Das Alte Spital und die Spitalapotheke in Solothurn

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Das Alte Spital und die Spitalapotheke in Solothurn
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C. Hermann · U. Hirter-Trüb · C. Zürcher · P. Keller

Das Alte Spital und die Spitalapotheke in Solothurn

Das Spital

Vom Armenspital zum Krankenhaus

Das Spital in der Vorstadt

Hospitalgeschichte der Stadt Solothurn

Baugeschichte des heutigen Alten Spitals

Rundgang durch das Alte Spital

Würdigung

Die Spitalkirche zum Heiligen Geist

Baugeschichte

Beschreibung

Würdigung

Die Geschichte der Solothurner Spitalschwestern

Die Spitalschwestern kommen nach Solothurn

Das Vermächtnis der Spitalschwestern

Der Spitalbetrieb 1788–1930

Die Anfänge 1788

Der Spitalalltag am Beispiel des Jahres 1837

Die Jahrhundertwende bis 1930

Die Spitalapotheke

Ein Juwel der Pharmaziegeschichte

Beschreibung des Mobiliars

Apotheker-Standgefässe

Weitere Objekte

Würdigung der Apotheke

Vergleichbare Apothekenmobiliare

Das Alte Spital im 20. Jahrhundert

Umbauen oder abreissen?

Der Westflügel steht im Weg: Die Innere Westtangente

Jugendkultur braucht Platz vom JZ zum BZ

Neue Trägerschaften

Anhang

Vorwort

Bis 1930 war das Alte Spital im Oberen Winkel in Solothurn tatsächlich ein Spital: Mit einem Operationssaal, mit Krankenzimmern und den Soeurs grises, die sich liebevoll um die Pflege der Patienten kümmerten. Durch den ersten Neubau des modernen Bürgerspitals auf dem Schöngrün verlor unser Haus seine Zweckbestimmung als medizinisches Hospiz. Zeitweise gar vom Abriss bedroht, wurde das Alte Spital in den 1980er Jahren zu einem Begegnungszentrum, das sich seit Anfang der 2000er Jahre zu einem weit über die Region hinaus bekannten Kultur- und Kongresszentrum entwickelt hat. Die Rückführung der alten Spitalapotheke an ihren ursprünglichen Standort dokumentiert unseren Anspruch, ein einzigartiges «Haus mit Geschichte(n)» zu sein.

Eva Gauch

Betriebsleiterin Altes Spital Solothurn – Kultur & Kongresse


Blick über die Aare auf die Nordfassaden der Spitalbauten in Solothurn. Von links: Arbeitshaus, Bürgergemeindehaus (Wengi-Spital, Waisenhaus), Wengibrücke, Hotel an der Aare (Bettelstube, Schwesternhaus) und das Alte Spital neben der Eisenbahnbrücke.

Das Spital
Vom Armenspital zum Krankenhaus

In seiner architektonischen Gestalt zeigt sich das Alte Spital mit dem Hotel an der Aare in Solothurn heute als Spitalgebäude des 18. Jahrhunderts. Darin wurden folgende für Christen wichtige «Werke der Barmherzigkeit» ausgeübt: den Armen Speis und Trank sowie Kleider zu geben, die Fremden zu beherbergen und die Kranken zu pflegen. Diese Leistungen erbrachten die städtischen Spitäler bis Ende des 18. Jahrhunderts an Arme, die unfähig zum Selbsterwerb ihres Unterhalts waren. Es fehlte ihnen nicht nur an familiärer Unterstützung, sondern ihnen war selbst das Betteln verwehrt. Die wissenschaftliche Medizin hatte in der Eidgenossenschaft erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts einen Einfluss auf den Spitalbau.

Die Spitalbewohner wurden vor 1788 von Mägden, dem Brudermeister und seiner Frau betreut. Diese waren den Spitaldirektoren unterstellt, die durch den städtischen Rat beaufsichtigt wurden. Das Spital finanzierte sich selbständig über diversen Grundbesitz, Spenden, Stiftungen und Hinterlassenschaften. Nur in Ausnahmefällen steuerte der Stadtsäckel etwas bei.

Mit dem Einzug der religiösen Spitalschwestern, Soeurs grises, die ab 1788 im Solothurner Spital die Krankenpflege ausübten, wandelte sich das Spital für Bedürftige zu einem Krankenhaus, spezialisiert auf die Heilung und Pflege aller – nicht nur armer – Kranken, Verunfallten und Wöchnerinnen.

