No worries, too easy

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Sabine & Burkhard Koch

NO WORRIES, TOO EASY

40.000 Kilometer Offroad-Abenteuer in Australien mit der kleinen lila Pistenkuh


IMPRESSUM

No worries, too easy

40.000 Kilometer Offroad-Abenteuer in Australien mit der kleinen lila Pistenkuh

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

© 2014 360° medien gbr mettmann | Nachtigallenweg 1 | 40822 Mettmann

www.360grad-medien.de

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Redaktion und Lektorat: Andreas Walter

Satz und Layout: Serpil Sevim

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

Bildnachweis:

Alle Bilder von Sabine und Burkhard Koch außer den im Folgenden mit Seitenzahlen angegebenen: S. 8/8 Andreas Walter; S. 14/15 Qantas Airways Ltd, credits: Adrian Pingstone; S. 17 oben: kgbo, cc; S. 18, pd; S. 62/63: flickr_andy, cc; S. 70/71: Adam. J. W.C.S., cc; S. 140: Flickr_ Stephan, cc; S. 141: Pigeon, pd; S. 142: Flickr_Owen65, cc; S. 160: pd; S. 161: Andreas Walter Die Creative-Commons-Lizenzen (cc) sind hier abrufbar: http://creativecommons.org/​licenses/​by/​4.0/​deed.de

ISBN: 978-3-944921-34-1

Hergestellt in Deutschland

www.360grad-medien.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

„Suche zwei Sitze mit 200 PS in Australien“

Mit 1000 km/h über eine verrückte Welt

Blinker, Scheibenwischer und Polizei

Alles meins, alles

Zahlenspiele

Fraser Island

Sein Papi wäre stolz

Stahlbeton für Schickimickis

Der Q1 Tower

600 Kilometer durch tropischen Regenwald

Schlangen und Spinnen

Der beste Kaffee in Manly

Sydney, die schönste Stadt der Welt?

Alles unter Wasser

Offroad-Paradies High Country

Reise-Infos: Alpine National Park

Oxford English

Spinnen machen Jagd auf Sabine

Alles scenic

Tankstopp in Peterborough

Abenteuer Old Ghan

Prozentiges in Alice Springs

Aborigines – So viele Antworten wie Flusswindungen

Verschiedene Sichtweisen der Aborigines

Der Uluru – zeige Respekt

Über 1100 Dünen

Reise-Infos: Durchquerung der Simpson Desert auf der French Line

Ich pass' ja auf

Goldrausch

Old Telegraph Track

Reise-Infos: Old Telegraph Track, Cape York

Direkt in unseren Cruiser

Das Krokodilbild

„Ich will hier weg“

Erotik im Outback

Der Wrecker

Die Frage stellt man nicht

Nichts Spannendes entlang des Hay River

Das Klo brennt

Das Sklavenschiff

Nature Thing

Richtung Westen

Kleiner Grill-Imbiss

Reise-Infos: Great Central Road

„Sorry for this, Mister Kuck“

Roadtrains – Unterwegs mit Charlie

Seilwinde aus Holz

Im Südwesten

Auf dem Highway Number One nach Perth

Vom Bauernsohn zum König

Nicht ganz dicht

Vor Gericht

Das hat heute Nacht der Bilby gebracht

Canning Stock Route – Tanz mit dem Staub

Reise-Infos: Canning Stock Route, Western Australia

Zapp Zarapp – du weißt schon

 

Mountain Brothers

Verbranntes Gummi

Letzte Fotos

Vorwort

Eine Reise um die Welt, ohne Zeitlimit, ohne großen Luxus, das war der Teenagertraum von uns. Die finanzielle Basis dafür wurde geschaffen und seit zehn Jahren ist das Nomadenleben ohne festen Wohnsitz, das ständige unterwegs sein mit Geländewagen, Schlafsack und Kamera, unser Leben.

Unser Antrieb ist die Neugier, der Wissensdrang, was es hinter dem Horizont zu entdecken gibt, welche Schlucht sich hinter der nächsten Flussbiegung öffnet. Nicht nur Landschaften und Naturwunder, nicht nur Abenteuer, Spannung und Spaß interessieren uns, sondern vor allem Menschen, die uns ihre Geschichte erzählen, uns ihre Welt beschreiben.

