2080 - Eine bessere Welt

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2080 - Eine bessere Welt
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99107-309-3

ISBN e-book: 978-3-99107-310-9

Lektorat: Susanne Schilp

Umschlagfotos: Sevda Stancheva,

Sergey Mayorov | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Bild 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9: Simplymaps.de, Bild 7: Mount Rainier: ClassicStock/akg-images/ H. Armstrong Roberts, Bild 10: Burj Khalfa: akg-images/IAM/World HIstory Archive, Bild 11: Burj Al Arab: akg-images/Rainer Hackenberg

www.novumverlag.com

Sinneswandel
Wir schreiben das Jahr 2080. Ich bin die älteste Enkelin des Buch-Autors von: „Zukunft? – Ja, wir schaffen das!“, der als Initiator des unterirdischen Fernverkehrs und Wiederentdecker der Hochgeschwindigkeits-Transrapid-Schwebebahn anstelle der umweltschädlichen Kurzstrecken-Flüge gilt.
Sein wichtigstes Anliegen war, zunächst Mittel und Wege zu finden, wie man die aus dem Gleis geratene Umwelt wieder zur Normalität zurückführen könnte und was man in letzter Minute tun müsste, bevor es dafür zu spät ist.
Er hatte dabei auch die Idee, die Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecken unter die Erde zu verlegen und diese Tunnelstrecken luftleer zu pumpen, wodurch ohne jeden Luftwiderstand Geschwindigkeiten von bis zu 1.000 km/h erreicht werden können und dies auch noch völlig abgasfrei und ohne die Natur zu verschandeln.
Nachdem diese Idee nach langen Debatten und großem finanziellen Aufwand endlich Gestalt angenommen hatte, war das der entscheidend wirksame Schlag gegen die luftverschmutzenden Kurzstrecken-Flüge, die ja heute weitgehend verboten sind, sofern sie noch mit Kerosin-Treibstoffen betrieben werden.
Die Fluggesellschaften haben ihn dafür natürlich nicht sehr geschätzt.
Er hatte in seinem Buch viele Anstöße gegeben, das vorhandene technische Wissen zu nutzen, um die Welt mit Hilfe der gewaltigen Sonnen-Energie vor der Vergiftung und Überhitzung zu bewahren und dabei auch noch öde Wüsten neu zu beleben. Leider ist mein Opa kurz nach dem Erscheinen seines Buches gestorben. Er durfte den Erfolg seines Werkes nicht mehr erleben.
Ich will hier berichten, welche tiefgreifenden Veränderungen ich sowohl in der technischen Entwicklung, als auch im Denken und Handeln der Menschen erlebt habe und wie weit die Visionen meines Großvaters inzwischen zu Fakten geworden sind.
Jetzt bin ich 80 Jahre alt und erfreue mich noch bester Gesundheit. Möglicherweise habe ich meine Gesundheit auch meinem verehrten Opa zu verdanken, der die Menschen „fünf Minuten vor Zwölf“ zusammen mit der Greta-Thunberg-Bewegung wachgerüttelt hat. Nur durch konkrete politische Maßnahmen, den sofortigen Einsatz modernster technischer Möglichkeiten und eine umweltschonende Lebensweise war die Erde noch vor der sicheren Unbewohnbarkeit zu retten.
Die Durchsetzung der weltweit notwendigen, verbindlichen Gesetze und Verhaltensregeln hat allerdings Jahrzehnte gedauert – trotz deutlich spürbarer negativer Klima-Veränderungen.
Die Häufung der Wetterkatastrophen und ihre Folgen waren zunächst nur allmählich spürbar, mit der Zeit wurden sie aber immer stärker für alle Erdteile zur Bedrohung.
Die Einsicht, dass wir Menschen selbst durch das umweltschädliche Verhalten einer schnell anwachsenden Weltbevölkerung die Verursacher sind, erfolgte leider erst, als die Klimaveränderungen schon weit fortgeschritten waren.
Dann endlich hatte die geschundene Natur auch dem letzten verbohrten Politiker klar gemacht: Wir haben die obere Grenze der Bevölkerungsdichte und auch das Ende der Resourcen-Verschwendung nicht nur erreicht, sondern bereits überschritten. Entweder verhalten wir uns ab sofort so, wie es die Natur unseres Planeten verkraften kann, oder wir gehen alle unter, nachdem wir die einst reichlich verfügbaren Rohstoffe verschwenderisch verbraucht haben und die landwirtschaftlichen Anbauflächen nicht mehr alle Menschen ausreichend ernähren können.
Dann endlich einigte sich die politische Vertretung der Weltbevölkerung auf die erforderlichen Beschlüsse.
Ohne die strikt einzuhaltenden Verhaltensregeln, die die UNO-Weltregierung den Menschen im Jahr 2028 verordnen musste, würde die Erde wahrscheinlich heute so aussehen, wie seinerzeit die Osterinsel, deren Lebensgrundlage die damaligen Bewohner durch ihre ungezügelte Vermehrung selbst vernichtet hatten.
Ich habe in dem Buch meines Großvaters von diesem Drama gelesen, das aufgrund der heutigen Bevölkerungsdichte auf die ganze Erde übertragbar wäre.
Zum besseren Verständnis all der notwendigen Einschränkungen und weltweiten Regulierungsmaßnahmen wiederhole ich hier die damaligen Beschlüsse, die ich mir aus der Zeitung ausgeschnitten hatte:
Präambel:
Es geht um die Bewohnbarkeit unseres Planeten Erde!
Politik und Wissenschaft bekräftigen hiermit einmütig: Die Grenzen des Wachstums sind erreicht. Nur durch die strikte Einhaltung der folgenden Beschlüsse kann die Welt vor dem Untergang/der Unbewohnbarkeit gerettet werden. Mit dem Erlass zusätzlicher adäquater nationaler Gesetze wird dies auch gelingen.
Wir erkennen, dass die beschlossenen Maßnahmen schmerzliche Einschnitte für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer, die Luftfahrtindustrie nebst Zulieferern und die Luftfahrt selbst sowie für die Flughäfen bedeuten werden.
In Abwägung aller hiermit verbundenen Probleme und in Abstimmung mit allen der UNO angehörenden Ländern mussten in Anbetracht des Ernstes der Lage die nachstehenden schweren Entscheidungen getroffen werden.
Die gemeinsame Finanzierung der erforderlichen und weit gehenden Umstellungen und Investitionen erfolgt nach einem Quotensystem, das entsprechend der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder ermittelt wurde.

