Wohnungsbau 2020 belegt auch, dass Wohnungsbauvorhaben, zumal die großen Quartiersentwicklungen, längst keine sortenreinen Projekte mehr sind, die ausschließlich zu Wohnzwecken entstehen. Sie öffnen sich mit anderen Nutzungen – Büros, Handel, Gastronomie, Kindergärten, Freizeit oder Räumen für die Gemeinschaft – einer größeren Öffentlichkeit und verbinden so das Wohnen mit dem, was Wohnende zu Mitgliedern einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft werden lässt.

DIE JURY

Lars Krückeberg

Gründungspartner GRAFT Architekten GmbH, Sieger der Kategorie Umbau 2019


Reiner Nagel

Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur


Ulrich Nolting

Geschäftsführer InformationsZentrum Beton


Josef Schmid

Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr im Bayerischen Landtag


Sabine Schneider

 

Editorial Manager des Architekturmagazins „Baumeister“


Inga Stein-Barthelmes

Geschäftsbereichsleiterin Politik, Kommunikation und Presse des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie


Die Juroren stimmten aufgrund der besonderen Lage in diesem Jahr online über die Projekte ab.

Wir danken unseren

Partnern

Die Expo Real ist die größte Fachmesse für Immobilien und Investitionen in Europa. Sie wird seit 1998 jährlich Anfang Oktober auf dem Gelände der Messe München von der Messe München GmbH veranstaltet. Im Jahr 2017 umfasste die Expo Real eine Ausstellungsfläche von 64.000 Quadratmetern.


Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist der Arbeitgeberverband der industriellen Bauunternehmen der Bundesrepublik Deutschland. Er versteht sich darüber hinaus auch als Wirtschaftsverband und Fachverband für Bautechnik.


Als Plattform der Hersteller und als Impulsgeber der Branche bietet das InformationsZentrum Beton ein Netzwerk für alle Partner am Bau. Zu seinen Kernaufgaben gehören die Markterweiterung, die Marktsicherung und die Imageförderung für zementgebundene Bauweisen.


Das Architekturmagazin „Baumeister“ blickt mit breiter Perspektive in die Welt der Architektur und beschäftigt sich nicht nur mit der Ästhetik, sondern auch mit den kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der gebauten Umwelt.


Der IVD (Immobilienverband Deutschland IVD Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen e. V.) ist die Berufsorganisation und Interessenvertretung der Beratungs- und Dienstleistungsberufe in der Immobilienwirtschaft. Der IVD betreut 6.000 Mitgliedsunternehmen mit gut 100.000 Beschäftigten. Dazu zählen Wohnungsverwalter, Immobilienmakler, Bauträger, Finanzdienstleister und viele weitere Berufsgruppen der Immobilienwirtschaft.


Stadtmacher
1. PREIS
PARTIZIPATIVE PLANUNG

Bauherrschaft

Metropolenhaus Am Jüdischen Museum GmbH & Co.KG

Standort

Berlin-Friedrichstadt


Metropolenhaus Am Jüdischen Museum

Mit dem Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt in Berlin ist ein Lückenschluss im historischen Gewebe der barocken Friedrichstadt gelungen – und zugleich viel mehr. Denn das Areal gegenüber dem Jüdischen Museum steht für einen neuen, vielleicht zukunftsweisenden Umgang mit städtischem Bauland, das in diesem Fall nicht für den Höchstpreis, sondern für ein überzeugendes Nutzungskonzept an die Entwickler vergeben wurde. Die Idee des Metropolenhauses lässt sich auf eine eingängige Formel bringen: Eigentum verpflichtet. Denn die Käufer der insgesamt 40 Einheiten finanzieren nicht nur ihr Dach über dem Kopf, sondern auch eine hauseigene Non-Profit-Kulturplattform im Erdgeschoss. Der Mehrwert des Projekts, so könnte man sagen, besteht vor allem in der sozialen Rendite, von der die Nachbarschaft und damit auch die Stadt profitieren. Denn schon während der Bauzeit luden die Initiatoren die Nachbarn aus einer migrantisch geprägten Nachkriegswohnsiedlung immer wieder zu Veranstaltungen ein und kooperieren seither auch mit den Schulen vor Ort.

Nicht zuletzt beweist das Metropolenhaus, dass sich soziales Gewissen und ein hoher architektonischer Anspruch nicht ausschließen. Seine Gestalt entwickelt das zweiflügelige Gebäude aus der besonderen städtebaulichen Lage an der Einmündung der Markgrafenstraße in die Lindenstraße sowie als nördlicher Abschluss des neuen Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platzes, der den Mittelpunkt des neuen Quartiers bildet. Diese Mehrfrontenherausforderung parieren die beiden Gebäudeteile mit unterschiedlichen Fassaden: Zur Straße hin präsentiert es sich als metallisch kühle, nüchtern gerasterte Front und öffnet sich nach Süden zum Platz hin über großzügig verglaste Loggien. Die abgekehrte Hofseite mit ihren luftigen, begrünten Laubengängen bleibt hingegen das Privileg der Bewohner. Über die Binnenstruktur der einzelnen Ebenen ergibt sich eine feinkörnige funktionale Mischung: Während das Erdgeschoss neben den 400 Quadratmetern für offene gemeinschaftliche Nutzungen und kreative Projekte noch 600 Quadratmeter für Gastronomie und Einzelhandel bereithält, stehen im ersten Obergeschoss 7 Gewerbeeinheiten und Kreativstudios zur Verfügung. Zu den insgesamt 40 Wohnungen gehören auch 3 großzügige Atelier-Maisonettes, in denen gewohnt und gearbeitet wird. Das Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt hat die vormals unbelebte Gegend zwischen dem südlichen Ende der Friedrichstraße und dem Jüdischen Museum erfolgreich in einen Teil der Stadt verwandelt und lässt zu Recht die Frage aufkommen, ob Konzeptverfahren mit sozialem Anspruch ein weithin praktikabler Baustein für Stadtentwicklung unter verschärften Marktbedingungen sein könnten. Stell Dir vor, es wird gentrifziert und keiner hat Angst!