Nach Jahren in Afrika, Indien und im Orient lag Australien hinter dem Horizont und damit auf unserem Weg. Außer Neugierde zog uns nichts, und mehr als einmal war eine gehörige Portion Glück nötig, um weiterhin neugierig durch die Welt fahren zu können. Zum Beispiel, als ich einen Tierkadaver und eine elektrische Zahnbürste in den Fluss warf, um Krokodile für ein Foto direkt vor die Kamera zu locken. Die beeindruckendsten Erlebnisse waren ohne Zweifel die zufälligen Begegnungen mit Menschen im Outback. Nie werde ich vergessen, wie ein Aborigine, den wir nach einer Fahrzeugpanne in unserem Land Cruiser mitnahmen, eine gegrillte Echse aus der Tasche zog, sie in der Mitte durchbrach und mir eine Hälfte anbot. Oder Ben, der plötzlich bewaffnet neben unserem Lagerfeuer stand und von illegalen Goldsuchern erzählte, was uns gleich auf die Idee brachte, diese in den Wäldern auf Cape York zu suchen. Natürlich hatte man uns gewarnt, dass diese darüber nicht amüsiert seien. Aber das war Steve, der Vizepräsident einer Motorradgang, zu Beginn ja auch nicht und es ist später fast eine Freundschaft entstanden.

Um der Langeweile auf Teerstraßen zu entgehen, bevorzugen wir Pisten und Offroad-Strecken. Die Highlights waren die Durchquerung der Simpson Desert über 1100 Sanddünen, das Badeabenteuer auf dem Old Telegraph Track, bei dem beinahe unser Land Cruiser abgesoffen wäre, und die längste Offroad-Strecke der Welt, die Canning Stock Route, die ohne Konvoi eine größere logistische Planung voraussetzte.

40.000 Kilometer Abenteuer in 18 Monaten liegen hinter uns bzw. in Buchform vor dir.

Neugierig geworden? No worries, auf der nächsten Seite beginnt das Abenteuer, too easy.

Sabine & Burkhard Koch


„Suche zwei Sitze mit 200 PS in Australien“


„Suche zwei Sitze mit 200 PS in Australien“

Diesen kleinen provokanten Aufruf schalten wir im Frühjahr 2011 auf unserer Webseite. Nach der dreijährigen Afrikaumrundung soll Australien unter die Räder genommen werden. Unser eigentliches Reisefahrzeug, ein zum Expeditionsmobil umgebauter Magirus-Deutz Lkw, scheidet aus Kostengründen aus. Die Verschiffung von Deutschland nach Australien und nach ein paar Jahren wieder zurück kostet einen Betrag von deutlich über 10.000 Euro. Dafür können wir auch einen Geländewagen mit Campingausrüstung vor Ort kaufen. Zudem dürfen temporär eingeführte Fahrzeuge maximal nur ein Jahr in Australien bleiben.

Dienstag Nachmittag, das Handy gibt einen lauten „Muh“-Ton von sich. „Holger“ steht auf dem Display.

„Hey, Burkhard ich habe euer Auto gefunden. Hat zwar keine 200 PS, aber ich denke, es ist genau das, was ihr sucht. Guck mal bei ‚AUSTRALIEN-INFO.DE‘ am schwarzen Brett. Da verkauft einer seinen Buschcamper.“ Die Internetseite ist bei mir wegen der guten Infos zu Australien unter „Favoriten“ gespeichert und daher bin ich schnell auf der Seite der Autoverkäufe.

Marke: Toyota Land Cruiser HZJ-78

Baujahr: 2002

Hubraum: 4,2 l

PS: 130

Kilometer-Stand: 250.000

Farbe: weiß

Preis: 15.000 Euro

Abzugeben ab 15. Dez. in Brisbane

Telefon: 0176 - 64215435

Das Fahrzeug war früher in der Vermietung bei Britz und wurde danach von verschiedenen Reisenden genutzt.

Folgende Ausrüstung ist im Fahrzeug vorhanden:

Profi Bushranger Airjack, ARB Snatch Strap, Kassettenradio mit Adapter für iPod oder MP3 Player, Reifen-Montierhebel, Starthilfekabel, Flickzeug, kompletter Satz Keilriemen, Ratschenkasten, Satz Ringschlüssel, Zangen, Schraubendreher, div. Kleinmaterial für Reparaturen, Kitt-Presse, usw.

Campingzubehör:

Küchenzeile im Auto, Klapptisch an der Hecktür, Tisch, Stühle, Kocher 2-flammig, Gasflasche, Wassersack, Solardusche, Tarp mit Stangen und Befestigung am Fahrzeug, Zelt, Campinglampen, 40-Liter-Engel-Kühlbox, langes Stromkabel, Angel, Krabbennetz, Reiseliteratur.

„Hört sich doch gut an, danke für die Info, da ruf ich gerade mal an.“ „Viel Glück, Tschüss.“

Die Nummer ist schnell eingetippt.