1 Es darf ab sofort kein Fahrzeug (Pkw, Lkw oder Kraftrad sowie Motorboot) mit Verbrennungsmotor jeglicher Art für den Straßenverkehr neu zugelassen werden. Erlaubt sind lediglich Fahrzeuge mit Elektro- oder Brennstoffzellen- oder anderen abgasfreien Antrieben. Hybrid-Autos dürfen noch bis 31. 12. 2030 neu zugelassen werden. Der Gebrauch von Fahrzeugen mit ausschließlich Verbrennungsmotoren (Pkw, Lkw, Krafträder und Motorboote) ist ab 1. 1. 2032 verboten. Von obigen Verboten ausgenommen sind landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren, Maschinen des Hoch- und Tiefbaus sowie des Bergbaus.

2 Fahrzeugen, deren Baujahr vor dem Jahre 2017 liegt, wird die Straßen-Zulassung ab 1. 1. 2030 entzogen.

3 Jedes Gebäude über 2,20 Meter Höhe mit Flachdach, einer Dachfläche ab 50 Quadratmetern und/oder einer Ausrichtung zwischen Südost und Südwest muss spätestens bis 31. 12. 2030 mit einer Solaranlage des Standards 5/25 ausgestattet sein, anderenfalls werden gerichtlich noch festzusetzende Ordnungsstrafen verhängt. Die Finanzierung erfolgt durch staatliche Kredite, die durch die erzielten Stromabführungs-Einnahmen oder bei Eigenverwendung durch Raten abbezahlt werden können. Die Gemeinden haben für die Ableitung der erzeugten Strommengen zu den staatlichen oder privaten Stromnetzen zu sorgen, soweit kein vollständiger Eigenverbrauch vorliegt.

4 Zwecks Reduzierung der Abstrahlung von Heizungs- oder Kraftwerks-wärme in die Atmosphäre werden alle Gemeinden mit einer Größe ab 20.000 Einwohnern angewiesen, klima-adäquate Verordnungen zu erlassen, die die erlaubte und noch festzulegende Wärme-Abstrahlung je Quadratmeter Außen-Fassade regelt. Gegebenenfalls sind nachträgliche Gebäude-Isolierungen anzuordnen. Wird dies nicht befolgt, sind innerhalb einer angemessenen Frist Ordnungsstrafen zu erteilen.

5 Öl-Heizungen, die vor dem 1.1. 2008 eingebaut wurden, sind durch Wärmepumpen- oder andere abgasfreie Heizsysteme zu ersetzen. Öl-Heizungen werden ab 1. 1. 2032 gänzlich verboten. Abgasarme Erdgasheizungen bleiben bis auf Weiteres erlaubt.

6 Der Flugverkehr zwischen Orten, die weniger als 1.000 Kilometer von einander entfernt liegen, wird verboten. Bewohnte und unbewohnte Inseln dürfen nur noch mit Schiffen angefahren werden, die als abgasfrei oder abgasarm zugelassen wurden. Die Normen für das Prädikat „abgasarm“ erlässt das Welt-Schifffahrtsamt.

7 Fracht- und Passagierschiffen wird der Antrieb durch Rohöl ab 1. 1. 2030 verboten. Sie unterliegen ab diesem Zeitpunkt der Abgaskontrolle derjenigen Länder, in denen sie registriert sind. Schiffe, die den Abgasvorschriften bei Anlandung in Häfen des Geltungsbereiches dieses Gesetzes nicht entsprechen, sind zu beschlagnahmen.

8 Kerosin, als Treibstoff von Motorflugzeugen aller Arten und Typen, wird mit einer Sondersteuer von 20 Prozent vom Einkaufspreis belastet. Der Erlös daraus ist zweckgebunden und darf nur für Zwecke der Luftverbesserung verwendet werden. Diese Maßnahme dient dem Ziel, abgasfreie Treibstoffe für die Luftfahrt zu entwickeln.

9 Das Abholzen jeglicher Wälder, auch die Reduzierung von Waldflächen aller Art, bedarf der Genehmigung einer inzwischen installierten, übergeordneten internationalen Forstbehörde. Das Fällen jedes Baumes mit einem Stammumfang über dem Boden ab zwei Metern ist genehmigungspflichtig und muss durch die Anpflanzung von drei Ersatzbäumen gleicher Art kompensiert werden. Die Gemeinden sind verpflichtet, entsprechende Baumschutz-Satzungen zu erlassen.

 

10 Alle Länder werden verpflichtet, amtlich bevollmächtigte Kommissare zur Kontrolle der Wasserqualität von Flüssen und Seen sowie des Grundwassers einzusetzen, die entsprechend der bereits festgelegten Qualitätsstandards gegf. Maßnahmen einzuleiten haben, die das Überleben von Süßwasserfischen in allen Gewässern ermöglicht.

11 Familien, die ab 1. 1. 2031 mit mehr als zwei Kindern unter fünf Jahren registriert werden, unterliegen ab 1. 1. 2032 einer Sondersteuer. Evtl. Kindergeld-Zahlungen entfallen ab dem vierten Kind vollständig. Ausnahmeregelungen können für Mehrlingsgeburten getroffen werden.

12 Trotz erheblichen Widerstandes sowohl der Evangelischen als auch der Katholischen Kirche sowie der ansässigen islamischen Verbände sind in Anbetracht des Ernstes der Lage von den Unterzeichner-Ländern angemessene Abtreibungs-Gesetze – soweit noch nicht geschehen – zu erlassen.

