Zeitkapseln - Botschaften in die Welt von morgen

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Zeitkapseln - Botschaften in die Welt von morgen
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Inhaltsverzeichnis

Impressum 4

Vorbemerkungen 5

Das raumzeitliche Dilemma der Generationen (n) und (n+2) 8

Enkelkinder, Enkelzeit 10

1. Brief vom 26. Juli 2019 11

Anlage

Leben – eine privilegierte Architektur der Natur, Mythos, Zauber, Wege und Wirken der irdischen Evolution 11

2. Brief vom 24. August 2019 39

Anlage

Himmel und Erde und die Verbindung dazwischen Überlegungen zu einer kosmologischen Theologie 39

3. Brief vom 12. September 2019 64

Anlage

Kleines Klimaflugblatt 64

4. Brief vom 7. Oktober 2019 95

Anlagen

Nachdenkblatt – Energiewende einmal anders betrachtet – Das raumzeitliche Perpetuum mobile 95

5. Brief vom 12. November 2019 123

Anlagen

Himmelssaga – Der Vagabund – ein himmlisches Märchen für verträumte Sternengucker – Legende von der Zeit 123

6. Brief vom 6. Dezember 2019 145

Anlagen

Die Geschenke des Himmels – eine Geschichte von irdischen und galaktischen Weihnachtsmännern – Galaktische Zaubergaben 145

7. Brief vom 12. Januar 2020 172

Anlage

Kleine Zeitreisen-Fibel – Wissenschaft & Science-Fiction 172

8. Brief vom 2. Februar 2020 195

Anlage

Kleiner Wegweiser durch die schillernde Welt der Parapsychologie 195

9. Brief vom 29. Februar 2020 211

Anlage

Die Zaubermütze – eine schier unglaubliche Geschichte 211

10. Brief vom 21. März 2020 244

Anlage

Ausfahrt nach Historistan, eine verflixte Reise in die Zeit 244

11. Brief vom 10. April 2020 289

Anlage

Wahrheit und Lüge – Versuch einer Annäherung 289

12. Brief vom 19. April 2020 310

Anlage

Demokratie – was sonst? Anmerkungen zu Schwachstellen der parlamentarischen Demokratie 310

13. Brief vom 1. Mai 2020 332

Anlagen

Kinder der Sonne – Auf der Suche nach dem Sinn elementaren Seins, die quantisierten Abenteuer eines unnützen Teilchens – Auf der Suche nach dem Sinn humanoiden Seins – Die Rätsel von Subraumestan 332

14. Brief vom 3. Juni 2020 373

Anlagen

Das Unternehmen Elixier, ein al-chemisch-metaphysisches Traktat – Der (Alb-)Traum vom Jugendelixier 373

15. Brief vom 12. Juli 2020 405

Anlage

Die 1000 Facetten der Liebe – ein Streifzug durch die Welt dieser menschlichen Empfindung 405

16. Brief vom 31. Juli 2020 435

Anlage

Der akustische Trans-Codograph – die kurze Geschichte einer historiografischen Erfindung 435

17. Brief vom 19. August 2020 464

Anlagen

Warum die Zahlen keinen König gaben – die vergessene Legende der Königswahl in einer abstrakten Wunderwelt – Zahlenland-Zauberland 464

Nachbemerkungen 529

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99131-003-7

ISBN e-book: 978-3-99131-004-4

Lektorat: Mag. Elisabeth Pfurtscheller

Umschlagfoto: Natthawut Punyosaeng, Asileva | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorbemerkungen

Mein Enkelsohn heißt Matti. Er wurde am 12. Juli 2016 geboren. Der Junge war ein Frühchen, denn er kam sechs Wochen vor dem bestimmten Zeitpunkt auf die Welt. Durch diesen temporalen Ungehorsam konnte der neue Erdenbürger sein irdisches Dasein um eine Lebensspanne von 42 Tagen verlängern. Freilich dürfte der kleine Kerl von diesem Streich nicht allzu viel gehabt haben. Doch das wird die Zeit nicht interessieren, denn sie scheint es zu hassen, wenn man sie überlistet. Die rätselhafte Dimension steht zwar im Ruf, alle Wunden heilen und schmerzliche Erinnerungen auslöschen zu können. Doch wer weiß, ob sie mit ihren Segnungen für die Menschen barmherzig daherkommen mag und ihnen wirklich Erlösung spenden kann? Jedenfalls scheint die 4. raumzeitliche Dimension immer nur unerbittlich und gnadenlos zu verrinnen und niemals innehalten zu wollen.

