Briefe in die Heimat von 1941 bis 1944/45

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Kapitel 2: 1942 – Detmold

Detmold, Samstag, den 10.1.1942:

»Griffe kloppen, Sportstunden und Besuch von Erna«

Sobernheim(1):

»Die Blinden-Schreibmaschine vom Papa Paul von der Eltz«

Sobernheim(2):

»Brief vom blinden Papa Paul zu seiner Erblindung«

Detmold, Donnerstag, den 15.1.1952:

»Päckchen, Gelee, Gebäck, Kaffee, Kuchen …«

Detmold, Samstag, den 24.1.1942:

»Hermann wieder zu Hause und ich habe einen guten Appetit«

Detmold, Montag, den 26.1.1942:

»Heimweh und die anstrengend lustige Soldatenausbildung«

Detmold, Sonntag, den 1.2.1942:

»Nach Rügen und endlich zum fliegenden Personal, aber wann?«

Detmold, Samstag, den 7.2.1942:

»Langeweile vor der Versetzung, die Besichtigung und alles Gute für Hermann«

Detmold, Samstag, den 14.2.1942:

»Erna besucht mich, Horstsperre wegen Scharlach und Zigaretten gegen Brot«

Detmold, Donnerstag, den 19.2.1942:

Hunger auf Schinken, eine Besichtigung und Versetzung verschoben wegen Scharlach«

Detmold, Sonntag, den 22.2.1942:

»Immer noch Horstsperre und ich bin sehr dankbar für jedes Paket liebe Eltern!«

Detmold, Dienstag, den 24.2.1942:

»Endlich nacht die Versetzung und dann nichts wie weg von hier!«

Detmold, Sonntag, den 1.3.1942:

»Sitze immer noch in Detmold fest, habe Lust auf Wein und wie geht es Familie Schaaf?«

Detmold, Donnerstag, den 5.3.1942:

»Bin ich eigentlich ein richtiger Soldat? Bitte einen Koffer schicken!«

Detmold, Samstag, den 10.1.1942

Liebe Eltern und liebe Bringfriede!

Zunächst mal, lieber Papa, recht herzlichen Dank für deinen lieben Brief. Heute, am Samstag, haben wir nach glücklich überstandenen Stubendurchgang und Spindapell, den Nachmittag frei und das bedeutet für mich so viel wie, schreiben. Diese Woche kam zu meiner Freude und unerwartet Eure Päckchen an und mein Wunsch war ja schneller in Erfüllung gegangen, als ich dachte. Leider ist ja so ein Kuchen für einen hungrigen Soldaten viel zu klein, denn nach kaum zwei Tagen war der Inhalt des Päckchens schon aufgegessen und nun warte ich sehnsüchtig auf eine neue Ladung, die mir Tante Lotte in ihrem Brief angekündigt hatte. Allerdings möchte ich meinen bescheidenen Auftrag nicht zurücknehmen und Euch bitten, ihn zu erfüllen, wann ist ja gleich.

Morgen beginnt die siebte Woche unserer Ausbildung und jetzt geht es langsam bergab. Wir haben in den ersten sechs Wochen schon allerhand gelernt und sind so halbwegs Soldaten geworden. Diese Woche haben wir mit »Griffe kloppen« angefangen. In dieser Zeit haben wir schon geschwitzt wie die Bären, besonders bei »Tempo 3«, Du weißt ja Bescheid, lieber Papa, wie lange da geübt werden muss, bis der Griff sitzt und man den Schlag richtig drauf hat. Sonst hat der Dienst auch noch manches Neue gebracht und wenn man sich für den Dienst interessiert, ihn nicht als notwendiges Übel empfindet, ist ja alles halb so wild. Man muss auch seinen Sachen immer in Ordnung halten, dass man nicht auffällt denn wehe dem, der das nicht tut! Mein Lieblingsdienst ist natürlich unsere wöchentlichen Sportstunden und da sieht man, wie viele überhaupt früher Sport getrieben haben. Es sind verschwindend wenig. So wurden zum Beispiel Geräteturner, Leichtathleten, Fußball- und Handballspieler aus der Kompanie ausgesucht und es traten nur insgesamt sieben Turner und Leichtathleten vor. Fußballer waren es natürlich mehr. Wir haben nun jeden Montag und Donnerstag am Abend Training, das freut mich ganz besonders, denn für den Sommer ist man doch einigermaßen in Schwung und diese Übungsstunden stehen unter fachmännischer Aufsicht.