13 Koma-Patienten dürfen nicht länger als 21 Tage durch lebenserhaltende Maßnahmen behandelt werden.

14 Alle diplomatischen Vertretungen außerhalb Europas sind angewiesen, ihre Gastländer darauf hinzuweisen, dass ab 2035 keinerlei Zuschüsse und Hilfsgelder mehr gezahlt werden, wenn in den betreffenden Ländern ein Bevölkerungszuwachs von mehr als drei Prozent innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab 1. 1. 2033, festgestellt wird. Um dies kontrollieren zu können, werden die UNO-Behörden beauftragt, unter der Federführung einer noch zu benennenden Firma ein Welt-Meldeamt einzurichten, dem weltweit alle örtlichen Einwohner-Meldeämter, Passämter und statistischen Landesämter elektronisch angeschlossen werden müssen. Den Ländern, die sich diesem Kontrollinstrument verweigern, sind nach einer angemessenen Frist alle Zuschüsse, Ausschuss-Mitgliedschaften und Stimmrechte zu sperren.

15 Auf Grund der notwendigen und zunehmenden Kommunikation zwischen den Ländern der Welt wird beschlossen, (amerikanisches) Englisch als Pflicht-Zweitsprache zu akzeptieren. Während der gesamten Schulzeit ist Englisch als Pflichtfach in die Lehrpläne aufzunehmen. Darüber hinaus wird empfohlen, Englisch bereits in den Kindertagesstätten – soweit möglich – zu sprechen. Den Universitäten wird nahegelegt, alle Vorlesungen auf Englisch abzuhalten. Alle wissenschaftlichen Lehrbücher sollten auch in englischer Sprache verfügbar sein.

Die vorliegenden Maßnahmen wurden aus der Notwendigkeit heraus beschlossen, dass ein langfristiges Überleben der Menschheit nur noch möglich ist, wenn

1 eine weitere zahlenmäßige Vermehrung der Weltbevölkerung rigoros gestoppt wird,

2 der Ausstoß aller umweltschädlichen Abgase weltweit auf nahe Null vermindert wird und

3 die sauerstoffspendende Pflanzenwelt in ihrer Gesamtheit weltweit erhalten bleibt.

In den Folgejahren hat es noch einige zusätzliche weltverbindliche Gesetze gegeben, die vor allem die Reinhaltung der Weltmeere zum Schutze ihrer Bewohner betrafen. Eines der wichtigsten Anliegen war: Wie bekommen wir die schädlichen Kunststoffe wieder aus dem Wasser heraus?
Non ratione – katastrophis discimus
Fridays for future
Die Zwei-Kinder-Anordnung
Das Welt-Einwohneramt
Die politische Entwicklung
Biologische Rückbildung?
Wandel durch Technik

