Buch lesen: «Maximale Innovation – Minimales Risiko», Seite 2

Schriftart:
Vorwort

Werte Leserin!

Werter Leser!

Wir befinden uns heute inmitten der 4. Industriellen Revolution. Ein Leben ohne Digitalisierung und digitale Lösungen ist kaum noch denkbar und die Digitalisierung hat sich zu einem ständigen Begleiter entwickelt.

Die Digitalisierung und insbesondere die damit einhergehenden neuen Technologien ermöglichen in vielen Bereichen neue innovative Lösungen, bergen aber auch Risiken, mit denen sich Unternehmen, Nutzer und Anwender auseinandersetzen müssen. Daher ist es notwendig, die Rahmenbedingungen an die neuen Anforderungen anzupassen und entsprechende Maßnahmen sowohl betreffend Sicherheit in der Anwendung als auch für die Anwender selbst zu definieren und umzusetzen.

Es ist unerlässlich, seine Risiken zu kennen, um sie zu managen. Und nur wer seine Chancen erkennt, kann sie nutzen. Jedoch gibt es keine Innovation ohne Risiko. Doch wie kann einerseits maximale Innovation erreicht werden und andererseits zugleich minimales Risiko angestrebt werden? Wie lassen sich Innovation und Risiko vereinen und gegebenenfalls als ein System betrachten und behandeln?

Innovation fordert bekanntlich ein hohes Maß an Kreativität und damit einen breiten Gestaltungsraum, der notwendig ist, um neue Ideen in Form neuer Lösungen, Produkte, Dienstleistungen oder auch Strategien und Prozesse zu generieren. Insbesondere im Bereich disruptiver Innovationen sind agile Methoden gefragt. Im Rahmen des Risikomanagements gibt es klare Prozesse und es ist notwendig, Regulatorien in Form von nationalen und internationalen Gesetzen, Vorgaben, Richtlinien sowie Standards einzuhalten und umzusetzen. Hier kommen vorwiegend klassische Methoden zum Einsatz.

Ein Unternehmen braucht beides – Visionäre, aber auch, nennen wir sie, Realisten. Damit sind hier Personen gemeint, die zeigen, was möglich ist und was nicht, wo die Grenzen sind und die den Visionär quasi am Boden der Realität halten.

Wie kann dieses Innovation-Risiko-Paradox bewältigt werden? Welche Ansätze gibt es? Wie lässt sich die „Welt des anderen“ nutzen, beispielsweise Agiles mit Klassischem, und wie lassen sich Synergien schaffen?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich das vorliegende Buch. Es wird dabei ein Einblick in beide Welten gegeben, ein Verständnis für die jeweils „andere Welt“ sowie eine gemeinsame Kommunikationsbasis geschaffen.

In diesem Buch werden die klassischen Ansätze des Risikomanagements mit den Herausforderungen radikaler Innovationsprozesse in Unternehmen verbunden. Es werden Möglichkeiten zur Förderung der Ambidexterität gezeigt, um das Risk-Reward-Paradox sowie Exploit-Explore-Dilemma zu lösen. Sie erhalten einen Überblick von ausgewählten Risiko- und Innovationsmanagement-Methoden und -Techniken. Wie Sie das theoretische Wissen aus zwei Welten praktisch umsetzen können, wird am Ende in einem Fallbeispiel erläutert.

Das Buch gestaltet sich wie folgt:

In Kapitel 1 wird Das Innovation-Risiko-Paradox näher erläutert und die Wechselwirkung zwischen Innovation und Risiko diskutiert.

In Kapitel 2, Herausforderungen für Unternehmen, wird auf das Spannungsfeld Globalisierung, Reglementierung und Digitalisierung (GRD) näher eingegangen und einzelne Treiber und Auswirkungen werden beschrieben.

In Business Innovation Management (Kapitel 3) werden für eine gemeinsame Kommunikationsbasis grundlegende Begriffe des Innovationsmanagements vorgestellt, ein Überblick über Innovationstypen aufgezeigt sowie ein Überblick und eine Einführung in ausgewählte Innovationsstrategien und Frameworks gegeben. Des Weiteren erfolgt eine Einführung in den Innovationsprozess sowie in das Innovationscontrolling.

