Briefe in die Heimat von 1941 bis 1944/45

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Briefe in die Heimat von 1941 bis 1944/45
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Briefe in die Heimat
von 1941 bis 1944/45


Berthold von der Eltz

Barmstedt

© Berthold von der Eltz

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Briefe in die Heimat
von 1941 bis 1944/45

Erfasst von

Berthold von der Eltz

Dokumentation / Erinnerungen

Wort für Wort, Zeile für Zeile und Brief für Brief, habe ich im Herbst des Jahres 2020, während der Corona-Pandemie, an meinem Apple Macintosh (iMac) die Briefe in Adobe InDesign erfasst, den Text formatiert, mit einem Inhalts- sowie Stichwortverzeichnis ergänzt, Originalbilder gescannt, sie im Text platziert, einen Umschlag gestaltet und als Buch gespeichert.

Besonderer Dank gilt meinem lieben Schatz Katharina, die sich im Juni 2020 an den Gartentisch setzte und die Briefe nach Datum sortierte. Während der Produktion hielt sie mir immer liebevoll die Satz- und Gestaltungsfehler vor die Nase – hoffentlich wurden alle gefunden und korrigiert! Herzlichen Dank auch an Emil und Irene, die mir bei Erinnerungslücken, was Namen und Orte betraf, geholfen haben.

Arnold von der Eltz, geboren in Sobernheim am 19.05.1923, gestorben in Mainz am 04.03.1989, schrieb von 1941 bis 1944/1945, während seiner Zeit als »Kampfbeobachter« bei der deutschen Luftwaffe, viele Briefe in seine Heimat.

Arnolds Stationierungen von 1941 bis 1945 Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sudetenland

Im Mai 1923 geboren, meldet sich Arnold von der Eltz mit achtzehn Jahren als begeisterter Segelflieger zur Deutschen Luftwaffe, um sich seinen Wunsch einmal in großen Maschinen fliegen zu können, zu erfüllen. Doch die anfängliche Begeisterung, auch damit seine Heimat zu verteidigen, änderte sich mit der Zeit durch eine gewisse Erkenntnis und Ernüchterung.


Vorwort von Berthold von der Eltz.

Im Jahr 2017, nach der Beerdigung meiner Mutter in Bad Sobernheim, entdeckte ich in ihrem Nachlass viele Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg meines schon zuvor im Jahr 1989 verstorbenen Vaters Arnold. Nachdem ich die Briefe gelesen hatte kam mir die Idee, aus diesen ca. dreihundert Briefen ein Buch zu erstellen und mit vorhandenen Originalbildern zu ergänzen. Das sollte für mich eine Reise in die Vergangenheit zu meinem Vater werden. Sein teils humorvoller aber auch nachdenklicher Schreibstil war mir irgendwie vertraut, denn er schrieb mir zwar nie einen Brief, aber er erklärte mir in meiner Jugend auf Spaziergängen nicht nur die Welt und die Natur, sondern erzählte auch aus seiner Zeit als Soldat und von seinen Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges als fliegender Beobachter in einer Ju 88. Arnold schenkt uns Einblicke in die Zeit als Soldat bei der deutschen Luftwaffe von 1941 bis 1944/45 auf recht unterhaltsame Art und Weise. Ich beschloss das Buch »Briefe in die Heimat von 1941 bis 1944/45« zu nennen. Vieles von dem, was mir mein Vater in meiner Jugend erzählte, stimmt mit dem Inhalt seiner Briefe überein, außer der Tatsache, dass er nicht mit der von ihm geschriebenen Meinung über den Krieg und dem sogenannten Endsieg übereinstimmte. Er wusste, während er damals schrieb, dass die Briefe vom Staat kontrolliert werden. Der anfänglichen Begeisterung sich freiwillig zur Deutschen Luftwaffe zu melden, kam mit der Zeit eine ernüchternde Erkenntnis über den Krieg. Durch die Zensur durfte er leider seine Gedanken darüber in den Briefen nicht zum Ausdruck bringen. Sehr zum Ärger seines blinden Vaters Paul, wie ich weiß, der den Nationalsozialismus verachtete. Er hatte sehr viel Glück in diesen dreieinhalb Jahren, als sich der begeisterte Segelflieger Ende 1941 freiwillig zur deutschen Luftwaffe meldete, um sich seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, einmal in großen Maschinen zu fliegen. Seine ganze Militärzeit betrachtete er sportlich, abenteuerlich und als erlebnisreiches Fliegen, musste aber auch einige Unfälle überstehen und einen schmerzlichen Verlust verkraften. Dieses Glück blieb ihm treu, als er eine Bruchlandung in einer Ju 88 leicht verletzt überlebte, den Fallschirmabsprung aus einer brennenden Ju 88-Kanzel ebenso und schließlich durch die Verletzung am Bein von einem Fußballspiel, nicht an einem Flugeinsatz als Beobachter in »seiner Ju 88« teilnehmen konnte. Diese Ju 88 wurde abgeschossen und seine Kameraden kamen alle ums Leben – den Verlust seiner Kameraden machte ihn fassungslos und hatte ihn tief erschüttert.

