Buch lesen: «Blutspuren im Teufelsmoor»

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Blutspuren im Teufelsmoor

Ein Roman von

Barni Newman

Datum: 30/11/2014

IMPRESSUM

Text, Cover & Illustrationen

Copyright: © 2014 Barni Newman

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-2452-0

HINWEIS: Die Handlung und alle handelnden Personen in diesem Buch sind vom Autor frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.

Schon bald werden sie wieder zu hören sein, “Die Kinder der Nacht”, wie sie heulen bei Vollmond. Erst nur ganz leise aus der Ferne, aber schon bald, sehr bald auch wieder vor Deiner Tür.

Rückblick

Seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts gilt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. Das gehassteste Tier in Europa.

Das Märchen “Rotkäppchen” und Erzählungen wie “Peter und der Wolf” kannte früher ein jedes Kind. Einst dienten sie dazu so früh wie möglich die Angst zu lehren, und den Instinkt zum überleben in die Menschen zu implementieren. Schon das kleinste Anzeichen der Anwesenheit von Wölfen, ein Schatten, ein Knurren, ein Kratzen musste zum auslösen einer Überlebensstrategie führen. Das bloße ziellose Flüchten würde ein tödliches Ende nehmen, denn der Wolf ist ein Hetzjäger, und seine Beute am Ende völlig entkräftet und wehrlos. Einen Baum erklimmen und in der Höhe ausharren bis zum nächsten Tag konnte das eigene Leben schon retten.

Noch gut 50 Jahre nach dieser Zeit wurden die Geschichten erzählt, obwohl kein einziger Wolf mehr gesichtet wurde.

Die Ausrottung gelang damals aber nicht mit der herkömmlichen Jagt mit Waffen, Treibjagden oder Fallen. Nein, dies konnte die Bestände seinerzeit kaum gefährden. Dies gelang erst mit dem Einsatz der heimtückischsten aller erfundenen Waffen des Menschen, dem Gift Strychnin. Damit präparierte Kadaver wurden auf die bekannten Wechsel gelegt und die Aas fressenden Räuber im großen Stiel getötet.

Den letzten getöteten Wölfen einer Region wurde hier und da ein Denkmal gesetzt. Ein Gedenkstein als Mahnmal - eine Nachricht aus der Vergangenheit ... in Stein gemeißelt ...


Der letzte Wolf in Westfalen

Die Nachkriegsentbehrungen der Wiederaufbauzeit ließen so manche Saga entstehen. Wilderei war auf dem Lande überlebenswichtig, und die Entwaffnung des Volkes trug nicht grade dazu bei. So kam es in Lichtenmoor zu einer Reihe ungeklärter Fälle und schnell stürzte sich die Presse darauf und sponn die Geschichte vom Würger die weite Kreise zog. Treibjagden und Großwildjäger gaben sich ein Stelldichein und letztlich wurde ein Wolf zur strecke gebracht, dessen Kadaver auf mysteriöse Weise verschwand und später unbrauchbar wieder auftauchte.

Bis 1956 wanderten noch mindestens vier weitere einsame Wolfsrüden ins Land zwischen Weser und Aller ein. Sie wurden vergleichsweise unbeachtet zur Strecke gebracht.

Die Zeiten haben sich geändert. Die D-Mark floriert, die Bürger der jungen Bundesrepublik widmen sich hingebungsvoll dem großen Fressen, Fleisch gibt es wieder in Fülle. Und ein "Würger" wird nicht mehr gebraucht.


Der letzte Wolf bei Laußnitz

Buch I

Kapitel 1 Begegnungen

Und dann in den Neunzigern des neunzehnten Jahrhunderts kippte die Stimmung. Die nächsten Generationen, aufgewachsen im Wohlstand und Friede, ohne Leid. Sie kannten keinen Hunger und Wildtiere meist nur aus dem Streichelzoo. Sie hatte keine Ahnung von der gnadenlosen, den Tot bringenden, Gefahr. Und es kam wie es kommen musste.

Einige wenige verblendete Menschen erhoben die Bestie von einst in den Status einer geschützten verharmlosten Kreatur, gleich einem Murmeltier. Niemals würde von ihr eine Gefahr ausgehen, im Gegenteil, der Mensch war schon immer das Böse.

