Die Chronik der Verdammten

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Die Chronik der Verdammten
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Claudia Wendt

Die Chronik der Verdammten

Fantasygeschichten

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Chronik der Verdammten

Der Dolch

Das Nebelvolk

Das Ritual

Das Opfer

Der Biss

Der Hörsaal

Der Raum der Finsternis

Die Statue

Ein dreifacher Tod

Konsequenzen

Zoo

Schutzgeist

Impressum neobooks

Die Chronik der Verdammten

Andere Bücher der Autorin: Gedichte über Wesenheiten

1.Auflage

Coverillustration by Mara Geyer

Copyright © 2010 by Claudia Wendt

Kontakt: Claudia.Wendt12@web.de

Der Dolch

Ihr starrer erschrockener Blick war auf ihn gerichtet. Laura lag auf dem Boden und starrte ihn an.

Er war sich nicht im Klaren, wie so etwas geschehen konnte. Die Welt war aus den Fugen geraten. Er hatte seine Zähne hatten in ihren Hals geschlagen, um ihr Blut zu trinken. Der Dolch war bis zum Anschlag durch sein Herz gebohrt worden. Vorher noch hatte er in ihrem eigenen Hals gesteckt.

Schmerz verschlang sie. Leblos lag er da. Und er bewegte sich nicht. Vlad, der junge Vampir starb, während er ihr Blut trank, denn der Dolch, welcher ihn durchbohrte, war aus reinstem Silber. Sie weinte. Was war geschehen, dass sie so enden mussten?

Er hatte sie in der Stadt kennen gelernt. Laura war ihm besonders aufgefallen: jung, schlank, kurzes blondes Haar. Sie hatten sich öfter getroffen. Immer abends. Er war von ihr zum Essen eingeladen worden. Kopfschüttelnd hatte er abgelehnt. Sie verstand nicht, wieso er sich mit ihr treffen, aber nie mit ihr Essen gehen wollte, bis sie ihn eines Tages im Park sah.

Er hatte eine andere junge Frau getroffen. Der Anblick hatte ihr einen Stich ins Herz versetzt. Dann war sie von Neugier übermannt worden. Laura war hinter einen Busch getreten und beobachtete die beiden von dort aus. Einen Moment lang unterhielten sie sich. Dann beugte er sich hinunter um sie zu küssen. Sie sah, wie sich sein Mund langsam ihrem Hals näherte. Er küsste sie nicht, sondern biss genüsslich zu. Sie versuchte sich einen Moment lang zu wehren. Sie schrie nicht. Ein armseliges Jammern entrang sich ihrer Kehle. Kurz darauf sackte sie leblos zusammen. Vlad fing sie auf und legte sie sanft auf den Boden. Sie starb.

Laura trat aus dem Schatten ins Licht. Mit blutverschmiertem Mund sah er sie erschrocken an und wollte etwas sagen. Doch was? Etwa: „Sorry Schatz, ich bin ein blutsaugender, schrecklicher Vampir?“

Laura war entsetzt. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Was ging in ihr vor? Was sollte sie sagen? Erst hatte sie Entsetzen gepackt. Er eine Andere getroffen hatte, doch nannte man das „Hauptgericht“ wirklich „eine Andere?“ Das Einzige, was sie machen konnte, war sich umzudrehen und mit Tränen in den Augen davonzulaufen. Er folgte ihr nicht.

Seit dem hatten sie sich eine Woche nicht gesehen. Er saß abends allein auf der Bank. Ab und zu jagte er, um nicht zu verdursten, aber sie kam nicht wieder. Er dachte, es war sicher zu erschreckend für sie gewesen. Sie hatte gesehen was für ein Monster er war. Er war sich ziemlich sicher, dass sie nichts mehr von ihm wissen wollte. Dann stand sie vor ihm. In sicherer Entfernung setzte sich ans andere Bankende.

„Ich habe viel nachgedacht, aber ich weiß nicht, wie ich über so etwas überhaupt logisch denken kann. Denn es widerspricht aller Logik. Du bist so anders. Doch ich weiß nicht, ob ich dir nur als Nachspeise dienen sollte.“ Dann herrschte Stille. Sie stand wieder auf und ging. Noch eine Woche später saß sie wieder auf der Bank, bei ihm.