Die Grundsätze sowie grundlegende Begrifflichkeiten des Risikomanagements werden in Kapitel 4 Risikomanagement erläutert. Hier wird der Risikomanagementprozess vorgestellt und ein Überblick sowie eine Einführung in ausgewählte Methoden zur Risikobeurteilung gegeben und der internationale Standard ISO 31000:2018 vorgestellt. Besonders bei den grundlegenden Begriffen wird die neue ÖNORM D 4900:2021 berücksichtigt.

Grundlegende Geschäftsmodelle werden in Kapitel 5 Business Modelling vorgestellt.

Kapitel 6, Faktor Mensch im Innovations- und Risikomanagement, widmet sich dem Faktor Mensch und seiner Rolle im Unternehmen sowie der Unternehmenskultur.

Ein möglicher Ansatz zur Lösung des Innovation-Risiko-Paradoxes wird in Kapitel 7 Minimal-Risk-Innovation-Modell (MRI-Modell) vorgestellt.

Wie die beiden Welten Innovation und Risiko gesamtheitlich betrachtet werden können und wie einzelne Methoden als Beitrag zum Ganzen in der Praxis angewendet werden können, zeigt das in Kapitel 8 dargestellte Fallbeispiel.

Abschließend erhalten die Leser ein Resümee und einen Ausblick. (Kapitel 9, Schlussfolgerung und Ausblick)

Neben dem Abkürzungsverzeichnis zu Beginn des Buches sind im Anhang ein Glossar zum Themenschwerpunkt Risiken und Fehler sowie das Literaturverzeichnis zusammengefasst.

Danksagung

Ich bedanke mich bei meinen Sparringspartnern für die umfassenden Diskussionen, die mir neue Blickwinkel eröffnet und Wege aufgezeigt haben. Ein besonderer Dank gilt meinem Partner Herrn Roger Hage. Gemeinsam haben wir den Ansatz Minimal-Risk-Innovation (MRI) erarbeitet und entwickeln diesen kontinuierlich weiter. Des Weiteren bedanke ich mich beim Verlag von Austrian Standards, der mir die Möglichkeit gegeben hat, dieses Fachbuch zu schreiben und zu publizieren. Hier möchte ich insbesondere Gertraud Reznicek für ihre Unterstützung bei der Projektumsetzung danken.

Ich wünsche Ihnen ein spannendes und interessantes Lesevergnügen und hoffe, Ihnen mit dem vorliegenden Buch wertvolle Anregungen und Impulse für Ihre berufliche Praxis geben zu können.

Böheimkirchen, im März 2021

Barbara Streimelweger

1 Das Innovation-Risiko-Paradox

1 DAS INNOVATION-RISIKO-PARADOX
1.1 PROBLEMSTELLUNG

Wir leben in einer Zeit der ständigen Veränderung und jede Veränderung ist mit Unsicherheiten verbunden. Neue Technologien entwickeln sich immer rasanter und schneller. Unternehmen benötigen daher neue Innovationen – sei es in Form von neuen Produkten, Lösungen und Dienstleistungen, neuen Geschäftsmodellen und Strategien oder auch neuen Organisationsstrukturen oder -kulturen. Innovationen finden in unterschiedlichen Bereichen statt.

Es gibt bekanntlich keine Innovation ohne Risiko. Was bedeuten Risiken und Unsicherheiten für Unternehmen und Organisationen? Ist Risikomanagement im Zusammenhang mit Innovationen wirklich notwendig, macht es überhaupt Sinn oder sollte man sich einzig und alleine auf die Innovation konzentrieren? Oder umgekehrt: Soll man sich nur den Risiken widmen und mögliche Chancen, aus denen Innovationen hervorgehen könnten, einfach ignorieren?

Die Frage sollte sein: Wie lässt sich die Innovation maximieren und wie kann man zugleich damit einhergehende Risiken minimieren, insbesondere im Kontext von Unternehmensrisiken?