Doch die Natur kennt keine Gnade. Und so kam klammheimlich die Bestie zurück und weilt nun wieder unter uns, gehasst ... vergessen ... und doch beschützt und unerkannt verfolgt sie ihre eigenen Ziele...

1.1 Die Rückkehr

Seit dem Jahre 2000 wurden wieder vereinzelt Wölfe (Canis Lupus) in Deutschland gesichtet, zunächst nur in der Lausitz, aber bald schon im ganzen Land. Was für Umweltschützer eine gute Nachricht ist, treibt Jäger und Bauern auf die Barrikaden. Naturschützer behaupten in ganz Deutschland wäre Platz für 450 Rudel, das heißt, das tausende Wölfe hier leben könnten. Das dies extrem unrealistisch ist, mit Hinblick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung, ist selbst ihnen bewusst. Die Wolfsbeauftragte Frau Habbe geht sogar soweit zu behaupten “es gehe keine Gefahr von den Tieren aus, sie würden sich normalerweise Häusern nicht nähern”.

Der Truppenübungsplatz am Rande der Lüneburger Heide bei Munster ist ein idealer Lebensraum für allerlei Wildtiere. Nieder-, Schwarz-, Reh-, Damm- und Rotwild geben sich hier ein permanentes Stelldichein. Ihre Ausbreitung kann von den ansässigen Jägern kaum im Zaum gehalten werden, sodass die niedergelassenen Landwirte immer wieder erhebliche Ernteschäden hinnehmen müssen. Die riesigen Wald- und Freiflächen sowie die dünne Besiedlung durch den Menschen ermöglichten diesen Artenreichtum und bilden auch die Grundlage für die Ansiedlung von Wölfen. Seit 2011 werden sie hier vereinzelt gesichtet. Das erste Paar konnte hier 2012 nachweislich drei Junge aufziehen, 2013 waren es hier bereits sieben Welpen.

Ein weiteres Wolfsrudel, mit mindestens vier Welpen in 2013, hatte sich auf dem Truppenübungsplatz Bergen angesiedelt. Die ähnlichen Bedingungen wie bei Munster sind bestechend für eine Erstansiedlung.

Im Wendland konnte sich ein weiteres Wolfsrudel ansiedeln. Nachdem im Frühjahr 2013 zunächst nur zwei Wölfe gesichtet wurden, erbrachten Fotos den Nachweis von sechs Welpen.

Auch hier nur dünne Besiedlung. Man könnte meinen der Wolf meidet den Menschen, doch weit gefehlt.

1.2 Lausitz

Der Freund seines Sohnes spitzte immer die Ohren wenn der Forstwirt in der Lausitz erzählte. Bei einem gemeinsamen Grillabend erfuhr er vom Nachwuchs im Wolfsrudel. Mit Begeisterung und Stolz erzählte der alte Jäger freizügig von seiner Entdeckung, der Neuzugänge in seinem Revier und wo diese ungefähr zu finden sind. Mit einer Fotofalle hatte er sie erwischt. Er erzählte auch das der Wolf denselben Schutzstatus wie der Elefant und Panda geniest und es etwas ganz besonderes sei, diese seltenen Tiere im eigenen Revier zu haben. Nicht ahnend das der Freund seines Sohnes etwas ganz anderes im Schilde führte. Er war der Sohn des Schafzüchters und heuchelte schon seit Wochen Interesse an den Geschichten des alten Jägers und bekam an diesem Abend schließlich den entscheidenden Hinweis.

Mit Schrotflinten bewaffnet machten er und seine zwei Brüder sich auf zum Bau der Wölfe. Sie hatten den Abend gut vorbereitet. Ihr Vater saß mit dem alten Jäger im Wirtshaus und trank. Sie diskutierten über den Staatlichen Ausgleich für gerissene Schafe. Die jungen Männer näherten sich dem Wald in dem der Bau des Rudels sei. Es war schon nach 20:00 Uhr als sie den Jeep in der Nähe parkten. Die alten Wölfe waren bereits auf der Jagt und etliche Kilometer entfernt. Der frische Nachwuchs wurde von drei Jungtieren versorgt, welche den nahenden Jeep sofort als direkte Bedrohung einstuften. Jeder der Jungwölfe schnappte sich ein oder zwei Welpen und gemeinsam ergriffen sie die Flucht. Ein Ausweichquartier nur ein bis zwei Kilometer entfernt war ihr Ziel. Doch eines der Welpen, das schwächste kam nicht mit. Zu groß war die Aufregung über die nächtliche Störung.

