Buch lesen: «Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen», Seite 23

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11. Verjährung

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Wirkung der Abnahme (§ 640) ist der Beginn der Verjährung als Ausschlussfrist für sämtliche Rechtsbehelfe einschließlich der Erfüllungsklage (vgl. § 634a). Aufbau der Vorschrift und Länge der Fristen entsprechen § 438.

12. Vorzeitige Kündigung

a) Freies Kündigungsrecht des Bestellers

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Der Vertragszweck des Werkvertrags ist erst mit dem Austausch von Werk und Vergütung erreicht. In § 648 anerkennt das BGB ein kaufmännisches Moment darin, dass das Interesse des Unternehmers hauptsächlich ein kommerzielles, finanzielles ist. Der Besteller mag daher jederzeit durch Kündigung auf die weitere Herstellung des Werks verzichten, schuldet aber weiterhin das vereinbarte Entgelt, vermindert nur um ersparte Aufwendungen und anderweitige Einkünfte des Unternehmers, die dieser durch die mit der Kündigung zusätzlich frei werdenden Kapazitäten erzielt oder jedenfalls erzielen müsste (Vermutungsregelung zur Vermeidung erheblicher praktischer Schwierigkeiten in der Kalkulation der ersparten weiteren Aufwendungen in § 648 S. 3).

Das Kündigungsrecht des Bestellers ist somit ein nach Zeitpunkt und Voraussetzungen freies (vergleichbar dem des Dienstberechtigten bei sog. höheren Diensten, § 627 Abs. 1, aber mit schärferer Rechtsfolge als dieses, vgl. dort § 628 Abs. 1 S. 1, wonach nur Teilvergütung geschuldet wird). Der Unterschied zu §§ 627 Abs. 1, 628 Abs. 1 S. 1 ist dadurch gerechtfertigt, dass die dem Leitbild der sog. höheren Dienste zugrundeliegende besondere soziale und Vertrauensstellung des Dienstverpflichteten einem dem Handelsrecht vergleichbarem kommerziellem Interesse des Werkunternehmers in Bezug auf seine Tätigkeit gerade entgegensteht (inwieweit dieses Standesdenken der sozialen Wirklichkeit entspricht, sei dahingestellt, weil sowohl freies Kündigungsrecht wie Vergütungsregelung im Dienst- wie im Werkvertragsrecht vertraglich abweichend geregelt werden können).

§ 648 (§ 649 a.F.) ist nicht auf Werkverträge anwendbar, die den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses haben, so z.B. ein „Internet-System-Vertrag“ zur Registrierung einer Domain nebst Programmierung und dem „Hosten“ einer Internetpräsenz, der auf eine Laufzeit von 36 Monaten abgeschlossen wird (vgl. BGHZ 188, 149); gleiches gilt für Bauträgerverträge (BGHZ 96, 275). Für solche bleibt es bei der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314).

b) Kündigung aus wichtigem Grund

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Seit dem Jahr 2018 sieht § 648a für alle Werkverträge ein beiderseitiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vor. Wann ein wichtiger Grund vorliegt, definiert § 648a Abs. 1 S. 2 in Anlehnung an § 314 Abs. 1. Das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 galt bereits zuvor auch für Werkverträge, setzte aber ein Dauerschuldverhältnis voraus

Nach § 648a Abs. 2 kann die Kündigung auch „auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks“ beschränkt werden. Es braucht sich dabei nicht – wie in § 8 Abs. 3 VOB/B – um einen „in sich abgeschlossenen Teil“ des Werks zu handeln, sondern es reicht aus, dass die Vertragspartner eine Abgrenzung zwischen den kündigungsbedingt nicht mehr geschuldeten und den noch zu erbringenden Leistungen vornehmen können und der Unternehmer in der Leistungsausführung nicht beeinträchtigt wird.