Ihre Treffen waren nicht unbeobachtet geblieben. Ein anderer Vampir hatte sie beobachtet. Es war eine Vampirin, die sich nach Vlad regelrecht verzehrte. Sie konnte nicht verstehen, wie er sich mit seiner Nahrung einlassen konnte, wenn er doch eine Unsterbliche haben konnte. Sie war traurig und wütend zugleich. Irgendwann stellte sie ihn zur Rede, aber er meinte, sie solle sich da raushalten. Das machte sie noch wütender.

Mit der Zeit staute sich ihr Hass auf Laura immer mehr auf. Sie beschloss, dem ein Ende zu machen.

Eines Tages fand sie einen Zettel in ihrem Briefkasten: „Ich warte auf dich im Park, wie immer.“

Laura vermutete, dass Vlad der Verfasser des Briefes war, aber etwas verwirrt war sie schon, denn er hatte ihr niemals bisher eine Nachricht hinterlassen. Laura schüttelte die Zweifel ab und ging in den Park. Es war dunkel. Die Sonne war bereits untergegangen und der Mond stand leuchtend voll am Himmel.

„Du bist also diejenige, die Vlad den Kopf verdreht“, stellte die Vampirin Klara nüchtern fest. Sie sah sie durchdringend an. Eifersucht hatte sich in ihrem Herzen ausgebreitet. Was wenn er sie eines Tages zu sich holte, um mit ihr zu leben? Die Vampirin wollte, dass er dem Menschenkind selbst den Todesstoß bereitete. Sie wollte, dass er das Mädchen sterben ließ, wie einen gewöhnlichen Menschen.

„Ich kann nichts dafür, dass er sich nicht für dich entschieden hat“, entgegnete Laura, etwas verunsichert und ängstlich. Sie wich einige Schritte weiter zurück.

„Du wirst schon noch den Richtigen für dich finden.“ Klara, die Vampirin, war wütend. Sie zog mit ihrer Hand, die sie in einen schwarzen Handschuh gehüllt hatte, einen Dolch heraus. „Silber“, sprach sie und umkreiste Laura Schritt für Schritt. „Es ist für Vampire tödlich. Aber der Dolch an sich kann auch für dich tödlich sein.“

Laura wich verängstigt noch weiter zurück. Wo war Vlad, wenn sie ihn brauchte? Warum war er ausgerechnet jetzt nicht im Park, wo er sich doch sonst hier aufhielt?

Klara näherte sich ihr langsam in leicht geduckter Haltung, wie eine Raubkatze und umkreiste sie langsam. Dann holte sie mit dem Dolch aus und versetzte ihr einen Schnitt am Arm. Laura konnte gar nicht schnell genug reagieren, denn mit dem Schwung, den sie von diesem Hieb noch im Arm hatte, stieß Klara ihr die Klinge in den Hals; sie knurrte wie ein Hund und stürzte sich auf Laura um ihr Blut zu trinken.

Vlad war bis jetzt mit seinem „Abendessen“ beschäftigt gewesen, völlig versunken in den Geschmack süßlichen roten Blutes vertieft, als er die Kampfgeräusche hörte. Sofort suchte er den Ort des Geschehens. Ein Stück weiter im Park, hinter einigen Büschen sah er, wie sich Klara auf Laura stürzte. Unverzüglich rannte er hinüber und riss Klara zurück. Wie in Trance nahm Laura den heruntergefallenen Dolch in die Hand. Ihr Hals schmerzte und sie war dabei das Bewusstsein zu verlieren, die rechte Hand auf die Wunde gepresst. Sie konnte nicht sprechen. Ein Blutrinnsaal lief von ihrem Hals hinunter und hinterließ einen großen Blutfleck, der sich vom Kragen her ausbreitete. Sie klammerte den Dolch fest in ihre Hand und sah aus, als würde sie etwas sagen wollen und es nicht konnte. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebte. Laura fiel.