Obwohl die Leute ständig von der Zeit umgeben sind und von ihr täglich begleitet werden, haftet ihr seit Menschengedenken etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes und Unergründliches an. Seit ihrer Geburt im Standarduniversum vor knapp 14 Milliarden Jahren scheint die Zeit von Anbeginn ein Mysterium zu hüten. Es ist diese unheimliche temporale Aura, die uns mitunter erschauern lässt. Dazu kommt, dass Lebenszeit durch das Schicksal und von jedermann jederzeit verkürzt werden kann. Eine Verlängerung des Daseins irdischer Geschöpfe scheint dagegen allein in der Macht der Zeit zu stehen. Diese Wundergabe der 4. raumzeitlichen Dimension muss von uns Menschen wohl als eine Art „göttliches“ Privileg verstanden werden!

Als Großvater bin ich besorgt, dass der Enkelsohn durch den temporalen Ungehorsam, den er bei seinem verfrühten Eintritt in unsere Welt gezeigt hat, sich mit der Zeit angelegt haben könnte. Anfänglich habe ich versucht, den kleinen Jungen durch allerhand lustigen „Zauberkram“ wie verwunschene Mützen, Schuhe oder verzauberte Socken oder T-Shirts vor der Hinterlist der Zeit zu beschützen. Bis heute scheint der faule Zauber einigermaßen funktioniert zu haben. Allerdings kann ich nicht ewig für ihn da sein, da meine Lebenszeit verrinnt und das Dasein eines Großvaters in dieser Welt ohnehin begrenzt ist.

Ich habe mich daher entschlossen, dem heranwachsenden Jungen in Zeitkapseln verschlossene Botschaften in seine Zukunft zu schicken. Aus meiner Sicht stellen die Briefe ein Kaleidoskop von Ansichten, Wünschen, Empfehlungen, Erwartungen und Überzeugungen dar, die ein Großvater seinem Enkel gern selbst erzählt, erklärt oder vermittelt hätte. Vielleicht können einige Briefe für ihn sogar eine Hilfestellung sein, um sich auf dem einen oder anderen gesellschaftlichen Areal der komplizierten Wirklichkeit seiner Zeit besser orientieren zu können. Das mag freilich ein ziemlich hoher Anspruch für einen Großvater sein. Aber nach meiner Überzeugung werden die meisten analogen Erkenntnisse und Wahrheiten auch in der digitalen Welt der Zukunft ihren Stellenwert behalten. Es wäre für mich eine wunderbare Erfahrung, wenn ich dazu beitragen könnte, dass mein Enkel zu diesem oder jenem Sachverhalt einen vernünftigen Standpunkt findet. Darüber hinaus möchte ich ihn auch mit ein paar nicht alltäglichen Geschichten unterhalten. Wenn es mir gelingen sollte, dass deren Lektüre ihm in der Welt von morgen ein Lächeln oder Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern vermag, wäre das für mich wie ein nachträgliches Geschenk in meinem dann vermutlich bereits abgelaufenen irdischen Dasein.

 

Die Dinge, die ich ihm gern vermittelt hätte, betreffen das Verständnis von Naturgeschichte, Evolution, Religion, Politik und Kosmologie. Dazu kommt ein Versuch, ihm die Schönheit abstrakten mathematischen Denkens auf poetische Weise nahezubringen. Aber auch für Literatur, klassische Musik, Geschichte und bildende Kunst würde ich ihn gern begeistert haben. Mir ist bewusst, dass die in den Zeitkapseln verborgenen Botschaften unvollständig bleiben müssen. Sie stellen den Versuch dar, das visionäre Haus von morgen, in dem mein Enkel eines Tages leben wird, wenigstens in meinen Träumen zu besuchen. Irgendwann, vermutlich eines gar nicht mehr so fernen Tages, wird der Enkelsohn sowieso ohne den Großvater mit den Herausforderungen des Lebens klarkommen müssen. Dazu gehört auch, dass er die Tücken der 4. raumzeitlichen Dimension meistert und sich mit ihren scheinbar unabänderlichen Abläufen arrangiert und abfindet.

