Stranded with You

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Stranded with You
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Contents

Titel

Copyright

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Lapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Epilog

Stranded With You

Cathy McAllister

Historical Romance

Stranded With You

Cathy McAllister

Deutsche Erstausgabe 2016


Love & Passion Publishing

www.lpbookspublishing.com

request.lp.publishing@gmail.com

copyright © 2016-2019 by Cathy McAllister

cathymcallisterbooks@gmail.com

© Cover Art by Victoria Cooper

Alle Rechte vorbehalten.

Alle Personen und Gegebenheiten in diesem Buch sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit noch lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Laura Oakfield ist auf dem Weg von England zu ihrem Onkel auf Jamaika, um seinen Nachbarn, Luke Hamilton, zu heiraten. Bei einem Zwischenstopp in Antigua nimmt der Captain der Madeline einen gefangenen Piraten an Bord, der auf Jamaika verurteilt werden soll. Auf der Weiterfahrt kommt ein Sturm auf, und das Schiff sinkt. Nur mit Hilfe des Piraten kann sich Laura auf eine kleine unbewohnte Insel retten. Wäre sie doch besser ertrunken, als mit einem ungeflegelten kriminellen Unhold allein auf einer Insel zu stranden. Ihr Ruf ist ruiniert und dieser zwielichtige Kerl scheint es offenbar darauf abgesehen zu haben, ihr das Leben zur Hölle zu machen.

Richard Barnes wollte das Piratenleben eigentlich an den Nagel hängen, um auf Antigua eine kleine Farm zu bewirtschaften, doch der letzte Coup ging kräftig schief, und nun ist er ein Gefangener, verdammt, am Hals aufgeknüpft zu werden. Als das Schiff, mit dem er nach Jamaika transportiert werden soll, in einem Sturm untergeht, kann er sich auf eine unbewohnte Insel retten. Zu dumm nur, dass er nun die verwöhnte und anstrengende Lady auf dem Hals hat, die ihm zum Dank dafür dass er ihr Leben gerettet hat, nun mit ihrem ewigen Genörgel in den Ohren liegt. Er sollte ihr einfach den hübschen Hals umdrehen. Wenn da nicht dieses tiefe Verlangen in ihm wär, sie zu besitzen und mit ihr in den Sonnenuntergang zu segeln.

Kapitel 1

September 1821

Laura

Laura Oakfield starrte auf das endlose Blau, welches sich vor ihr erstreckte. Es ging nahezu nahtlos vom endlosen Ozeans über in das Blau des nachmittäglichen Himmels. Laut Captain Wicker würden sie in Kürze den Hafen von Antigua anlaufen, doch noch war nichts von der Insel zu sehen. Wusste der Himmel, was Captain Wicker unter ‚in Kürze’ verstand. Laura hoffte, dass der Zwischenstopp lange genug dauern würde, dass sie sich ein wenig die Beine an Land vertreten konnte. Bis zu ihrem eigentlichen Ziel, der Plantage ihres Onkel auf Jamaika, würden sie noch ein paar Tage weiter segeln müssen. Nach anfänglicher Seekrankheit ging es Laura zwar gesundheitlich besser, doch es gab einfach nichts zu tun auf diesem elenden Schiff. Außer ihr gab es nur noch drei weitere Passagiere. Mister Thistle, ein älterer Lehrer, welcher eine Schule auf Jamaika leiten sollte, und das Ehepaar Jacob und Marie Blackwater, Kaufmannsleute aus London. Sie würden nicht weiter mit ihnen fahren, da sie einen Laden auf Antigua eröffnen wollten.

„Du solltest deinen Schirm aufspannen, meine Liebe“, erklang die tadelnde Stimme von Marie Blackwater neben ihr. „Die Sonne wird deine Haut ruinieren. Ich sehe jetzt schon ein paar Sommersprossen auf deiner Nase. Dein zukünftiger Gatte wird sicher nicht erfreut darüber sein.“

„Mein zukünftiger Gatte ist Farmer, Mistress Blackwater, ich bin sicher, dass er sich nicht allzu sehr über ein paar Sommersprossen echauffieren wird“, erwiderte Laura leicht genervt.