Ein paar Tage später gab es eine Nachricht in der Tageszeitung über den Fund eines getöteten Welpen, mitte Dezember in der Lausitz. Unbekannte hatten das Tier mit Schrot geschossen und den Kadaver auf einer Wiese liegengelassen. Tierschützer setzten 10.000,- Euro Belohnung zur Ergreifung der Täter aus.

1.3 Kolkhagen

Der Bürgermeister der Gemeinde Barnstedt (Landkreis Lüneburg) kann seinen Augen kaum glauben. Schon oft hat er angefressene Tierkadaver am Straßenrand gesehen. Doch dieser Fund bei dem kleinen Dorf Kolkhagen ist anders.

“Da war nichts mehr dran an dem Wildschwein, alles akribisch abgenagt”.

Anwohner haben sofort den Wolf in Verdacht. Denn immer wieder wurde das Raubtier nahe der Gemeinde gesichtet. Beunruhigend ist dieser Vorfall besonders deswegen, das der Schauplatz sich nur 350 Meter von dem Ort Kolkhagen entfernt befindet. Immer häufiger werden Wölfe auch in bebauten Gegenden gesichtet.

“Der Wolf hat keine Angst vor Siedlungen” bestätigt ein Wolfsberater. “Es geht ihm nur um seine Kinderaufzucht und um die Suche nach Futter”.

Der Wolf hat keine natürlichen Feinde, steht unter Naturschutz und hat somit hierzulande keine Dezimierung zu befürchten.

Und sie kommen immer näher ...

1.4 Celle

Ein Waldstück in der Nähe von Celle. In der Abenddämmerung bezieht ein Jäger auf seinem Hochstand Stellung. Der fast volle Mond steigt auf, aber es ist kaum was los, nur ein paar Hasen. Nach ca. zwei Stunden entdeckt er ein Reh das am Waldrand äst. Er hat eine Abschussfreigabe für mehrere Stück Rehwild. Nach wenigen Minuten hat der Jäger freie Sicht. Er blickt zum Mond, der in Kürze hinter den Wolken verschwinden wird. Er richtet sein Gewehr aus, schießt und trifft.

Kurze Zeit später schließt er die Fenster vom Hochstand und steigt mit dem entladenen Gewehr auf dem Rücken herab. Auf dem Weg zum Reh bricht er traditionell einen Zweigspitze von einer Tanne ab. Als der Jäger das Reh inspizieren möchte, bemerkt er etwas hinter sich. Er dreht sich um, wenige Meter entfernt steht ein Wolf im Schein seiner Taschenlampe. Auch er hat es auf das Reh abgesehen. Der Wolf zeigt keine Furcht. Der Jäger geht auf Nummer sicher, verlässt rückwärts den Ort, und überlässt das Reh dem Wolf. Er geht noch 30 Meter rückwärts und leuchtet hinter sich auf den Boden. Dann dreht er sich um und geht mit langen bestimmten Schritten zügig zu seinem Auto. Er schließt die Tür hinter sich und atmet durch.

“Was war denn das, so etwas gibt es doch gar nicht”. Er sieht sich im Spiegel selber in die Augen, und bemerkt das sein Gesicht aschfahl scheint obwohl sein Puls auf 180 ist. Er atmet mehrmals tief durch, bevor er beschließt am nächsten Tag zurückzukommen, und die Reste des Rehs zu untersuchen. Er startet das Auto und fährt langsam den Wirtschaftsweg in Richtung Hauptstraße. “Das glaubt mir doch wieder keiner”