„Frank, hallo“

„Hi, ich rufe wegen des Cruisers in Australien an, ist der noch zu haben?“

„Ich habe den gestern erst auf verschiedene Boards gestellt, bisher haben sich drei Interessenten gemeldet, aber noch keiner hat fest zugesagt. Ich kann dir mal ein paar Bilder und Unterlagen schicken. Das Auto habe ich auch gerade erst von jemandem gekauft, der damit ein Jahr unterwegs war. Ich habe es selbst noch gar nicht gesehen. Meine Frau und ich fliegen Mitte September nach Cairns und übernehmen dort den Toyota. Am 16. Dezember geht’s dann zurück.“ „Und die 250.000 Kilometer hat er jetzt?“ „Nein, er hat jetzt 238.000, ich denke, wir werden etwa 10.000 Kilometer damit fahren.“ „Okay, gekauft. Schick mir mal einen Kaufvertrag und deine Bankverbindung, ich überweise dir dann die Kohle.“

Ruhe am anderen Ende der Leitung. Ich weiß, doofe Metapher, wir telefonieren ja mobil.

Sabine zeigt mir den Vogel und macht den Scheibenwischer. Frank hat meinen Schnellschuss aus der Hüfte weggesteckt: „Das ging ja schnell, dann gib mir mal deine Adresse.“

Kurz noch ein paar Vertragsbedingungen geklärt und ich lege auf. Zu Sabine, die mir am Kaffeetisch gegenüber sitzt: „So, Auto gekauft. Australien ab 16. Dezember.“ „Du hast ’nen Knall. Du hast doch noch gar nicht richtig recherchiert, du kannst doch nicht die erst beste Möhre kaufen.“ „Was soll ich machen? Soll ich nach Australien fliegen und mir jeden Wagen vorher ansehen? Wir kaufen so oder so die Katze im Sack. Der Karren ist zehn Jahre alt, hat 250.000 gelaufen, kostet 15 Riesen, die Relationen stimmen doch. Entspann dich. Ob ich irgendwo eine Schleuder krieg, die für 15.000 nur 230.000 gelaufen hat oder der Wagen nur 13.000 Wert ist, spielt doch keine Rolle; die Katze bleibt im Sack. Sonst müssen wir hinfliegen, ins Hotel gehen und mit dem Leihwagen alle Autohändler abklappern. Da habe ich keinen Bock drauf. Und jetzt wochenlang hinter den Karren her rennen und den Verkäufern mit ewigem hin und her auf die Nüsse gehen will ich auch nicht. Ich mach jetzt noch ’nen Kaffee und du buchst zwei Flüge.“

Das ging zugegebenermaßen schnell. Vor einer Stunde war Australien noch weit weg, jetzt wartet der Buschcamper, wir nennen ihn die Mini-Pistenkuh, und der Reisetermin steht.

Die Flugtickets sind das geringste Problem. Die australische Fluggesellschaft Qantas bietet die günstigste Verbindung. Mit der Boing 747 - 400 im Nachtflug von Frankfurt am Main nach Singapur. Dort wird die Maschine aufgetankt und weiter nach Sydney. Ein Inlandsflug soll uns an der Küste entlang nach Brisbane bringen. Macht knappe 1000 Euro für jeden (hin und zurück).

In den nächsten Tagen gehen Büchersendungen bei uns ein. Freunde und Bekannte schicken ihre Reise- und Naturführer. Andere stellen Kontakte zu Australiern her, nennen uns gute Werkstätten und schicken ihre GPS-Daten von Routen, die sie gefahren sind. Es fehlt jetzt nur noch das Visum. Es soll ein Touristenvisum für ein Jahr geben und genau so eines hätten wir gerne.

„Die spinnen doch“, höre ich Sabine schreien, sie sitzt am Schreibtisch bei unserem Freund Thorsten. Kommt nicht oft vor, dass Sabine laut wird, sie ist mehr die ruhige Arbeitsbiene, die sich ohne zu klagen am Laptop durch Verwaltungsvorschriften ackert, aber Australien kriegt es hin, dass Sabine schreit.