Morgen wollte mich Erna besuchen kommen, hoffentlich enttäuscht sie mich diesmal nicht, denn ich hatte mit ihrem Besuch schon vorigen Sonntag gerechnet. Wenn sie morgen kommen sollte, gehen wir mit unseren Stubenkameraden in die Kantine und dort werden wir mal ordentlich musizieren und Ihr zeigen, wie lustig es bei uns jungen Soldaten zugeht. Es wird Ihr bestimmt unter uns zu sein gefallen. Ausgang gibt es morgen noch nicht, es ist ja auch gleich, wir werden uns auch so prima unterhalten. Hoffen wir für morgen das Beste. Hermann schreibt ja noch gut aus Russland, ich denke manchmal, die müssen doch harte Abwehrkämpfe zu bestehen haben wie der OKW-Bericht schildert. Vor Moskau wird es nicht so hart hergehen wie an anderen Fronten. Für heute habe ich mal wieder genug geschrieben, da ich mal früher in die Falle gehen und mich gründlich ausschlafen möchte.

Herzliche Grüße sendet Euch, liebe Eltern, Bringfriede und Kinder

Euer Arnold

Sobernheim(1)

Die Blinden-Schreibmaschine von Arnolds Papa Paul von der Eltz!

Arnolds Papa Paul von der Eltz, erfand als blinder Mensch eine »Blinden-Schreibmaschine«. Die Schreibhand wurde an einem dünnen Faden geführt, und wenn man rechts am Rand angekommen war, wurde ein Mechanismus ausgelöst, der die Seite um eine »Zeile« weiterschob. Dann konnte man von links weiterschreiben. Er versuchte sie beim Deutschen Patentamt anzumelden, was aber leider, trotz einem Einspruch, abgelehnt wurde. Paul schrieb darauf zahllose Briefe. Ich selbst habe sie noch in Aktion gesehen.

So sah, mit Bezeichnungen für das Patentamt, die Blinden-Schreibmaschine von Paul von der Eltz aus. Das Patent wurde abgelehnt.

Paul schreibt einen Brief auf seiner Blinden-Schreibmaschine.

Es folgt der Brief vom blinden Papa Paul. Geschrieben auf seiner von ihm erfundenen Blinden-Schreibmaschine:

Sobernheim(2)

Erblindet!

Vor zwanzig Jahren hat mein Augenleiden begonnen. Ich stand damals an der Westfront beim AK. Inf. Reg. 60. Im Februar 1915, musste ich mich wegen einer beidseitigen Augenentzündung in ärztliche Behandlung begeben. Doch bald stellte sich das alte Leiden mit erneuter Heftigkeit wieder ein und ist trotz Behandlung in einer Augenklinik, wenn auch mit einer vorübergehenden leichten Besserung, nicht mehr verschwunden. Das auch nach dem Krieg fortdauernde Augenleiden war mir so zur Gewohnheit geworden, sodass ich irgendwelche Folgen nicht befürchtete, auch dann nicht, als sich vorübergehende Trübungen einstellten. Erst als der Arzt mir den weiteren Verlauf der Krankheit andeutete, erkannte ich die Schwere des Leidens. War es denn möglich? Sollte ich wirklich …? Ich konnte das Wort »Blind« nicht denken und so sehr ich nicht auch an die letzte Hoffnung klammerte, nahm das Schicksal doch seinen Lauf.

Im Februar 1929 war ich völlig erblindet. Die nun plötzlich eingetretene Hilflosigkeit und die Erkenntnis der unabwendbaren Tatsache, brachte eine derart niederschmetternde Gemütsbewegung mit sich, dass ich, als nun auch noch die Ablehnung meines Versorgungsantrages als Kriegsgeschädigter eintraf, durch eine heftige Nervenentzündung wochenlang ans Bett gefesselt wurde. Es dauerte jahrelang, bis ich mit wiederkehrender Beruhigung der Nerven auch das seelische Gleichgewicht wieder fand. Damit erwachte aber auch gleich neuer Lebensmut in mir und der Wille zur Arbeit. Das war allerdings kein leichtes Beginnen, denn das Konzentrieren meiner Gedanken auf einen bestimmten Gegenstand verursachte mir immer wieder, wenn auch vorübergehend, heftige Kopfschmerzen. Doch mit der Zeit trat auch hier eine leichte Besserung ein und es war mit stets eine große Freude, wenn ich wieder so eine kleine Arbeit zuwege brachte. Das war natürlich nicht so einfach und manch blauer Fingernagel war Zeuge davon, dass aller Anfang schwer ist.