Lassen Sie sich also von Arnolds Briefinhalten, die seine ganz persönliche Auffassung des Erlebten sind, einmal in die Zeit von 1941 bis 1945 versetzen und folgen Sie seinen Standorten quer durch das damalige Deutschland.

Hinzufügend möchte ich klarstellen, dass ich jegliche Art von Krieg, Waffengewalt, Misshandlungen und Diskriminierung von Menschen, das Verherrlichen des Dritten Reiches, des Nationalsozialismus und Neo-Nationalsozialismus strikt ablehne.

Die Standorte der jeweiligen Geschwader denen Arnold von der Eltz angehörte, mit dem Beginn seiner Ausbildung in Detmold bis hin zum Ende in Kopenhagen, sind in seinem ehemaligen Wehrpass eingetragen. Dieser Wehrpass, die Bilder und sämtliche Briefe existieren noch.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: 1941 – Detmold

Kapitel 2: 1942 – Detmold

Kapitel 3: 1942 – Finsterwalde

Kapitel 4: 1942 – Senftenberg

Kapitel 5: 1942/43 – Bug auf Rügen

Kapitel 6: 1943 – Crailsheim

Kapitel 7: 1943 – Hörsching

Kapitel 8: 1943 – Heiligenbeil, Warschau, Krakau …

Kapitel 9: 1944 – Hopsten, Celle, Rheine, O. U. (Dänemark)

Kapitel 1: 1941 – Detmold

Detmold, Freitag, den 5.12.1941:

»Die ersten Soldatengrüße in die Heimat«

Detmold, Donnerstag, den 11.12.1941:

»Aller Anfang ist schwer und eine Bestellung in die Heimat«

Detmold, Sonntag, den 14.12.1941:

»Päckchen – Infanterist – Weihnachtsfeier«

Detmold, Donnerstag, den 18.12.1941:

»Kann leider kein Flugzeugführer werden und keine Weihnachtspäckchen«

Detmold, Sonntag, den 21.12.1941:

»Weihnachtsfeier – Besuch von meiner Schwester Erna – im Dreck liegen«

Detmold, Donnerstag, den 25.12.1941:

»Heimweh nach der Familie und Wanderung zum Hermannsdenkmal«

Detmold, Sonntag, den 28.12.1941:

»Ins Kino gehen, Päckchen öffnen und noch einmal vielen Dank Fritz«

Der erste Originalbrief von Arnold mit »ersten Soldatengrüßen« aus Detmold.

Detmold, Freitag, den 5.12.1941

Liebe Eltern und Bringfriede!

Die ersten Soldatengrüße sendet Euch von Detmold, Arnold. Will Euch mal jetzt einen kurzen Überblick geben über die Fahrt nach hier und die ersten Tage in der Kaserne, soweit dies gestattet ist. Also ungefähr um zwei Uhr nachmittags, kamen wir in Bad Kreuznach an, und von dort aus ging es um halb fünf im Sammeltransport weiter. Ich kann Euch sagen, bis Detmold war eine bummelige Fahrt. Vierzehn Stunden Bahnfahrt sind doch was furchtbar Langweiliges. In Detmold angekommen, ging es sofort in die Kaserne und hier hat es mir bisher gut gefallen. Ist ja bestimmt auch nur zu unserem Vorteil, wenn man mal soldatische Ordnung und Disziplin beigebracht und ab und zu mal hin und her gejagt wird. Doch das Hin und Her jagen und der richtige Drill beginnt ja doch erst bei der infanteristischen Ausbildung, die noch nicht begonnen hat. Die Verpflegung ist hier sehr gut, die Butter- und Fleischportionen sind bestimmt viel größer als daheim. Gestern Morgen waren wir zu einer Sportprüfung gewesen, bei der ich in einer Gruppe der Besten war. Es ist doch eigentlich schade, dass Ihr mich nicht besuchen könnt, wo Ihr doch so nahe seid.