Risiken werden oft mit etwas Negativem assoziiert, dabei gibt es auch positive Risiken, besser bekannt als Chancen. Diese Chancen können, wie erwähnt, wiederum Innovationen hervorbringen. Daher sollte das Managen von Risiken auch das Erkennen und Aufgreifen von Chancen beinhalten. Unternehmen sollten ein Risiko- und Chancen-Management anstreben und implementieren.

1.2 ERWARTUNGEN

Jede Innovation hat ihre Risiken! Die maximale Innovationskraft auszuschöpfen und dabei die mit einer Innovation einhergehenden Risiken rechtzeitig zu erkennen und zu bewältigen, sollte oberste Prämisse sein. Dies führt dazu, neue Geschäftsmodelle mit kalkuliertem Risiko zu entwickeln und die beiden konträren Welten der Innovation und des Risikos als ein System zu betrachten und eine Brücke vom klassischen Risikomanagement zum Innovationsmanagement zu schlagen.

Hierfür ist es notwendig, beide Welten in ihren Grundsätzen zu verstehen und einen Überblick und ein Gefühl für ausgewählte Methoden und Techniken zu entwickeln und diese anzuwenden. Dies hilft unter anderem dabei, die Aspekte von Innovationen in den Risikomanagementprozess und umgekehrt jene des Risikomanagements in innovative Prozesse integrieren zu können. Das Risikomanagement- und Innovationsmanagement-System sind sowohl effizient als auch effektiv zu definieren und zu implementieren, Schnittstellen und Synergien sind zu evaluieren und zu nutzen. Dabei sollte der Ansatz eines integrierten Managementsystems dem einer Einzelsystem-Lösung bevorzugt werden.

Wie mit Risiken, aber auch Chancen umgegangen wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Internationale Standards und Frameworks können in der Umsetzung des Risikomanagements unterstützen und führen beispielsweise durch einzelne Schritte der Risikobeurteilung. Spezifische Methoden und Techniken unterstützen zusätzlich, um faktenbasierte Entscheidungsgrundlagen zu finden. Je nach Branche, Art des Risikos oder auch der Problemstellung selbst können passende Methoden und Techniken gewählt werden, wobei in der Praxis zumeist unterschiedliche Ansätze kombiniert werden.

Auch im Bereich der Innovation gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Methoden und Techniken. Die Wahl der richtigen Methode oder Technik hängt hier beispielsweise von der Art der Innovation ab, zum Beispiel disruptiv oder inkrementell, oder andererseits auch von der Art des Unternehmens, wie Startup oder etabliertes Unternehmen.

2 Herausforderungen für Unternehmen

2 HERAUSFORDERUNGEN FÜR UNTERNEHMEN
2.1 EINFÜHRUNG

Unternehmen sehen sich mit wechselnden Herausforderungen konfrontiert. Waren es während der 1. Industriellen Revolution die Massenproduktion und billigere Produkte, so sind es heute Themen wie Globalisierung, Digitalisierung oder auch Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

„Unternehmen sehen sich im Spannungsfeld der Digitalisierung, Globalisierung und Reglementierung. Neue Innovationen sind notwendig, um mit der digitalen Transformation Schritt halten zu können, bringen jedoch neue Risiken mit sich und Reglementierungen können damit verbundene Prozesse zusätzlich erschweren.“[1]


ABBILDUNG 1

HERAUSFORDERUNGEN FÜR UNTERNEHMEN: GLOBALISIERUNG, DIGITALISIERUNG UND REGLEMENTIERUNG

(QUELLE: STREIMELWEGER B.)

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Startups ihre Erfolgschancen erhöhen können und wie etablierte Unternehmen von Startups lernen und systematisch und kontrolliert innovieren können, ohne die Risiken zu vernachlässigen – und umgekehrt.

2.2 GLOBALISIERUNG

Versetzen wir uns zurück ins Mittelalter, als die Wirtschaft vom regionalen Handel geprägt war. Damals gab es einige wenige Kaufleute, die unter hohem Risiko anstrengende Reisen in ferne Länder auf sich nahmen, um Waren aus beispielsweise dem Abendland oder Indien nach Europa und schließlich in ihr Heimatland und Heimatdorf zu bringen. Hierfür wurden mehrere Monate bis hin zu Jahren in Kauf genommen und niemand wusste, ob die Waren auch einen Abnehmer finden oder die Händler selbst auf dem Landweg den Wegelagerern oder auf hoher See den Piraten zum Opfer fallen würden.

