Management-Coaching X.0

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Aus der Reihe: EHP-Organisation
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Management-Coaching X.0
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EHP – ORGANISATION

Hrsg. von Gerhard Fatzer

in Zusammenarbeit mit Wolfgang Looss und Sonja A. Sackmann

Der Autor:

Christof Schneck, Dipl.-Kfm., Dr. phil., Studium der Allgemeinen Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Marketing, Organisation und Organisationspsychologie. Ausbildung in Gestalttherapie, Gestalt-Organisationsberatung, Psychodrama, Körpertherapie, Gruppendynamik, systemischer Strukturaufstellung, Organisationsentwicklung sowie psychodynamischer Organisationsberatung und Coaching. Promotionsstudium an der LMU München: klinische Psychologie, Psychoanalyse, Organisationspsychologie. Berufliche Stationen als Personalreferent, Assistent der Geschäftsführung und 13 Jahre als Geschäftsführer einer GmbH mit über 200 Mitarbeitern und hohem volkswirtschaftlichem Nutzen. Mehr als zehn Jahre Erfahrung als Coach, Berater und Begleiter von Veränderungsprozessen. www.coaching-schneck.de

© 2013 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach www.ehp-koeln.com

Inhalt

Vorwort zur Reihe EHP-Organisation

Prolog

Einleitung

Management-Coaching X.0

Zum Aufbau dieses Buches

TEIL I. NARZISSMUS – EIN ÜBERBLICK

1. Anthropologische und historische Wurzeln des Narzissmus

Der Mythos des Narziss

2. Zur Phänomenologie – Was macht einen Narzissten aus?

3. Zur Unterscheidung zwischen einem gesunden und einem pathologischen Narzissmus sowie einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Gesunder Narzissmus

Pathologischer Narzissmus und Narzisstische Persönlichkeitsstörung

4. Entwicklungstheorien des Narzissmus

Primärer und Sekundärer Narzissmus nach Freud

Die Ich-Psychologie

Die Objektbeziehungstheorien

Die Selbstpsychologie

Intersubjektive, relationale und interpersonelle Beiträge zur Entwicklungstheorie des Narzissmus

5. Zur Behandlung einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit

Psychodynamik und therapeutischer Umgang bei Kohut und Kernberg

Interpersonelle, relationale und intersubjektive Ansätze in der Behandlung einer narzisstischen Persönlichkeit

Die Bindungstheorie und die neuesten Erkenntnisse der Neurobiologie

6. Narzissmus als gesellschaftliches Phänomen

Erich Fromm und die Vertreter der Kritischen Theorie

Gesellschaftliche Aspekte in den Arbeiten von Kohut und Kernberg

Lasch und das Zeitalter des Narzissmus

Narzissmus, Politik und Macht – die Arbeiten von Volkan und Wirth

Zusammenfassung des ersten Teils

TEIL II. NARZISSTISCHE PHÄNOMENE UND MANAGEMENT – EINE ANALYSE AUF VIER VERSCHIEDENEN EBENEN

1. Zum Begriff ›Management‹

2. Narzissmus und narzisstische Verhaltensweisen im Management – ein Kontinuum?

Das andere Ende des Kontinuums – Psychopathen im Management

Exkurs: Narzissmus und Macht im Management – auch ein Kontinuum?

Zusammenfassung

3. Interpersonelle und interaktionelle Aspekte narzisstischer Phänomene in Organisationen

Narzissmus und Führung

Narzissmus und regressive Prozesse in Arbeitsgruppen

Die ›narzisstisch infizierte‹ Führungskraft und die durch die Berufsrolle beeinflusste Familienkonstellation

4. Narzisstische Verhaltensweisen von Organisationen

Zum Zusammenhang zwischen oberster Unternehmensleitung, Kultur, Strategie und Struktur einer Unternehmung