1.5 Vollersode


Es ist Nacht, der Mond spendet nur wenig fahles Licht. Der Nebel zieht vom Moorgewässer über die Weiden, das Gras ist nass und kühlt. Aus der Ferne ertönt das tuten eines Zuges, sonst ist es still. Ich laufe, laufe immer weiter durch die Nacht, der Mond weist mir den Weg. So haben es die Alten immer beschrieben, laufe, laufe so lange du kannst. Ich bin schon lange außerhalb der sicheren Zone, habe die Sandhügel hinter mir gelassen und laufe schon die zweite Nacht, ich bin Fähe eine Tochter aus Munster. Ich hatte die Gängeleien der Brüder und Schwestern nicht mehr ertragen, ich musste da weg. Habe nur noch auf den hellen Mond gewartet und seit dem laufe ich, laufe in Richtung des frühen Mondes. Die Alten sagten laufe mindestens drei Nächte ohne Rast, dann suche ein sicheres Dickicht, und beobachte die Umgebung. Entdeckst du die Zeichen, laufe weiter denn sonst bist du des Todes. Jage nicht wie du es gelernt hast, dafür ist keine Zeit, friss was du findest, es ist genug für alle da.

Der Morgen dämmert, ich laufe, eine Lichtung, ich rieche sie, ich habe Hunger. Das hohe Gras am Waldrand gibt mir Deckung, ich rieche sie, ein Reh gebar ein Kitz. Der Geruch leitet mich direkt ins Ziel, es ist genug für alle da. Die Mutter flüchtet, das Kitz schreit, es ist zu spät. Ein Biss und es verstummt. Ich fresse das warme Fleisch so schnell ich kann. Im Rudel fraß man nie allein, man musste seinen Anteil verteidigen. Es lehrte uns die Umsicht und so sehe ich auch jetzt was mich umgibt. Ich stehe auf einer Lichtung im hohen Gras, man kann nur ein paar Meter weit sehen, die Reh-Mutter läuft noch immer in Richtung Moor. Ich bin Fähe, die Tochter von Munster auf dem Weg in die Freiheit. Noch einen Bissen und ich laufe in den nahen Wald.

Hier gibt es wieder Hügel, Tannen und Sand wie dort wo ich aufgewachsen bin. Dort gab es Sand, viel Sand und im Sommer ein Blütenmeer. Ich durchquerte die flache moorige Ebene in zwei Nächten, und hier auf der anderen Seite will ich schlafen, verborgen im trockenen Sand unter Tannen und Brombeerdornen, und morgen Nacht werde ich die Gegend erkunden.


Ein großes Gehöft bei Vollersode, Landwirtschaft wird schon lange nicht mehr betrieben. Drinnen brennen Kerzen, ein Fernseher läuft, Nachrichten aus der Region. Ein ortsansässiger Jäger beobachtete einen Wolf. Ein gerissenes Rehkitz wurde gefunden. Die DNA Analyse des Speichels bewies das es sich wirklich um einen Wolf handelt, eine Wölfin aus Munster. Die Nachkommen des Rudels seien auf der Suche nach neuen Revieren berichtet stolz die Wolfsbeauftragte Britta Habbe mit einem strahlenden Gesicht, eine junge Frau Anfang Dreißig. Das Tier stelle keine große Gefahr da, denn es werde sich normalerweise Häusern nicht nähern.

“Nicht nähern!” Reini spring auf, sieht Ute an, “definiere mal Nähe!”. Er geht in den Keller, kramt im Stahlschrank, 50, 100, 150. Zurück im Wohnzimmer “Ich fahre morgen zur Genossenschaft, habe nur noch Patronen für 150 Schuss”. Dann schweigen.

Beide wissen das Rehkitz wurde keine 200 Meter von ihrem Gehöft entfernt gefunden. Reini klingen plötzlich die Worte seines Opas wieder in den Ohren.

Er lebte in einer Zeit da es hier noch Wölfe gab. Reini hasste seinen Vater für den er nie gut genug war, aber seinen Opa hatte er vergöttert. Wenn der nicht vom Krieg erzählte, dann von dem Kampf gegen die Wölfe. Es gab eine Zeit da durfte man des Nachts nicht alleine von einem Dorfe ins andere laufen, man hätte es nicht überlebt. Damals gab es keine Autos, und nur die Reichen hatten eine Kutsche. Aber auch die war nicht so sicher denn Pferde waren auch Beutetiere. Damals wurde eben viel gelaufen, und hier in der Gegend gab es ein großes Moor. Sein Opa erzählte auch von aus Eisen geschmiedeten Wolfsangeln die zum Fangen von Wölfen verwendet wurden. Die mit Widerhaken versehenen Enden wurden mit Ködern, zum Beispiel mit den Eingeweiden erlegter Jagdtiere, bestückt und an einem Baum so hoch aufgehängt, dass der Wolf danach springen musste, um zuschnappen zu können. Der Wolf blieb mit dem Maul hängen und verendete. Die verschiedenen Formen der Haken zieren bis heute noch so manches Stadt-Wappen.