Durch den Verweis in § 648a Abs. 3 auf § 314 Abs. 2 und 3 wird klargestellt, dass die Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muss, nachdem der Kündigende vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hatte.

Eine wirksame Kündigung ist zudem grundsätzlich erst nach erfolgloser Abmahnung möglich, außer besondere Gründe rechtfertigen unter Abwägung der wechselseitigen Interessen eine sofortige Kündigung oder es liegen die Fälle des § 323 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor.

§ 648a Abs. 4 bestimmt, dass jeder Vertragspartner nach Kündigung eine „gemeinsame Feststellung des Leistungsstands“ verlangen kann. Verweigert der andere die Mitwirkung oder bleibt er einem vereinbarten oder einseitig mit angemessener Frist bestimmten Termin unentschuldigt fern, trifft ihn die Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung.

Ist die Kündigung aus wichtigem Grund wirksam, erhält der Unternehmer gem. § 648a Abs. 5 die vereinbarte Vergütung nur für den bis zur Kündigung erbrachten Teil seiner Leistung, und zwar auch dann, wenn der Besteller den Kündigungsgrund zu vertreten hat. Dem Unternehmer kann dann aber nach § 648a Abs. 6 ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch (z.B. § 642) zustehen.

Für Bauverträge schränkt § 650h ein, dass diese nur schriftlich gekündigt werden können. Auf Bauträgerverträge ist § 648a nicht anwendbar (§ 650u Abs. 2), weil insb. das Teilkündigungsrecht nicht passt (der Besteller könnte die bau-/werk-vertragliche Bauträgerleistung kündigen aber dennoch auf der Übereignung des Grundstücks bestehen). Den Rückgriff auf § 314 zur a.o. Kündigung des gesamten Vertrages schließt das aber nicht aus. Gleiches gilt für „Internet-System-Verträge“.

c) Überschreiten eines unverbindlichen Kostenvoranschlags

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Aufgrund anders gelagerter Interessen sind die Rechtsfolgen der vorzeitigen Kündigung jedoch abweichend bestimmt, wenn der Besteller zur Kündigung dadurch veranlasst ist, dass ein (unverbindlicher) Kostenvoranschlag des Unternehmers überschritten zu werden droht (§ 649 Abs. 1). In diesem Fall muss sich der Unternehmer auf den Teilvergütungsanspruch und den Auslagenersatz beschränken. Der Kostenvoranschlag stellt die gemeinsam vorgestellte Rentabilitätsbasis des Geschäfts dar und ist somit ein besonderer Fall der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 – anders beim von § 649 nicht gemeinten verbindlichen Kostenvoranschlag (Festpreisvertrag), bei dem der Unternehmer das Rentabilitätsrisiko übernimmt. Der unverbindliche Kostenvoranschlag des § 649 ist (im Unterschied zum bloßen Angebot) durchaus insoweit bindend, dass er nicht ohne Weiteres überschritten werden darf. Der Unternehmer verspricht aber nicht die Herstellung zum vorangeschlagenen Preis, komme, was da wolle.

d) Verletzung von Mitwirkungshandlungen

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Ein Kündigungsrecht des Unternehmers folgt umgekehrt aus der Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Besteller (z.B. Bereitstellung erforderlicher Pläne oder Stoffe des Bestellers, persönliche Verfügung zu einer Anprobe etc.), sofern der Unternehmer dem Besteller zur Nachholung eine angemessene Frist mit Kündigungsandrohung gesetzt hat (§ 643). Der Unternehmer behält hierbei nur einen Anspruch auf entsprechende Teilvergütung und Auslagenersatz (§ 645 Abs. 1 S. 2).