Das narzisstisch infizierte Unternehmen

Narzissmus der Organisation oder organisatorischer Narzissmus

›Corporate Narcissism‹

Die ›psychopathische Organisation‹

5. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns und die narzisstische Kollusion auf gesellschaftlicher Ebene

Zusammenfassung des zweiten Teils

Der Beitrag eines Management-Coaching X.0 für eine erfolgreiche Unternehmens®evolution

Zum Begriff ›Unternehmens®evolution‹

TEIL III. MANAGEMENT-COACHING X.0–INITIAL ERFOLGREICHER UNTERNEHMENS®EVOLUTION

1. Der Begriff ›Coaching‹

2. Theoretische Hintergründe für ein Management-Coaching X.0

Psychoanalyse und Psychodynamik als Hintergrund

Die betriebswirtschaftliche Managementlehre als Hintergrund

Die Verbindung von Prozess- und Fachberatung als Hintergrund

Die Humanistische Psychologie als Hintergrund

Eine systemisch-konstruktivistische Perspektive als Hintergrund

Weitere theoretische Hintergründe und Coaching-Prinzipien

3. Formen, Arten und Anlässe für ein Management-Coaching X.0

Formen eines Management-Coachings X.0

Arten eines Management-Coachings X.0

Anlässe für ein Management-Coaching X.0

4. Der Umgang mit narzisstischen Phänomenen im Coaching in der Literatur

5. Der Prozess eines Management-Coachings X.0

Kontrakt

Situationsanalyse

 

Begleitung

Einbettung eines Management-Coachings X.0 in einen kontinuierlichen Prozess der Unternehmens®evolution

Abschluss

6. Die Qualität im Prozess eines Management-Coachings X.0

7. Die notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen eines Coachs für ein Management-Coaching X.0

Zusammenfassung und Resümee

Zusammenfassung

Resümee

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Zur Reihe EHP-Organisation

Die Reihe stellt wichtige Basistexte zum Bereich der Organisationsentwicklung und des Change Managements sowie neue, grundlegende Texte und Übersetzungen für den deutschsprachigen Leser vor, und leistet damit seit 1988 Pionierarbeit. Dabei werden unterschiedliche Interventionsformen ausführlich dargestellt, um zur Entwicklung einer Beratungswissenschaft jenseits der reinen Technikorientierung beizutragen. Die Reihe widmet sich besonders dem interkulturellen Austausch zwischen Europa, Amerika und anderen Kulturräumen.

EHP-Organisation stellt sowohl Diskussionsgrundlagen und Denkfiguren im Bereich der OE für das 3. Jahrtausend als auch historische Grundlagen der OE in ihrer Aktualität bereit. Anliegen war es stets, eine Reihe mit sorgfältig ausgewählten Titeln zu entwickeln, inspiriert durch amerikanischen Kollegen und die langjährigen Wegbegleiter Chris Argyris, Edgar H. Schein, Fred Massarik (†), Ed Nevis (†) (mit Nevis’ Organisationsberatung startete die Reihe), Warren Bennis und die Kollegen um Peter Senge am M. I. T. und Claus Otto Scharmer, aus deren Kreis sich auch die Consulting Editors von EHP-Organisation rekrutieren.

Der verantwortliche Herausgeber der Reihe stellte mit Supervision und Beratung die Grundlagen von Supervision und Organisationsberatung umfassend dar – mit seinen zahlreichen Auflagen ist es bis heute eines der erfolgreichsten Handbücher des Feldes. Ergänzend dazu erschien Gute Beratung von Organisationen – Supervision und Beratung 2.

Die Trias-Kompasse bilden Trends und Diskussionslinien ab und ermöglichen eine Orientierung im Feld der Organisationen und unterschiedlicher Beratungsformen (Bd. 1: Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen, Bd. 2: Schulentwicklung als Organisationsentwicklung, Bd. 3: Zur Bedeutung von Kurt Lewin, Bd. 4: Nachhaltige Transformation in Organisationen).