Reini und Ute haben drei Kinder. Das Haus im Grünen war schon immer ihr Traum, und jetzt das. Paff – wie eine Seifenblase, auf der Wiese spielende Enkelkinder – paff. Wenn ihre Töchter davon erfahren, ist es aus mit dem Traum, das ist ja wohl klar.


Die Nächte sind noch kalt, doch die Sonne am Tag gewinnt an Kraft. Am Tage muss ich schlafen, bleibe im verborgenen, doch des Nachts gehe ich auf die Jagt. Ich träume von Kämpfen im Rudel, und meine Muskeln zucken im Schlaf. Die Brüder gaben nie Ruhe, für sie war es nur ein Spiel. Ich bin die Erstgeborene, habe für sie gesorgt, sie mit aufgezogen, doch gedankt haben sie es mir nie. Nun bin ich auf der Flucht, allein auf mich gestellt.

Da! ein Kauz – er holt mich aus dem Traum zurück. Es ist schon Dämmerung, ich drehe mich im Sand, muss ihn loswerden den Kitzgeruch. Spähe aus der Deckung am Waldrand in die Ebene, horche, horche. Die Zeichen, was sind die Zeichen? Kann ich bleiben oder muss ich weiter. Das Gelände ist ideal, die dichten Wälder bieten mir Schutz, und Hirsche und Rehe sind zahlreich vorhanden, es ist genug für alle da.


Reini hat sich schlau gemacht, den ganzen Tag gegoogelt, die Wölfe kommen aus dem Osten. Sie sind schon seit ein paar Jahren unter uns, und werden immer häufiger gesichtet. Zuerst nur in der Lausitz, aber zuletzt bei Steden, Oldendorf, Lübberstedt, Eschede, Gifhorn, Eversen und Niederhaverbeck. Das war immer so weit weg.

Doch diesmal, quasi direkt vor seiner Tür. Er hatte das Gefühl von Ohnmacht, und er müsse was unternehmen, aber was. Es wird doch alles nur verharmlost, für sie alle ist es immer nur weit weg. Er fand unzählige Interviews mit Frau Habbe die bekräftigt das der Wolf keine Bedrohung sei, doch eine Garantie wollte auch sie nicht geben. Ein geringes Restrisiko bleibe, berichtete sie, und spielte unterdes mit einem präparierten Wolfsschädel. Seit 1960 gab es nicht einmal 0,2 Übergriffe vom Wolf auf den Menschen pro Jahr, 150 Menschen sterben jährlich durch herabfallende Kokosnüsse, führte sie immer als Beispiel an. Den weißen Schädel in Händen, Blitzlichtgewitter, Frau Habbe scheint das Interesse an ihrer Person zu genießen.

“Restrisiko? - wer das wohl tragen soll!” Reini war wieder außer sich.

“Schau dir mal den riesigen Schädel an den sie da hat, wenn der das Maul aufmacht”

Reini macht eine Geste mit beiden Händen

“beißt der dir mit einem Biss ohne Mühe den Hals durch”. Reini hält Ute die Zeitung hin.

“Das will ich gar nicht sehen”.

Ute verlässt verärgert das Wohnzimmer.

“In die Küche...” ruft Reini ihr hinterher

“... Richtig ... Gutes Mädchen ... dort steht der Messerblock”.

Reini klappt das Notebook wieder auf, googelt “Fotofalle”, mal sehen was es zu dem Thema gibt. Er hatte in letzter Zeit schon so oft davon gelesen. Uff, das gibts doch nicht, Rehe, Hirsche, Luchse, Leoparden und natürlich Wölfe ohne Ende in freier Wildbahn. Reini tippt “kaufen” dazu, ab ca. 100,- Euro. Das geht ja noch. Und dann, wohin damit, was nützt es Bilder zu haben? Hinten im Garten wo die Rehe die Blumen abfressen, das weiß ich auch so, das nutzt nichts.