Vlad ließ von Klara ab, mit der er gerungen hatte, um sie zur Rede zu stellen. Er rannte zu Laura, die am Boden lag. Erst sah er ihr Blut. Dann drang der Geruch zu ihm vor und verlor die Kontrolle. Es war zu viel. Wie ein Tier sprang er auf sie los, mit Augen voller Zorn. Er verbiss sich in ihrem Hals und fing an, ihr Blut zu trinken; der Zwang war so stark, dass er den Dolch nicht bemerkte, den das Mädchen von sich gestreckt hielt. Er hatte sich damit in eben diesem Moment, versehentlich durchbohrt. Laura schloss langsam die Augen. Sie war kreidebleich geworden und ihre Hand ließ kraftlos den Dolch los, den sie bis eben umklammert hatte. Vlad schrie schmerzerfüllt auf und sackte auf ihrem toten Körper zusammen.

Klara stand wie festgefroren da, schockiert den Blick auf die beiden gerichtet. Erst jetzt realisierte sie, was geschehen war.

„Vlad?“, fragte sie. „Vlad? Was ist mit dir? Ich wollte nur sie umbringen, nicht dich!“, schrie sie ihn an und rüttelte an seinem toten Körper, der in dem Moment zu Staub zerfiel. Klirrend fiel der Silberdolch zu Boden. Wie in Trance berührte sie ihn mit bloßer Hand und zerfiel in eben diesem Moment auch zu Staub.

Das Nebelvolk

Elisa sog mit geschlossenen Augen begierig die Luft ein. Der Duft erfüllte sie ganz und gar. Es war ein alter Duft. Ein Duft von altem Papier, gebunden. Es war der Duft alter Bücher. Sie öffnete die Augen und blickte sich um. Dann schlenderte sie, mit der Hand immer die Buchrücken streichelnd, zwischen den langen großen Regalen der Bibliothek entlang. Ab und zu blieb sie stehen und las die Titel auf den Buchrücken. Sie mochte die Bibliothek. In ihr waren so viele Geschichten verborgen. Sie enthielten so viele Schicksale, so viele Leben, und immer, wenn man eines von ihnen nahm und darin las, erlebte man es wie sein eigenes Leben. Man tauchte hinein und erlebte ein Geschehen, wahrhaftig und wirklich, wenn man sich vorstellte, wie man selber solche Gefahren und Geschichten erleben konnte. Elisa ging um die Ecke in die nächste Reihe. Es waren Holzregale von einem dunklen polierten Braun, in welchen die Bücher aufbewahrt wurden.

 

„Elisa! Wir müssen gleich zumachen! Bitte beeile dich! Ich habe keine Lust, deinetwegen Überstunden zu machen!“, rief Flora ihr von der Theke aus zu. Sie wusste, wie gerne Elisa in der Bibliothek stöberte.

In der Bibliothek waren nicht nur alte Bücher, sondern auch neue zu finden. Aktuelle Krimis, Thriller, Fantasy und Abenteuerromane. Natürlich auch vieles mehr. Auch sie hatten ihren ganz besonderen Duft. Ein neues Buch zu bestellen und darin zu blättern, war ebenfalls etwas ganz Besonderes. Es war der Geruch von neu Gedrucktem. Jedes Buch hatte sein eigenes Aroma. Elisa hätte sich stundenlang hinsetzen und in einem Buch herumschnüffeln können, bevor sie es las, aber auch währenddessen.

„Ich komme gleich!“, rief sie Flora zu. Diese grummelte etwas, sagte aber nichts weiter.

Wieder sog Elisa den Duft der Bücher ein, als ihr ein ganz besonderer Duft in die Nase stieg. Er war wie frisch gemähtes Gras und Blumen. Sie konnte sich nicht vorstellen, was für ein Buch solch einen Duft aussenden konnte. Sofort blieb sie stehen und sah sich um. Sie stand zwischen zwei Regalen, in denen dicke alte Lederwälzer standen. Es waren richtig große, schwere Bücher. Elisas Blick fiel auf eine Spalte, die zwischen zwei großen Büchern aufklaffte. Dazwischen stand ein Buch, welches nur halb so groß war wie die anderen. Sie legte ihren Kopf schief: „Das Nebelvolk“, las sie auf seinem Buchrücken. Sofort griff sie danach.