Mehr als einmal habe ich die Zähne zusammengebissen, mit einem Seufzer den Schmerz fortgewischt und mit der Zeit den Nagel auf den Kopf zu treffen gelernt. Was ich früher in meinen Feierabendstunden bastelte, das wollte ich jetzt noch fertigbringen. Dabei erwies sich natürlich die Beschaffung einzelner Hilfswerkzeuge als unbedingt notwendig, die ich mir erst selbst ersinnen und anfertigen musste.

Wo ein Wille ist – findet sich auch ein Weg! Trotzdem schien es sehr gewagt, als ich, als früherer Buchhalter, den kühnen Plan zu dem auf den Fotografien gezeigten Anbau (Vorbau) am Haus, fasste. Das war für mich eine ebenso interessante wie schwierige Aufgabe, denn den Entwurf wie auch die Berechnung der einzelnen Teile, konnte ich natürlich nicht zu Papier bringen, sondern ich musste mir die einzelnen Maße und Teile im Kopf zurechtlegen und ins Gedächtnis einprägen. Dann aber ging es unverzüglich mit Eifer an die Arbeit. Der Bau des Betonsockels verursachte mir einige Schwierigkeiten, da durch das fortwährende Abtasten des Betons, meine Fingerspitzen blutig und wund geworden waren und diese Arbeit infolgedessen nur langsam vor sich ging. Die Zurichtung des Holzgerüsts ging unter Benutzung meiner Hilfsvorrichtungen sicher vorwärts und es war für mich eine ungemein große Freude, als beim Zusammensetzen die einzelnen Teile fast auf den Millimeter genau zueinander passten.

Wenn ich das Herumhantieren und Balancieren auf den Balken mit einer gewissen Sicherheit und Ruhe ausführte, so muss ich das neben äußerster Vorsicht wohl in erster Linie meiner frühen turnerischen und sportlichen Betätigung zuschreiben. Hinzu kommt noch die Schwindelfreiheit, da ich als Blinder die Höhenunterschiede nicht empfinde. Ohne irgendwelchen Zwischenfall, wuchs der Bau empor und ich hatte das bestimmte Gefühl, als würde ich durch eine unsichtbare Hand geführt. Auch die selbst gefertigten Fenster und Türen, passten genau und in etwa fünf Monaten hatte ich den Bau ohne fremde Hilfe vollendet.

 

Vielleicht wäre ich noch schneller damit fertig geworden, wenn nicht die immer wiederkehrenden Nervenkopfschmerzen und die damit auftretenden Entzündungen der Augen, ab und zu eine Unterbrechung der Arbeit gefordert hätten. Solange ich mich jedoch auf die eine oder andere Weise noch nützlich machen kann, werde ich mein Schicksal auch fernerhin lebensmutig zu tragen wissen.

Paul

Papa Paul baute trotz völliger Erblindung einen geschlossenen Vorbau ans Haus.

Detmold, Donnerstag, den 15.1.1942

Liebe Eltern und Bringfriede,

soeben habe ich Euren Brief erhalten und möcht ihn auch sofort beantworten. Zunächst im Voraus meinen besten Dank für das Päckchen. Hoffentlich lässt es nicht lange auf sich warten, denn so eine Nebenkost ist doch immer sehr willkommen. Gestern zum Beispiel bekam ich ein Päckchen von Tante Lotte und am Abend war der Inhalt des Päckchens schon vertilgt. Auf das Gebäck und die Süßigkeiten ist man ja sozusagen wie versessen, da uns ja beim Militär solche Abwechslungen in der Kost nicht geboten werden. Bis jetzt hatten wir noch keinen Ausgang gehabt, und die Sonntage in der Kaserne verbraucht. Doch nächsten Sonntag, geht die Kompanie geschlossen zum Hermannsdenkmal, wo von der gesamten Kompanie eine Aufnahme als stete Erinnerung an unsere Rekrutenzeit gemacht wird. Der Tag wird noch verschönert, indem wir in ein Café einkehren und dort Kaffee und Kuchen erhalten. Dazu spielt natürlich unsere Hauskapelle und wo die erscheint, gibt es immer Stimmung. Heute erhielt ich ebenfalls noch eine erfreuliche Nachricht, dass Erna und Ewald mich am Sonntag besuchen wollen und ich will versuchen, an diesem Tag auch Ausgang zu bekommen. Wir können dann allein zum Denkmal hinauf gehen und sie werden dann auch mal meine Kameraden kennenlernen. Bei uns ist es zurzeit saukalt, die Temperatur ist ganz und gar nicht zum Exerzieren geeignet. Doch wenn es gar zu kalt ist, gehen wir auf die Stube oder Unterrichtsraum und kloppen dort unserer Griffe. Bei »Tempo 3« weicht sogar die grimmigste Kälte und wir beginnen dann so allmählich zu schwitzen wie die Affen. Bis der Griff endlich mal in der Einigkeit klappt, fließt noch mancher Schweißtropfen. Lieber Papa, Du weißt ja auch Lieder davon zu singen. Nun noch was Geschäftliches. Am 13.12.1941 hatte ich 14,- RM an die Bank abgeschickt, doch noch keinen Auszug darüber bekommen. Habt Ihr ihn vielleicht zu Hause? Wenn ja, dann schickt mir bitte ihn und den Jahresabschluss.