Möge allzeit eine weise Fee über sein Schicksal wachen und seine künftigen Lebenswege mit einem gütigen Zauber begleiten!

Das raumzeitliche Dilemma der Generationen (n) und (n+2)

Das temporale Spannungsfeld zwischen Großeltern und Enkelkindern resultiert aus der Verschiedenheit der vierten raumzeitlichen Koordinate bei deren jeweiligen Eintritt in das Kontinuum der Zeit. In der Regel trennt die beiden Generationen eine zeitliche Barriere von mindestens einem halben Jahrhundert. Dazu kommt, dass sie – wie alle Menschen – in einem identischen Inertialsystem gefangen sind, in dem man ohne Zeitmaschinen dem gleichförmigen Verrinnen der Zeit nicht entkommen kann. In so einer deterministisch bestimmten Welt lassen sich temporale Differenzen nicht nivellieren, verkürzen oder durch Zeitdehnung beeinflussen – auch nicht vorübergehend.

Das Szenario muss man als naturgegeben begreifen, denn ohne das Dasein von Eltern und deren Kindern können in der Ereignisabfolge, die von der Richtung des thermodynamischen Zeitpfeils vorgegeben wird, auch keine Kindeskinder das Licht der Welt erblicken. Daher scheinen Großeltern aus der Sicht von Enkelkindern stets als ziemlich alte Leute in deren Leben zu treten und es viel zu früh, oft in einem gebrechlichen Zustand, verlassen zu müssen. Das temporale Dilemma der Generationen (n) und (n+2) mag man beklagen, doch es sollte nicht als ein Fluch verstanden werden. Es speist sich aus dem Wesen des unaufhaltsamen Verrinnens der Zeit und scheint damit in der raumzeitlichen Welt des Standarduniversums unabänderlich zu sein.

Die in den 17 Briefen an den Enkelsohn geäußerten Gedanken und Gefühle möchten dazu beitragen, dass der Generation von übermorgen die Bewahrung eines liebevollen und lebendigen Andenkens an die Großeltern zu einem seelischen Bedürfnis werden mag. Vielleicht könnte durch die Magie der Erinnerung auch die gedankliche und emotionale Welt der Enkel in einer noch ungewissen Zukunft einen zauberhaften Moment lang erhellt werden – und sei es auch nur für die Dauer einer Septilliarde (1045) Plancksekunden lang. Die vielfach bedrohte Welt von morgen würde dadurch keinen Schaden nehmen. Im Gegenteil: Wer vermag schon zu sagen, ob die Enkelkinder der Enkelkinder heutiger Großeltern (sozusagen die Generation (n + 4)) eines fernen Tages eine freudvolle und lichte Zukunft auf unserem Planeten erleben werden?

Enkelkinder, Enkelzeit

Enkelkinder gehören allein dem Leben

und dessen Sehnsucht nach sich selbst.

Du kannst auf Dauer ihnen keine Heimstatt geben,

auch wenn du dich für ihren Mentor hältst.

Du träumst dich in ihre ferne Zukunft-Welt

und möchtest sie verstehen – um ihretwillen!

Doch da die Zeit den Wunsch gefangen hält,

wird sich dein Traum niemals erfüllen.

Wenn deine Jahre nach und nach vergehen

und Enkel wie kleine Wunder wachsen und erblühen,

dann wirst du das Wort Abschied erst verstehen

begrenzt doch Lebenszeit all dein Bemühen

Enkel bringen Erinnerungen und Träume dir zurück,

sie geben dem Lebensabend die Vollkommenheit.

Sie sind wie Liebe, Schönheit, Jugend oder Glück

Geschenke des Lebens! Ja – aber nur auf Zeit.

Lebenszeit kann man nicht kaufen oder borgen

und auch die gnadenlose Zeit hält niemals an.

Die Enkel wohnen in der Welt von morgen,

die man als Oma und Opa nicht besuchen kann.

Ach, Enkelkinder und du wunderbare Enkelzeit,

nicht jedem Menschen sind sie wohl gegeben,

doch ohne sie bedeutet Alter Einsamkeit

und unerfüllte Sehnsucht nach dem Leben.