Organisationsentwicklung für die Zukunft, widmet sich ausführlich den Grundlagen der lernenden Organisation von Peter Senge u. a. und machte sie – wie ebenfalls die Arbeiten von Chris Argyris zur »eingeübten Inkompetenz« und zu »defensiven Routinen« – zum ersten Mal im deutschen Sprachraum bekannt. Außerdem liegt eine Neuauflage eines Standardwerks zur Lernenden Organisation und zur Schulentwicklung vor (Gerhard Fatzer: Ganzheitliches Lernen).

Neben internationalen Autoren publizieren wichtige deutschsprachige Autorinnen und Autoren in der Reihe wie zum Beispiel eine Autorengruppe um die VW-Coaching-Abteilung (Der Beginn von Coachingprozessen): Billmeier, Kaul, Kramer, Krapoth, Lauterbach und Rappe-Giesecke. Wolfgang Looss hinterfragte als erster kritisch den Coaching-Begriff, als der große Hype um den Begriff im deutschsprachigen Raum noch gar nicht gestartet war: Zusammen mit Kornelia Rappe-Giesecke und Gerhard Fatzer untersuchte Looss in dem Band Qualität und Leistung von Beratung die drei Beratungsmethoden Supervision, Organisationsentwicklung und Coaching. Looss’ Klassiker Unter vier Augen: Coaching für Manager ist bis heute eines der wichtigsten Bücher zum Thema geblieben.

Die Reihe orientiert sich nicht an Trends, und dort, wo die Professional Community der Berater, Coaches und Supervisoren ihre eigenen Grundlagen und Methoden nicht ausreichend berücksichtigt, ist es Ziel von EHP-Organisation, Einbahnstraßen der Wahrnehmung und kulturelle Ignoranz zu unterlaufen. Es kommen die Autorinnen und Autoren zu Wort, die diesen interkulturellen Dialog praktizieren und konzeptionell untermauern. So wird mit dem Band von Fatzer / Jansen (Die Gruppe als Methode) die oft ignorierte Kenntnis gruppendynamischer Grundlagen für die Entwicklung von Gruppen, Teams und Organisationen wieder zugänglich gemacht. Ein weiteres Beispiel ist die Monographie von Albert Koopman (Transcultural Management), die als erste ein erfolgreiches interkulturelles OE-Projekt dokumentierte und daraus ein breit anwendbares Modell der interkulturellen Beratung entwickelte. Das Buch von Barbara Heimannsberg und Christoph Schmidt-Lellek (Interkulturelle Beratung und Mediation) wendet die Grundlagen der Mediation auf den interkulturellen Bereich und auf die Organisationsentwicklung an. Zuletzt erschien dazu ein Buch, das dem Lebenswerk von Burkard Sievers gewidmet ist: Ahlers-Niemann / Beumer / Redding Mersky / Sievers: Organisationslandschaften mit einer weitgefächerten internationalen und multiprofessionellen Perspektive auf die destruktiven Prozesse in Organisationen. Arndt Ahlers-Niemann hat zusammen mit Edeltrud Freitag-Becker einen Band zu Netzwerken in die Reihe eingebracht, der ein breites Spektrum an Themen erschließt (Netzwerke – Begegnungen auf Zeit. Zwischen Uns und Ich).

Eine der wichtigen Interventionsformen, die EHP-Organisation (wie übrigens auch andere Veröffentlichungen im selben Verlag) besonders berücksichtigt, ist ›Dialog‹ als Methode: William Isaacs (Dialog als Kunst gemeinsam zu denken) und der Band von Christoph Mandl, Markus Hauser und Hanna Mandl (Die schöpferische Besprechung) haben hier im deutschsprachigen Raum Qualitätsstandards gesetzt. Die Autoren sind gleichzeitig Beiträger der Zeitschrift Profile. Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog / International Journal for Change, Learning, Dialogue, die mit ihrem Anliegen, das Verständnis von Menschen, Teams und Organisationen zu fördern, die Reihe EHP-Organisation ergänzt.

