Redewendungen: Tintenbad

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Redewendungen: Tintenbad
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Carsten Both

Redewendungen: Tintenbad

Redewendungen – Oft verwendet, Ursprung unbekannt?! – EPISODE 68

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Episode 68

Episode 69

Impressum neobooks

Episode 68

Tintenbad

Wie konnte das bloß passieren? Wie konnte ich nur in die Tinte geraten? Jetzt sitze ich ganz (schön) in der Tinte, und dass ich tief in der (dicken) Tinte stecke, das ist zweifellos meine eigene Schuld – und natürlich die späte Schuld des Urknalls, wenn’s den denn gegeben haben sollte!

Weniger Intelligente, die alles auf höhere Mächte und Ausländer schieben, versuchen für ihr Bad in der schwarzen Schreibflüssigkeit ausschließlich externe Gründe zu (er)finden, denn für wenig trainierte Hirne kommt alles Böse von außen: Selbständig sei man nicht in die Tinte gefallen, so wie das Kind in den Brunnen [siehe Episode 60], sondern, man ist in die Tinte geraten, weil die Fremden nichts lieber täten, als die Eingeborenen in die Tinte zu reiten oder zu tauchen.

Die angesprochene Lösung oder Suspension, die zuallererst wohl im 3. Jahrtausend v.Chr. in Ägypten und China aus Gummiwasser (Gummi arabicum in H2O) und Ruß zusammengemixt wurde, ist nicht nur gemeinhin pechschwarz, sondern besitzt eine ähnliche übertragene Bedeutung wie das teerartige Pech. Als trübes Badegewässer symbolisiert der tiefe Tintensee drohendes Ersaufen, wie die verwandten Wendungen, in denen das Wasser bis zum Hals oder Kragen steht oder geht [siehe Episode 60]. Das undurchsichtige „gefärbte Wasser“ floss früh in den deutschen Sprachschatz ein, um missliche Lagen und Schwierigkeiten aller Art zu illustrieren, in die man irgendwie – selbst- oder fremdverschuldet – geraten ist.

Die üble Lage der Menschheit erkannte der Theologe und Volksprediger Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510) bereits am Neuzeitbeginn und veranschaulichte diese mehrfach per Tinten-Metapher; in einer seiner derben Predigten zum „Narrenschiff“ (1494) von Sebastian Brant soll er etwa den/dem Menschen zugerufen haben: „Du bist voller Sünd, ... du steckst mitten in der Tincten.“ – die übrigens damals, als die Wenigsten schreiben konnten, durften und wollten, sündhaft teuer war, sich also ein Bad in derselben gar nicht anbot und das Baden ohnedies, genauso wie das Schreiben (heute noch), purer Luxus war.

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