Es ist auch schön, dass meine Schwester Erna so nahe bei mir ist, und ich freue mich heute schon auf meinen ersten Sonntagsurlaub, wenn ich dann nach Herford zu Erna fahren kann. Leider muss ich jetzt Schluss machen, denn es ist Zeit zum Zubettgehen. Bitte schreibt mir bald was von daheim und ob Hermann als Sanitäter von der Ostfront geschrieben hat und wie es ihm geht.

 

Für heute seid nun recht herzlich gegrüßt von

Arnold

Flieger A. v. d. E.

5. / Fl. Ausb. Reg. 33

Detmold / Lippe

Fliegerhorst

Detmold, Donnerstag, den 11.12.1941

Liebe Eltern und Bringfriede!

Will die paar freien Minuten ausnutzen und Euch wieder mal ein paar Zeilen schreiben. Nun, nachdem wir eingekleidet sind und uns eingerichtet haben, ging in dieser Woche das Exerzieren los. Schön ist das gerade nicht in diesem Sauwetter, das wir hier haben. Draußen herum zu rasen und sich in den Dreck zu legen; doch schlimm ist das gerade nicht, denn auch das muss man mal mitgemacht haben, sonst wäre man ja auch kein richtiger Soldat.

In dieser Woche üben wir eifrig für die Weihnachtsfeier der Kompanie. Es ist dies eine schöne Unterhaltung in der Freizeit zu musizieren und zu singen. Heute schrieb mir Erna, dass Ihr in Herford gewesen seid und kräftig Verlobung gefeiert habt. Den ganzen Sonntag war ich in Gedanken bei Euch und dachte immer, wenn ich doch nur dabei sein könnte. Denn wo Ihr seid, ist doch immer Stimmung und Leben und da mache ich doch jedes Mal gerne mit. Erna schrieb mir noch, dass sie mich vor Weihnachten besuchen will. Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, wie diese Nachricht mich erfreut hat.

Liebe Eltern, jetzt komme ich noch mit einer Bitte, oder besser gesagt, mit mehreren. Schickt mir bitte so schnell wie möglich folgende Sachen:

1. Meine Turnschuhe, 2. Ein Messer, 3. Seife

(auch Rasierseife, wenn das möglich ist).

4. Ein Glas Gelee, Stopfwolle grau, Nadel, mein Stoff-A.-Abzeichen im Schrank im Schlafzimmer und mein Haaröl.

Nun muss ich wieder Schluss machen, denn der U. v. D. versteht keinen Spaß, wenn man beim Stubendurchgang nicht im Bett liegt. Bitte, schreibt mir auch bald was aus der Heimat, denn Ihr wisst gar nicht, wie ich mich darauf freue.

Viele Grüße an Euch und Bringfriede sendet

Arnold

Detmold, Sonntag, den 14.12.1941

Liebe Eltern und Bringfriede!

Während ich diesen Brief schreibe, steht neben mir Euer Päckchen, das heute angekommen ist. Was das eine Freude für mich war, ein Päckchen aus der Heimat zu empfangen, könnt Ihr Euch vorstellen. Am liebsten möchte ich Euch einen Dauerauftrag geben mir alle paar Tage was zu schicken. Schade, dass Ihr mir keine größeren Pakete schicken dürft, ob das nur wieder mal in Sobernheim so ist, die anderen Kameraden bekommen jedenfalls Pakete. Somit könnt Ihr mir auch den größten Teil der Sachen nicht schicken, die ich haben möchte, ich brauche sie doch aber so dringend. Erna schrieb mir auch diese Woche, dass es Euch so gut in Herford gefallen hat, und dass sie mich noch vor Weihnachten besuchen will. Hoffentlich klappt‘s mit dem Besuch, denn es wäre doch mal eine erfreuliche Abwechslung in dem ewig gleichen Tageslauf. Vielleicht haben wir Weihnachten zum ersten Mal Sonntagsurlaub, je nach dem wir uns in der Zwischenzeit im Dienst verhalten. Wäre Erna dann in Herford, würde ich versuchen sie zu besuchen.