Macht Euch die Erde untertan!
Erste subterrestrische Reise
Dank des Erbes meines Opas konnte ich es mir leisten, schon in meinen Semesterferien mehr oder weniger ausgedehnte, aber immer besonders interessante Reisen zu unternehmen. Ich habe als junge Dozentin zum ersten Mal eine Fahrt mit dem superschnellen unterirdischen Transrapid von Hamburg nach Berlin unternommen. Das war im Jahr 2029. Meine Schwester Paula konnte mich begleiten, denn sie hatte gerade ihren ersten Urlaub von ihrem Forschungslabor bekommen, wo sie nach ihrem Chemie-Studium arbeitete.
Das neue Verkehrssystem gänzlich unter der Erde war beeindruckend.
Paula hatte anfangs noch ein bisschen Angst, wegen der hohen Geschwindigkeit, die unter der Erde im künstlich hergestellten luftleeren Raum erreicht wird. Auch ich hatte ein wenig Angst. Das gestehe ich heute, damals habe ich mir aber nichts anmerken lassen.
Doch die nahtlos eingebauten Überwachungssensoren sorgen für absolute Sicherheit und bemerken rechtzeitig, wenn im Bereich der Strecke irgendeine Erdbewegung oder eine andere Störung stattfinden sollte. Selbst Erdbeben können heute bei den üblichen kleinen Vorbeben (aufgrund japanischer Erfahrungen) vorausberechnet werden. Der Zugbetrieb würde dann sofort angehalten. Bis heute ist jedenfalls noch kein ernsthafter Unfall passiert.
Seit dieser ersten Fahrt bin ich ein Transrapid-Fan und habe schon viele tausend Kilometer unterirdisch zurückgelegt. Mein Smartphone-Tagebuch stand mir stets treu zur Seite, um über die wechselvolle Zeit meiner Unternehmungen berichten zu können.
Die ersten unterirdischen Transrapid-Fahrten zwischen Flughafen Hamburg und Flughafen Berlin (BER) dauerten ca. 70 Minuten einschließlich der Wartezeiten an den beiden Hauptbahnhöfen. Heute schafft der Transrapid das in 40 Minuten, wobei der Zug die Strecke zwischen den beiden Hauptbahnhöfen in jeweils 20 Minuten bewältigt. Die erste Fahrt vom Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel bis zum Hauptbahnhof dauerte damals allein schon ca. 25 Minuten einschließlich Haltezeit. Aber am Anfang der Transrapid-Entwicklung betrug die Höchstgeschwindigkeit der Züge noch 600 km/h, während heute auf den längsten Strecken schon 1.000 km/h erreicht werden.
Meine Schwester und ich fuhren zunächst mit dem ICE von Aachen nach Hamburg Hbf. und wollten von dort aus über die erste fertiggestellte unterirdische Strecke nach Berlin Hbf. „schweben“. Ein Hotelzimmer hatten wir in der Nähe gebucht.
In Hamburg angekommen, hatten wir noch zehn Minuten Zeit, bis der Transrapid, der von Kopenhagen kam, ab Hamburg weiterschweben sollte.
Wir mussten uns vom ICE-Bahnsteig entweder per Fahrstuhl oder über eine lange Rolltreppe in die unterste Bahnhofsebene begeben. Unten angekommen, durften wir aber noch nicht auf den Bahnsteig, sondern mussten in einem Wartesaal – wo man auch etwas essen und trinken konnte – auf die Ankunft des Zuges warten. Der kam auch auf die Minute pünktlich an – genau wie der Gegenzug aus Berlin. Erst nachdem alle Reisenden, die hier aussteigen wollten, den Zug verlassen hatten, wurde die Tür zum Bahnsteig geöffnet. Wir wussten durch die Anzeigetafel, wo der Waggon mit unseren numerierten Plätzen hielt. Einen Zug ohne Fenster hatten wir vorher noch nie gesehen. Es sah futuristisch und etwas unheimlich aus.
Kaum hatten wir Platz genommen, ging es los. Zuerst mussten zwei Schleusen passiert werden, bis der Vacuum-Teil der Strecke begann. Von da an wurden wir sanft in unsere Sitze gepresst. Auf einem Anzeigenmonitor konnten wir unsere Beschleunigung ablesen: 300 – 350 – 400 – 450 – 500 – 550 – 600 – 630 km/h war zu lesen. Nach wenigen Minuten verminderten sich die Anzeigen, bis sie wieder bei 0 gelandet waren. Dies erfolgte etwa 30 Minuten, nachdem wir in Hamburg losgefahren waren. Wir konnten kaum glauben, dass wir unser Ziel schon erreicht hatten. Während der Fahrt konnte man auf dem Monitor zwischen den Geschwindigkeitsanzeigen Bilder der Städte und Landschaften sehen, die wir gerade unterirdisch passiert hatten. Gehört hat man auf der ganzen kurzen Fahrt nur leise Musik, die kaum wahrnehmbar von einem leisen Summen untermalt war. Dies war auch das einzige Fahrgeräusch.
Also das war schon ein tolles Erlebnis – nur leider viel zu kurz. Übrigens: Wir haben auf der Fahrt und auf den beiden Transrapid-Halte-Ebenen keinen einzigen Bahnangestellten zu Gesicht bekommen.
Unsere Fahrkarten mussten wir vor dem Einsteigen zwecks Kontrolle der Gültigkeit unter einen Bildschirm halten. Hätten wir keine gültige Fahrkarte gehabt, hätte uns eine Stimme aufgefordert, uns den Wegweisern nach ins Stationsbüro zu begeben. Bei Nichtbefolgung wäre unser Konto, das auf jeder Fahrkarte als Pflichtangabe vermerkt ist, mit etwa 500 Euro belastet worden. Aber das nur nebenbei.
Paula und ich fuhren über Rolltreppen nach oben und mussten uns erst einmal in dem riesigen Berliner Hauptbahnhof zurechtfinden. Doch unser Smartphone, Abteilung Navi, wies uns den kürzesten Weg zu unserem Hotel.
Seit meinem ersten Besuch in Berlin 2014, damals mit meinen Eltern, hatte sich schon wieder so vieles verändert. Vor dem Bahnhof standen jede Menge Taxis, die wenigsten mit Fahrern, die meisten vollautomatisch. Die sogenannten Robotaxis sind eine feine Sache. Die älteren Menschen kommen mit der Bedienung allerdings nicht so richtig klar. Die nehmen eben lieber ein Taxi mit Fahrer. Wir machten noch einen Stadtbummel und erreichten bequem zu Fuß unser Hotel.