Insofern kann sich der Besteller u.U. besserstellen, wenn er anstatt sein freies Kündigungsrecht nach § 649 auszuüben, ggf. vielmehr durch Unterlassen einer erforderlichen Mitwirkung den Unternehmer zur Kündigung „zwingt“ und dadurch nur Teilvergütung, statt anderenfalls die volle Vergütung schuldet; er muss jedoch bedenken, dass insoweit ergänzend die Folge aus § 642 eintritt, nämlich Annahmeverzug (§§ 300 ff.) unter Anspruch des Unternehmers auf eine „angemessene Entschädigung“ für die Dauer des Verzugs (§ 642 Abs. 2) sowie Übergang der Preisgefahr nach § 326 Abs. 2 S. 1 HS. 2 und S. 2.

Schließlich folgt ein weiteres praxisrelevantes Kündigungsrecht des Unternehmers aus § 650f Abs. 5, wenn der Besteller den Anspruch auf Stellung von Sicherheiten nicht erfüllt (dazu sogleich).

13. Unternehmerpfandrecht, Bauhandwerkersicherungen

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Zum Ausgleich der Vorleistungspflicht des Werkunternehmers bis zur Abnahme des Werks erhält er für sämtliche Vertragsansprüche ein gesetzliches Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zweck der Ausbesserung in seinem Besitz gelangt sind (§ 647). Das Pfandrecht erlischt durch Rückgabe des Pfands (§ 1253) oder – bestimmungsgemäß durch Auslösen – mit der Forderung, für die es besteht (§ 1252). Die Verwertung erfolgt nach den Regeln des Pfandverkaufs (vgl. § 1233) regelmäßig durch Androhung (§ 1234) und Versteigerung (§ 1235 ff.).

Dieses Pfandrecht kann lt. BGH nicht nach § 1207 gutgläubig an den vom Besteller übergebenen, aber im Eigentum eines Dritten stehenden Sachen erworben werden (str.); Schulbeispiel ist die Reparatur eines Pkw auf Bestellung eines Nichteigentümers hin, etwa eines Erwerbers bei noch bestehendem Eigentumsvorbehalt.[164] Hier soll der Unternehmer zwar kein Pfandrecht, jedoch für das Reparaturentgelt, als sei es Verwendungsersatz, die Einrede aus §§ 1000, 1002 dem wahren Eigentümer gegen dessen Anspruch aus § 985 entgegensetzen können (obwohl Verwender hier allein der Besteller ist, auf dessen – ggf. eben unbezahlte – Rechnung die Reparatur erfolgt; ebenso, wie die Reparatur auch bereicherungsrechtlich keine Leistung des Unternehmers an den Eigentümer wäre).

Zumindest dann, wenn der Vorbehaltskäufer dem Eigentümer vertraglich aus dem Kauf nötigenfalls zur Reparatur verpflichtet ist, liegt näher, eine Einwilligung „in die Situation“, in der das gesetzliche Pfandrecht des Werkunternehmers entsteht, anzunehmen und damit das Pfandrecht analog §§ 183, 185 als von dieser Verfügungsbefugnis gedeckt anzusehen (der Besteller verügt indes strenggenommen nicht, das Pfandrecht entsteht ja – wenn überhaupt – von Gesetzes wegen; nicht dagegen kann eine rechtlich nämlich nicht existente Verpflichtungsermächtigung in Bezug auf die Tragung der Reparaturkosten weiterhelfen). Zwar besteht das gesetzliche Pfandrecht nach § 647 ohne Weiteres jedenfalls am Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, erlischt in dessen Säumnis aber mit diesem, sobald der Verkäufer nach § 455 Abs. 2 zurücktritt.

Vertragsgestalterisch liegt die Lösung in der Vereinbarung eines parallelen rechtsgeschäftlichen Pfandrechts durch AGB im Rahmen des Werkstattvertrags, das nach §§ 1257, 1207, 932 ohne Weiteres gutgläubig erworben werden kann – wobei der erforderliche gute Glaube des Unternehmers für den Pfandrechtserwerb mangels Anhaltspunkten für eine Nichtberechtigung nicht zwingend die Vorlage der Fahrzeugpapiere voraussetzt; insofern ist die Praxis der Werkstätten, zumeist den Fahrzeugschein einzuverlangen, ggf. sogar schädlich, wenn dort nämlich ein Dritter als Halter eingetragen ist.