Die Spitalbedürftigen vor 1788

Zu den Spitalbedürftigen gehörten einerseits die Einheimischen als dauernde Bewohner, andererseits die Auswärtigen und Verunfallten als «Kurzaufenthalter». Die einheimischen Betagten, Waisen, Geisteskranken und Schwerbehinderten wurden gegen eine vertraglich festgelegte Summe – Mittel- oder Herrenpfrund – vom Spital unterhalten und überdies bei Krankheit gepflegt. Als Akt der Nächstenliebe war die unentgeltliche Aufnahme – die Armenpfrund – ebenfalls üblich.

Am zahlreichsten waren in den Spitälern bis Ende des 18. Jahrhunderts die Durchreisenden: wandernde Handwerker, Wöchnerinnen, Dienstboten, Pilgersleute und vor allem Bettler sowie Kleindelinquenten. Im Spital empfingen sie ihr Mus, Brot oder einen Zehrpfennig. Zuweilen fanden sie auch Unterkunft für eine Nacht. Die meisten Durchreisenden waren arm und wurden deswegen unentgeltlich, aber nur befristet einige Tage aufgenommen.

Reich ausgestattetes Krankenzimmer mit Einzelbetten und Kachelofen. Vorne ein Arzt bei der Harnschau und zwei Chirurgen beim Operieren. Hinten Magd und Christus bei der Krankenbetreuung. Holzschnitt von Jost Ammann, aus dem Opus Chirurgicum von Paracelsus, 1566.


Ehemalige Fürsorgebauten in der Vorstadt, 1546


Ehemalige Fürsorgebauten in der Vorstadt, 2005

Altes Spital / ehem. Spital (Oberer Winkel 2), Hotel an der Aare / ehem. Bettelstube bzw. Schwesternhaus (Berntorstrasse 2) und Spitalkirche zum Heiligen Geist (Berntorstrasse 4),

Bürgergemeindehaus / ehem. Wengi-Spital bzw. Waisenhaus (Berntorstrasse 1), Arbeitshaus (Unterer Winkel 7), Prison (Prisongasse 1),

Spitalscheune (Oberer Winkel 5).

Das Spital in der Vorstadt

Das Alte Spital steht in der Solothurner Vorstadt, dem kleineren Altstadt-Bereich auf der Südseite der Aare. Es lag bereits im Mittelalter verkehrstechnisch ideal an einer Hauptverkehrsachse und an einem Fluss, direkt bei der Aarebrücke (Vorgängerin der heutigen Wengibrücke), die hier spätestens ab 1252 die wichtige Verbindung mit der «meron stat» (grösserer Stadtteil, heute linksufrige Altstadt) und der Stiftskirche St. Ursen bildete.

Die Solothurner Vorstadt wurde von diversen sozialen Institutionen geprägt, wobei das Alte Spital den Kern einer eigentlichen Spitalvorstadt bildete. Schon 1350 befand sich das städtische Spital in der Vorstadt oberhalb der «Wasserbrugga» (Aarebrücke), wie heute am Oberen Winkel. Südlich der Gasse befanden sich dessen Wirtschaftsbauten, wie die Spitalscheune oder ein Stall. Langsam entwickelte sich östlich der dortigen Nord-Süd-Verkehrsachse zunächst mit dem Wengi-Spital und dann im 18. Jahrhundert eine Zeile mit Fürsorgehäusern, in die verschiedene Funktionen des Spitals ausgelagert wurden: 1467 Wengi-Spital, 1733 Waisenhaus, 1756 Prison und 1757 Arbeitshaus.

 

Die gute Verkehrslage des Spitals war wichtig, weil an einer stark frequentierten Ausfallstrasse umso mehr Passanten daran erinnert wurden, Armen Gutes zu tun und damit das Spital finanziell zu unterstützen. Zudem waren die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung wichtig. Östlich des Spitals – vor dem Wengi- Spital – stand der Spitalbrunnen. Von dort her wurde das Wasser wohl bereits Ende des 18. Jahrhunderts ins Spital geführt. Im Waschhaus sowie auch in den Küchen waren Brunnen, d. h. fliessendes Wasser, vorhanden. 1794 wurde der Figurenbrunnen vom Waisenhaus an die Südseite des Spitals verlegt und schliesslich 1888 – vermutlich zusammen mit der neuen Wasserversorgung des Spitals – durch den einfachen Wandbrunnen an der Spitalkirche ersetzt. Die nahe Aare diente bis ins 20. Jahrhundert der schnellen Fäkalienwegleitung.


Das Alte Spital in der Vorstadt von Südwesten.