„Elisa! Bitte!“, rief es von vorne. „Ja, ja, ich komme schon!“ Elisa behielt das Buch in der Hand und eilte nach vorn zur Theke. „Entschuldige, ich habe noch etwas gefunden, was ich ausleihen möchte.“ Flora nahm den Scanner und schlug das Buch auf. „Komisch.“ Sie war verwundert. „Was ist denn?“, fragte Elisa neugierig. „Das Buch hat keine Bibliotheksmarkierung. Ob wir vergessen haben, es aufzunehmen?“, antwortete Flora ihr. Elisa nahm das Buch und blätterte darin. Es hatte weder Bibliotheksstempel noch sonst irgendwelche Anzeichen darauf, dass es hierher gehörte. „Vielleicht hat es jemand vergessen?“, spekulierte Elisa. Flora zuckte mit den Schultern. „Nimm es erst mal mit. Ich mag den PC jetzt nicht einschalten. Bring es einfach wieder her, wenn du es gelesen hast, und dann schauen wir mal.“ Elisa lächelt. „Danke!“ Sie freute sich darüber, denn normalerweise war Flora selbst bei so etwas als Bibliothekarin recht engstirnig. Sie winkte Flora zum Abschied zu und verließ die Bibliothek freudestrahlend.

Draußen wurde es bereits dunkel. Elisa ging direkt über die Straße, wo das Haus lag, in dem sie wohnte. Sie ging die kleine Treppe zur Haustür hinauf. Dann zog sie den Schlüssel aus der Tasche und schloss auf.

Heute war niemand zu Hause. Ihre Eltern waren bei Verwandten zu Besuch. Elisa musste wegen Prüfungen zu Hause bleiben. Sie öffnete die Tür und trat in das stille Haus ein. Es war recht dunkel. In der Mitte des Flurs ging eine helle Wendeltreppe hinauf in den 1. Stock des Hauses, in welchem ihr Zimmer lag. Sie tastete sich im Dunkeln halbwegs vorwärts, da sie nicht extra Licht anmachen wollte, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. Dann kam sie an das Geländer der Treppe und stieg hinauf. Oben schaltete sie das Licht ein.

Sie hatte einen großen lichtdurchfluteten Raum für sich allein. Dort standen viele Bücherregale, die meist völlig überfüllt aussahen. Teilweise standen Bücher in doppelten Reihen, während auf diesen waagerecht noch andere Bücher lagen. Ganz oben standen die großen schweren Bücher, da das oberste Fach erst die Zimmerdecke als Begrenzung hatte. Es standen viele Hardcoverausgaben, aber auch viele Taschenbücher im Regal. In Elisas Bibliothek war von moderner Literatur bis zu jeglicher Weltliteratur alles zu finden. Sie mochte besonders schöne Ausgaben mit Illustrationen oder schöner glitzernder Schrift. Von Harry Potter über Herr der Ringe und bis zur Biss-Reihe hatte sie so ziemlich alles gelesen. Teilweise war so wenig Platz in ihren Regalen, dass nicht ganz so wertvolle Ausgaben in Stapeln auf dem Boden standen. Elisa ging zum Fenster und drehte die Heizung hoch. Sie fröstelte ein wenig. In ihrem Zimmer standen noch eine Couch, ihr Bett, ein Schreibtisch sowie ein normaler Tisch und ein etwas größerer Kleiderschrank.

Elisa zog die Jacke aus und hängte sie an die Garderobe. Dann schlüpfte sie in ihre Hausschuhe und ließ sich aufs Bett fallen. In der Hand hielt sie das Buch aus der Bibliothek. Es roch sehr gut, auch ein wenig nach Rosen und Parfum. „Wer das Buch wohl vorher hatte?“, fragte sie sich.

Einen Moment hielt sie es unaufgeschlagen in der Hand, hatte die Augen geschlossen und ruhte aus.