Bauunternehmern und Bauhandwerkern (einschließlich Bau-Nebengewerbe) gewährt § 650e anstelle des Fahrnis-Pfandrechts einen Anspruch auf Eintragung einer Sicherungshypothek für die Vergütung für bereits erbrachte Leistungen.

Außerdem können sie eine Sicherheitsleistung von zehn Prozent der (soweit noch nicht bezahlt) gesamten vereinbarten Brutto-Auftragssumme verlangen (§ 650f Abs. 1), die üblicherweise durch Bankbürgschaft zu erbringen ist (§ 650f Abs. 2). Eine doppelte Besicherung ist aber ausgeschlossen (Abs. 4). Erbringt der Besteller die Sicherheitsleistung nicht, kann der Unternehmer nach fruchtloser Fristsetzung die weitere Leistung bis auf weiteres verweigern oder fristlos kündigen und die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen verlangen (§ 650f Abs. 5 entspricht in den Rechtsfolgen dem freien Kündigungsrecht des Bestellers nach § 648; s. Rn. 306).

Das Verlangen nach Sicherheitsleistung wurde in der Praxis meist eher als Druckmittel des Bauunternehmers in einem anderweitigen Streit über die Bauausführung gegen den Bauherrn eingesetzt. Die Begrenzung auf 10% der Auftragssumme seit dem Jahr 2018 nimmt dem Besteller den hohen Liquiditätsdruck aus der Stellung der Sicherheit und entspricht auch viel besser der durch üblicherweise vereinbarte Zahlungspläne und das Recht auf Abschlagszahlungen (§ 632a) deutlich reduzierten Vorleistungspflicht des Bauunternehmers.

Gegenüber Verbrauchern (Verbraucherbauverträge i.S.d. § 650i) ist ein Verlangen nach Sicherheitsleistung seit dem Jahr 2018 nicht mehr gesetzlich vorgesehen (§ 650f Abs. 6). Allerdings können durch Individualvereinbarung von Verbrauchern trotzdem Sicherheitsleistungen verlangt werden (§ 650f Abs. 7 bezieht Abs. 6 nicht ein), die dann sogar höher vereinbart werden können, als die gesetzliche (vgl. Begrenzung in § 650m Abs. 4).

Umgekehrt sichert das BauFordSiG in § 1 den Besteller der Herstellung eines Baus oder eines Umbaus, der zum Zweck der Bestreitung der entsprechenden Baukosten sog. Baugeld, insb. Abschlagszahlungen, an einen Generalunternehmer oder Bauträger zahlt. Ist der Besteller hierbei nicht Eigentümer des Baugrundstücks, sondern soll dies erst nach Herstellung übereignet bekommen (vgl. im einzelnen § 1 Abs. 3 BauFordSiG), so darf solches Baugeld nur zweckentsprechend, insb. für Nachunternehmer verwendet werden (§ 1 Abs. 1 BauFordSiG), widrigenfalls sich der Baugeldempfänger strafbar macht (§ 2 BauFordSiG i.V.m. § 15 StGB).

Einem ähnlichen Schutz dient auch die Makler- und Bauträgerverordnung: Nach § 4 MaBV dürfen Vorauszahlungen nur im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben verwendet werden. Für sie sind nach § 2 MaBV Bankbürgschaften zu stellen, im Übrigen sind Gelder auf Treuhandkonten zu verwahren (§§ 6 f. MaBV). Bauträger dürfen nach § 3 MaBV Vorauszahlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen und in begrenztem Umfang entgegennehmen.

Eine Vertragserfüllungsbürgschaft vom Unternehmer sieht nur § 650m Abs. 2 für Besteller als Verbraucher im Verbraucherbauvertrag vor (ebenso gem. §§ 650p/u für Verbraucherarchitekten- und -bauträgerverträge).