Die Arbeit von Ed Schein stand von Anfang an im Zentrum des publizistischen Auftrags von EHP-Organisation. Zahlreiche seiner Aufsätze erschienen früh in den Sammelbänden der Reihe, und hier liegen seine Grundlagentexte in Übersetzungen vor. Sein Klassiker Prozessberatung für die Organisation der Zukunft ist einer der erfolgreichsten Bände der Reihe. Der Referenzcharakter von Scheins Büchern wird auch im provozierenden Buch Organisationskultur (›The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide‹) unter Beweis gestellt. Seine Fähigkeit, auf lesbare Art komplexe Organisationszusammenhänge zu vermitteln, macht die Lerngeschichte von Digital Equipment Corporation auch zu einem Lektüregenuss (Aufstieg und Fall von Digital Equipment Corporation. DEC ist tot, lang lebe DEC) – die wahrscheinlich einzige Dokumentation des Beratungsprozesses eines Unternehmens über dessen gesamte Lebenszeit. Scheins Führung und Veränderungsmanagement fasst zum ersten Mal seine Gedanken zu Führung in Unternehmen zusammen und wird durch eine Video-DVD mit einer Rede von Schein ergänzt. Als jüngster Titel unserer Reihe mit Titeln von Schein erschien Prozess und Philosophie des Helfens, das ausführlich eine der Grundkompetenzen von Managern und Beratern vorstellt. Die neuesten Bände unserer Reihe waren der an Schein anknüpfende Band Prozesspsychologie von Heidig, Kleinert, Dralle und Vogt, der einen Ansatz vorstellt, mit dem Unternehmen in entscheidenden Phasen von Veränderung begleitet werden, und Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln von Barbara Heimannsberg, Heribert Namokel und Heike Fischer mit der Darstellung unterschiedlich erfolgreicher Entwicklungsprozesse.

Der vorliegende Band zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er mit dem Thema der narzisstischen Phänomene im Management eine Dimension aufgreift, die an der entscheidenden Schnittstelle von Person, Gruppe und Organisation liegt und damit grundlegend für die Themen Führung, Karriere, Unternehmensentwicklung ist.

Herausgeber, Autoren und Verlag, sind neugierig auf die Rückmeldungen unserer Leser auf diesen Band wie auf die gesamte Reihe, die wir als Möglichkeit zum Dialog innerhalb der globalen Professional Community verstehen.

Gerhard Fatzer

Prolog

Seit Mitte der 90er-Jahre beschäftige ich mich mit Narzissmus und speziell mit narzisstischen Phänomenen im Bereich Management. In den letzten Jahren bot sich mir die Möglichkeit, mich noch einmal intensiv auf wissenschaftlicher Ebene mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und eine spezielle Form des Management-Coachings dafür zu entwickeln. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik half mir auch, eine lebensbedrohliche Krise zu überwinden.

Danah Zohar und Ian Marshall (2004) schreiben in ihrem Buch »Spirituelle Intelligenz«, dass es einer Anzahl von zwei bis fünf Prozent Paradigma verändernder, dienender Führungskräfte bedarf, um eine Unternehmenskultur zu transformieren. Sie nennen diese Paradigma verändernden Führungskräfte »Ritter«.

Die Verbindung von Kopf und Herz, die in der Regel erst durch eine große Krise oder ein lebensveränderndes Ereignis gewonnen wird, ist für die beiden Autoren eine der hervorstechendsten Eigenschaften eines ›Ritters‹. Eine lebensbedrohende Situation lässt einen nachdenken über den Sinn des Lebens, seine Ziele und die wirklich wichtigen Werte. Sowohl im Leben als auch in ihrer Arbeit folgen Ritter nach Ansicht von Zohar und Marshall fünf Prinzipien:

• Es gibt ein tieferes, von allen geteiltes Bewusstsein, das sich in diesem Universum entfaltet und jedem Aspekt menschlichen Lebens eine grundlegende Ausrichtung gibt.