1. Brief vom 26. Juli 2019

Anlage

Leben – eine privilegierte Architektur der Natur, Mythos, Zauber, Wege und Wirken der irdischen Evolution

Leipzig, 26. Juli 2019,

zu öffnen am 26. Juli 2038

Mein lieber Enkelsohn,

heute, das heißt, wenn du diesen Brief aus meiner zeitlichen Perspektive in der Zukunft öffnest, werden Oma Steffi und deine ältere Cousine Elisa Geburtstag feiern. Deine Großmutter könnte an diesem Tag, falls sie noch auf der Welt weilen sollte, stolze 86 Jahre alt werden. Die Enkeltochter Elisa dürfte dann mit ihren 34 Jahren längst zu einer attraktiven selbstbewussten jungen Frau erblüht sein. Als ihr Großvater bin ich zuversichtlich, dass sie zu diesem Zeitpunkt ihr Leben in den Griff bekommen haben wird. Doch diese familiären Dinge möchte ich nur am Rande erwähnen. Das Anliegen meines Briefes betrifft ein Thema, das ich mit dir gern persönlich besprochen hätte.

Junge, ich weiß nicht, wie du in 19 Jahren mental ticken könntest und ob du dir dann noch ein paar lebendige Erinnerungen an deinen Opa bewahrt haben wirst. Welche Dinge mögen dich im Alter von 22 Jahren bewegen, wofür wird dein Herz brennen oder schlagen und was magst du für ein Mensch geworden sein? Trotz mancher Unwägbarkeiten wage ich es, diese Zeilen an dich zu schreiben, denn ich möchte dir als ein kleines intellektuelles Vermächtnis eine Betrachtung zum Werden und Vergehen unserer Welt zukommen lassen. Freilich könnte es sein, dass du auf solche Gedanken keinen Wert legst. Möglicherweise favorisierst du sportliche, naturorientierte, musikalisch bestimmte oder sonstige ubiquitäre Lebensinhalte? Vielleicht aber lebst du gedanklich auch vorzugsweise in den oft bildungsferneren Welten sozialer Medien?

Mir ist bewusst, dass ich der Spezies eines analogen Bildungsbürgers zuzuordnen bin. Diese menschliche Unterart ist im digitalen Zeitalter massiv vom Aussterben bedroht. Je nachdem, wie man geistig und intellektuell aufgestellt ist, mag man das nun für überfällig halten, lediglich mit den Schultern zucken oder eventuell auch ein bisschen bedauern. Es kann sein, dass die soziokulturelle Evolution für diese bedrohte archaische Unterart des zivilisierten Menschen ein paar gesellschaftliche Nischen findet. Dort könnten diese Geschöpfe dem als unerbittlich geltenden digitalen Zeitgeist vielleicht noch eine Weile die Stirn bieten. Aussterben an sich muss aber nicht als Schande empfunden werden. So ein Pech kann schließlich jede Spezies ereilen. Meistens wirft man den Vertretern ausgestorbener Arten vor, unflexibel und reformunwillig zu sein sowie wenig innovativ auf Veränderungen zu reagieren. Nun ja, das mag stimmen oder auch nicht richtig sein, denn die Beurteilung eines derart komplexen Sachverhaltes resultiert aus der Perspektive oder dem Blickwinkel im Auge des Betrachters.

Bei dem Gedanken an den vom Aussterben bedrohten analogen Bildungsbürger fallen mir die Dinosaurier ein. Diese faszinierende Tiergruppe ist ja am Ende des Mesozoikums bedauerlicherweise ausgestorben. Ob das nun verschuldet oder unverschuldet passiert ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Doch ungeachtet ihres tragischen evolutionären Schicksals leben die Dinosaurier und die untergegangene biologische Wunderwelt des Erdmittelalters in den Köpfen und Herzen der Menschen fort. Ich finde, dass diese Tatsache für ausgestorbene Individuen schon eine bemerkenswerte Leistung darstellt. Warum also sollte dein Großvater mit seinen antiquierten intellektuellen Überzeugungen und als überholt geltenden analogen Ansichten nicht auch so einen Status in deinen Erinnerungen erlangen können? Ich hoffe, dass eines Tages die Zeit dafür kommen wird und dich zu entsprechenden Einsichten und Erkenntnissen bringen könnte.