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › D. Verträge auf Arbeitsleistung und Herstellung › VI. Werklieferungsvertrag

VI. Werklieferungsvertrag

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Vielfach enthalten Umsatzgeschäfte (i.e. Kauf) werkvertragliche Elemente. Soweit Letztere für den Leistungscharakter von nur untergeordneter Bedeutung sind und es sich also um eine Zusatzleistung handelt, die das Gesamtbild der Hauptleistung kaum verändert, bestimmt die Hauptleistung den Vertragstyp (so etwa bei Kauf mit Montage als Nebenleistungspflicht, vgl. § 434 Abs. 2). Um gar keine Kombination von Leistungselementen handelt es sich beim bloßen Beschaffungskauf nicht vorrätiger Waren. Auch wenn der Käufer Ware nur aus eigener Produktion des Verkäufers wünscht, so verpflichtet sich der Lieferant nur, eine gewünschte Qualität zu besorgen, dies eben aus einer „beschränkten Gattung“, nämlich dem künftigen Vorrat. Paradigma ist die Bestellung von Katalogware; daran ändert auch eine mögliche Spezifikation nach Kundenwunsch (Ausstattungsdetails, Farbe etc.) nichts, weil beiderseits kein „Herstellungsinteresse“ besteht.

Beispiel:

Der Neuwagenkäufer sieht die Produktion seines Pkw trotz aller Zusatzausstattungen eher als Hindernis eines früheren Auslieferungstermins denn als bedeutsamen Vertragsinhalt. Anders wird dies erst, wenn der Gegenstand wesentliche Merkmale von Einzigartigkeit aufweisen und insoweit erst für ihn geschaffen werden soll (Einzelfertigung, Maßanfertigung).

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Tritt das „Herstellungsinteresse“ zum „Beschaffungsinteresse“ (Übergabe und Übereignung) des reinen Kauftypus hinzu und ist nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung, so unterstellt § 650 diesen Typus (sog. „Werklieferungsvertrag“) ebenfalls allein dem Kaufrecht, aber ordnet in S. 3 und nur bei der Herstellung nicht vertretbarer Sachen (also begrenzt auf Sonderanfertigungen) zusätzlich die Geltung bestimmter Vorschriften des Werkvertragsrechts an. Dies jedoch nur, soweit sich Besonderheiten aus Mitwirkungspflichten des Bestellers (§§ 642, 643) oder der Bereitstellung seines Stoffes (§ 645) ergeben, oder ihm die vorzeitigen Kündigungsrechte der §§ 648, 649 gegeben werden.

Beispiel:

Hat ein Nachunternehmer sich dem Generalunternehmer eines Bauvertrags zur Lieferung nebst Einbau von Fenstern verpflichtet, so hat der Generalunternehmer keinerlei kauftypisches Leistungsinteresse an der Lieferung, weil die Fenster ihm zu keinem Zeitpunkt übergeben und übereignet, sondern mit Einbau sogleich wesentlicher Bestandteil (§ 94) des Grundstücks des Bauherrn werden. Es bleibt das reine Herstellungsinteresse des Generalunternehmers am Einbau (reiner Werkvertrag); Gleiches gilt für prothetische Leistungen des Zahnarztes gegenüber dem Patienten, eine Beschaffung von Zahngold ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung (und auch kein treuhänderischer Auftrag). Auch die Herstellung einer maßgefertigten Einbauküche durch den Schreiner ist Werkvertrag, weil unabhängig vom Eigentumsübergang die Lieferung ganz hinter die Errichtung und Einpassung zurücktritt (eine solche Spezialanfertigung wird auch bei nachträglicher Einfügung als wesentlicher Bestandteil erachtet mit der Folge der §§ 946, 94; vorkonfektionierte Systemküchen werden hingegen mit Einbau Zubehör, § 97 Abs. 1, und sind deshalb nach §§ 929 ff. zu übereignen).