Seid nun alle recht herzlich gegrüßt

Arnold

PS: Ich habe kein Briefpapier mehr, deshalb kann ich nicht mehr schreiben.

Abmarsch vom Hermannsdenkmal am 18.01.1942 (2. Zug). Der Dritte von rechts ist Arnold.

Detmold, Samstag, den 24.1.1942

Liebe Eltern und Bringfriede!

Soeben erhielt ich Euren lieben Brief und möchte ihn gleich beantworten. Also, Hermann ist in Deutschland und welch eine Freude muss das doch für Bringfriede und Euch gewesen sein, als diese Nachricht ankam. Wie oft habe ich schon während meiner Soldatenzeit an Hermann gedacht und habe ihm oft gewünscht, aus diesem Russland rauszukommen, da ihm bestimmt die körperlichen Strapazen nicht leichtgefallen sind. Und, als ich den Brief gelesen hatte, kam mir unwillkürlich der Gedanke, ob ich ihn nicht mal besuchen kann, denn soweit wird das ja von hier nicht sein. Was wäre das eine Freude für Hermann und mich, wenn ich tatsächlich eines Tages zu ihm fahren könnte. Ihr glaubt ja gar nicht, wie auch ich mich freue, dass Hermann nicht mehr in Russland sein muss.

Liebe Eltern, nun möchte ich mich noch über das reichhaltige Päckchen bedanken, dass diese Woche angekommen ist, besonders der Kuchen hat mir viel Freude bereitet. Doch für einen hungrigen Soldaten ist ja so ein Kuchen viel zu klein und wenn man mich da nicht bremsen würde, wäre vom Kuchen in fünf Minuten nichts mehr da. Liebe Mutter, Du hast Dich daheim so oft über meinen guten Appetit gewundert, doch wenn Du mich hier essen sehen würdest, ständen Dir die Haare zu Berge. Vier Teller beim Mittag- und Abendessen sind an der Tagesordnung und diese Menge reicht oft doch noch nicht aus, um mich sattzubekommen. Na ja, nach dem einen Monat Ausbildung, beginnt ja der ruhigere Dienst und der Appetit wird dann doch etwas nachlassen.

Arnold freut sich über den Inhalt eines Pakets von zu Hause – endlich Kuchen!

Heute hat es bei uns angefangen, zu schneien, und ein eisiger Wind fegt von Osten her, doch der wird uns heute nicht auf der Bude festhalten, denn heute haben wir Ausgang und wir werden uns mal Detmold ansehen. Schade, dass heute Erna nicht kommt. Diesmal wäre unsere Zeit nicht so knapp bemessen als vor acht Tagen und wir wären an niemanden gebunden. Ich werde jedenfalls versuchen, sobald als möglich nach Herford zu kommen. Vielleicht wenn Erna Hochzeit hat? So, jetzt ist es Zeit in die Stadt zu gehen, denn wir wollen uns noch viel von Detmold ansehen.

Herzliche Grüße sendet Euch

Arnold

PS: Schickt mir bitte im nächsten Brief etwas Stopfwolle mit, ich kann sie gut gebrauchen. Schreibt mir bitte auch etwas Genaueres über Hermann.

Detmold, Montag, den 26.1.1942

Liebe Eltern und Bringfriede!

Heute steht mir etwas mehr Zeit zur Verfügung, um Euch etwas ausführlicher zu schreiben. Um nochmals auf das Päckchen zurückzukommen, der Speck hat mir ganz prima geschmeckt. Doch möchte ich Euch bitten, mir so etwas nicht mehr zu schicken. Denn Ihr müsst Euch ja das Essen vom Mund absparen und das möchte ich ganz bestimmt nicht haben. Wir bekommen ja hier auch unsere Verpflegung. Ihr habt mich doch sicher richtig verstanden? In Eurem Brief schreibt Ihr auch, dass Erna nun bald heiraten will und wir uns bei dieser Gelegenheit vielleicht sehen werden. Eins kann ich Euch sagen, dass ich mir ein Wiedersehen schon oft im Stillen gewünscht habe, und auch sehr oft mit den Gedanken bei Euch verweile. Fast jede Nacht träume ich davon und oft meinte ich im Halbschlaf, wenn irgendein Kamerad im Dunkeln sich durchs Zimmer tastet, die Schritte von Papa zu hören.