Nun googelt er “Strychnin”, “das hat früher schon geholfen” murmelt er. Auf Wikipedia findet er alle Informationen. Er scrollt wieder nach oben, und gibt “kaufen” zusätzlich ein. Versandapotheke, Strychnin auch als Rattengift bekannt, 31% billiger. Zehn Ampulle mit einem Milliliter kosten 12,65 Euro, “das ist ja spott billig ... für den Tot in Flaschen” murmelte Reini.


Heute Nacht werde ich nicht jagen, hab keinen Hunger. Ich spähe aus der Deckung, sehe ein riesiges flaches Weidegebiet. Von dem Fluss steigt Nebel auf und es wird Nacht. Der Mond scheint hell, jetzt wird es erst richtig still, kein Lüftchen regt sich, ich halte den Atem an und lausche. Eine Maus zwei Meter vor mir raschelt im Laub. Die Wächter der Nacht schwärmen aus und jagen Nachtfalter, ich kann sie hören, ich konnte schon immer sehr gut hören. Sehen kann man sie nur wenn sie direkt ins Mondlicht flattern. Sie ziehen weite Kreise, nur wenn es sicher ist fliegen sie weite Strecken. Sie sind die Wächter der Nacht, hier ist es gut, hier ist es sicher. Ist das ein Zeichen? Zumindest keines der schlechten.

Ich streife am Waldrand entlang, dann in der Flussniederung entlang dem murmelnden Wassers. Hunderte kleine Gräben bieten mir Deckung. Spähe über die Wiesen, kann die Wächter immer noch hören, alles gut. Ich bin Fähe, die Tochter von Munster und erkunde mein neues Revier. Einige Wege der Menschen durchqueren das Gebiet, sie sind laut, und der Geruch ist so extrem, das ich immer weiß wo sie sind. Ein breiter Fluss stoppt meinen Lauf, hier müsste ich schwimmen oder einen Weg der Menschen benutzen. Ich laufe Stromaufwärts und erreiche ein kleines Waldstück. Ich spähe und lausche, hier ganz in der Nähe hatte ich gestern das Kitz. Wiesen und Wälder wechseln sich ab während ich laufe, bis ich zurück an dem großen Wald bin. Nun geht es wieder bergauf und der Boden wird trocken und sandig. Noch ein Stück und ich schlüpfe unter die Tanne bei den Brombeerdornen. Es ist still, nur der Wind der in der Tanne säuselt ist zu hören. Die kleinen Siedlungen der Menschen sind weit verstreut und dazwischen sind Wälder, Wiesen und Moor. Gute Deckung und es gibt Wächter des Waldes und Wächter der Nacht.

Der nächste Morgen ist noch nicht zu spüren doch ich schlafe ein und träume wieder von der Vergangenheit, träume vom laufen, laufen in die Freiheit. Träume, ich wäre ein Wächter und fliege durch die Nacht, sehe das Revier durch die Augen der Wächter, sehe wie die saftigen Wiesen sich an den großen Fluss schmiegen, sehe einen Wolf, alleine starr im Gras stehen.

Bin plötzlich wach, und springe auf die Pfoten. Der Donner eines Gewitters hat mich geweckt, das Grollen ist noch lange zu hören. Es ist schon Tag und ich rieche den Regen kommen. Es riecht nach Boden, feucht und modrig. Blitz und Donner folgen in kurzen Abständen, und ich höre die Tropfen näher kommen. Mein Unterschlupf ist trocken hier ist schon lange kein Regen mehr durchgekommen, so wird es auch diesmal sein. Ich scharre ein wenig meine Mulde und lege mich wieder hin. Am Tag will ich schlafen, bin ein Jäger der Nacht. Das Gewitter zieht über den großen Fluss und der Regen folgt ihm. Nur wenige Tropfen fanden den Weg bis zu mir. Alles verstummte beim Grollen des ersten Donners und der nahenden Dunkelheit. Und nachdem es wieder heller wurde trällerten zuerst nur die Amseln doch schon bald erschallte wieder der ganze Wald.

Hier bin ich sicher und schlafe wieder ein. Der einzelne Wolf war vergessen und mein Schlaf war leicht.


Der kostenlose Auszug ist beendet.

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