Sie hatte den Mann, den sie zum Gatten nehmen sollte, nie zuvor gesehen. Sie hatte keine Ahnung, wie alt er war oder wie er aussah. Alles was sie wusste war, dass ihm die Plantage neben der ihres Onkels gehörte. Laura war dazu erzogen worden, einmal die Herrin ihres eigenen Haushalts zu sein und ihrem Mann zu dienen, dennoch sah sie dem Kommenden mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie hatte eigentlich auf eine gute Partie in London gehofft. Lord Devon, den sie beim letzten Ball der Saison kennengelernt hatte, wäre ihr als Gatte sehr willkommen gewesen, doch nachdem ihre Eltern bei einem Kutschenunfall ums Leben gekommen waren, hatte ihr Tante, die derzeit in London verweilte, ihre Pläne zunichte gemacht. Tante Jane hatte sie einfach auf das nächstbeste Schiff gesteckt, das in die Karibik fuhr, und nun sah sich Laura dem Schicksal einer Farmersgattin entgegen. Tante Jane würde in einigen Monaten nachkommen, doch sie hatte bereits ihren Gatten über die Ankunft seiner Nichte unterrichtet, und ihn gebeten, die Heirat mit Luke Hamilton zu arrangieren, welcher offenbar auf der Suche nach einer Gattin war. Wenn er so dringend eine Frau suchte, dass er bereit war eine Frau zu akzeptieren, die er nie gesehen hatte, dann musste er ziemlich verzweifelt sein. Wahrscheinlich war er alt, oder hässlich. Oder beides.

„Wer wird nur auf dich acht geben, wenn Jacob und ich in Antigua an Land gehen? Ein junges Ding wie du, ganz allein auf diesem Schiff mit all diesen ... zwielichtigen Gestalten. Deine Tante hätte dir eine Gesellschafterin zur Seite stellen sollen. Es ist nicht recht, eine junge Lady ganz allein reisen zu lassen.“

Laura seufzte innerlich. Sie war ganz froh, die letzten Tage ohne die permanenten Ermahnungen von der älteren Matrone verbringen zu können. Da Laura allein reiste, schien Marie Blackwater es als ihre Pflicht anzusehen, auf ihre Tugend und Sicherheit zu achten. Eigentlich war Laura tadellos erzogen und hatte sich bisher nie aufmüpfig gegeben, doch der Gedanke, einen ihr unbekannten Mann fern ihrer Heimat ehelichen zu müssen, hatte eine gewisse Rebellion in ihr entfacht. Sie hatte sogar daran gedacht, mit den Blackwaters in Antigua von Bord zu gehen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Leider scheiterte diese Idee schon allein an der Tatsache, dass sie gar keine eigenen Mittel zur Verfügung hatte. All ihr Besitz würde bei der Heirat auf ihren Mann übergehen, im Moment befand sich alles unter der eisernen Hand von Tante Jane. Alles was Laura bei sich hatte, waren vier Schiffskoffer mit Kleidung und einer mit anderen Kleinigkeiten wie Schuhen, Hüte, Schleifen, Schmuck und dergleichen. Kurz hatte sie in Erwägung gezogen, den Schmuck zu Geld zu machen, doch sehr viel würde es nicht ausmachen und wenn das Geld zu Ende ginge, stünde sie erneut vor dem Nichts. Es war einfach zum verrückt werden.

„Da!“, rief Jacob Blackwater, der soeben das Deck betreten hatte. „Möwen. Wir müssen jetzt nahe der Küste sein.“

„Vielleicht sollte ich lieber mit dir nach Jamaika reisen, um dich dort sicher in die Hände deines Onkels zu übergeben. Dann könnte ich ein Schiff von Jamaika nach Antigua nehmen“, überlegte Marie Blackwater.

„Das ist nicht nötig, vielen Dank. Das kurze Stück werde ich auch noch überstehen“, wehrte Laura ab.

„Ich weiß nicht. Ich ...“

„Ich verspreche Euch, dass mir nichts widerfahren wird. Ich werde die letzten Tage auf meiner Kabine bleiben und auch meine Mahlzeiten dort einnehmen“, warf Laura ein.

Nicht, dass sie wirklich solches vorhatte, doch sie wollte auf keinen Fall, dass Marie Blackwater sie weiter begleitete.