Wir wollten am Abend ein Konzert in der Philharmonie besuchen, auf das wir uns schon lange gefreut hatten. Die Karten mussten wir schon Monate vorher bestellen. Die Taxi-Fahrt dorthin war schon etwas abenteuerlich. Per Handy riefen wir die Nummer für automatische Taxen an. Fünf Minuten später meldete das Handy, dass der Wagen vor der Tür steht. Wir begaben uns zum Hotel-Ausgang und stiegen ein, nachdem sich die Wagentüren automatisch geöffnet hatten. In das aufblinkende Zahlungsgerät im Wagen schob ich meine Scheckkarte ein und gab durch das Mikrofon das Fahrziel an. Die Fahrzeugtüren schlossen sich automatisch, sobald wir Platz genommen hatten – sicher in der Absicht, dass wir nicht vor dem Bezahl-Vorgang im Freien stehen mussten. Die Berliner hatten gerade ein neues Zahlungs-Verfahren eingeführt (wahrscheinlich aufgrund schlechter Erfahrungen), damit das Taxi-Unternehmen sicher an sein Geld kommt. Bevor der Wagen losfuhr, zeigte das Gerät, in dem meine Karte steckte, den ungefähren Fahrpreis an. Auf dem Display erschien: „Zu unserer und Ihrer Sicherheit buchen wir … Euro plus zehn Prozent von Ihrem Konto ab.“ Nachdem die Bank automatisch bestätigt hatte, dass das Konto ausreichend gedeckt war, ging es los. Eine Stimme bat höflich: „Bitte anschnallen!“ Und schon reihte sich der Wagen elegant in den fließenden Verkehr ein. Wie sich dieser Wagen mit ziemlich hoher Geschwindigkeit durch den dichten Verkehr hindurchwurschtelte, war schon beeindruckend. Am Ziel angekommen, rief die bekannte Stimme wieder: „Bitte entnehmen Sie Ihre Karte. Der Fahrpreis beträgt … Euro.“ Und tatsächlich sah ich auf meinem Smartphone, dass nur der tatsächliche Fahrpreis abgebucht war.
Das war alles. Den Preis habe ich inzwischen vergessen. Es war aber nicht teuer. Wohin der Wagen, nachdem wir ausgestiegen waren, anschließend fuhr, weiß ich nicht.
Ich fragte mich: Was wäre passiert, wenn meine Bank die Zahlung verweigert hätte? Ganz einfach. Die Türen hätten sich wieder geöffnet, die Stimme hätte verkündert: „Bitte steigen Sie wieder aus. Es gibt ein Problem mit Ihrer Bank. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.“
Wenn wir nach zwei Minuten nicht ausgestiegen wären, hätte der Wagen die Polizei um Hilfe gerufen. Das wäre dann sehr teuer geworden, denn schließlich ist es die Aufgabe der Taxis, Personen zu befördern und nicht, nutzlos herumzustehen.
Es war schon etwas gespenstisch zu erleben, wie alles ohne einen Menschen zu Gesicht zu bekommen bestens funktionierte.
Eine Weile später nahmen wir auf unseren numerierten Sitzen in der Philharmonie Platz.
Die schon etwas ergraute, weltberühmte Geigen-Virtuosin Anne Sophie Mutter, für die ich schon lange geschwärmt hatte, gab in Begleitung der Berliner Philharmoniker ein Konzert mit Werken von Beethoven, Mozart und Dvorák. Es war überwältingend, was diese Frau auf ihrer Geige an zauberhaften Tönen hervorbringen konnte. Ich bin sicher, wenn die drei Komponisten noch erlebt hätten, wie diese Künstlerin ihre Werke interpretiert – sie wären ihr begeistert um den Hals gefallen.
Nach langanhaltendem Beifall gab sie als Zugabe noch ein für sie persönlich komponiertes Solostück von John Williams zum Besten – wohl als Beweis, dass sie die Interpretation moderner Musik ebenfalls perfekt beherrscht.
Beglückt nach diesem ereignisreichen Tag sanken wir – etwas erschöpft – in unsere weichen Hotelbetten.
Den nächsten Vormittag nutzten wir für einen ausgedehnten Stadtbummel. Im Gegensatz zu unserer Heimatstadt Aachen fiel uns der starke Verkehr an Luft-Taxi-Drohnen auf, die in allen Richtungen – fast lautlos – durch die Luft wirbelten. Das sah schon etwas beängstigend aus. Aber das 5G-netzgesteuerte Navigationssystem funktioniert bestens, reibungslos und schnell.
Ich habe bisher nur von zwei Unfällen gehört. Die sind in Köln in der Nähe des Flughafens passiert. Die Ursache war kaum zu glauben: Alle Drohnen-Parkplätze waren besetzt. Die Drohnen fielen nach langer und vergeblicher Parkplatz-Suche schließlich vom Himmel, weil ihnen der Treibstoff ausgegangen war.
Wir hatten vorher noch nie ein Lufttaxi benutzt. Bei unserem Stadtbummel hatten wir eine Werbung für „Berlin von oben“ bemerkt, die uns neugierig gemacht hat. Per Drohnen-Lufttaxi wurden Rundflüge angeboten für eine oder zwei Stunden Flugdauer. Der Preis war nicht gerade niedrig, aber das wollten wir als Abschluss unserer Kurzreise am nächsten Vormittag noch ausprobieren.
Ich bestellte per Smarty/Handy für zehn Uhr unter der angegebenen Nummer ein Lufttaxi zum Hotel für einen einstündigen Rundflug. Ziemlich pünktlich landete die Drohne für maximal sechs Personen auf dem Dach unseres Hotels. Die finanzielle Abwicklung lief genau so ab wie bei unserer gestrigen Taxifahrt. Und gleich danach waren wir bei schönstem Wetter in der Luft über Berlin. Während des vollautomatischen Fluges erklärte uns eine angenehme Frauenstimme, was wir unter uns aus etwa 200 bis 400 Metern Höhe zu sehen bekamen. Die Details habe ich inzwischen vergessen, aber Regierungsviertel, Wannsee und Müggelsee, Spree und Havel waren natürlich dabei. Um den Funkturm sind wir in Augenhöhe herumgeflogen, auch um den Fernsehturm und dabei konnten wir den Besuchern der Kuppel zuwinken. Nach genau einer Stunde landeten wir wieder auf dem Dach unseres Hotels.
An der raffinierten Technik der Lufttaxis fiel mir noch auf, dass man als Fahrgast absolut nicht auf den automatischen Ablauf des integrierten Software-Programms angewiesen ist. Durch ein Drücken auf einen gut gekennzeichneten Knopf hätte ich Kontakt mit der Zentrale aufnehmen können, z. B. um die Fahrt abzubrechen, oder.wenn ich das Schaukeln in der Luft nicht vertragen hätte. Das war schon 2029 eine perfekte Konstruktion.