„Was ist los?“

„Die wollen, dass wir nach Frankfurt zum Arzt fahren und uns dort röntgen lassen.“ „Was wollen die?“ „Jeder, der in den letzten fünf Jahren mehr als sechs Monate in bestimmten Ländern Afrikas war, muss sich von einem Radiologen die Lunge röntgen lassen. Das Röntgenbild wird nach Australien geschickt und ein Arzt untersucht es auf Tuberkulose-Merkmale.“

„Die haben doch einen Knall, das können wir doch hier in Siegen auch.“ „Nein, die schreiben den Arzt vor. Wir können nach Berlin, Hamburg und noch ein paar andere Städte, Frankfurt ist für uns am nächsten.“

„Wenn das die Regularien sind, müssen wir wohl da hin. Andere Länder andere Unsitten. Mach mal einen Termin.“ „Und die wollen ein Kontoauszug. Und wissen, ob du schon mal in irgendeinem Land verurteilt oder abgeschoben worden bist.“

Die Zahl unterm Strich auf dem Depotauszug ist ganz ordentlich und so wird das Ding schon mal als PDF an den Antrag angehängt. Die Vorstrafen sind verjährt, verspätete Jugendsünden, zudem wäre es gar nicht zur Vorstrafe gekommen, wenn der Richter meiner Argumentation gefolgt wäre. Ich ging damals davon aus, ich bewege mich haarscharf am Rand der Legalität, der Richter meinte ich sei schon außerhalb und so kam die Verurteilung wegen illegalen Grenzübertritts und die Abschiebung aus Algerien. Das geben wir jetzt mal nicht an, das waren ja noch Papierordner, die jetzt in irgendeinem Verwaltungsschrank in Algier lagern.

Innerhalb von ein paar Tagen haben wir den Termin beim Radiologen. Eine Villa fast im Bankenviertel, wahrscheinlich damit der Transport des Geldes einfacher ist, empfängt uns.

Das nenne ich mal rationalisiert. In der Praxis werden für die Visaanträge der Länder Australien, USA, Kanada – und vielleicht noch für andere – die erforderlichen medizinischen Untersuchungen durchgeführt. Es geht zu wie beim Schafe scheren. Personalbogen ausfüllen, ein paar Sekunden warten, Röntgenbild schießen, Herz und Lunge abhören, Blutdruck messen, ein paar Sekunden warten und ab zur Kasse jeweils 60 Euro abdrücken.

Zusammen mit der Visum-Verwaltungsnummer wird das Bild digital den Behörden übermittelt.

Vier Tage später ist das Touristen-Jahresvisum erteilt. Die Reise kann beginnen.


Der Einreisestempel im Reisepass

Mit 1000 km/​h über eine verrückte Welt


Mit 1000 km/​h über eine verrückte Welt

Ein Mittwochabend im Dezember in Köln. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof schlägt uns der kalte Wind Regen ins Gesicht. Die Straßen sind weihnachtlich beleuchtet, die Schaufenster passend dekoriert und die bunte Leuchtreklame spiegelt sich im nassen Asphalt. Von einem Balkon seilt sich der Nikolaus ab. Bei dem nasskalten Sauwetter hat er die Wohnung sicher nicht freiwillig verlassen, wahrscheinlich ist er auf der Flucht vor dem eifersüchtigen Ehemann, vielleicht hat er auch nur seinen Schlitten im Parkverbot stehen und mehr Angst vor Politessen als vor eifersüchtigen Ehemännern, mit denen könnte man ja reden.

Der Intercity bringt uns von Köln zum Fernbahnhof Frankfurt. Zwei Stunden rauschen die Lichter der Dörfer und Städte im Rheintal an uns vorbei. Unser Gepäck ist leicht, von den 23 Kilo Freigepäck pro Person nutzen wir nur 10 Kilo und davon ist ein guter Teil noch Kameraausrüstung wie Stativ, Akkus, Festplatten etc.

 

22 : 20 Uhr, die Boeing 747 - 400 von Qantas hebt ab und steigt über das Lichtermeer des Ballungsraums Frankfurt. Gigantisch. Nachtflug Richtung Osten mit knapp 1000 km/​h. Über Prag, nördlich am schwarzen Meer entlang, Baku, hinweg über das kaspische Meer.

Der Flug wird unruhiger, das Hindukusch-Gebirge verursacht ein paar Luftlöcher. Die Sonne geht auf. Die Wolken wechseln die Farbe von tiefrot über orange zu weiß. Wahnsinn. Der Steward reicht mir eine Cola. Unter uns tief eingeschnittene Schluchten, das Rückzugsgebiet der Taliban. Dann wieder Geröllflächen, man erkennt abenteuerliche Pisten, Schafställe, einfache Lehmbauten. Eine verrückte Welt: Auf einen Fingerschnipp hin wird hier oben Wein, Cola und Whisky gereicht. Sechs Kilometer entfernt, senkrecht unter uns, hat nicht mal jeder sauberes Trinkwasser oder ein wärmendes Feuer. Sechstausend Meter und doch so weit weg.