„Das ist eine vernünftige Idee, mein Kind“, erwiderte Marie Blackwater erleichtert. „Vergiss aber nicht, deine Kabine zu verriegeln.“

„Ganz bestimmt nicht.“

„Gut. Ich gehe dann jetzt besser unter Deck und mache mich für den Landgang bereit. Ich wünsche dir noch eine gute Reise, Miss Oakfield.“

„Danke, und Euch alles Gute mit dem Geschäft.“

Rick

Rick starrte auf das sich dem Hafen nähernde Schiff, welches ihn nach Jamaika bringen sollte. Der Gouverneur hatte nichts dem Zufall überlassen. Vier bewaffnete Männer sollten dafür sorgen, dass er nicht abhanden kam. Seine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt. Im Moment hätte er nicht einmal gewusst wohin er fliehen sollte. Die Black Rose war beschlagnahmt und wurde von Soldaten bewacht, seine Crew, sofern sie nicht fliehen konnten, war eingesperrt worden. Ihre Verhandlung würde irgendwann in den nächsten Tagen stattfinden. Nur Rick, als Captain der Black Rose, würde nach Jamaika überstellt werden. Seine kleine Plantage hingegen sollte sicher sein. Niemand kannte die Verbindung zwischen Ricardo Davino, dem Schwarzen Teufel, und Richard Barnes. Ersteres war der Name, unter dem er Piraterie betrieben hatte, Letzteres sein richtiger Name. Er hatte die Plantage vor drei Jahren mit Geld aus seiner Beute erworben und wollte sich eigentlich zur Ruhe setzen, doch der letzte Coup war gründlich in die Hose gegangen. Er musste einen Verräter an Bord der Black Rose gehabt haben. Wenn er nur wüsste wer diese Ratte war, und er ein wenig mehr Zeit hätte, Rache an dem Mistkerl zu nehmen. Doch er wusste weder wer ihn verraten hatte, noch hatte er Zeit und Möglichkeit zur Rache. In ein paar Tagen würde er hängen.

 

Die Madeline lief in den Hafen ein. Männer beeilten sich, das Schiff zu vertäuen. Eine Gestalt auf dem Deck erregte seine Aufmerksamkeit. Eine junge Frau mit blonden Haaren und einem lilafarbenen Kleid mit schwarzer Spitze stand mit einer älteren Matrone und einem älteren Herrn zusammen. Offenbar die Eltern der jungen Frau. Eigentlich war die junge Frau gar nicht sein Typ, viel zu steif und vornehm, dennoch konnte er seinen Blick nicht von ihr wenden. Okay, sie war schön, zumindest von hier aus gesehen, doch er hatte in seinem Leben unzählige schöne Geliebte gehabt. Exotische Schönheiten waren darunter gewesen. Es gab keinen Grund, der Lady mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen.

Die Gangway wurde herab gelassen, und ein älterer Herr schritt hinter ein paar Matrosen über die Planken hinab. Das ältere Paar trennte sich von der jungen Frau, um ebenfalls das Schiff zu verlassen. Scheinbar blieb die Blonde an Deck. Würde sie etwa weiter nach Jamaika reisen?

Was interessiert dich das? Erstens ist sie nichts für dich. Zweitens wirst du wohl kaum Gelegenheit haben, sie näher kennen zu lernen. Wahrscheinlich bekommst du sie nicht einmal mehr zu Gesicht!

Trotzdem verspürte Rick eine gewisse Aufregung bei dem Gedanken, dass die Schönheit mit ihm reisen würde.

Laura

Die Blackwaters waren von Bord gegangen, und Laura atmete erleichtert auf. Einige Waren, die für Antigua bestimmt waren, wurden von der Mannschaft an Land gebracht. Frischwasser wurde aufgefüllt und ein paar Dinge an Bord geladen. Laura wollte gerade wieder unter Deck gehen, als ihr Blick auf einen Mann in Ketten fiel. Er war groß und breitschultrig. Das schwarze Haar fiel ihm in dicken Locken ins Gesicht. Sein Blick war geradewegs auf sie gerichtet. Ihr Herz tat einen Sprung. Da war etwas an diesem Mann das ihr Angst einjagte. Auch ohne die Ketten und bewaffneten Wachen hätte sie sofort sagen können, dass es sich um einen Kriminellen handelte. Er strahlte Gewalttätigkeit aus und eine Arroganz, die so gar nicht zu seinem niedrigen Stand passen wollte.

Oh mein Gott! Sie werden diese Bestie doch nicht an Bord bringen?

Ihre schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten, denn einer der Wachmänner stieß den Mann mit einer Muskete in die Seite und der setzte sich in Bewegung. Mit langen Schritten kam er auf die Gangway des Schiffes zu. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie schleunigst in ihre Kabine flüchten sollte, doch ihre Beine schienen auf den Schiffsplanken festgewachsen zu sein. Starr vor Schock stand sie da, während der kriminelle Unbekannte die Gangway hinauf kam. Als er an Bord ging, fiel sein Blick erneut auf sie. Er war nur wenige Schritte von ihr entfernt. Dunkle, beinahe schwarze Augen starrten sie durchdringend an. Ihr Herz klopfte wild, und ihr Magen schien sich verknotet zu haben.