Mit dem Fortschritt der Technik wurden Reisen und damit auch der Gütertransport effizienter, Reise- beziehungsweise Transportzeiten kürzer und Risiken wie Überfälle oder Unwetter auf hoher See fielen nicht mehr so sehr ins Gewicht. Dafür kamen andere Risiken, je nachdem welches Land oder welcher Kontinent aufgesucht wurde und je nach Transportmittel. Eine Frage, die sich dabei stellt, ist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt und unter welchen Bedingungen.

Neue Technologien wie zum Beispiel der Morsetelegraph gefolgt vom Telefon ermöglichten es, Bestellungen rasch aufzugeben. Unternehmen begannen, Produktionsstätten auszulagern und entwickelten sich von regionalen hin zu überregionalen Unternehmen. Neben dem Import gewann der Export an Bedeutung.

2.2.1 Entwicklung des Begriffs Globalisierung

Um den Begriff Globalisierung besser verstehen zu können, soll die Frage „Was kann man sich unter Globalisierung vorstellen und wann hat sie eingesetzt?“ betrachtet werden.

Globalisierung bezeichnet den Vorgang, dass in vielen Bereichen wie beispielsweise der Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt sowie Kommunikation die weltweiten Verflechtungen zwischen Individuen, Gesellschaften, Institutionen und Staaten zunehmen.

Nach Nayan entstand der Begriff Globalisierung in den 1960er-Jahren[2]. Menzel hingegen gibt mehrere mögliche Antworten auf die Frage, wann die Globalisierung eingesetzt hat. Eine Antwort bezieht sich auf die Industrielle Revolution, wonach es heißt: „Globalisierung beginnt mit der Industriellen Revolution, als erstmals eine industrielle Massenfertigung auf mechanischer und nicht mehr nur handwerklicher Basis betrieben wurde, die einen wachsenden Rohstoffbedarf (zum Beispiel Baumwolle) erzeugte und die auch für den Export bestimmt war“.[3]

Eine weitere Antwort nach Menzel, der zufolge die Globalisierung weitaus länger zurückgehen würde, lautet „Globalisierung beginnt mit der europäischen Welteroberung am Ende des 15. Jahrhundert[s], als Kolumbus 1492 vermeintlich und Vasco da Gama 1498 tatsächlich den Seeweg nach Indien gefunden haben. Die Folge war der Vertrag von Tordesillas aus dem Jahre 1494, der erste Vertrag der Weltgeschichte mit globaler Reichweite“[4].

Menzel zeigt in seinem Bericht, dass sich der Begriff in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgesetzt hat und seither auch in unterschiedlichem Kontext angewendet wird.

2.2.2 Treiber und Auswirkungen

Heute halten digitale Technologien Einzug in unser tägliches Leben und prägen unser Tun und Handeln und in der Folge den Welthandel. Die Globalisierung ist gefordert, den Wandel mitzugehen und mitzugestalten. Während der Handel mit Waren stagniert, ist der Handel mit globalen Dienstleistungen, insbesondere digital gestützten Diensten, am Wachsen. Die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit ändern sich dadurch. Das rasante Wachstum der digitalen Plattformen macht Landesgrenzen überflüssig und der Ruf nach neuen Geschäftsmodellen ist unüberhörbar.

Doch ist es wirklich sinnvoll, nur noch global zu denken und sich global auszurichten, die eigene Produktion ins Ausland zu verlagern und den Bedarf durch Importe abzudecken?

Die Corona-Pandemie (Covid19-Krise) hat uns allen gezeigt, dass der Fokus auf Globalisierung hohe Risiken birgt und schwerwiegende Folgen mit sich bringen kann. Wird jegliche Produktion ins Ausland verlagert und müssen letztendlich diese Waren anschließend importiert werden, der Warenverkehr jedoch krisenbedingt auf annähernd Null reduziert und Grenzen sogar geschlossen werden, dann entstehen Engpässe, die sich durchaus lebensbedrohlich äußern können. Als Beispiel seien hier Produkte aus dem Bereich der Schutzausrüstung genannt, wie Nasen-Mund-Schutzmasken der Kategorie FFP3 und FFP2 oder Einweghandschuhe, wie sie in der Medizin verwendet werden.