• Alle Unternehmungen des Lebens sind miteinander verbunden.

• Jede menschliche Anstrengung, wirtschaftliches Handeln eingeschlossen, ist Teil des größeren und umfassenderen Gefüges des ganzen Universums.

• Die Beziehung des natürlichen und heilen Menschen zur Welt findet Ausdruck in Engagement und Verantwortlichkeit.

• Dienendes Handeln vermittelt ein tiefes Gefühl von Demut und Dankbarkeit (ebd. S. 229 f.).

Ich hoffe, dass ich mit diesem Buch einem transformationalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft ein wenig dienen und damit meinen Beitrag zu dem sich ständig weiter entfaltenden Bewusstsein leisten kann.

Christof Schneck, München im Sommer 2012

Einleitung

»Je mächtiger der Widerstand, umso tiefer die Wahrheit, deren Abwehr er dient!«

(Altmeyer 2003, S. 237)

Management-Coaching X.0?

Schon innerhalb der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts ist die Welt mit mehreren Krisen konfrontiert worden. Zu diesen Krisen zählen die vielfältigen durch das Klima1 ausgelösten Katastrophen, wie beispielsweise die Überschwemmungen in Australien. Auch die Umweltkatastrophen müssen dazu gerechnet werden, wie beispielsweise die Ölpest im Golf von Mexiko im Jahr 2010. Und ganz sicher gehört dazu auch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2006 ihren Anfang nahm. Ausgelöst wurde diese durch das Platzen der Immobilienblase in den Vereinigten Staaten. Ebenso muss die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum genannt werden, die Ende 2009 in Griechenland ihren Anfang nahm und die bis heute nicht gelöst ist. Die vielfältigen Krisen sprechen ihre eigene Sprache. Es wird sogar von einer »Weltwende 2012« (Laszlo 2009) oder einem notwendigen »Evolutionssprung« (Broers 2010) gesprochen. Zumindest die Weltwirtschaft scheint in ihrer herkömmlichen Form so nicht weiter existieren zu können.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hatte sicherlich viele offensichtliche Ursachen, wie z. B. eine langjährige falsche Geld- und Fiskalpolitik, fehlende gesetzliche Grenzen und Regeln für die Finanzmärkte durch die Politik und dadurch hochriskante und globalisierte Finanzprodukte, an kurzfristigem Erfolg orientierte Banken mit entsprechenden Vergütungssystemen, gierige Manager2 und vieles mehr.3

Klaus Töpfer, der ehemalige Bundesumweltminister, bezeichnet diese Krise als eine mutwillig verursachte Krise und als Offenbarungseid der Kurzfristigkeit.4 Beachtenswert ist dabei, dass bisher für unglaublich gehaltene Summen aufgewandt werden mussten, um das System zumindest befristet wieder zu stabilisieren und notdürftig aufrecht zu erhalten. Das Gleiche kann man auch von der Eurokrise sagen, wobei eher die getroffenen Rettungsmaßnahmen wie ein Offenbarungseid der Kurzfristigkeit anmuten. Der Preis dafür ist eine noch nie dagewesene Staatsverschuldung und eine damit einhergehende Belastung für die zukünftigen Generationen, die eigentlich nicht mehr zu verantworten ist.

 

Angesichts verschiedener gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Signale sowie ökologischer Rückkopplungen postulierte Bateson schon 1972 (S. 635): »Entweder ist der Mensch zu gescheit – dann sind wir verloren, oder er war nicht gescheit genug, seine Gier auf Verfahren zu begrenzen, die nicht fortlaufend das Gesamtsystem zerstören.« Bateson bevorzugte die zweite Hypothese.