„Aus dem Weg, Miss!“, sagte einer der Wachmänner.

Sie erwachte aus ihrer Starre und sprang mit einem entsetzten Keuchen ein paar Schritte beiseite, als der Gefangene an ihr vorbei geführt wurde. Erst als man ihn unter Deck gebracht hatte, beruhigte sich allmählich ihr galoppierendes Herz. Sie wusste nicht, was für ein Verbrechen dieser Kerl begangen hatte, doch sie war sicher, dass es mit einer Menge Toten zu tun hatte. Wenn sie jemals einen Mörder zu Gesicht bekommen hatte, dann war es dieser Mann. Es war gut, dass er gefasst worden war. Gott behüte, dass so ein Tier frei herum lief. Sie hoffte nur, sie würde ihn nie mehr zu Gesicht bekommen müssen.

Rick

Man brachte ihn in den Laderaum, wo es eine vergitterte Zelle für Gefangenentransport gab. In Gedanken war er bei der blonden Lady. Sie war schön von der Entfernung gewesen, doch aus der Nähe war sie einfach atemberaubend. Ihre grünen Augen hatten ihn mit Angst, aber auch mit Interesse angesehen. Ihr Teint war etwas goldiger, als es sich für eine Lady schickte und er hatte sogar ein paar Sommersprossen auf ihrer Nase ausmachen können. Ihre vollen Brüste luden geradezu dazu ein, sein Gesicht darin zu vergraben. Ein Hauch von Lavendel war ihm in die Nase geweht, als er an ihr vorbei geführt worden war. Für eine Frau war sie relativ groß gewachsen und er konnte ihre langen schlanken Beine vor seinem geistigen Auge sehen, auch wenn ihre Röcke dies leider vollständig verborgen hatten. Die Haut dort würde natürlich nicht golden, sondern cremig weiß sein. Zumindest hatte er nun etwas, womit er sich die Zeit vertreiben konnte, solange die Reise dauerte. Er konnte sich ausmalen, wie er die stolze Lady dazu brachte, sich ihm und seinen Gelüsten zu unterwerfen. Er würde sie auf die Knie zwingen und sie würde seinen Schwanz aus seiner Hose befreien und ...

„Mach mir ja keinen Unsinn!“, wurde er brutal aus seinen erotischen Tagträumen gerissen.

Der Wärter stieß ihn in die hinterste Ecke des Käfigs und Rick stieß sich schmerzhaft die Schulter an einem großen Metallbolzen. Mit einem Knurren fuhr er herum, doch der Mann hatte die gitternde Zelle bereits verlassen und schloss das Schloss mit einem großen Schlüssel, der an einem Band um seinen Hals hing. Sollte der Bastard jemals wieder an seine Zelle kommen, würde Rick versuchen, den Schlüssel zu ergattern und sich aus dem Loch hier zu befreien. Er könnte über Bord springen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nah zur Küste fuhren war relativ groß und wenn nicht, so war es immer noch besser zu ertrinken, wie ein Seemann, als wie ein Pirat zu hängen.

Laura

Obwohl Laura den Gefangenen seit der Abreise von Antigua nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, kreisten ihre Gedanken ständig um ihn. Jedes Mal, wenn sie sich die kurze Begegnung ins Gedächtnis rief, schlug ihr Herz wie verrückt. Sie fragte sich, wie es ihm wohl ergehen mochte. Brachte man ihm etwas zu Essen in seine Zelle? Hatte man ihn geschlagen, vielleicht sogar misshandelt? Was hatte er verbrochen? Was für eine Strafe erwartete ihn? Ein Bild tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Der unheimliche Fremde baumelte leblos an einem Strick. Eine grauenhafte Vorstellung, die ihr ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend bescherte.

Sei nicht albern, Laura! Dieser Kerl hat den Tod sicher mehr als verdient! Wer weiß, wie viele unschuldige Frauen und Kinder der Verbrecher auf dem Gewissen hat? Du solltest keinen Gedanken an so einen Unhold verschwenden!

Doch so sehr sie auch versuchte, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, ihre Gedanken kehrten stets zu dem Gefangenen zurück.