Nach einer Weile öffnete sie die Augen wieder und beschaute das Buch. Es hatte einen Ledereinband, verziert mit einem roten halbrunden Stein. Sie überlegte, ob das Buch wertvoll sei. „Bestimmt, wenn es so einen schönen Einband hat.“ Obendrüber stand: „Das Nebelvolk“.

Elisa schlug es auf. Im selben Moment schien ein Windhauch durch das Zimmer zu wehen. Sie setzte sich kurz auf, aber das Fenster war geschlossen, also ließ sie sich wieder nach hinten fallen. Sie blätterte weiter. Das Buch schien kein Inhaltsverzeichnis zu haben. Es begann gleich mit dem ersten Kapitel.

So der du in der Hand hältst dieses Buch, sei gewarnt.

Blätterst du weiter, wird die Welt dir gewahr,

wie sie ist und wie sie war,

wie sie will sein und wie sie wird,

wenn der Fluch erstirbt.

Nur wenige können es jemals sehen,

das Buch öffnen und es verstehen,

nur wenige können den Fluch verstehen

und gegen ihn wahren Wissens vorgehen,

wenn du dies liest, bist du des Königs Blut

und bist ein Produkt des Fluches Wut

in einer Welt, die nicht existiert,

weil sie völlig den Sinn verliert.

Wenn du auf dem Altar wirst sein,

wird die Welt dein…

Elisa erschauderte. Dieses Gedicht - oder war es eine Weissagung? - war ihr unheimlich. Sie schüttelte den Kopf. Wie konnte sie überhaupt in Betracht ziehen, dass das eine Weissagung war? Es war vollkommener Unsinn. Sie hatte zwar in vielen Geschichten von anderen Welten gelesen, aber gerade deswegen sollte sie es nicht ernst nehmen.

Sie blätterte weiter:

Es war einmal ein Königreich… so sollte auch die Geschichte des Nebelvolks beginnen, aber es stimmt so nicht ganz. Es war einmal ein Volk, das in Eintracht lebte. Es gab keine Königreiche und Länder, sondern nur das Volk und die Welt. In dieser lasen die Wissbegierigen, die Abenteuerlustigen abenteuerten und die Unternehmungslustigen unternahmen. Das Volk hatte viele Bücher und Bibliotheken. Es schien die perfekte Kultur zu sein. Aber immer wieder gibt es jemanden, der wider alle Logik - denn jeder hatte sie auf seine Weise - nach Macht strebt. So geschah es auch mit dem Magier Ulus. Dieser konnte es einfach nicht verstehen und er wollte es auch nicht. Also schmiedete er Pläne, um die Macht in dieser friedvollen Welt an sich zu reißen. Doch die Wahrer des Friedens erkannten diese, bevor er sie ausführen konnte. Ulus war frustriert. Er sollte verbannt werden, in eine andere Dimension geschickt, denn man kannte und hatte keine Gefängnisse, in die man ihn hätte stecken können. Bevor er seine Welt verließ, sprach er einen Fluch über das Volk aus, welcher es in tiefstes Verderben stürzte: „Ihr, sollt in einer Welt des Egoismus und des Chaos versinken! Ihr sollt euer perfektes Leben verlieren! Wenn ich diese Welt verlasse, wird eure verschwinden, bis jene königlichen Blutes wieder gefunden werden, um euch zu erlösen! Ihr werdet ein Leben im Schatten eures Daseins verbringen, als Schemen in einer Welt, in der ihr nur zuschauen könnt, wie sie zerstört wird!“ Das Volk sah sich ratlos an, doch als Ulus die Welt verließ, wurde der Fluch aktiv. Das Volks wurde zum Schatten, denn niemand wusste mehr, wer das königliche Blut der alten Könige in sich trug, und eine andere, schwierigere Welt legte sich darüber.

In eben diesem Moment wurde draußen alles rabenschwarz. Elisa stand auf, ließ das Buch erschrocken aufs Bett fallen und rannte zum Fenster. Verängstigt blickte sie nach draußen. Auf den Dächern der Häuser erschienen Gestalten, in weiße lange Mäntel gehüllt. Sie hatten Stäbe, die bis auf den Boden reichten. Man konnte ihre Gesichter nicht sehen. Sie rührten sich nicht. Die Menschen zogen sich verängstigt in ihre Häuser zurück.