Viele Bürger trauen daher auch die Lösung dieser vielfältigen Probleme dem politischen System nicht mehr zu, sondern hoffen, dass Organisationen und Unternehmen mit ihren Mitgliedern eigenständig Wege aus diesen globalen (Wirtschafts-) Krisen finden werden. Viele bekannte Autoren und Management-Vordenker sprechen von einem notwendigen5 transformationalen Wandel, den Organisationen und ihr Management durchlaufen müssen.

Fredmund Malik, ein in der Industrie sehr bekannter – aber durchaus auch umstrittener – Managementberater, spricht davon, dass Wirtschaft und Gesellschaft durch eine der größten Transformationen gehen müssen, die es geschichtlich je gegeben hat. Für ihn ist es nicht einfach Wandel, sondern Wandel von einer neuen logischen Dimension – es ist ein Meta- und Megawandel. Im Zentrum dieses Wandels müssen seiner Ansicht nach die Spitzenführungen stehen, denn nur diese können die nötigen Entscheidungen richtig und rechtzeitig treffen. Ferner erfordert dieser Wandel für ihn eine Umorientierung bis in die Wurzeln.6

Bei der Suche nach dem Ursprung oder den Wurzeln ist es unbedingt erforderlich, auch bisher Unbekanntes und Unbewusstes zu berücksichtigen. Sigmund Freud hat schon in seinen ganz frühen Ausführungen auf die überstarke Bedeutung des Unbewussten für das menschliche Handeln hingewiesen (vgl. Freud 1923). Die Frage ist somit, welche im Management stattfindenden unbewussten Prozesse und Verhaltensweisen ins Bewusstsein kommen müssen, um diesen Meta- und Megawandel zu ermöglichen.

Unbestreitbar und zunehmend auch immer öfter hör- und lesbar ist die Tatsache, dass narzisstische Verhaltensweisen im Management – aber sicherlich auch in der Politik – weit verbreitet sind. Es erschienen nicht nur Artikel in Zeitschriften (Leyendecker, Ott, Richter 2011 und 2011a), sondern auch neue Veröffentlichungen von wissenschaftlicher Seite (z. B. Dammann 2007; Lohmer, Giernalczyk 2006; Eidenschink 2003). Selbst das manager magazin stellte in einem Titelbeitrag die Frage: »Müssen die Manager auf die Couch?« Thematisiert wurde in diesem Beitrag die Verbindung zwischen Narzissmus und Management (vgl. Buchhorn et al. 2009). In diesen Veröffentlichungen wurde deutlich, dass es durchaus positive narzisstische Verhaltensweisen im Management gibt, die dem Unternehmen und seiner Steuerung förderlich sind. Es gibt aber auch viele destruktive narzisstische Verhaltensweisen von obersten Führungskräften, die Unternehmen, ihren Mitarbeitern, ihren Kunden, der Umwelt, der Gesellschaft und letztlich manchmal auch sich selbst großen Schaden zufügen.7

Bei all diesen krisenhaften Entwicklungen – sicherlich nicht nur im Management – ist es nicht verwunderlich, dass vermehrt Forderungen danach laut werden, dass Verantwortung tragende Manager ihre Verhaltensweisen und Entscheidungen reflektieren müssten. Fredy Hausammann, ein Schweizer Management-Coach, fordert beispielsweise, dass Manager, genauso wie Unternehmen sich regelmäßig einer externen Revision oder Piloten sich einer gesundheitlichen und fachlichen Tauglichkeitsprüfung stellen, ihr Handeln regelmäßig reflektieren müssen. Personal Governance Coaching (als regelmäßiges Sparring mit einem professionellen Executive Coach) sollte seiner Meinung nach als Teil einer guten Corporate Governance selbstverständlich sein und zum Standard werden.8

Wolfgang Looss, ein Pionier und einer der bekanntesten Coaches im deutschsprachigen Raum, antwortete mir im Rahmen eines Interviews auf die Frage, wie häufig narzisstische Phänomene als Frage- und Problemstellungen in seinen Coachings auftauchen: »Es gibt wohl kaum ein Coaching im oberen Management, wo das Thema nicht hintergründig eine Rolle spielt, das ist bei der Zielgruppe gewissermaßen tautologisch. Von daher sollte jeder Coach da theoretisch einigermaßen informiert sein.« (Schneck 2012, S. 468)