Die Bestellung einer Systemküche, von Systemmöbeln etc. ist reiner Kaufvertrag (trotz ggf. Montagepflichten); werden darüber hinaus aber individuelle Anpassungen handwerklicher Art erforderlich (nicht bloß im Rahmen von Montagearbeiten), handelt es sich um einen Werklieferungsvertrag über wohl meist vertretbare Sachen (vgl. § 91, weil die Einzelteile aus Wangen, Regalböden etc. ohne Weiteres an Dritte weiterveräußert werden können). Auf einen solchen Werklieferungsvertrag findet nach § 651 S. 1 nur Kaufrecht Anwendung. Es steht der Handelswert des Produkts im Vordergrund (wie dafür meist auch keine Arbeitsstunden gesondert abgerechnet werden). Geht die Bestellung hingegen auf nicht vertretbare Sachen (Maßanzug, Portraiterstellung), so tritt neben den Handelswert des Produkts der Arbeitswert des Unternehmers. Auf einen solchen Werklieferungsvertrag ist nach § 651 S. 1 zwar ebenfalls Kaufrecht anwendbar, § 651 S. 3 ordnet aber ergänzend die Vorschriften des Werkvertragsrechts betreffend die Mitwirkungshandlungen des Bestellers (§§ 642, 643) und seines vorzeitigen Kündigungsrechts (§§ 648, 649) an; der Besteller kann also bis zur Vollendung der Maßarbeit noch kündigen, schuldet aber zumindest einen Teil der Vergütung. Der Besteller ist außerdem für von ihm zu liefernde Stoffe (§ 645) verantwortlich. Der Übergang der Preisgefahr richtet sich insoweit nicht nach der Abnahme, sondern gem. § 650 S. 2 nach dem in §§ 446, 447 bestimmten Zeitpunkt.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › E. Treuhandverhältnisse auf Arbeitsleistung und Herstellung

E. Treuhandverhältnisse auf Arbeitsleistung und Herstellung

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Den bisher zugrunde gelegten Verträgen lagen sachlich fest umschriebene Hauptpflichten („Festleistungen“) zugrunde, so etwa bei den Umsatzgeschäften die Lieferung eines individuellen oder jedenfalls gattungsmäßig beschriebenen Stücks; der Verkäufer ist dabei hinsichtlich der Interessenwahrnehmung für den Käufer nicht nur allgemein durch den Inhalt des Schuldverhältnisses, sondern in den relevanten Bereichen auch durch normierte Erwartungshaltungen (vgl. § 243 Abs. 1) bestimmt und hat darüber hinaus den vom Käufer mit dem Vertrag angestrebten ferneren Erfolg jenseits des reinen Lieferinteresses lediglich als allgemeine Nebenpflicht (vgl. § 242) zu beachten. Der Kaufvertrag setzt damit typischerweise weder Initiative noch Fürsorge des Verkäufers jenseits des sachlich festgelegten Vertragszwecks voraus. Ähnliches gilt für die Überlassungsverträge. Bei Verträgen auf Arbeitsleistung (Dienstvertrag) oder Arbeitserfolg (Werkvertrag) sind die Hauptpflichten zumeist ebenfalls sachlich festgelegt, werden aber jedenfalls durch gegenseitige Fürsorgepflichten als Nebenpflichten ergänzt. So liegen die Pflichten beim abhängigen Arbeitsvertrag sachlich klar und werden im erforderlichen Umfang durch arbeitgeberseitige Weisungen (vgl. § 315) im Hinblick auf den Vertragszweck konkretisiert. Gleiches gilt im Regelfall für die Herstellung eines Werks und hierbei umso mehr, als es sich um gegenständlich verkörperte Werkleistungen handelt.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › E. Treuhandverhältnisse auf Arbeitsleistung und Herstellung › I. Überblick