Es klopfte an der Tür.

„Miss Oakfield?“

„Ja, einen Moment!“, antwortete Laura und erhob sich von ihrer Koje, um die Tür zu öffnen.

Einer der Schiffsjungen stand in dem schmalen Gang.

„Wir werden von Delfinen begleitet. Captain Wicker dachte, dass Mylady es vielleicht gerne sehen möchten.“

„Oh! Ja, natürlich! Ich komme.“

Laura ergriff ihren Sonnenhut und eilte aus der engen Kabine. Sie folgte dem Jungen die Leiter hinauf an Deck. Einige Matrosen standen an der Reling, um die Delfine zu beobachten. Auch Laura gesellte sich zu ihnen. Die putzigen Tiere sprangen aus dem Wasser, als führten sie Kunststücke auf. Laura lachte vergnügt. Sie hatte nie zuvor etwas so Wundervolles gesehen. Sie musste an ihren Vater denken. Er hätte dieses Schauspiel ebenso sehr genossen wie sie. Plötzlich wurde ihr das Herz schwer. Sie vermisste ihre Eltern, ihren Vater jedoch ganz besonders. Sie waren sich sehr nah gewesen. Nachdem ihr älterer Bruder im Alter von sieben Jahren an einer Lungenentzündung gestorben war hatte ihr Vater seine ganze Aufmerksamkeit seiner Tochter geschenkt. Er hatte sie verwöhnt. Sehr zum Missfallen ihrer Mutter, welche die Meinung vertreten hatte, eine junge Lady sollte vor allem Bescheidenheit und Demut lernen.

Nach und nach verschwanden die Delfine. Der kurze Moment des Glücks war vergangen. Wenn sie doch nur frei und unbeschwert wie die Delfine sein könnte. Stattdessen rückte ihr Schicksal immer näher. Bald würden sie Jamaika erreicht haben, und dann war sie dem Wohlwollen eines ihr völlig fremden Mannes ausgeliefert, der über ihr Leben bestimmen würde. Wäre sie ein Mann, dann würde sie sich in irgendein Abenteuer stürzen. Vielleicht eine Weltreise. Oder sie könnte nach New York gehen und einen der berüchtigten Gentlemen Clubs besuchen. Sie würde im Glücksspiel viel Geld gewinnen und sich eine Farm im wilden Westen kaufen um dort Pferde zu züchten.

Laura Oakfiel! Du bist kein Mann, sondern eine Frau! Hör auf mit diesen dummen Tagträumen, die zu nichts führen. Du wirst dein Schicksal ebenso wenig bestimmen können, wie du dein Geschlecht ändern kannst!

Kapitel 2

Laura

Laura erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Es war dunkel, also musste es noch mitten in der Nacht sein. Was hatte sie aufgeweckt? Etwas schien nicht recht. Ihr Magen fing an zu rebellieren, und sie wurde gewahr, dass das Schiff stark schlingerte. Sie hatten ein paar heftige Winde während der Überfahrt gehabt, doch dies hier war schlimmer. Ein Krächzen ging durch das Schiff, dann legte es sich so stark zur Seite, dass sie aus der Koje fiel. Mit einem Schrei landete sie auf dem Boden. Sie rappelte sich stöhnend auf und wäre beinahe erneut gestürzt, als sich das Schiff hart in die andere Richtung neigte. Sie konnte jetzt Schreie und hektische Schritte über sich vernehmen. Die Mannschaft musste bei dem Sturm alle Hände voll zu tun haben. Sicher war es nicht ratsam, gerade jetzt an Deck zu gehen. Erstens wäre sie den erfahrenen Seeleuten dort nur im Weg. Zweitens war es viel zu gefährlich. Sie könnte über Bord gehen, oder ein herabstürzender Mast könnte sie treffen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als in ihrer Kabine abzuwarten, bis der Sturm abflaute.

Doch was, wenn das Schiff sinkt? Es gibt zwei Rettungsboote, doch wenn ich hier unten allein bin, dann verlassen sie vielleicht ohne mich das sinkende Schiff?

Unschlüssig stand sie in der Kabine, sich mit beiden Händen am Pfosten ihrer Koje festhaltend. Was sollte sie tun?

Es kann nicht schaden, wenn ich mich erst einmal ankleide. Falls wir das Schiff verlassen müssen, bin ich bereit und muss nicht wertvolle Zeit verschwenden – oder gar in meinen Unterröcken fliehen.