Wir beendeten unsere Berlinreise natürlich wieder per Transrapid auf der Strecke Berlin-Hamburg. Am späten Abend waren wir wieder zu Hause.
Die Fahrt von Hamburg nach Köln dauerte auf unserer Reise an reiner Fahrzeit am längsten, obwohl die ICEs schon wieder mit 250 km/h dahinbrausten, aber wie früher leider schon immer, musste man in Köln umsteigen, um nach Aachen zu kommen. Aber der schnelle französische Thalys schaffte das auf der Strecke von Köln nach Paris bis Aachen auch schon in 25 Minuten.
Aus heutiger Sicht wäre unsere Reise natürlich anders verlaufen, denn die Transrapid-Strecke Berlin-Köln-Aachen-Brüssel ist ja längst fertiggestellt. Für die 540 Kilometer lange Strecke zwischen Berlin Hbf. und Aachen braucht man mit dem Transrapid heute einschließlich der kurzen Aufenthalte in Magdeburg, Hannover, Dortmund, Düsseldorf und Köln ca. eine Stunde und 40 Minuten. Pro Station beträgt der Aufenthalt ca. fünf bis zehn Minuten. Als reine Fahrzeit verbleiben somit 50 Minuten. Das entspricht einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 648 km/h.
Erste Afrika-Reise
Außer für die Berlin-Reise hatte ich während meines Studiums und in den nachfolgenden Jahren für längere Reisen keine Zeit. Nach meiner Hochzeit habe ich mich erst einmal um meinen Mann und die Kinder gekümmert. Außer zwei Babypausen musste ich meinen Beruf nicht einschränken oder gar aufgeben. Meine Arbeit hat mir immer Freude gemacht. Ich war auch bei den allermeisten Schülern, den Mädchen wie den Jungen, recht beliebt, denn ich habe viele Beweise von Zuneigung bekommen, sogar von einigen ehemaligen Schülern. Seit meinem 67. Lebensjahr bin ich pensioniert, obwohl ich gerne noch länger gearbeitet hätte.
Nachdem mein Mann mir erklärt hatte, dass er sein Leben ganz seinem Beruf als Wissenschaftler widmen wollte und private Fernreisen nicht zu seinem Lebensplan gehörten, haben wir uns darauf geeinigt, dass ich allein oder mit meinen Schwestern Auslandsreisen unternehmen werde. Wir leben nun mal in einer Zeit des Wandels, der die ganze Welt verändert, und das bewusst zu erleben, möchte ich in meinem Leben nicht verpassen. In unserer Ehe bleibt jedenfalls alles so harmonisch wie immer.
Ich wollte auch meinen Schülern und Schülerinnen – möglichst spielerisch – eine Wissensgrundlage vermitteln, die eine weitere Fortbildung ermöglicht und auch das Interesse wecken, die Ereignisse in der Welt besser verstehen zu lernen. Mir ist das – wie schon gesagt – auch recht gut gelungen.
Ab meinem 45. Lebensjahr habe ich dann begonnen, längere Reisen zu unternehmen, soweit das die Großen Ferien ermöglichten.
Meine erste Afrika-Reise habe ich aber erst 2056 erlebt.
Finanziell hatte ich kein Problem, denn das Vermögen meines Opas, das aus seinen Buchverkäufen stammte, ist über meine Eltern an mich und meine beiden Schwestern übergegangen.
Mein Opa hatte ja in seinem Buch „Zukunft?“ darüber berichtet, dass von der RWTH (Rheinisch-Westfälische Techische Hochschule) Aachen, Außenstelle Jülich, ein leistungsstarkes Sonnenkraftwerk entwickelt wurde, das durch die Bündelung der Sonnenstrahlen Dampf, Wasserstoff und elektrischen Strom erzeugen kann.
Nachdem sich immer mehr wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge in der Welt durchgesetzt hatten, war das eine verlockende Möglichkeit, Wasserstoff in Nordafrika herzustellen und die Welt damit zu beliefern. Aber zur Dampferzeugung gehört Wasser, viel Wasser. Nachdem in Europa die ersten Versuche erfolgreich abgeschlossen waren, wurden in einem vergrößerten Maßstab einige Kraftwerke dieser Art mit deutschem Kapital in Marokko gebaut. Aber woher sollte man nahe der Sahara das Wasser nehmen? Aus dem Mittelmeer oder aus dem Atlantik natürlich. Man musste dann nur eine Vorrichtung erfinden, um das als Nebenprodukt verbleibende Salz weiterzuverarbeiten.
Der nächste Schritt war dann, mit dem reichlich erzeugten Strom einige Meerwasser-Entsalzungsanlagen zu bauen, mit dem die Städte mit Brauch- wie auch mit Trinkwasser versorgt werden konnten. Darüber hinaus wurde ein gigantisches Programm zur Bewässerung der Sahara entwickelt, mit dem zunächst einmal der nördliche und westliche Rand der Wüste mit Wasser versorgt werden konnte, womit dann Anpflanzungen möglich wurden.
Mit ein wenig Kunstdünger und dem nun reichlich zur Verfügung stehenden Wasser konnten Wälder und Äcker angelegt werden, wo vorher nur Sand und Stein war.
Die Chinesen haben mit sicherem Spürsinn sofort gewaltige Geschäfte mit den nordafrikanischen Ländern gewittert. Unter Umgehung deutscher Patente haben sie noch weit größere Sonnenkraftwerke errichtet und Ländereien in großem Stil aufgekauft, um Saatzuchtbetriebe und Baumschulen anzulegen, die die Pflanzen zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der einstigen Wüstengebiete liefern würden. Und so geschah es dann auch.
Ich habe in der Presse in all den Jahren verfolgt, wie sich zunächst Marokko allmählich wirtschaftlich entwickelt hat. Mit einiger Verzögerung setzte dann auch eine rasante wirtschaftliche Entwicklung in Algerien, Tunesien und etwas später in Libyen und Ägypten ein.
Ströme von Flüchtlingen aus den unerträglich heißen Gebieten der Sahelzone siedelten sich in den aufblühenden Ländern an, fanden leicht eine gut bezahlte Arbeit und mussten nicht mehr die lebensgefährliche Reise in viel zu kleinen, nicht mehr seetüchtigen Booten übers Mittelmeer antreten, um in Europa einer ungewissen Zukunft entgegenzusehen.