Ansicht des Metropolenhauses von Süden


Blick auf das Jüdische Museum


Projektraum im Erdgeschoss


Blick in eine Wohnung


Fassade an der Markgrafen-, Ecke Lindenstraße


Hofansicht


Durchgang zum Innenhof


Blick in den Innenhof

Welche städtebaulichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren waren für die Konzeption Ihres Vorhabens ausschlaggebend?

Das ehemals nahe der Mauer gelegene Gebiet wurde nach der Wiedervereinigung zu einem zentralen Standort in Berlins Mitte, doch die stadtplanerischen Leerstellen sind noch immer sichtbar. Vor diesem Hintergrund war für uns das Konzept des „Aktiven Erdgeschosses“ mit nicht kommerziellen Projekträumen als integraler Baustein eines innerstädtischen Wohnungsneubaus maßgeblich, denn Erdgeschosse sind Stadtgeschosse: Begegnungsorte und bauliche Voraussetzung von erlebbarer Vielfalt. Dafür erhielten wir beim Konzeptverfahren – Höchstpreis vs. Konzept – den Zuschlag.

Wie konnten Sie die Käufer bzw. Eigentümer davon überzeugen, das „Aktive Erdgeschoss“ und insbesondere die nicht kommerziellen Projekträume mitzufinanzieren?

Die Käufer haben nicht nur in eine Eigentumswohnung investiert, sondern sind Teil eines übergreifenden Konzeptes. Mit ihrem Erwerb sichern sie über eine Querfinanzierung die ökonomische Basis des Kultur- und Gewerbekonzeptes, insbesondere die nicht kommerziellen Projekträume, und übernehmen langfristig Verantwortung für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Entscheidende Voraussetzung war eine transparente Kommunikation: So wuchs das Vertrauen in die Akteure und das Projekt, bei den Käufern und in der Nachbarschaft.

Worin besteht die Herausforderung, in angespannten städtischen Immobilienmärkten privates Wohneigentum für gesellschaftliche Zwecke zu mobilisieren und gleichzeitig gute Architektur zu schaffen?

Nötig ist Denken in Netzwerken, aber auch der Dialog zwischen Nutzern, Politik und Nachbarschaft. Für eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik sind – wie bei der Vergabe der Grundstücke am ehemaligen Blumengroßmarkt – qualifizierte Konzeptverfahren notwendig, um zu einer sozialen und funktionalen Mischung im Quartier beitragen zu können. Es geht nicht um privatisierte Maximalrenditen, sondern um eine nachhaltige Stadtrendite, bei der privates Kapital für innerstädtische Qualitäten mobilisiert wird. Dazu gehört auch eine Architektur, die Freiraum für Begegnung und Interaktion schafft.

„Berlin braucht kreative Konzepte in der Entwicklung von Architektur und Stadt. Bei der Vergabe von Baugrund sollte die Maxime ‚Eigentum verpflichtet‘ im Fokus stehen, um Verantwortung für die soziale Entwicklung und Vielfalt von Quartieren zu übernehmen.“

Benita Braun-Feldweg

Urteil der Jury

Lars Krückeberg

Mit dem Metropolenhaus in Berlin ist den Verfassern von bf studio etwas Besonderes gelungen. Das neue Wohnhaus in prominenter, städtebaulich herausfordernder Umgebung überzeugt in mehrfacher Hinsicht.

Dem Neubau gelingt es, sich in dem sehr heterogenen Umfeld von Jüdischem Museum und Akademie (im ehemaligen Blumenmarkt), von Sportplätzen, Wohnungsbau, Supermärkten und Gewerbe zu behaupten, indem es geschickt den Raum in öffentliche, halböffentliche und private Bereiche ordnet und diese in einem flexiblen Erdgeschoss verbindet.

Es ist auch diesem stadt-aktiven Erdgeschoss zu verdanken, dass der Entwurf das von der Stadt ausgeschriebene Konzeptverfahren gewann. Die neu entstandenen Wohnungen haben die öffentlichen Nutzungen querfinanziert, wobei diese stadt-solidarische Entwicklung von den Architekten orchestriert wurde. Somit ist das Funktions- und Entstehungskonzept der Verfasser mindestens ebenso wichtig für den Erfolg des Gebäudes wie die architektonische Qualität.

In dem Haus versammeln die Architekten mehrere Funktionen und Wohntypologien. Erschließung, Funktionen und Grundrisse fußen auf dem Prinzip großer Flexibilität, die diesem neuen Stadtbaustein Zukunftsresilienz einschreiben. Die Materialien Stahl und Beton mit ihrer je spezifischen Oberflächenästhetik schreiben das Prinzip folgerichtig weiter.

Das Metropolenhaus überzeugt in seiner städtebaulichen Konsequenz, neue Lösungen für die Anforderungen unseres Stadtlebens zu finden. Dabei definieren die Verfasser nicht nur die Ansätze von Architektur auf neue und interessante Weise, sondern zugleich die mögliche Rolle der Architekten im Entstehungsprozess des gebauten Stadtlebens.