Der Dienst beginnt nun so allmählich immer strenger zu werden, denn wir müssen in dieser kurzen Ausbildungszeit alles lernen, was ein Infanterist so können muss. Mir macht der Dienst jedenfalls nicht viel aus, denn ich habe ihn mir immer so vorgestellt, vielleicht noch schlimmer. Diese Woche findet nun unsere Vereidigung statt und danach gehen wir vielleicht zum ersten Mal gemeinsam aus. Ebenfalls ist diese Woche unsere Weihnachtsfeier – meine erste Soldatenweihnacht, die ich erlebe. Unsere Freizeit war nun meistens für Proben der Feier ausgefüllt, daher ist auch wenig Zeit zum Briefeschreiben.

Unsere Zivilbrocken haben wir noch nicht abgeschickt, es ist auch nicht bestimmt, wann diese weggeschickt werden. Die Kleidung wird ja »schön« aussehen, wenn sie endlich daheim ankommt …

Nun ist es schon wieder Zeit aufzuhören, denn wir wollen mal zur Kantine gehen, um einiges einzukaufen und mal ein Glas Bier zu trinken. Eben habe ich von Stubenkameraden gehört, dass keine Feldpostpäckchen, aber Pakete geschickt werden dürfen. (Merkt Ihr was?) Wenn Ihr Briefpapier habt, schickt mir bitte so viel, wie Ihr könnt, hier ist keins zu kriegen.

Also, für heute grüßt Euch herzlich

Arnold

Detmold, Donnerstag, den 18.12.1941

Liebe Eltern, Bringfriede und Kinder!

Während meine Kameraden musizieren, singen und für die morgige Weihnachtsfeier üben, schreibe ich Euch diesen Brief. Ich nehme auch an der Feier teil und werde Hawaiigitter spielen – mit der Nase natürlich.

Die Nasenflöte ist ein einfaches Musikinstrument, bei dem der aus der Nase kommende Luftstrom in den Mundraum umgelenkt wird. Die Tonhöhe wird, wie beim Pfeifen und bei der Maultrommel durch die Veränderung der Größe des Mundraumes erzeugt.

Heute war unsere Vereidigung und nun sind wir somit die jüngsten Soldaten Deutschlands. Diese Woche war auch die Eignungsprüfung zum fliegenden Personal und ich soll nun Bombenschütze werden. Flugzeugführer werde ich nicht, wegen meiner Hand. Es ist ja auch gleich, als was man seine Pflicht tut und schließlich ist ja Bombenschütze nicht der schlechteste Posten im Bomber. In den letzten Tagen war der Dienst mal ziemlich streng als Strafe, weil sich manche zum Dienst nicht rasiert hatten. Der Schweiß lief mir nur so unter dem Stahlhelm, und wir waren fix und fertig bis auf die Knochen. Lieber Papa, Du kennst ja auch sicher die bekannten Übungen mit dem Gewehr. Am anderen Tage hatten wir Muskelkater, wie man ihn selbst beim Turnen noch nicht kriegt. Doch ist der Dienst um, dann ist das alles schnell vergessen und man macht wieder Witze und ist guter Laune.

Liebe Eltern, wie schade ist es, dass Ihr kein Weihnachtspäckchen schicken könnt mit Plätzchen und Kuchen oder Äpfel. Denn nach so was sehnt man sich als Soldat besonders. Ich glaube, Sobernheim hat da mal wieder seine eigenen Gesetze, denn meine Kameraden bekommen fast alle Päckchen. Doch wir wollen erst mal unsere Weihnachtsfeier abwarten, wir wissen ja noch nicht, was wir da bekommen. Am Heiligen Abend werden wir dann noch in der Stube Weihnachten feiern.

Nun möchte ich mich noch für die beiden Päckchen bedanken, ebenso Dir Bringfriede für das Geld. Nur um eins muss ich Euch bitten, mir kein Geld mehr zu schicken, denn wir dürfen nicht mehr als 20 Mark haben. Wenn ich welches brauche, schreibe ich Euch. Vor acht Tagen haben wir erst 23 Mark Löhnung erhalten und ich konnte gleich 14,- Mark zur Bank schicken.