Mein Junge, dieser Brief hat einen Hintergedanken oder nennen wir die Angelegenheit, besser gesagt, Botschaft. Er soll dich für Ereignisse auf unserem Planeten sensibilisieren, die vor langer Zeit stattgefunden haben, also längst zur Geschichte geworden sind. Wissen um geschichtliche Vorgänge und ein Nachdenken darüber sind erforderlich, um Vorstellungen zu entwickeln, wie die Entwicklung fortschreiten könnte. Ich hoffe, dass du in 19 Jahren zu einem weitläufig gebildeten jungen Mann herangewachsen sein wirst und dich auf dem besten Weg zu einem qualifizierten Verständnis von der Welt und den Menschen befindest. Das mag freilich eine Wunschvorstellung von mir sein. Doch warum sollten manchmal nicht auch Wünsche von analogen menschlichen „Dinosauriern“ in der Zukunft in Erfüllung gehen?

Der Mythos und der Zauber der irdischen Evolution haben mich seit jeher fasziniert und begeistert. Es ist doch aufregend zu erfahren, woher man gekommen ist und wohin man gehen könnte. Ich glaube, oder besser gesagt, ich hoffe, dass du mein Interesse an dem Thema teilen wirst. In dem Traktat „Leben – eine privilegierte Architektur der Natur“ habe ich mir zur Naturgeschichte unserer Welt und deren Zukunft ein paar Gedanken gemacht. Du wirst sie so komprimiert in keiner Rubrik eine Suchmaschine im Internet finden. Man kann zu diesem oder jenem Aspekt sicherlich ein paar andere Ansichten haben. Ich halte es aber für wichtig, dass ein junger Mann wie du überhaupt über das Woher, Wohin und Warum evolutionärer Prozesse nachdenkt. Leuten, die sich darüber überhaupt keine Gedanken machen, dürfte ein Stück geistiger Standortbestimmung im Leben fehlen!

Zum Schluss des Traktates habe ich meine Gedanken ein bisschen poetisch verklärt. Es kann sein, dass du diese Passagen wegen einer gewissen Melodramatik als unzeitgemäß empfinden wirst. Sieh es mir nach oder halte es meiner fehlenden digitalen Nüchternheit oder unangemessenen analogen Euphorie zugute. Es mag sein, dass in mir etwas von einem Dichter gesteckt hat. Das habe ich aber niemandem verraten und davon hat auch niemals ein Mensch Notiz genommen.

Falls du mit meinen Gedanken nichts anfangen kannst, dann musst du sie eben in den Papierkorb befördern. Das täte mir zwar ein bisschen leid für mich, aber auch für dich. In diesem Fall habe ich als Großvater in der Angelegenheit halt Pech gehabt. Das Leben ist nun mal äußerst facettenreich und die Menschen mit ihren Interessen, Neigungen und Vorlieben sind es auch. Daher mag es immer wieder Überraschungen und Enttäuschungen sowie unerwartete Entwicklungen und nicht zuletzt auch bittere Erfahrungen geben. Ein Großvater muss das akzeptieren und auch aushalten können, selbst wenn ihm das nicht gefallen und manchmal sogar schwerfallen sollte!

Herzliche Grüße in die Zukunft!

Opa

Anlage

Leben – eine privilegierte Architektur der Natur, Mythos, Zauber, Wege und Wirken der irdischen Evolution

Leben, eine privilegierte Architektur der Natur, Mythos, Zauber, Wege und Wirken der irdischen Evolution

 

Vor etwa 4,6 Milliarden Jahren leuchtete am inneren Rand des Orion-Arms der Galaxie, der die Menschen später den Namen Milchstraße gegeben haben, ein ziemlich gewöhnlicher Stern auf der Hauptreihe des Hertzsprung-Russel-Diagramms auf. Die gelbe Sonne vom Spektraltyp G 2/V war auserkoren, um wenig später auf dem dritten Trabanten des solaren Systems einen beispiellosen evolutionären Prozess in Gang zu setzen. Die biologische Evolution hat die Entwicklung des Planeten fortan all die Erdzeitalter hindurch nachhaltig verändert. Dieses Szenario hält bis heute an und selbst in der Zukunft wird die Handschrift der Evolution neben dem Wirken des Menschen das Antlitz der Erde mit ihrer gestalterischen Kraft prägen.