Lieber Papa, wie gerne würde ich mich jetzt mal wieder mit Dir unterhalten und uns gegenseitig von Deiner und meiner Soldatenzeit erzählen. Auf diese Stunde freue ich mich schon heute ganz besonders. Vielleicht liegt diese Stunde nicht mehr fern, wenn Ihr zu Ernas Hochzeit kommt. Vorausgesetzt, dass diese noch vor dem 25. Februar ist, denn bis dahin ist unsere Ausbildungszeit zu Ende und wir werden dann sicher versetzt werden. Wie schnell wird auch dieser Monat vorüber sein, und wir Kameraden müssen wieder voneinander Abschied nehmen. Das wird uns alle bestimmt nicht leichtfallen, denn bei uns auf der Stube herrscht eine prima Kameradschaft. Das kommt ja auch daher, dass wir fast alle aus einer Gegend sind und denselben Dialekt sprechen. Saarländer und wir von der Nahe haben uns ja schon immer gut verstanden. Bei uns zeigt sich jetzt der Winter von seiner strengsten Seite mit Schneegestöber und einer saumäßigen Kälte und bei dieser Witterung ist es nicht gerade angenehm zu exerzieren. Doch unsere Vorgesetzten haben genug Mittel, um uns warm zu machen, bei –24 Grad Kälte ist ja so etwas auch unbedingt notwendig und es ist keine Seltenheit, dass wir trotz dieser Kälte anfangen zu schwitzen. Damit verbunden ist es ja auch Wunder, dass mein Appetit, wie schon im vorigen Brief erwähnt, so ungeheuer groß ist und manchmal die Brotration einfach nicht reicht. Dann beginnt meistens der Handel, dass die Zigarettenmarke gegen Brot oder Butter getauscht wird oder man verschafft es sich auf eine andere Art, aber keine Bange, ich rauche natürlich nicht. Jedenfalls lernt man beim Militär, sich in jeder Lage zu helfen.

Gestern waren wir zum ersten Mal allein in der Stadt. Doch die Kälte nahm uns die Lust, die Stadt anzusehen. So saßen wir denn auch bald in einem gemütlichen Café und ließen es uns bei Kaffee und Kuchen gut schmecken. Ist nächsten Sonntag wieder Ausgang, dann werde ich Erna frühzeitig in Kenntnis setzen, denn auf Sonntagsurlaub für Herford ist doch noch nicht zu rechnen.

Herzliche Grüße sendet Euch, liebe Eltern und Bringfriede

Euer Arnold

Detmold, Sonntag, den 1.2.1942

Liebe Eltern und Bringfriede!

Schon wieder sind nun acht Tage vergangen, seit ich Euch das letzte Mal schrieb, und in ungefähr drei Wochen wird unsere Ausbildung zu Ende sein. Jeder ist nun gespannt, wohin er versetzt wird. Ich habe gehört, dass die Bombenschützen auf der Insel Rügen ausgebildet werden. Die Entfernung zwischen mir und Euch wäre dann noch größer. Doch damit wäre die Freude auf den ersten Urlaub umso größer. Durch diese Versetzungen lernen wir ja auch unser Heimatland kennen, und als junger Mensch wünscht man sich ja gerade weit in der Welt herumzukommen.

Es steht als nun endgültig fest, dass ich als Bombenschütze zum fliegenden Personal komme und meine Freude hierüber stieg um so mehr als ich hörte, dass nun ungefähr ein Fünftel der gesamten Kompanie zum fliegenden Personal kommen. Ein Stubenkamerad von mir, ein Saarländer aus Neunkirchen, wird auch Bombenschütze und wir freuen uns nun schon darauf, zusammen auf eine Schule versetzt zu werden, da gerade wir beide uns gut verstehen. Ich kann es manchmal gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht und dass unsere Rekrutenzeit nun bald zu Ende sein soll. Das rührt ja auch zum größten Teil daher, dass die Tage fast ganz mit Dienst ausgefüllt sind und die Zeit dadurch wie im Fluge vergeht. Ich glaube, dass auch niemand der verflossenen Zeit nachtrauern wird, wohl aber gern an seine Rekrutenzeit denken wird, da doch jeder wehrfähige junge Deutsche mitmachen muss. Wenn ich das erste Mal auf Urlaub komme, werde ich Euch viel zu erzählen haben und gerade mit Dir, lieber Papa, möchte ich mich dann gern unterhalten.