Liebe Mama, mein Segelflieger A-Prüfung-Abzeichen brauchst Du nicht weiter zu suchen. Wenn Ihr könnt, schickt mir bitte Briefpapier und Umschläge, denn ich muss mir das Briefpapier schon bei meinen Kameraden leihen. Wie geht es Hermann, hat er mal wieder geschrieben? Wie geht es sonst so in der Heimat? Ihr könnt mir ja mal ab und zu eine Zeitung schicken und vergesst nicht, mir ein Glas Gelee bei Gelegenheit zu schicken. Die leeren Gläser schicke ich Euch in einem der Kartons zurück. So eine Nebenkost ist immer willkommen.

Seid nun nochmals alle recht herzlich gegrüßt und recht frohe Weihnachten wünscht Euch

Arnold

Detmold, Sonntag, den 21.12.1941

Liebe Eltern und Bringfriede!

Ich möchte Euch die Antwort auf Euren heute erhaltenen Brief nicht länger schuldig bleiben. Heute Mittag, nach Stubendurchgang und Spind-Appell des Zugführers, haben wir den ganzen Nachmittag frei und ich kann nun ungestört meine Korrespondenz erledigen. Ich will heute noch nach Völklingen, der Tante Manda und Onkel Kurt, der schon Gefreiter wie Hermann ist, schreiben.

Liebe Mama, ganz so trostlos ist es nun doch nicht bei uns zu Weihnachten. Wir hatten vorige Woche Freitag, ein Tag nach unserer Vereidigung, eine Kompanie-Weihnachtsfeier, da war bestimmt alles dran. Zuerst kam der feierliche Teil mit Weihnachtsliedern und Vorträgen, dann der lustige Teil. Unser Kompaniechef war ganz begeistert und auch der Regimentskommandeur, der anwesend war, sprach seine Anerkennung aus. Ich wirkte bei der Feier im lustigen Teil auch mit, und zwar spielte ich, wie im vorigen Brief erwähnt, Hawaiigitter mit der Nase. Ich kann Euch sagen, alles hat gelacht. Als Getränk bekamen wir Glühwein und zum Futtern eine Unmenge Gebäck und Äpfel, ganz wie daheim. An diesem Abend gab es auch noch ein prima Essen. Kotelett, Kartoffeln und Gemüse, also, es fehlte uns an nichts. Heiligenabend wird natürlich auf der Stube auch noch mal gefeiert. Kuchen, Gebäck usw. haben wir genug dazu und Nahewein haben wir auch schon bestellt. Es wird bestimmt schön. Meine Kameraden, die mit mir auf einer Stube liegen, sind zum größten Teil aus dem Saargebiet und aus der Bad Kreuznacher Gegend. Da ja wir fast alle ein und dieselbe Sprache oder denselben Dialekt sprechen, verstehen wir uns prima. Auf meiner Stube liegt auch ein Sohn eines Druckereibesitzers, Rubel mit Namen aus Lebach, bei dem Onkel August einmal gearbeitet hat. Gestern, nach der Parole, ruft mich der U. v. D! Na, dachte ich, was habe ich denn jetzt verbrochen, doch so nebenbei dachte ich weiter, Erna ist bestimmt da und tatsächlich – so war es auch. Ich rannte nun auf dem schnellsten Wege zur Wache, daraus konnte man allein schon sehen, wie ich mich auf diesen Besuch freute. Leider hatte ich ja nur eine Viertelstunde Zeit, doch ich tröstete mich damit, dass Erna nicht das letzte Mal hier war. Gell, so ist es doch, Erna! Und ein Paket hatte sie auch mitgebracht. Da ich den Inhalt jetzt gesehen habe, liebe Erna, möchte ich mich nochmals recht herzlich bedanken, besonders für den Rasierapparat. Ihr wisst gar nicht, was so ein Paket für Wunder wirkt. Denn war der Dienst einmal ziemlich streng und hart, und es haftet einem noch etwas davon an, dann ist Post oder ein Paket immer das Richtige, was wieder alles vergessen lässt. Deshalb kannst Du Dir denken, liebe Mama, wie mich das freut, dass ein Paket für mich unterwegs ist.