Nach den ersten erfolgreichen Versuchen, mit den riesigen neuen Sonnenkraftwerken die Energie für die Meerwasser-Entsalzung zu erzeugen, wurden weitere Kraftwerke installiert, die zunächst den erzeugten Wasserstoff für die Nachfrage der Autoindustrie nach Brennstoffzellen liefern sollten.
Doch gleichzeitig mit dem Aufbau der ersten Solarkraftwerke in Kombination mit der Meerwasser-Entsalzung entstand das gewaltige Projekt der Sahara-Rekultivierung.
Marokko zeigte sich als erstes afrikanisches Land sofort bereit für die zahlreichen gleichzeitig anfallenden Investitionen:
eigenes Kapital einzusetzen,
Kredite aufzunehmen,
ausländische Investoren, private wie staatliche, zuzulassen und Fremdarbeitern Arbeitsgenehmigungen zu erteilen.
Nun musste auch noch das Problem eines kostengünstigen Transportweges zwischen Afrika und Europa gelöst werden.
Etwa gleichzeitig mit dem ersten Solar-Großkraftwerk in Marokko wurde mit dem Bau der ersten unterirdischen Transrapid-Hochgeschwindigkeitsstrecke begonnen, die von Agadir als vorläufigem Endpunkt durch die Straße von Gibraltar unter dem Grund des Mittelmeeres und unter Gibraltar bis nach Cadiz in Südspanien geführt werden sollte.
Wegen der großen Mengen an Transportmaterial, mit denen ja richtigerweise gerechnet wurde, mussten die Röhren für die Bahnstrecken parallel für beide Richtungen gleichzeitig gebaut werden. Für später wurde eine weitere unterirdische Transrapidstrecke geplant, die ausschließlich dem Material- und Warentransport dienen sollte. In der Röhre Richtung Afrika verliefen neben der Bahnstrecke selbst auch die Starkstromleitungen aus dem südspanischen Kernfusions-Atomkraftwerk, das zunächst den benötigten Strom lieferte, der für den Aufbau der unterirdischen Transportstrecke und auch für den Bau der ersten Solarkraftwerke benötigt wurde. Gleichzeitig wurden große Windkraftanlagen errichtet, die den benötigten Strom auch nachts liefern konnten.
Die vordringlichste Aufgabe war es aber, die Meerwasser-Entsalzugsanlagen zu errichten, die ja das benötigte Wasser für die Wasserstoff-Erzeugung und für die Bewässerung der Wüste liefern sollten.
So entstanden Meerwasser-Entsalzungsanlagen und die dazu erforderlichen Energiequellen sowohl an der Mittelmeer- als auch an der Atlantikküste.
Zum Zeitpunkt meiner Reise war inzwischen auch die Personenverkehrsstrecke Madrid-Gibraltar-Tetouan-Rabat-Agadir fertiggestellt, sodass ich meine Reise von Aachen aus mit dem Transrapid und zweimaligem Umsteigen direkt bis Agadir einplanen konnte. Ein Flugzeug zu bemühen, erübrigte sich somit.
Ich fand es hochinteressant, selbst einmal an Ort und Stelle zu erleben, wie mit Hilfe modernster Technik eine trostlose Wüste in Wald- und Ackerland umgewandelt werden kann. Um nicht ganz unwissend vor der modernen Technik dazustehen, habe ich mich erst einmal informiert, wie so eine Meerwasser-Entsalzung funktioniert:
Mehrstufige Entspannungsverdampfung
Hierbei handelt es sich um ein thermisches Verfahren mit der Abkürzung „MSF“ (englisch: Multi Stage Flash Evaporation). Es ist das am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Meerwasserentsalzung.
Bei diesem Verfahren wird das zugeführte Meerwasser auf eine Temperatur von 115 Grad Celsius erwärmt. Das aufgeheizte Salzwasser verdampft in nachgeschalteten Entspannungsstufen unter Vakuum, der Wasserdampf schlägt sich als Kondensat innerhalb dieser Stufen an mit Meerwasser-Kühlflüssigkeit gefüllten Rohrleitungen nieder und wird als salzfreies Wasser in Kunststoffrohren abgezogen.
Das durch den Verdampfungsprozess immer stärker mit Salz angereicherte Meerwasser wird auch Brine (Salzlake) genannt und in einem nachgeschalteten Wärmeüberträger auf die Kondensationstemperatur des Dampfes (ca. 40° Celsius) abgekühlt. Es dient dann anschließend in den Rohrleitungen als Kühlflüssigkeit. Die Rohrleitungen selbst werden kontinuierlich mit Schwammgummikugeln von auskristallisierendem Salz gereinigt. Zuletzt wird dem Brine frisches Salzwasser zugeführt und das Gemisch erneut, vorwiegend durch Sonnenenergie, aufgeheizt. Der gesamte Vorgang stellt also einen geschlossenen Kreislauf dar. Der Überschuss des sich im Kreislauf konzentrierenden Salzes wird wieder ins Meer zurückgeführt oder zu Speisesalz weiterverarbeitet. (Wikipedia)
Die von Siemens in der Nähe von Agadir gebaute Entsalzungsanlage ist die weltweit größte dieser Art und entsalzt täglich 2,135 Millionen Kubikmeter Meerwasser. Üblicherweise werden mit dem Verfahren täglich bis zu 500.000 Kubikmeter Trinkwasser aus dem Meerwasser gewonnen. Da einige Pflanzen in den Bewässerungszonen auch leichtes Salzwasser vertragen, werden zu der Süßwassermenge zeitweise wieder – je nach Bedarf – zehn Prozent Meerwasser zugesetzt, um damit Energie zu sparen und den Pflanzen mit dem geringen Salzwasserbedarf die optimale Wachstumshilfe zu gewährleisten. Auch für die Weiterverarbeitung zu Trinkwasser müssen dem Kondenswasser noch mineralische Zusätze beigefügt werden.
Nachdem alle theroetischen und praktischen Vorbereitungen abgeschlossen waren, konnte die Reise beginnen.
Es war Sonntag, der 6. August 2056.
Die Fahrt Aachen-Agadir kostete damals hin und zurück 820,00 Euro. Für Nachtfahrten zwischen null und sechs Uhr gab es zehn Prozent Rabatt.
Man konnte damals wie heute auch die Fahrt beliebig unterbrechen. Kaufen konnte man damals – und selbstverständlich auch heute – die Fahrkarten nebst Platzreservierung per Smartphone. Der Zahlungsverkehr ist ja heute viel flexibler als zur Zeit meiner Eltern und Großeltern. Aber das begann erst mit der Einführung der superschnellen, intelligenten Quantencomputer, die in Blitzesschnelle jeden Vorgang kontrollieren und danach entsprechend handeln können.