Ein wenig beruhigter dadurch, dass sie einen Plan hatte – zumindest einen vorläufigen – machte sie sich daran, ein Kleid aus einem ihrer Reisekoffer zu wühlen. Es war gar nicht so einfach, sich bei dem ständigen auf und ab anzuziehen, noch dazu ohne Hilfe einer Bediensteten, doch sie schaffte es irgendwie. Sie hatte ein Kleid ausgewählt, dass nicht im Rücken geschlossen wurde. Es war aus mitternachtsblauer Baumwolle mit Satineinlagen und silberner Stickerei.

Schuhe! Ich brauche Schuhe!

Hastig öffnete sie den Deckel einer anderen Truhe und kramte darin herum. Nichts mit hohem Absatz. Das würde sie bei dem Wellengang nur aus dem Gleichgewicht bringen. Sie fand ein paar robuste Stiefel mit flachem Absatz, die zwar ein wenig zu plump für das Kleid wirkten, ihr jedoch den Umständen entsprechend praktischer erschienen, als die für das Kleid gedachten halbhohen Stiefeletten. Als Tante Jane ihr die klobigen Stiefel gekauft hatte, war Laura alles andere als begeistert gewesen. Sie waren einfach kein bisschen elegant. Doch Tante Jane hatte gemeint, dass sie auf der Plantage ein paar robuste Stiefel gut gebrauchen könnte. Gute Tante Jane. Nun machte sich die Anschaffung wirklich bezahlt.

 

Erneut warf sich das Schiff stark auf die Seite und Laura befürchtete für eine Schrecksekunde, dass es vollends umkippen würde, doch dann schwang es urplötzlich in die andere Richtung, und Laura verlor erneut den Halt. Mit einem Aufschrei fiel sie zwischen Koje und den Reisekisten, welche zum Glück mit Seilen an der Kabinenwand befestigt waren. Ohne diese Befestigung würden sie jetzt wie Geschosse durch den kleinen Raum rutschen.

„Autsch!“, jammerte Laura.

Sie hatte sich die Seite an einer der Kisten gestoßen und der Schmerz ließ sie keuchend nach Luft schnappen. Sie blickte an ihrer Seite hinab und bemerkte einen langen Riss im Kleid.

„Verflixt! Das auch noch! Jetzt kann ich mich auch noch umziehen!“

Sie rieb sich die schmerzende Seite und begutachtete den Riss. Nun, zumindest ihre Unterröcke waren heil geblieben. Sie würde einfach damit leben müssen. Sich die Strapazen des Ankleidens noch einmal zuzumuten, danach stand ihr jetzt nicht der Sinn.

Rick

Rick spürte den herannahenden Sturm schon ehe das Schiff anfing zu schlingern. Er hatte es irgendwie in den Knochen. So viele Jahre auf See hatten seine Sinne vollkommen auf die Launen des Meeres eingespielt.

Der Schnarchsack von einem Wachposten schien dagegen nichts als Rum in seinen morschen Knochen zu haben. Erst als der Seegang so stark wurde, dass sich das Schiff hart auf die Seite legte, erwachte der Idiot. Fluchend stolperte er auf die Beine, nur um sofort das Gleichgewicht zu verlieren. Der Mann wurde gegen den Gitterkäfig geschleudert. Rick, immer achtsam auf eine günstige Gelegenheit wartend, reagierte sofort und fasste mit beiden Armen durch zwei Gitterstäbe. Er schlang seine gefesselten Hände um den Oberkörper des Unglücklichen. Die Wache zappelte in seinem stählernen Griff, doch Rick ließ nicht locker. Seine Muskeln waren bis zum Bersten angespannt als er den Mann fest im Griff behielt. Als sich das Schiff erneut auf die Seite legte, so dass die Wache gegen den Käfig gedrückt wurde, ließ er kurz los, nur um dann den gesamten Arm um den Hals des Mannes zu schlingen. Er drückte unbarmherzig zu, bis das Zappeln aufhörte, und die Wache schlaff in seinem Griff wurde. Er wartete noch ein paar Sekunden um ganz sicher zu gehen, dann ließ er den Mann vorsichtig zu Boden gleiten, ohne ihn loszulassen. Es fehlte noch, dass der nächste Wellengang ihm den Mann entriss. Während er den toten Körper mit einem Arm am Platz hielt, suchte er mit der freien Hand nach dem Schlüssel des Wärters. Da er seine Hände nicht weit auseinander machen konnte, erwies sich dies als ziemlich schwierig. Er biss die Zähne zusammen, als die Fesseln in sein Fleisch schnitten, doch dann hatte er den Schlüssel endlich gefunden. Er ließ den Mann los. Es dauerte ein wenig, bis er das Schloss geöffnet hatte, da das Schiff immer heftiger auf den Wellen ritt. Doch endlich sprang die Tür auf und Rick stürzte ins Freie. Er würde nicht weit kommen mit den fesselten Händen. Irgendwie musste er sie loswerden. Vielleicht hatte die Wache auch den Schlüssel zu den Schellen. Er kniete sich neben der Leiche und durchwühlte die Taschen des Toten. Er fand tatsächlich noch ein weiteres Schlüsselbund, an dem ein kleiner Schlüssel zwischen einigen größeren baumelte. Es schien Ricks Glückstag zu sein, denn der Schlüssel passte. Von den Schellen befreit sprang er auf, und taumelte in dem schlingernden Schiffsrumpf zur Leiter die nach oben führte.