Unsere Ausbildung läuft jetzt auf vollen Touren, und es gibt manchmal Tage, an denen wir mehr im Dreck liegen als wir stehen. In dieser kurzen Zeit von zwölf Wochen, muss ja auch der Dienst so hart sein, denn bis dahin haben wir ja auch noch viel zu lernen, und dann ist es ja bei uns so wie überall. Jede Kompanie, jeder Zug und jede Gruppe wollen natürlich die Beste sein, und da kommt es auch wieder in erster Linie auf die Vorgesetzten und letzten Endes auf die Kameraden an. Unsere Vorgesetzten sind fast alle so in Ordnung, nur haben wir in unserer Gruppe so blöde Kerle, die einfach das nicht können, was von uns verlangt wird und beim Kommiss heißt es ja immer: »Alle für Einen und Einer für alle«, sonst wäre der Dienst bestimmt halb so wild. Aber wie ich immer denke, es schadet uns bestimmt nicht und mir macht das alles nichts aus. Schließlich bin ich ja vom Sport aus daran gewöhnt.

Nun schreibst Du noch, liebe Mama, das Fritz auf Urlaub ist. Lieber Fritz, wäre das schön, wenn ich jetzt bei Euch wäre? Dann säßen sich wieder zwei verbissene Schachspieler gegenüber oder die Zeit ging dahin beim Billard spielen. Na, hoffen wir auf den nächsten gemeinsamen Urlaub! Schreibe mir doch bitte auch mal etwas von Dir, es würde mich bestimmt sehr freuen. Also, ich rechne fest damit.

Zum Schluss möchte ich Euch allen nochmals ein recht frohes Weihnachtsfest wünschen und hoffen, dass Erna und ihr Freund Ewald mich sobald wie möglich nach ihrer Rückkehr besuchen und etwas aus der Heimat erzählen.

Seid nun alle recht herzlich gegrüßt

Arnold

PS: Während ich den Brief schreibe, wird wieder auf der Stube musiziert.

Arnolds »Schachlehrer« Onkel Fritz bei seinem Lieblingsspiel.

Detmold, Donnerstag, den 25.12.1941

Liebe Eltern und Geschwister!

Nun habe ich zum ersten Mal Weihnachten fern von daheim erlebt und gefeiert. Und ich will ehrlich sagen, wenn ich an daheim denke, will mir das Heimwehgefühl aufkommen. Im Geiste sah ich Jürgen vorm Tannenbaum stehen und die Lichterpracht anstaunen, und wie er seine Eisenbahn fest in den Händen hält. Am Abend wart Ihr alle in der gemütlich eingerichteten Wohnstube bei einem Glas Wein versammelt, Fritz war doch sicher auch dabei. Doch ich muss sagen, Weihnachten im Kameradenkreise feiern ist fast ebenso schön wie daheim. Gestern Abend saßen wir auch gemütlich in unserer Stube, in der Mitte der Tische stand ein auf Solddatenart organisierter Tannenbaum, und als Getränk hatten wir – Nahewein. Gelt, da staunt Ihr, für jeden standen zwei Flaschen zur Verfügung – eine habe ich für Neujahr aufgehoben. (Allerdings ist schon wieder Wein nach hier unterwegs). Und dann hatte jeder etwas spendiert. Sei es Gebäck, Kuchen, Äpfel usw. Und so konnte für jeden ein schöner Teller zurechtgemacht werden. Also ich kann Euch sagen, fast wie daheim. Natürlich saß auch in unserer Mitte unser Gruppenführer, ein Unteroffizier. Einen besseren Vorgesetzten könnten wir uns nicht wünschen. Eben kam mit der Post ein Schifferklavier an und nun schreibe ich meinen Brief mit Musikbegleitung weiter. So wird uns Soldaten in unserem Dienst viel Abwechslung geboten. So waren wir vorgestern im Kino. Es lief der Film »Männerwirtschaft« und die Wochenschau und morgen am zweiten Feiertag sehen wir den Film »Carl Peters«. Meinen Brief musste ich heute Mittag unterbrechen, denn wir wurden zum ersten Mal gemeinsam ausgeführt. Allen Kameraden konnte man die Freude darüber im Gesicht ablesen. Denn das ist doch klar, nach vierundzwanzig Tagen Kasernendienst, ist so ein Spaziergang eine schöne Abwechslung und Erholung. Unser Marschziel lautete: »Hermannsdenkmal«. Vorher besichtigten wir noch die schöne Stadt Detmold und dann begann der mühsame Aufstieg zum Denkmal. Wir mussten uns ja beeilen, denn unsere Zeit war knapp bemessen. Unterwegs begann es auf einmal furchtbar an zu schneien und die Wolken hatten das Denkmal ganz verhüllt. Na, das kann ja gut werden da oben, dachten wir, denn wir wollten doch mal die ganze Umgebung ansehen. Doch oben angekommen, war das Wetter plötzlich wie umgewandelt und wir hatten vom Denkmal aus, die schönste Aussicht, die man sich nur denken kann. Zur weiteren Verschönerung des Tages tranken wir noch in dem auf dem Berg stehenden Lokal ordentlich Kaffee und zum Kaffee wird natürlich Kuchen gegessen. Doch zu schnell vergehen diese schönen Stunden und im Sturmschritt ging es wieder der Kaserne zu.