Liebe Mutter, nun hätte ich noch eine »kleine« Bitte an Dich. Wenn Du Zeit hast, schicke mir doch bitte mal wieder einen Kuchen oder Brot, denn der Dienst entwickelt ja immer so einen guten Appetit, sodass meine Brotration fast nie ausreicht. Also sei doch bitte so gut, und erfülle mir diesen Wunsch. Das Päckchen mit dem Gelee habe ich mit vielen Dank erhalten. Allerdings war es vierzehn Tage unterwegs, doch ist es samt Inhalt heil angekommen. Heute Mittag gehen wir wieder in die Stadt und werden dann versuchen, zu einem Fotografen zu gehen.

In der Hoffnung, bald wieder etwas von Euch zu hören, grüßt Euch vielmals

Arnold

Detmold, Samstag, den 7.2.1942

Liebe Eltern, liebe Bringfriede!

Nach glücklich überstandenem Stubendurchgang beginnt nun unser freier Samstagnachmittag, den ich dazu ausnutze, Briefe zu schreiben, während andere Kameraden ausgehen und sich Detmold bis halb neun abends ansehen können. Der Nachmittag brachte für mich während des Revierreinigens, eine freudige Nachricht. Ich wurde plötzlich ans Telefon gerufen. Das kann ja nur Erna sein, dachte ich und stürzte im schnellsten Tempo zur Schreibstube. Endergebnis: Erna und Ewald kommen mich morgen besuchen. Das wird ja ein schöner Ausgang morgen für mich werden. Für nächsten Sonntag will ich noch mal versuchen, Sonntagsurlaub nach Herford zu bekommen. Hoffentlich stellen sich mir keine Schwierigkeiten in den Weg, denn Mittwoch in acht Tagen, als am 18. Februar, ist unserer Besichtigung und bis dahin haben wir noch viel zu lernen. Was nach der Besichtigung kommt, wissen wir noch nicht. Ich jedoch werde jedenfalls auf eine Bombenschützenschule versetzt werden und wenn es gut geht, kommen Walter Schmitz und ich auf eine Schule. Denn, er hat sich nun auch als Bombenschütze gemeldet. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit einem Sobernheimer zusammenkäme, besonders noch mit Walter Schmitz, der mir immer ein guter Freund war.

Hier bei uns herrscht nach wie vor strenger Winter, wie ich ihn mir früher daheim immer gewünscht hatte, mit viel Eis und Schnee. Doch hier wünsche ich ihn zum Teufel, denn bei diesem Wetter ist es bestimmt nicht angenehm Dienst zu machen, besonders dann, wenn es ins Gelände geht und der Schnee durch sämtliche Knopflöcher dringt. Doch wir wären ja keine Soldaten, wenn uns ein Angriff mit MG und Platzpatronen keinen Spaß machen würde, besonders das Hinlegen klappt ja bei dem hohen Schnee wunderbar.

Heute habe ich mal leere Pakete nach Hause geschickt und ein Geleeglas, damit Ihr wieder mal etwas Verpackung habt. Ebenso habe ich RM 20,-, heute auf mein Bankkonto eingezahlt, also sogar beim Militär kann man mit einer Mark pro Tag sparen. Das hat natürlich von der Stubenbelegschaft bisher nur einer fertig gebraucht, und das war ich. Na ja, das hängt natürlich mit der guten Erziehung von zu Hause zusammen. Ich sage Euch, beim Militär kann man feststellen, wer eine gute Kinderstube hatte oder nicht und wer von zu Hause an Ordnung gewöhnt war. In dieser Beziehung bin ich bis heute noch nicht aufgefallen.

 

Liebe Eltern, mit viel Freude habe ich natürlich die Nachricht aufgenommen, dass ein Kuchen für mich unterwegs ist und hoffentlich keine vierzehn Tage wie der andere braucht. Meine Dankbarkeit kann ich ja leider immer nur dadurch ausdrücken, dass ich Euch regelmäßig einen Brief schreibe, auf den Ihr Euch bestimmt immer freut.

Nun, liebe Bringfriede, möchte ich Dir noch recht herzlich für Deinen lieben Brief danken und glaube mir, wenn Du mir den kleinen Jürgen so drollig schilderst, dann habe ich direkt Sehnsucht ihn mal wieder zu sehen. Seine Schwester Gisela und er, werden wohl gewachsen sein und ich sie kaum wieder erkennen werde, wenn ich zum ersten Mal auf Urlaub komme. Du schreibst, dass Du Hermann mal besuchen willst und bei dieser Gelegenheit auch zu mir kommst – nur glaube ich, Du wirst mich hier nicht mehr antreffen, denn bis dahin wurde ich sicher versetzt. Ich wünsche Dir nur noch von Herzen, dass Du Hermann sehr bald besuchen kannst, denn das wird doch Dein brennender Wunsch sein. Glaube mir, an diese Spielereien mit Hermann, die Du in deinem Brief erwähnst, habe ich auch schon sehr oft gedacht und mir ebenso gewünscht, dass sich diese Stunden nicht noch mal wiederholen werden, doch das wird wohl leider nur ein Wunschtraum bleiben.