Entstehung des Planeten Erde vor ca. 4,5 Milliarden Jahren

Erdzeitalter:

Hadaikum

Archaikum

Proterozoikum

*

Kambrium/Ordovizium/Silur/Devon/Karbon/Perm

*

Trias/Jura/Kreide

*

Paläozän/Eozän/Oligozän/Miozän/Pliozän/Quartär

*

*

Zukunft

(wie auch immer die sich die gestalten mag)

Die Evolution ist ein eigenwilliger Teil des kosmologischen Prozesses, der sich nicht zwangsläufig in Gang setzt. Nicht zu jeder Zeit und an auch nicht an jedem Ort eines Universums wird ihr dafür eine Bühne bereitet sein. Die biologische Evolution, wo und wann auch immer sie Leben entstehen lässt und dessen Entwicklung vorantreibt, muss als ein kostbares Privileg der Natur verstanden werden. Die Architektin und Baumeisterin des Lebens ist ein hochkomplexer Experimentator, der fleißig, beharrlich, lernfähig und geduldig daherkommt. Manchmal wird sie von einer erstaunlichen Kühnheit getrieben und bringt zuweilen Schöpfungen hervor, die von wundervoller Genialität inspiriert sind. Hin und wieder scheint die Evolution aber auch vergesslich und oberflächlich zu sein und mitunter sogar in einfallslose Plakativität und stupide Replikation zu versinken. Diese evolutionären Blackouts lassen Verwunderung und Befremden aufkommen und nähren Zweifel an der Perfektion der Architektin des Lebens. Doch gerade das Spannungsfeld zwischen gestalterischer Vollkommenheit und evolutionärer Fehlleistung, von dem Unmengen fossiler Hinterlassenschaften zeugen, macht den Prozess der Selbstorganisation der belebten Materie so spannend, dramatisch und interessant.

Die Wege, die die Evolution auf ihrer ständigen Suche nach Vollkommenheit und Perfektionierung beschreitet, sind vielfältig. Sie werden von mannigfaltigen Trümmerfeldern des Lebens gesäumt. Manche Entwürfe scheinen rasch skizziert und schnell wieder verworfen zu werden. Andere Baupläne erweisen sich dagegen als wahrhaft fundamental, sodass sie Hunderte von Millionen Jahren überdauern. Es gibt solide Visionen und wenig geeignete Ansätze, Erfolgsrezepte und fatale Irrtümer, lange Zeiten evolutionärer Untätigkeit und stürmische Epochen biologischer Entwicklung. Die Evolution versucht, Bewährtes zu bewahren, aber sie verwirft auch bedenkenlos ungeeignete Konzepte. Vor allem jedoch variiert und verändert sie biologische Architekturen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und wechselndem Erfolg im Strom der Zeit. Ihre Geschichte gleicht einem epischen Ringen zwischen originärer Schöpfung, ständiger Neuerfindung, permanenter Optimierung und Anpassung sowie biologischer Auslöschung, frühem Artentod und gnadenlosem Untergang von einst verheißungsvoll kreierten biologischen Schöpfungen.

Um ihre Prozesse in Gang setzen zu können, bedarf die Evolution einer bestimmten kosmischen Konstellation. Ein Universum, in dem die Naturkonstanten und Naturgesetze so fein abgestimmt sind, dass Elemente höherer Ordnungszahlen und komplexe chemische Verbindungen entstehen können, ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erschaffung von Leben. Das kann die Natur nur gewährleisten, wenn die Stärken der vier fundamentalen Kräfte

 starke Kernkraft

 schwache Kernkraft

 Elektromagnetismus

 Gravitation

im Verhältnis zueinander Werte haben, die die Existenz stabiler Atomkerne und Elemente sowie großräumige, differenzierte kosmische Strukturen ermöglichen. Dabei kommt der Feinstrukturkonstanten Alpha () eine Schlüsselrolle zu. Alpha ist dimensionslos und bestimmt die Stärke der elektromagnetischen Kraft. Außerdem ist auch die Gravitationskonstante von Bedeutung, über deren mögliche lokale und zeitliche Schwankungen im Standarduniversum die Wissenschaftler bis heute philosophieren!