Ich wählte also den Nachtzug. Er hielt zum ersten Mal nach wenigen Minuten Fahrzeit in Lüttich. Dort wurde der Zug in Sekundenschnelle neu zusammengestellt. Die Brüsseler, die in Richtung Paris fahren, werden angehängt, und die Waggons Richtung Brüssel werden mit denen aus Richtung Paris zusammengekoppelt. Und schon ging es weiter. Die nächsten Haltestellen waren Luxemburg, Reims und Paris. Spontan hatte ich mich entschlossen, in Paris meine Reise zu unterbrechen, um mir die Stadt anzusehen, die ich zuletzt vor 20 Jahren einmal besucht hatte. Ich bestellte noch während der Fahrt über mein Smartphone ein Hotelzimmer in der Nähe des Haltepunktes Gare du Nord. Mein Reisegepäck hatte ich vorher schon nach Agadir geschickt und hatte daher nur einen Rucksack mit dem Nötigsten dabei. Da es nachts gegen zwei Uhr war, bestellte ich mir per Smartphone eine Robot-Taxe für die kurze Fahrt zum Hotel. Ich dachte darüber nach, wie einfach heute unser Leben ist, alles per Handy innerhalb von Minuten erledigen zu können. Noch meine Großeltern hätten jetzt vor dem Bahnhof gestanden, um zu Fuß die in Bahnhofsnähe liegenden Hotels abzuklappern, ob vielleicht noch ein Zimmer frei ist. Aber nachts um zwei Uhr hätten sie das ohnehin nicht getan.
Mit dem Taxi landete ich nach fünf Minuten Fahrt im Hotel, checkte ein, und zehn Minuten später lag ich im Bett.
Am nächsten Morgen bemerkte ich mit Befriedigung, dass das französische Frühstück inzwischen internationalen Standard erreicht hat.
Ich begann meine Stadtbesichtigung mit einem kleinen Spaziergang durch die Innenstadt.
Im Gegensatz zu meiner früheren Reise stellte ich fest, dass die Luft jetzt viel sauberer war als vor 20 Jahren. Der Verkehr floss reibungslos dahin, und alle Wagen, die mit ihren Auspuffgasen die Luft verpestet hatten, waren aus dem Verkehr verschwunden.
Der alte Eiffelturm war vor ein paar Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen worden. Dafür war an der gleichen Stelle ein prächtiger Fernsehturm mit mehreren Aussichtsplattformen gebaut worden, der fast doppelt so hoch ist, wie es der Eiffelturm war. Ich ließ es mir nicht entgehen, diesen tollen Turm in mehreren Etappen zu besichtigen.
Abends besuchte ich eine Revue im uralten Moulin Rouge. Was die dort zeigen, ist zwar alles perfekt, aber ich habe im Fernsehen schon bessere Aufführungen gesehen. Überdies war das Molin Rouge sehr teuer. Mein Handgepäck, Rucksack und Handtasche, hatte ich in einem Schließfach am Bahnhof hinterlegt. Ich holte es rechtzeitig wieder ab und bestieg den Transrapid-Zug zur Weiterfahrt kurz nach Mitternacht.
Die nächste Strecke verlief über Orleans und Tours nach Bordeaux. In dieser Zeit konnte ich auf meinem Sitz, den man auf Liegestellung einstellen konnte, etwas schlafen. Die etwa 580 Kilometer schaffte der Zug trotz drei Haltepunkten in ca. einer Stunde. Obwohl der Zug hier noch einmal neu zusammengestellt wurde, konnte ich in meinem Abteil bleiben. Für die nächsten ca. 780 Kilometer bis Madrid brauchte der Zug über Saragossa weitere eineinhalb Stunden.
Pünktlich um drei Uhr morgens habe ich den Zug in Madrid Hauptbahnhof verlassen. Auch hier wollte ich noch einen weiteren Tag dranhängen, um mir einen Überblick über diese Stadt zu verschaffen. Ich kannte von Madrid nur den weltberühmten Prado mit seinen unvorstellbar wertvollen Gemälden. Die wollte ich mir anschauen. Auf die gleiche Art wie in Paris bestellte ich mir wieder ein Hotelzimmer, denn ich wollte nach der anstrengenden Stadtbesichtigung und den beiden Nachtfahrten mal richtig ausschlafen.
Nach einem sehr reichlichen Frühstücksbuffet nahm ich mir wieder eine Robotaxe und gab ein: zwei Stunden Stadtrundfahrt, Endstation Prado: Palacio Real, Bernabeu-Stadion, Plaza de Cibeles, Plaza Mayor und Retiro-Park waren die Haltepunkte. Eine angenehme Frauenstimme gab zu den einzelnen Haltestellen einige knappe Erklärungen auf Deutsch. Die gewünschte Sprache konnte man vorher natürlich auswählen. Am Abend besuchte ich noch eine Flamenco-Show, denn sowas gehört ja bei einem Spanien-Besuch dazu.
Ich hatte von meinem fünften Lebensjahr an bis Ende meines Studiums selbst Ballett-Unterricht und bin nach wie vor sehr an Tanz-Darbietungen interessiert. Es war wirklich sehenswert, was da geboten wurde. Und dazu eine hinreißende Musik!
Zehn Minuten nach Mitternacht ging mein Transrapid weiter bis zur Endstation Agadir über Toledo, Sevilla, Cadiz, Gibraltar Rabat und Casablanca bis Agadir, etwa 1600 Kilometer. Gegen vier Uhr morgens war ich endlich angekommen. Mein Hotel war ja vorbestellt. Eine Robotaxe gab es nicht, und so musste ich zu Fuß zum nahe gelegenen Hotel. Mein Smartphone-Navi zeigte mir den Weg.
Ich hatte mich telefonisch von zu Hause aus bei dem deutschen Geschäftsführer der staatlich geförderten Biologischen Station mit dem Namen „Garten Eden“ in der Nähe von Agadir für ein Interview angemeldet, weil ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland einen ausführlichen Artikel über die biologische Entwicklung der West-Sahara schreiben wollte.
Ich rief Herrn Hermann Böhmer vom Hotel aus an und verabredete mit ihm einen Besuch am nächsten Tag. Mein Hotel besorgte mir einen Geländewagen, der mir für die gesamte Dauer meiner Reise zur Verfügung stand.


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