In der Hoffnung, bald wieder von Euch etwas zu hören, grüßt Euch herzlichst

Euer Arnold

Detmold, Samstag, den 14.2.1942

Liebe Eltern und Bringfriede,

zunächst recht herzlichen Dank für das Päckchen, das diesmal nur eine Woche unterwegs war. Der Kuchen, liebe Mutter, hat ja wieder ganz prima geschmeckt. Übrigens, es schmeckt ja alles doppelt so gut, was von daheim kommt.

Letzten Sonntag habe ich mit Erna und Ewald einen schönen Tab verlebt. Um zwei Uhr nachmittags holte ich beide vom Bahnhof ab. Anschließend gingen wir in ein gemütliches Lokal um dort ungestört bei Kaffee und Kuchen, den Erna mitgebracht hatte, zu unterhalten. Zum Abschluss des Tages gingen wir in ein Kino. Doch allzu schnell verging die Zeit und wir mussten bald wieder voneinander Abschied nehmen, ohne ihnen zu versprechen, sie nächsten Sonntag zu besuchen. Doch kaum zurück im Horst, erwartete mich eine teils freudige, teils traurige Nachricht. Kurz nachdem ich den Horst verlassen hatte, wurde wegen »Scharlach« Horstsperre angeordnet. So werde ich Erna und Ewald am Sonntag zum letzten Mal gesprochen haben, denn wenn die Horstsperre aufgehoben wird, wann kann ja niemand wissen, wird sich auch unsere Versetzung zur Schule verschieben, wie uns schon angekündigt wurde. Wir aber hoffen alle, dass diese Krankheit bald überstanden ist.

Nun sind es nur noch vier Tage bis zur Besichtigung, und dass bedeutet, das unsere Rekrutenzeit nun bald zu Ende ist. Ich kann Euch sagen, dass ihr keiner hier nachtrauern wird. Denn es waren manchmal Tage darunter, an denen uns »das Wasser im Arsch kochte« auf Soldatenart ausgedrückt. Doch gerade diese Stunden haben uns hart gegen uns selbst und uns so halbwegs zu Soldaten gemacht. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, hat mir auch das nicht viel ausgemacht, solange man nicht vor Müdigkeit umfällt – ist ja alles halb so schlimm. Auf der Schule später, werden wir diesen Dienst ja nicht mehr haben, doch dafür wird unser Geist etwas mehr in Anspruch genommen werden. Bis zum fertigen Bombenschützen ist es immer noch ein weiter Weg.

Liebe Eltern, heute komme ich mal wieder mit einer Bitte. Wenn Ihr Zigaretten bekommen könnt oder Tabak, so wäre ich Euch sehr dankbar. Wenn Ihr mir das schicken würdet, die Kosten könnt Ihr ja von den RM 50.- abziehen, die Ihr noch von mir habt. Und nun zur Aufklärung weshalb. Meine Kameraden sind fast alle starke Raucher und ich könnte ihnen mit den Zigaretten viel Freude. Die Hauptsache ist natürlich, dass ich als Gegenleistung von ihnen Brot bekomme, das mir lieber ist wie vieles andere. Ebenso könntest Du, liebe Mutter, mir mal wieder blaue und graue Stopfwolle für Pullover und Strümpfe schicken, den Kuchen möchte ich nur so nebenbei erwähnen. Zum Schluss möchte ich Euch noch bitten, mir zur Besichtigung am Mittwoch beide Daumen zu drücken.

In der Hoffnung, bald wieder etwas von Euch zu hören (und zu bekommen), grüßt Euch vielmals

Arnold

Detmold, Donnerstag, den 19.2.1942

Liebe Eltern, liebe Bringfriede!

Gestern, am Tage unserer Besichtigung, erhielt ich Euer reichhaltiges Paket und heute Euren lieben Brief mit der Ankündigung von neuen Paketen. Ja, liebe Eltern, wenn das so weiter geht, hole ich meinen Kameraden in dieser Beziehung auch noch ein, denn ich habe manchmal gestaunt, was diese an Paketen so bekommen. Doch das hängt natürlich damit zusammen, dass es Bauern sind oder wenigstens Beziehungen haben. Liebe Mutter, wenn das mit dem Schinken klappen würde, würdest Du mir eine große Freude bereiten, denn die seltenen Dinge sind ja heutzutage am meisten begehrt. Hoffentlich bleibt der Kuchen nicht so lange unterwegs, denn ich habe nämlich schon mächtigen Hunger!

