Umfang 130 seiten
Die Silvesterglocken
Über das Buch
Es gibt nicht viele Menschen ‐ und da es wünschenswert ist, daß ein Erzähler und sein Leser einander
so rasch als möglich vollkommen verstehen, so bitte ich, darauf zu achten, daß ich meine Bemerkung
nicht auf junge oder kleine Leute beschränke, sondern sie auf alle ausdehne, mögen sie nun klein
oder groß, jung oder alt, erst im Aufschießen oder bereits wieder im Verwelken begriffen sein ‐ ich
sage, es gibt nicht viele Menschen, die gern in einer Kirche schliefen. Ich meine damit nicht ein
Einschlafen während der Predigt bei warmem Wetter, was wohl hin und wieder vorkommen mag,
sondern ein regelrechtes Übernachten, und zwar mutterseelenallein. Ich weiß, sehr viele würden
schon am hellichten Tag über ein derartiges Beginnen sich höchlich verwundern. Aber meine
Behauptung bezieht sich auf die Nacht. Und diese soll auch den Beweis liefern. Ich verpflichte mich,
in einer stürmischen Winternacht, die zu diesem Zweck gewählt werde, meiner Behauptung zu einem
glorreichen Sieg zu verhelfen, wenn sich mir ein Gegner aus der Menge allein auf einem alten
Friedhof vor ein altes Kirchtor stellt und mich vorher ermächtigt hat, falls es zu seiner Befriedigung
notwendig wäre, ihn bis zum Morgen einzusperren.
Denn der Nachtwind besitzt eine unheimliche Geschicklichkeit, ein derartiges Gebäude stöhnend zu
umkreisen, mit unsichtbarer Hand an Fenstern und Türen zu rütteln und irgendeine Spalte
aufzuspüren, durch die er sich hineinpfeifen kann. Ist er endlich drinnen, So winselt und heult er, um
wieder hinauszukommen, wie jemand, der nicht gefunden hat, was er sucht; und dabei begnügt er
sich nicht damit, durch die Schiffe zu schleichen, um die Pfeiler zu huschen, die tiefe Orgel zu
probieren, sondern schwingt sich auf zur Decke und bemüht sich, das Sparrenwerk zu zerreißen,
stürzt sich verzweifelt hinunter auf die Steinfliesen und dringt murrend in die Grüfte.