 

Liebe Eltern, wie ich ja kurz in den paar Zeilen erwähnt hatte, ist Euer Paket rechtzeitig angekommen, und da ich Euch ja aus Dankbarkeit nichts schenken oder sonst was für Euch tun kann, so schreibe ich, als kleine Gegenleistung so oft ich kann. Ihr freut Euch doch ganz bestimmt, wenn von mir Post kommt, und die Freude möchte ich Euch so oft wie möglich geben – leider war das Geleeglas total zerbrochen und somit der Gelee ungenießbar. Nun zum Schluss noch etwas vom Dienst. Allmählich beginnt man schon einen Erfolg unserer Ausbildung zu spüren, denn jetzt können wir doch einigermaßen gehen und strammstehen. Doch unsere Gang- oder Laufart ist unseren Ausbildern noch viel zu langsam. Die langsamste Gangart in der Kurve beim Militär ist folgende: »Das Ohrläppchen berührt den Boden, das Seitengewehr steht waagerecht und die Socken fangen an zu qualmen«.

Also wenn unsere Ausbildung vorbei ist, sind wir alle erstklassige 100-Meter-Läufer. Wir Sportler wollen ja sowieso den Dienst mit unserem Wintertraining vergleichen, ein besseres Training könnten wir uns ohnehin nicht wünschen. Doch nun komme ich zum Schluss, denn jetzt musizieren wir noch etwas auf der Stube.

Viele Grüße sendet Euch, liebe Eltern und Geschwister, lieber Ewald und Onkel Fritz

Euer Arnold

Detmold, Sonntag, den 28.12.1941

Liebe Eltern und Geschwister!

Ihr seid nun wohl bestimmt erstaunt, schon wieder einen Brief von mir zu erhalten. Ich hätte ja früher nie geglaubt, dass ich so oft schreiben würde. Aber Ihr wisst gar nicht, wie gerne ich diese Pflicht erfülle. Denn als das kann ich es ruhig bezeichnen und ich weiß auch, dass Ihr Euch auf jeden meiner Briefe freut.

Wie ich Heiligabend und ersten Feiertag verbracht und erlebt habe, schilderte ich bereits und will nun meine Schilderung fortsetzen. Am zweiten Feiertag war zu unserer gemeinsamen Freude, wieder geschlossen Ausgang. Der Tag war winterlich klar und so recht geschaffen zu einem ausgedehnten Marsch in die weitere Umgebung Detmolds. Nachdem wir uns hungrig und durstig gelaufen hatten, kehrten wir in ein im Wald versteckt liegendes Café ein und tranken dort erst mal ordentlich Kaffee – Kuchen war natürlich auch wieder dabei. Doch zu Hause angekommen, wartete wieder ein neues Vergnügen auf uns. Wir sahen den Film »Carl Peters«. Am Abend zuvor sahen wir den Film »Das Verlegenheitskind« und gestern »Auf Wiedersehen Franziska«. Doch diese Kette reißt nicht ab, denn heute gehts wieder ins Kino zum Film »Links der Isar, rechts der Spree«. Also, Ihr seht, was uns hier für eine Abwechslung geboten wird. Fünfmal in der Woche ins Kino und wahrscheinlich sehen wir diese Woche noch mehr Filme. So oft hatte ich daheim nicht das Vergnügen – höchstens alle zwei Monate einmal. Ich glaube, dass diese schönen Abwechslungen in unserem harten Dienst ihren Zweck erfüllen und etwaige auftauchende trübe Gedanken verscheuchen helfen. Die Zeit geht ja wie im Fluge dahin, nun ist schon bald ein Drittel unserer Ausbildungszeit herum, noch zwei Mal dieselbe Zeit und wir werden wieder auseinandergerissen. Der eine kommt auf eine Flugzeugführerschule, der andere wird Bombenschütze usw. Wir Kameraden müssen uns wieder trennen, um uns vielleicht nicht mehr wiederzusehen. Doch an ihre Stelle treten wieder andere und die Kameradschaft wird genau dieselbe werden, wie sie in unserer ersten Soldatenzeit war.