Nun zu unserer Besichtigung. Was hatten wir uns vorher unnötige Sorgen darüber gemacht und wie verlief sie doch so glatt und reibungslos. Danach fragten wir uns, war das nun eine Besichtigung oder keine? Besonders unser Gruppenführer hatte uns in dieser Beziehung viel vorgemacht: »Mit so einer beschissenen Gruppe ginge er nie zu einer Besichtigung«, war seine tägliche Drohung und die Folge davon wäre natürlich eine Wiederholung des Lehrgangs gewesen. Übrigens, unser Gruppenführer ist ein prima Kerl. Ihr werdet ihn ja auf den Bildern, die ich Euch schicke, kennenlernen. Er war zu jeder Zeit gerecht und wir haben ihn nur als grundanständigen Vorgesetzten kennengelernt, ebenso unseren Zugführer. Mit solchen Vorgesetzten mach man auch gerne Dienst und führt freudig jeden vernünftigen Befehl aus. Heute hatten wir einen ganz faulen Tag gehabt. Man merkt sofort, dass der Lehrgang nun zu Ende ist. Doch heute hat uns der Hauptfeldwebel bei der Parole noch mitgeteilt, dass wir uns die nächsten Tage wundern werden und uns die Tage bis zu Versetzung im Gedächtnis bleiben würden. Aber so was kann uns als »alte Soldaten« nicht mehr erschüttern, dafür haben wir das schon so oft mitgemacht, sodass man allmählich stur wird und unsere Bewegungen mit der einer Maschine vergleichbar sind – nie im Tempo schneller werden, mag der Vorgesetzte noch so toben – es geht einfach nicht schneller. Was sind wir in den ersten Tagen gelaufen, sodass unsere Socken anfingen zu qualmen. Doch mit der Zeit lernten wir auch das Einheitstempo. Lieber Papa, in Deiner Ausbildung als Soldat, wird es genauso gewesen sein, denn damals wie heute bleibt doch die Ausbildung gleich. Unsere Versetzung wird sich leider wegen des blöden Scharlachs noch etwas verschieben, vielleicht bietet sich mir dadurch doch noch einmal die Gelegenheit, Erna zu besuchen. Nur wäre mir lieber, liebe Eltern, wenn wir bald versetzt werden würden.

Liebe Mutter, wenn es Dir Umstände bereitet mir Rauchwaren zu besorgen, so verzichte ich gerne darauf, denn ich habe ja direkt kein Interesse daran und wenn ich mal Brot brauchen sollte, bekomme ich es auch auf eine andere Art, ansonsten schickst Du mir ja größtenteils das, was mir so fehlt. Liebe Eltern, für heute muss ich Schluss machen, denn gleich ist Zapfenstreich.

Herzliche Grüße sendet Euch

Euer Arnold

PS: Viele Grüße an Hermann und schreibt ihm, dass ich sehr oft an ihn denke!

Detmold, Sonntag, den 22.2.1942

Liebe Eltern, liebe Bringfriede!

Wie ich schon im vorigen Brief erwähnte, haben wir nun nach der Besichtigung mehr Freizeit und ich kann Euch mal wieder schreiben.

Wir haben nun schon ein paarmal aus erfahrener Quelle gehört, unser Spieß hat es auch schon angedeutet, dass sehr wahrscheinlich diese Woche unsere Versetzung stattfinden wird. Einerseits habe ich mich darüber sehr gefreut, denn dieses Leben hier gefällt mir auf die Dauer doch nicht, da es verlorene Zeit ist die wir hier noch verbringen. Vor der Versetzung hätte ich aber gerne noch mal mit Erna gesprochen. Ich hatte mir ja fest vorgenommen, sie nach der Besichtigung mal unverhofft zu besuchen, doch wurde bis jetzt die Horstsperre noch nicht aufgehoben. Diese Woche soll sie erst vorüber sein, und deshalb ist es zu spät für einen Besuch. Liebe Mutter, hoffentlich kommen noch vor meiner Versetzung die beiden Pakete an. Pakete die per Express geschickte werden, sind in zwei Tagen hier. Doch die Post ist in dieser Beziehung ja etwas langsam. Jedenfalls möcht ich mich vorher wieder recht herzlich bedanken.