Ein Blitz zuckte über den Himmel. Im selben Augenblick hoben die Gestalten ihre Stäbe und ließen sie auf die Dächer der Häuser niedersausen.

Elisa wich ein Stück zurück. Aber sie konnte nicht weiter. Hinter ihr war das Fenster. Irgendetwas Unheimliches ging hier vor. Sie blickte zu dem Buch hinüber, aus dem ein weißes Licht drang. Heraus kam ein junger Mann, völlig in Schwarz gehüllt. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen und schrie. Auch er hielt einen langen Stab in der Hand. Dieser war völlig schwarz und ein roter runder Rubin ruhte auf seiner Spitze. Er schritt auf sie zu. Elisa war nicht in der Lage sich zu rühren. Er trat nah an sie heran und berührte ihre Schulter. Dann hob er den Stab. Das Fenster flog auf. Die Gestalten auf den Dächern der andern Häuser rührten sich nicht mehr. Von ihren Stäben schienen Blitze die Häuser einzuhüllen. Elisa hörte die Schreie der Bewohner. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Leute, wie sie sich krümmten vor Schmerz und wie sie schrien.

Die Häuser veränderten sich. Aus dem matten Grau einfacher Wohnhäuser wurde gleißendes marmornes Weiß. Auch die Form der Häuser veränderte sich. Manche wurden kleiner, andere größer. Alles schien zu knistern und sich zu verändern. Elisa blickte ängstlich zu dem Mann auf. Seine Augen schienen rot zu glühen. Sie schrie auf. Kurz danach wurde alles schwarz. Danach folgten nur noch verschwommene Erinnerungen, von der schwarzen Gestalt, die mit ihr in den Himmel schwebte, von einem gläsernen Schloss, das er ihr zeigte und einem Tempel mit einem Altar. Dann erinnerte sie sich an lauter Gestalten, in weiße Mäntel eingehüllt, nur der eine war in einen schwarzen Mantel gehüllt. Alle hatten sie um sie herum, um den Altar gestanden und eigenartige Formeln gemurmelt. Es war ein stetiges unaufhörliches Murmeln, bevor ein Blitz niederschoss und die Tücher zu Boden fielen.

Und das Nebelvolk erwachte nach langer Zeit des Fluches

Klara erwachte auf kaltem Stein. Sie wusste, dass sie auf dem Altar lag, denn das war das Letzte, woran sie sich erinnerte. Ihr blondes Haar war sehr lang gewachsen und sie trug ein schneeweiß schimmerndes weites Kleid. Sie stand auf und verließ den Tempel. Alles draußen war weiß. Die Stadt bestand aus weißen kleinen Häusern. Oder erweckten sie nur den Anschein klein zu sein, vor dem riesigen gläsernen Schloss, welches dahinter stand? Sie konnte sich nicht mehr erinnern, was geschehen war. Niemand war zu sehen. Kein Mensch lief auf den Straßen umher. Klara ging zu dem Brunnen, der neben dem Tempel stand, und tauchte ihre weißen Hände in das erfrischend kalte Wasser, so als wäre es etwas Neues. Sie wusste, dass sie zum Schloss musste. Also machte sie sich auf den Weg, die Stadt zu durchqueren. Die Häuser hatten vom Tempel aus klein ausgesehen, doch teilweise waren sogar Hochhäuser darunter, durch deren Gassen sie hindurchwandelte. Kein Müll lag auf den Straßen, kein Dreck verunreinigte sie, nur ein feiner Staub wirbelte im Wind umher. Sie bog in eine große Hauptstraße ein, die genau auf das Schloss zulief. Sie spürte wie die Schatten jener, die hier einst lebten, einhergingen und ihre Blicke auf sie warfen. Sie waren wie Nebelgestalten, die hier und dort umherwandelten. Verlorene Seelen, die einst hier gelebt hatten. Sie hatten jegliche Größe und Staturen. Einige waren klein wie Kinder, andere groß wie Erwachsene.

 
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