Mir kommt es manchmal vor, als wäre ich zeitlebens Soldat gewesen und nie Zivilist. Das kommt mir öfters wie ein Traum vor, doch der Gedanke an die Heimat, bleibt immer wach. Bis dahin wird wohl noch eine schöne Zeit vergehen und wenn ich dann mal nach Hause komme, werdet Ihr einen anderen Sohn vor Euch haben, der die Menschen kennengelernt, der eine harte aber lehrreiche Schule hinter sich und viel erlebt hat. Am 2. Weihnachtstag begann bei uns der Winter, auf den wir uns alle gefreut hatten. Denn die ganze Zeit hatte es unaufhörlich geregnet, und es war nicht gerade ein Vergnügen durch den Schlamm gezogen zu werden. Jetzt, da es tüchtig geschneit und gefroren hat, fällt nun das flach, doch dafür geht‘s jetzt rein in den Schnee, sodass wir von einem echten Schneemann kaum zu unterscheiden sind. Man glaubt kaum, auf welche Ideen die Ausbilder kommen, um uns so richtig durch den Schnee zu ziehen. Doch das macht jedem Spaß und jeder fasst es von der heiteren Seite auf. Nur werden die Hände verflucht kalt, besonders wenn mit Gewehr exerziert wird. Also, die Vorteile des Winters werden durch die Nachteile ausgeglichen. Hat bei Euch der Winter auch angefangen und ist dort so klares Wetter mit Sonnenschein? Jetzt müsste ich daheim sein und dann ging es wieder hinaus in den Schnee, in die Natur, um die herrliche Winterpracht zu genießen. Eben gab es eine angenehme Unterbrechung, die Post ist da! Ich erhielt Eure Karte aus Monzingen und ein Weihnachtspäckchen von Tante Manda. Also hatte die Post mich reich beschert. Das konnte ich mir doch denken, dass Ihr über Weihnachten einen heben geht, aber gleich 3 Liter Nahewein? Ja, wenn ich da dabei gewesen wäre … Den Heimweg kann ich mir ja so gut vorstellen! Lieber Papa, darauf kannst Du Dich verlassen, dass wir beide zusammen eine 3-Liter-Flasche knacken werden auf meinen ersten Urlaub, ohne mit der Wimper zu zucken. Ganz so trocken sitzen wir hier auch nicht. Ich habe zum Beispiel zwei Flaschen Nahewein im Spind liegen, sodass ich doch etwas im Training bleibe.

Liebe Erna, wenn ich nach dem Inhalt der Karte urteilen soll, dann sehen wir uns vielleicht heute in acht Tagen wieder. Ewald kommt doch sicher auch mit. Wenn Ihr also kommt, dann schreibt mir bitte vorher wann und zu welcher Zeit, denn sonst sitze ich vielleicht in der Kantine oder im Kino, oder wir werden ausgeführt und Ihr seid umsonst hier gewesen – das darf auf keinen Fall passieren.

Lieber Fritz, hast Du einen Billardpartner gefunden oder spielst Du solo? Was meinst Du, wenn ich jetzt daheim wäre, ich garantiere Dir, den ganzen Tag ging uns das Billard spielen nicht aus dem Kopf und abends würden wir unseren bisschen Geist beim Schach spielen anstrengen. Hier kann ja doch keiner spielen. Ich bin Dir heute noch dankbar dafür, dass Du mir das Schachspielen so gut beigebracht hast. So, nun muss ich Schluss machen, denn jetzt geht es hinein ins Kino zu zwei Stunden lachen und Frohsinn.

Viele Grüße und ein frohes gesundes neues Jahr sendet Euch allen

Euer Arnold

PS: Liebe Eltern, nun kommt noch eine Bitte, wenn Ihr Seife und Zahnpasta übrighabt, dann schickt mir bitte die Sachen, wir bekommen ja keine Seife oder nur wenn, sehr wenig.