Im 17. Jahrhundert entstanden zwar beidseits der Aare grosse Verteidigungswerke, doch dadurch wurde das Spitalareal städtebaulich kaum berührt; die Krummturmschanze wurde dann 1891/92 zum Erholungsraum für die Rekonvaleszenten umgestaltet. Hingegen beeinträchtigte die seit 1855/56 sehr nah am Spital vorbeiführende Eisenbahnlinie die Westseite des Spitals. Lag zur Zeit der Errichtung im 14. Jahrhundert bis Anfang des 19. Jahrhunderts der Spitalkomplex noch an der sehr regen Nord-Süd-Hauptverkehrsachse, ist die Vorstadt heute ein verkehrsberuhigtes, eher beschauliches Quartier – interessanterweise aber nach wie vor Standort von Fürsorge-Institutionen.

Hospitalgeschichte der Stadt Solothurn

Waren die Spitäler bis im Hochmittelalter zumeist noch an die Nachbarschaft eines Klosters oder Stifts gebunden, so entwickelten sich in der Eidgenossenschaft mit dem Erstarken der Bürgerschaft zahlreiche unabhängige, städtische Spitalbauten. Im 14. Jahrhundert wurden in Solothurn zwei Spitäler urkundlich erstmals erwähnt: einerseits das geistlich geführte Stiftsspital auf der linken Aareseite in der Nähe der St.-Ursen-Kirche 1328, andererseits das Spital der Bürgerschaft in der Vorstadt südlich der Aare 1350. In diesem Jahr wurden die beiden Fürsorgehäuser zusammengelegt.

1375 beschädigten die Gugler – französisch-britische Söldnerscharen – das städtische Spital in der Vorstadt durch Brandschatzung schwer. Die nun verarmte Institution wurde in ein unbekanntes Provisorium auf die linke Aareseite verlegt. Über vierzig Jahre später baten die Stadträte Papst Martin V. um Erlaubnis, ein Spital mit zugehöriger Kapelle errichten zu dürfen. Der Papst kam diesem Anliegen entgegen, weil die recht grosse Stadt Solothurn an einer wichtigen Verkehrsachse liege und trotz zahlreichen armen, fremden Bedürftigen und Pilgern keine angemessene Unterkunft bestehe. Bei der Inkraftsetzung der päpstlichen Urkunde am 21. Juni 1420 wurde dem St.-Ursen-Stift eingeräumt, dass es in der ganzen Stadt die lukrativen Pfarreirechte ausüben konnte, nicht nur im Gebiet des Bistums Lausanne links der Aare, wo das Stift lag, sondern auch in der Vorstadt auf der anderen Aareseite, die zum Bistum Konstanz gehörte. Das Stift durfte die Spitalkaplanei zwar nicht mit eigenen Leuten besetzen, doch dem Spital war damit das Recht genommen, aus seiner Kirche eine Pfarrkirche zu machen.

Zur frühen Gestalt des ab 1420 neu erbauten Spitals mit Kapelle ist nichts bekannt. Bereits ab 1467 wurde das Spital mit einem Neubau für die Unterbringung von Pfrundleuten entlastet. Dieses neue Gebäude wurde später Wengi-Spital genannt, nach dem Namen von dessen Stifter Niklaus von Wengi. Trotz dieser Unterstützung blieben die finanziellen Verhältnisse so eng, dass ab 1524 das jährliche Defizit des Spitals vom Stadtsäckel übernommen wurde. Von nun an diente das Spital am Oberen Winkel bis Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend als kurzzeitige Herberge für arme oder kranke Durchreisende und Fremde.

Das Spital links und das Wengi-Spital rechts der Wengibrücke. Ausschnitte aus dem Holzschnitt aus der Chronik von Johannes Stumpf, 1546, nach der Vorzeichnung von Hans Asper (links), bzw. aus dem Holzschnitt von Gregor Sickinger und Hans Küng, 1615/16 (rechts). Statt eines schlichten Brunnentrogs steht ein Figurenbrunnen vor dem Wengi-Spital.

Das Spital wurde laufend baulich unterhalten und es erhielt auch vermehrt abgesonderte Räume für einzelne Benutzergruppen: Anfang des 17. Jahrhunderts wurde eine Arrestkammer zur Einschliessung von unruhigen Geisteskranken gebaut. Eine Wöchnerinnenstube war zudem bereits vor 1626 vorhanden.

Aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind einzelne Bilddokumente des Spitals überliefert: Markant ist bei allen das zweigeschossige kapellenartige, mit Spitzhelm ausgezeichnete Gebäude. Gegen Osten findet sich eine Reihe von hoch ansetzenden Rundbogenfenstern, im Westen und gegen Norden dagegen kleinere, auf zwei Geschosse verteilte Fensteröffnungen. Das Spitalgebäude könnte im Erdgeschoss einen Saal oder bei einer L-förmigen Anlage zwei Säle für die Bettlägerigen besessen haben, mit einer separaten Kapelle und einem Altar, auf den die Kranken Blick- oder zumindest Hörkontakt hatten, so dass sie die Messe von ihren Betten aus mitverfolgen konnten. An den Spital-Hauptbau schlossen sich in der Häuserzeile gegen Westen zwei- und dreigeschossige Wohnhäuser an. Diese kleinteilige Bebauung mit vier aneinandergereihten Steinhäusern von je 5–7 m Breite wurde durch archäologische Ausgrabungen von 1989 bestätigt. Die Flucht dieser Häuser lag ca. 2 m nördlicher, d. h. gleich wie die heutige Spitalkirchenflucht.


Das Spital während des Hochwassers vom 4. Dezember 1651, das einen Teil der Wengibrücke wegriss. Scheinbar L-förmiges Spitalgebäude mit Kapelle in der Südostecke. Ausschnitt aus der Votivtafel in der Spitalkirche, um 1653.


Grundrisse von mittelalterlichen Steinhäusern (D, F–H), die für den neuen Spitalbau 1726 abgebrochen wurden. Die Mauer E bildete 1727–1786 den Westabschluss des Spitalgebäudes am Oberen Winkel.

Ausgelagerte Fürsorgeinstitutionen

Das Wengi-Spital (Unterer Winkel 1) wurde 1466/67 östlich der Berntorstrasse errichtet. Der Schultheiss Niklaus von Wengi (um 1410–1468) hatte diesen Bau für bettlägerige Leute gestiftet, die eine unentgeltliche Pfrund bezogen und in einem gemeinsamen Raum untergebracht waren. Zudem lebten im oberen Stockwerk bis um 1700 Vermögende, die sich in eine Pfrund eingekauft hatten. Ab 1696 wurde ein Bau für die Unterbringung der Waisen geplant, wozu das Wengi-Spital verwendet wurde. Um 1733/34 erneuerte man das Waisenhaus (Unterer Winkel 1) baulich. 1782 wurde darin auch eine Waisenschule eingerichtet. Ab 1916 baute man das Gebäude zum Bürgergemeindehaus um.

Im selben Quartier wurde ab 1753 ein Gefängnis mit Zellen und Folterkammer errichtet, bis heute Prison genannt (Prisongasse 1). 1786, vor dem Einzug der Soeurs grises ins Spital, mussten die Armen aus der dortigen Bettelstube ins Prison umziehen. Die heutige Verwendung für verschiedene kantonale Amtsstellen erfolgte 1977 nach dem Auszug des späteren Untersuchungsgefängnisses. Das Arbeitshaus (Unterer Winkel 7) entstand ab 1757 benachbart zum Waisenhaus. Das mächtige Gebäude sollte die Bettelstube von den «arbeitsscheuen Elementen» entlasten, darin arbeiteten aber auch die Waisenkinder in der Strumpfwirkerei. Sowohl das Arbeitshaus wie auch das Waisenhaus wurden beim Brand 1793 beschädigt, so dass die Wöchnerinnen und Leute mit ansteckenden Krankheiten wieder im Spital untergebracht wurden. Ab 1861 bis 1879 diente das Arbeitshaus als Studentenkosthaus; zum heutigen Mehrfamilienhaus wurde es 1945 umgebaut.

Ab 1767 verlegte man einen Teil der Geisteskranken ins erweiterte Gutleutehaus in der Klus, dem ehemaligen alten «Sondersiechenhaus» an der Strasse gegen Balsthal, um noch mehr Platz im Spital zu schaffen.


Die Vorstadt 1833 in der Vogelschau von Johann Baptist Altermatt. Ab 1892 diente die umgestaltete Krummturmschanze links unten dem Spital als Erholungszone.

Ende des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Spital wiederum umgebaut: 1696 richtete man zur Absonderung von Personen zusätzlich Stuben mit Öfen ein. Die bestehende Freitreppe sollte durch eine inwendige, gegenläufige Treppe ersetzt werden. Aber das Spital war so baufällig, dass man 1699/1700 dringend vor der möglichen Einsturzgefahr des Gebäudes hinter der Kirche warnte. Die Erneuerungen wurden darauf jedoch wegen den finanziellen Folgen kriegerischer und konfessioneller innereidgenössischer Händel hinausgeschoben.

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