Looss betont in diesem Interview jedoch auch, dass Narzissmus als Syndrom für ihn ein Blickwinkel der Berater sei, nicht der Klienten. Ferner gibt er zu bedenken, dass der Begriff ›Narzissmus‹ im Management hoch stigmatisiert sei, da er aus dem klinischen Bereich komme. Er sei im Management nicht anschlussfähig. Seiner Ansicht nach sei eine Rehabilitation des Begriffs Narzissmus notwendig (ebd. S. 466).

▶ Dieses Buch möchte einen Beitrag zu der Frage leisten, welche narzisstischen Phänomene in einem Management-Coaching Berücksichtigung finden sollten und wie dies gestaltet werden kann.

Klaus Eidenschink, ein weiterer bekannter Management-Coach, der sich explizit in einigen Artikeln mit dem Thema Narzissmus im Management auseinandergesetzt hat (Eidenschink 2003, 2004, 2005, 2005a.), antwortete mir in einem ebenfalls persönlich geführten Interview auf die Frage, für wie wichtig er die Berücksichtigung narzisstischer Phänomene im Rahmen von Coaching erachte: »Die Berücksichtigung narzisstischer Phänomene im Rahmen von Coaching erachte ich als sehr wichtig. Wer dies nicht berücksichtigt, hat sein Geld nicht verdient. Allerdings werden narzisstische Phänomene explizit so gut wie gar nicht berücksichtigt. Diejenigen, die es könnten, sind im Feld nicht unterwegs.« (Schneck 2012, S. 468)

Besonders bei der Antwort von Klaus Eidenschink wird deutlich, welch zentrale Bedeutung eine Berücksichtigung narzisstischer Phänomene im Coaching zu haben scheint. Die Antwort von Klaus Eidenschink weist aber noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: Eidenschink ist der Ansicht, dass es nur wenige Professionelle gibt, die in der Lage sind, narzisstische Phänomene im Coaching zu berücksichtigen.

Die Antworten der beiden Management-Coaches weisen daraufhin, dass Narzissmus und narzisstische Phänomene eher auf der individuellen Ebene anzutreffen sind.

▶ In diesem Buch wird jedoch deutlich werden, dass narzisstische Phänomene auf der individuellen, der interaktionellen, der organisationalen9 und der gesellschaftlichen Ebene auftreten und sich diese Phänomene auf den verschiedenen Ebenen gegenseitig bedingen und beeinflussen.

▶ Es wird zudem verständlich werden, welchen enormen Einfluss narzisstische Phänomene auf die gegenwärtige Realität besitzen, insbesondere auf die ökonomische. Der geforderte Meta- und Megawandel bzw. die notwendige Transformation können nur erfolgen und gelingen, wenn Bewusstheit über diese Phänomene besteht.

Diesem Buch liegen somit drei zentrale Thesen zugrunde:

1. Die Bewusstmachung der verschiedenen narzisstischen Phänomene im Management von Unternehmen und Organisationen ist ein grundlegender Faktor, um einen Meta- und Megawandel einzuleiten. Die Bewusstmachung ist gleichzeitig unumgänglich, um die ständige Gefährdung des Gesamtsystems zu beenden.

2. Coaching ist das geeignetste Format, wenn sicherlich auch nicht das einzige Instrument der Persönlichkeitsentwicklung für das Management, um diesen Prozess der Bewusstmachung zu gewährleisten.

3. Management-Coaching unter Berücksichtigung narzisstischer Phänomene ist ein wirkungsvolles Initial für eine erfolgreiche Unternehmens®evolution.