Laura

Ein furchtbares Krachen erklang von oben und das ganze Schiff vibrierte. Ein Mast musste umgekippt sein. Panik stieg in Laura auf. So weit hatte sie versucht, Ruhe zu bewahren, hoffnungsvoll, dass der Sturm abflauen würde, doch wie es schien, wurde die Wahrscheinlichkeit, dass das Schiff sinken würde, immer größer. Sie musste an Deck und sehen, ob sie mit dem Rettungsboot fliehen konnte. Bisher war niemand hier bei ihr aufgetaucht, um sie zu holen, doch es war nicht unwahrscheinlich, dass man sie in der ganzen Hektik schlicht vergessen hatte. Sie würde nicht mehr länger warten. Allen ihren Mut zusammen nehmend, schwankte sie zur Kabinentür und entriegelte sie.

Das Schiff lag jetzt in einem solch steilen Winkel, dass sie auf der Treppe leicht den Halt verlieren würde. Sie griff mit beiden Händen nach dem Geländer, als das Schiff erneut seine Lage änderte und sie von der Treppe weg schleuderte. Schreiend ging sie zu Boden und schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Schmerz ließ sie Sterne sehen, doch sie schaffte es, nicht das Bewusstsein zu verlieren.

Okay, Laura Oakfield, jetzt hast du die Chance zu beweisen aus was für einem Holz du geschnitten bist. Du wolltest Abenteuer? Hier hast du eins.

Auf allen Vieren kroch sie der Treppe entgegen. Mit zusammengebissenen Zähnen griff sie erneut nach dem Geländer. Von herein spülendem Wasser war das Geländer schlüpfrig geworden, und es entglitt ihren Händen. Sie fiel erneut rücklings. Plötzlich schlang sich ein Arm von hinten um ihre Mitte und sie prallte gegen etwas Hartes, doch diesmal war es nicht die Wand oder der Boden, sondern der Körper eines Mannes.

„Verdammt! Warum bist du nicht in dem verdammten Rettungsboot?“, drang eine dunkle Stimme an ihr Ohr.

„Nie-niemand hat mi-mich ge-geholt“, stammelte sie.

Der Mann hinter ihr erh0b sich und zog sie auf die Beine. Sie konnte gerade noch erkennen, dass es sich um den Gefangenen handelte, als er sie auch schon wie ein Sack Getreide über seine Schulter geworfen hatte.

„Hey! Was soll das?“, schrie sie empört auf. „Lass mich runter!“

Sie schlug auf den Rücken des Mannes ein und strampelte mit den Füßen.

„Verfluchtes Frauenzimmer!“, schimpfte der Unhold. „Wenn du nicht aufhörst zu zappeln, gehen wir beide drauf. – Oder ich lass dich einfach hier und geh ohne dich.“

Laura erstarrte. Der Mann hatte recht. Dies war nicht der richtige Ort und Zeitpunkt, kleinlich zu sein. Wenn dieser Mann sie retten würde, dann musste sie für einen Moment einfach vergessen, dass er ein Krimineller war. Wahrscheinlich würden sie ohnehin beide sterben. Wenn die Mannschaft das Schiff bereits mit dem Rettungsboot verlassen hatte, dann gab es keine Hoffnung mehr für sie. Allein schaffte sie es ja nicht einmal die verdammte Treppe hoch.