Doch wie auch immer sich die Stärken der physikalischen Grundkräfte zueinander in einem Universum verhalten mögen, die Evolution benötigt für ihr Wirken noch eine Reihe weiterer astrophysikalischer Voraussetzungen. Es bedarf vor allem einer Galaxie mit einem hinreichend hohen Alter, damit im interstellaren Gas und im Staub der Sterne die erforderlichen Bausteine des Lebens in ausreichender Häufigkeit vorhanden sind. In einer solchen Galaxie muss ein Hauptreihenstern existieren, dessen Spektraltyp und Größe mehrere Milliarden Jahre lang eine mehr oder weniger gleichmäßige Kernfusion ermöglichen. Diese Sonne sollte zumindest in ihrem Strahlungsverhalten möglichst stabil und wenig veränderlich sein. Eine weitere unabdingbare Voraussetzung ist die Anwesenheit eines Planeten, der eine geeignete Masse, Rotation, Atmosphäre und ein nennenswertes Magnetfeld aufweist. Darüber hinaus muss die stabile Umlaufbahn des Trabanten innerhalb der habitablen Zone des Sterns liegen.

Doch es gibt noch mehr astrophysikalische Erfordernisse für die Entstehung und Entfaltung des Lebens. Im nahen Umfeld des Sternensystems von einigen Dutzend Lichtjahren sollten sich mehrere Milliarden Jahre lang keine lebensfeindlichen Prozesse wie Nova- und Supernova-Szenarien oder Gamma-Strahlenausbrüche ereignen. Darüber hinaus darf in dem Sonnensystem das Impakt-Geschehen nicht zu intensiv und langandauernd sein. In galaktischen Zentralgebieten mit hungrigen schwarzen Singularitäten und einer turbulenten chaotischen Himmelsmechanik werden das Leben und seine Evolution keine guten Karten haben. Angesichts der vielfältigen kosmischen Randbedingungen ist es schon erstaunlich, dass Leben im Weltall überhaupt entstehen konnte. Dass es sich auch zu höheren Formen entwickeln würde, mag wie ein Wunder erscheinen.

Vor 4,5 Milliarden Jahren schienen im System einer gelben Sonne vom Spektraltyp G 2/V am inneren Rand des Orionarms der Milchstraße die vielfältigen kosmischen Rahmenbedingungen weitgehend erfüllt gewesen zu sein. Es war der dritte Planet der noch jungen solaren Welt, der sich im Laufe der Zeit zu einem grandiosen Schauplatz für das Wirken des Schöpfertums der Evolution und die Entfaltung ihrer Wunderwerke entwickeln sollte.

Die Ausformung des Systems Erde-Mond in einer Entfernung von reichlich acht Lichtminuten vom Zentralgestirn könnte nach dem Einschlag von Theia, einem etwa Mars großen Protoplanten, im Hadaikum stattgefunden haben. Nach diesem gewaltigen Impakt-Ereignis verdichteten sich die herausgeschleuderten Magma-Massen zu einem Trabanten, der den Planeten Erde fortan begleiten würde. Durch das Ereignis beschleunigte sich die Erdrotation. Der Tag verkürzte sich auf ungefähr zehn Stunden. Der junge entstandene Mond muss damals viel größer als heute am fahlen feuerfarbenen Himmel geleuchtet haben, weil er die Erde auf einer engeren Umlaufbahn umkreiste. Am Ende des ersten Erdzeitalters, dem Hadaikum, hatte sich der Planet vermutlich so weit abgekühlt, dass die sich in der Atmosphäre angereicherten Wassermassen abregnen konnten. Infolgedessen begann sich auf der Oberfläche des Planeten ein gewaltiger Ozean auszubreiten.

Zu Beginn des Archaikums vor etwa 3,8 Milliarden Jahren fand in einer stickstoffreichen schwefeligen Atmosphäre ohne Sauerstoff zunächst eine chemische Evolution statt. Heftige Gewitter und eine intensive Gamma-Strahlung schufen unter einem fortwährenden kosmischen Bombardement von Asteroiden, Kleinplaneten und Kometen die erforderlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Lebens. Kurze Zeit später scheint sich das Leben auf der Erde dann tatsächlich etabliert zu haben. 3,5 bis 3,7 Milliarden Jahre alte fossile Spuren lassen das zumindest vermuten.