Drei Sitzreihen weiter vorn flackert auf dem Sitzmonitor irgendein neuer Kinofilm US-amerikanischer Produktion. Autos fliegen in Feuerwolken durch die Luft und der Held ballert mit starrem Blick aus zwei Maschinengewehren gleichzeitig. Unter uns, wir fliegen nördlich an Kabul vorbei, könnten die meisten auf Sprengungen und brennende Autos verzichten. Die Maschine fliegt mit Kurs auf Islamabad. Erinnerungen werden wach, da unten, am Ufer des gewaltigen Indus, sind wir vor ein paar Jahren lang gefahren. Die karge Landschaft ändert sich, Terrassenfelder, kleine Parzellen mühevoll mit Hand und Hacke bewirtschaftet, ergeben einen bunten Flickenteppich. Traditionelles Leben wie in biblischen Zeiten, gesellschaftliche Veränderungen im Tempo eines Ochsenwagens, sechs Kilometer weiter oben zeigt die GPS-Anzeige 1000 km/​h an. Die Sonne beleuchtet das Himalaya Gebirge, unter uns der heilige Ganges mit dem spirituellen Ort Varanasi. Eine gute halbe Stunde später verlassen wir bei Kalkutta Indien und das Festland.

Am Domestic Terminal des Flughafens von Brisbane

Nur noch über den Golf von Bengalen mit Blick auf die Küste und die Traumstrände Thailands, eine kleine Mahlzeit über Kuala Lumpur und dann setzt die Boeing zur Zwischenlandung in Singapur an. Zwei Stunden warten, bis der Flieger voll getankt wieder abhebt. Einsame Inseln im türkisblauen Meer – palmenbewachsen – auf manchen erkenne ich zwei, drei Hütten am Strand. Boah, was ist das da unten schön. Die Inseln gehören zu Indonesien. Die Sonne geht unter, Nachtflug über den Indischen Ozean und Australien. Als endlich die Sonne wieder aufgeht, landen wir auch schon in Sydney. Knappe vier Stunden müssen wir auf unseren Anschlussflug nach Brisbane warten. Wir haben jetzt Freitagmorgen, sind seit 33 Stunden wach und dennoch nicht müde. Eineinhalb Stunden fliegen wir entlang der australischen Goldküste von Sydney nach Brisbane.


Der Campingplatz in Brisbane

Das Taxi vom Flughafen zum Campingplatz, auf dem wir relativ günstig einen Wohnwagen gemietet haben, kostet nur unwesentlich mehr als die Busfahrt, also gönnen wir uns den Luxus der entspannten Taxifahrt. Unser vorläufiges Zuhause, wir haben drei Tage Zeit, bis wir den Land Cruiser übernehmen können, ist ein voll eingerichteter Caravan, in dem wir uns selbst versorgen können. Der Wohnwagen ist alt, aber sauber, sauberer als wir erwartet haben.

Bevor es endlich ins Bett geht, noch ein kleiner Gang zum Supermarkt „Coles“, nur zwei Straßenkreuzungen weiter. Irgendwie verlassen uns die Rechenkünste, es liegt wohl am Schlafmangel. Eigentlich müssen wir die angeschriebenen Preise nur mit drei multiplizieren und anschließend durch vier dividieren um auf den Euro-Betrag zu kommen. Aber mein errechnetes Ergebnis ist so hoch, dass es einfach nicht stimmen kann. Okay, mache ich es anders. Ich multipliziere mit sieben, dividiere durch zehn und addiere zehn Prozent. Das Ergebnis ist immer noch viel zu hoch. Egal wie ich auch rechne, es wird nicht billiger, aber das liegt, wie ich inzwischen herausgefunden habe, nicht am Schlafmangel, sondern Australien ist einfach teuer. Halbwegs bezahlbar sind Hühner, Gehacktes, Karotten, Kartoffeln, Nudeln und Zwiebeln. Damit können wir doch leben. An der Kassenreihe ein noch nie gesehenes Bild. An zwölf Kassen stehen wartende Kunden, doch nur sechs Kassen sind besetzt, aber an jeder Kasse wird kassiert, wie von Geisterhand.

Im Coles Supermarkt

Die Geisterhand ist Kundenhand, der Kunde kassiert sich selbst. Es geht ganz einfach: Man nimmt ein Teil aus seinem Wagen, zieht es über den Scanner, packt es in eine Plastiktüte und legt es zurück in den Einkaufswagen. Am Ende drückt man den „PAY“ Button, zieht entweder die Kreditkarte durch einen Schlitz oder steckt Scheine in den Automaten. Münzen nimmt er natürlich auch. Funktioniert ähnlich wie das Fahrscheinziehen am Fahrkartenautomat. Genial.

So, jetzt aber in den Caravan und pennen.


Das vorläufige Zuhause