Der Begriff ›Unternehmens®evolution‹ soll zum Ausdruck bringen, dass eine Unternehmensevolution einen kontinuierlichen und geplanten Prozess darstellt, der zwar in Sprüngen erfolgt, aber Brüche und die dadurch entstehenden Reibungsverluste zu vermeiden sucht. Sollte dieser kontinuierliche Entwicklungsprozess nicht gelingen, kommt es zu Krisen, die meist mit radikalen Veränderungen oder revolutionären Prozessen verbunden sind. Dies bedeutet, dass jeder Evolution die latente Gefahr der Revolution innewohnt. Dies soll durch die begriffliche Symbolik der ›Unternehmens®evolution‹10 verdeutlicht werden.

Für C. Otto Scharmer, der das gegenwärtig viel beachtete Buch »Theorie U – Von der Zukunft her führen« verfasst hat, sind wir nicht in der Lage, generativ auf die aktuellen Herausforderungen zu antworten, solange wir uns nicht mit dem eigentlichen Grundproblem konfrontieren: uns selbst. Dies ist für ihn die Essenz des blinden Flecks, wobei blinde Flecken für ihn bei Individuen, Gruppen, Institutionen, Gesellschaften und Systemen auftreten. Auch die »Theorie U«, die gegenwärtig als moderne Führungsmethode betrachtet wird, die den Erfordernissen von Nachhaltigkeit und globaler Verantwortung im Management gerecht zu werden versucht, beginnt somit bei der individuellen Wahrnehmung (vgl. Scharmer 2007, S. 44 ff.)

Dieses Buch richtet sich an Manager, an Coaches, an Personal-, Organisations- und Unternehmensentwickler sowie an alle, die an dem Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Persönlichkeit und der Evolution der Unternehmung interessiert sind.

Dieses Buch beabsichtigt, verantwortungsbewussten und einflussreichen Managern das Konstrukt des Narzissmus zu verdeutlichen und darzulegen, auf welchen verschiedenen, für das Management relevanten Ebenen narzisstische Phänomene auftreten, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und wie sie gegenwärtiges wirtschaftliches Handeln maßgeblich bestimmen. Darüber hinaus wird dieses Buch aufzeigen, welch großen Einfluss diese narzisstischen Phänomene auch auf die private Sphäre Verantwortung tragender Manager haben.

Aus all diesen Ausführungen wird erkennbar, dass ein Meta- und Megawandel nur über einen bewussteren Umgang mit diesen narzisstischen Phänomenen zu realisieren ist. Es wird ersichtlich, dass für den Lernprozess zu einem bewussteren und flexibleren Umgang mit diesen Phänomenen im Management ein Gegenüber erforderlich ist. Im Kontext von Management ist für den Prozess der Wahrnehmung und Veränderung narzisstischer Phänomene der Coach das geeignetste Gegenüber bzw. Coaching das Format der Wahl. Dieses Buch richtet sich somit gleichermaßen an Coaches, die etwas darüber erfahren möchten, warum es unbedingt erforderlich ist, narzisstische Phänomene im Coaching zu berücksichtigen, wie dies nach heutigem Kenntnisstand am besten erfolgen kann, in welche weiterführenden organisationalen Prozesse es eingebettet sein sollte und welche Voraussetzungen ein Coach dafür mitbringen sollte.

Dieses Buch beinhaltet auch wertvolle Hinweise für Verantwortliche im Bereich Personal-, Organisations- und Unternehmensentwicklung. Das beschriebene Management-Coaching unter besonderer Berücksichtigung narzisstischer Phänomene stellt das geeignetste Format dar, um aus der Wahrnehmung narzisstischer Phänomene im Coaching entscheidende Impulse für eine erfolgreiche Unternehmens®evolution zu generieren.

Die Bezeichnung ›Management-Coaching X.0‹, die schon im Titel auftaucht, steht dabei als Abkürzung für ›Management-Coaching unter besonderer Berücksichtigung narzisstischer Phänomene‹.