Am Anfang der evolutionären Geschichte auf der Erde standen Einzeller wie Bakterien und Archaeen sowie die mysteriösen Viren. Bei den Viren sind sich die Biologen aufgrund des fehlenden Stoffwechsels bis heute allerdings nicht einig, ob diese überhaupt dem (normalen) Leben zuzurechnen sind.

Nach diesem Schöpfungsakt verharrte die Evolution im Urozean jedoch 1,5 Milliarden Jahre lang in einer unbegreiflichen Starre und Untätigkeit. Es ist bis heute rätselhaft, warum sie so lange gebraucht hat, um nach den ersten erfolgreichen Schritten das Alphabet der Biochemie mit DNS, RNS, Proteinen und Nukleotiden zu buchstabieren und die Dynamik genetischer Veränderungen zu begreifen. Warum nur hat die Evolution so viele Millionen Jahre innegehalten, ohne wirksam und nennenswert zu experimentieren, zu probieren und zu perfektionieren? Nun, der Grund für diesen langen evolutionären Dornröschenschlaf wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben!

Die evolutionäre Schöpfungspause endete zu Beginn des Proterozoikums. Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren entstanden mit den Eukaryoten die ersten komplexen Vielzeller und Ahnen jeglichen höheren Lebens auf der Erde. Gleichzeitig ereignete sich Dramatisches! Durch die Fotosynthese der Cyano-Bakterien und später von Algen gelangte nach und nach mehr Sauerstoff in die Atmosphäre. Er vergiftete zunehmend die Lebensgrundlage der marinen Einzeller und raffte die Pioniere des Lebens dahin. Der trotz weltweiter Oxidationsprozesse ansteigende Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre und die sich bildende Ozonschicht eröffneten der Evolution neue Perspektiven. Sie entwickelte vor 1,2 Milliarden Jahren die Mehrzelligkeit der Pflanzen und reichlich 400 Millionen Jahre später jene der Tiere. Daneben erschuf sie das geheimnisvolle Reich der Pilze. Schließlich sorgte sie dafür, dass mit der sexuellen Fortpflanzung und der Zellspezialisierung der Tod des Individuums in die biologische Welt Einzug hielt. Aber auch tief unter der Erdoberfläche fanden Prozesse statt, die für das Leben bedeutsam waren.

Die Entstehung des Minerals Perowskit verstärkte vor reichlich drei Milliarden Jahren die Umwälzungsvorgänge im Erdmantel. Der daraufhin einsetzende Vulkanismus begünstigte das Anwachsen der kontinentalen Landmassen. Vor etwa einer Milliarde Jahren war der Erdkern schließlich so weit abgekühlt, dass er im Zentrum erstarrte. Dadurch wurden die Konvektionsmuster in der flüssigen äußeren Schale des Erdkerns regelmäßiger und begannen ein Magnetfeld zu erzeugen. Dieses Feld schirmte die kosmische Strahlung und den Partikel-Strom des Sonnenwindes ab und ermöglichte dem Leben künftig die Eroberung des Festlandes. Die stille und nachhaltige Veränderung des Lebens im Ozean vollzog sich unter schwierigen globalen Bedingungen. Am Anfang des Proterozoikums schlugen vermutlich die letzten großen Asteroiden auf der Erde ein. Danach herrschte lange Zeit ein kühles Klima. Die irdische Plattentektonik formte den Superkontinent Rodinia, der zeitweilig von mächtigen Gletschern bedeckt war. Der Ozean Monrovia, der den Kontinent umspülte, scheint vor 700 bis 800 Millionen Jahren selbst am Äquator bis zu zwei Kilometern tief gefroren gewesen zu sein. Doch trotz dieser unwirtlichen globalen Bedingungen reiften im letzten Abschnitt des Präkambriums, der Ediacara-Epoche, gewaltige evolutionäre Veränderungen heran, die sich im darauffolgenden Erdzeitalter beeindruckend entfalten sollten.

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