Rick

Endlich hatte das Frauenzimmer aufgehört, wie eine Irre zu zappeln und auf seinen ohnehin schon geschundenen Rücken einzuschlagen. Er schlang einen Arm um ihr Hinterteil, damit er sie nicht verlor, mit der anderen griff er nach dem Geländer der Treppe. Mit aller Kraft begann er sich und seine Fracht aufwärts zu ziehen. Jedes Mal wenn das Schiff schlingerte, hielt er inne und balancierte sich mit beiden Beinen auf der schlüpfrigen Treppe aus. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie endlich an Deck angelangt waren. Gerade als er seine Ladung auf die Beine stellen wollte, brach eine riesige Welle über das Schiff herein. Seine Welt drehte sich, und er verlor völlig die Orientierung, als das mächtige Wasser sie mit sich riss. Er meinte, die Frau schreien zu hören. Er hielt sie mit beiden Armen umschlungen, damit das Wasser sie nicht aus seinem Griff riss. Dann waren sie unter Wasser. Die Röcke seiner Last saugten sich voll und wurden schwer. Es wurde schwierig, zur Oberfläche zu gelangen. Er könnte die Frau einfach loslassen, doch aus irgendeinem Grund brachte er es nicht fertig. Er würde sie beide retten, doch er musste ihre verfluchten Röcke loswerden. Er griff in ihr Mieder und zerrte heftig. Es dauerte viel zu lange für seinen Geschmack, bis er endlich den schweren Stoff von ihrem Leib gerissen hatte, und sie nur noch die Unterkleider anhatte, doch er schaffte es und mit kräftigen Stößen seiner Beine, beförderte er sie nach oben. Prustend tauchte er aus dem Wasser auf. Leichen trieben auf der Oberfläche. Teile des Schiffes und eines Rettungsbootes schwammen um sie herum. Offenbar war das Rettungsboot mit dem Schiff kollidiert. Ein Krachen drang durch das Tosen des Sturms. Rick schaute zum Schiff, welches nun gänzlich auf der Seite lag. Es sank. Eine breite Planke trieb neben ihnen und er wuchtete seine Last darauf. Sie gab keinen Laut von sich und er wusste nicht, ob sie noch lebte, doch er konnte im Moment nichts weiter tun. In der Ferne konnte er die Sonne aufgehen sehen. Das gab ihm wenigstens Orientierung, wo sie sich befanden und in welche Richtung er Land finden könnte. Sich an dem Brett festhaltend, paddelte er los, dabei das Brett mit der Frau vor sich her schiebend.

Es war langsam heller geworden und Rick konnte eine kleine Insel ausmachen. Er könnte es in einer halben Stunde bis dorthin schaffen, sofern die Strömung nicht gegen ihn arbeitete. Der Sturm war abgeflaut und das Meer lag nun trügerisch ruhig da. Die Morgensonne glitzerte auf dem Wasser. Seine anfängliche Sorge, die Frau könne ertrunken sein, hatte sich zum Glück zerstreut. Er konnte jetzt sehen, wie ihre Brust sich kaum merkbar hob und senkte. Sie musste die Luft angehalten haben, bis sie ohnmächtig geworden war. Er war erleichtert, doch er hatte auch das Gefühl, dass ihm mit dieser Frau eine Menge Ärger bevor stand. Frauen ihrer Klasse waren einfach nicht sein Ding. Er war auch kein edler Ritter in der Not. Warum er sie nicht einfach hatte ertrinken lassen, wusste der Teufel. Er hätte selbst dabei drauf gehen können. Wo war nur sein gesunder Egoismus geblieben? Wenn sie es erst mal an Land geschafft hatten, dann würde er sich von dannen machen. Er hatte ihr Leben gerettet, das musste als Heldentat genügen. Er konnte es sich nicht leisten, eine Frau, noch dazu eine von Stand, am Hals zu haben. Er hatte eine Menge zu tun. Heraus finden, wer von seiner Crew entkommen war und wo sie sich befanden. Den versteckten Schatz bergen, ein Schiff kaufen – wenn er nicht die Gelegenheit haben sollte, die Black Rose zurück zu stehlen – und irgendwo endlich ein ruhiges Plätzchen zum Leben zu finden. An den typischen Piratenhochburgen hatte er kein Interesse. Zu viel Trubel und viel zu viel Ärger. Vielleicht sollte er nach New York gehen. Dort könnte er sich ein neues Leben aufbauen. Niemand dort kannte Ricardo Davino, den schwarzen Teufel. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr gefiel ihm die Idee mit New York.