Aus jeder Krise kann ein Unternehmen beziehungsweise eine Organisation gestärkt hervorgehen. Das zeigt auch die Corona-Krise. Plötzlich wird wieder von Nationalisierung sowie Regionalität gesprochen. Produkte werden kurzerhand wieder im eigenen Land produziert, im Lebensmittelbereich setzt man auf regionale Produkte und bevorzugt beispielsweise hochqualitative regionale Produkte gegenüber oftmals billigen Importprodukten. Dadurch schaffen Verantwortliche in etablierten Unternehmen neue Geschäftsmodelle, und Startups werden gegründet. Doch da, wo es Gewinner gibt, die gestärkt aus Krisen hervorgehen und nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern agieren oder auch auf die Situation als solche aktiv reagieren, anstatt zu resignieren, gibt es auf der anderen Seite Verlierer. Dazu zählen jene, die in Schockstarre verfallen, den Kopf in den Sand stecken und letztendlich oftmals resignieren.

2.3 DIGITALISIERUNG

Digitalisierung und die daraus folgende digitale Transformation lässt sich mittlerweile in allen gesellschaftlichen Bereichen erkennen. Wie sich die Digitalisierung entwickelt hat und wo wir derzeit stehen, zeigt die folgende schematische Darstellung (Abbildung 2).


ABBILDUNG 2

ENTWICKLUNG DER DIGITALISIERUNG

(QUELLE: STREIMELWEGER B. UND HAGE R.[5])

2.3.1 Digitalisierung versus Automatisierung

Der Begriff Digitalisierung kann auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden wobei die technische Interpretation die traditionelle Version darstellt.

Demnach bezeichnet Digitalisierung einerseits „die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherform“ und andererseits thematisiert sie die „Übertragung von Aufgaben, die bisher vom Menschen übernommen wurden, auf den Computer“.[6]

Zur Überführung von einer analogen in eine digitale Speicherung, man spricht im Englischen von Digitizing, wird ein sogenannter Digitizer verwendet. Nach Hess umfasst ein Digitizer „sowohl einen Sensor zur Erfassung analoger Größen als auch eine Software, die diese Größen in ein digitales (d. h. binäres) Format überführt“[7]. Wie die technische Umsetzung konkret erfolgt, ist vom jeweiligen Ausgangsmedium abhängig.

Heute wird Digitalisierung häufig mit der Einführung digitaler Technologien in Unternehmen gleichgesetzt und gilt damit als Treiber der digitalen Transformation. Hess bezeichnet in diesem Zusammenhang Digitalisierung als „eine spezielle Form der Automatisierung, nämlich jene der (Teil-)Automatisierung mittels Informationstechnologien (IT)“[8].

Für eine Abgrenzung zwischen Digitalisierung und Automatisierung ist es notwendig, auch den Begriff der Automatisierung zu verstehen. Unter Automatisierung wird „der selbstständige Betrieb von Maschinen, der menschliche Kommunikation oder Kontrolle vermindert oder überflüssig macht, wenn alles normal abläuft“, verstanden.[9] In den späten 1940er-Jahren hat die Ford Motor Company erstmals den Begriff der Automatisierung angewendet, der auch als Mechanisierung bekannt ist. In einer alternativen Begriffserklärung bezeichnet Automatisierung „den Einsatz von Maschinen beim Transport und der Verlagerung von Material in einem Lager oder einer Fabrik“[10].

Um zu zeigen, wie vielfältig und unterschiedlich Digitalisierung beschrieben wird, sei anbei jene politische Definition der österreichischen sowie deutschen Bundesregierung angeführt. Der Unterschied in der Begrifflichkeit spricht für sich:

+Die österreichische politische Definition lautet: „die Kernaufgabe des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ist, die Digitalisierung in Österreich voranzutreiben. Vorrangige Ziele sind die Verbesserung bestehender Rahmenbedingungen, um die Gesellschaft fit für den digitalen Wandel zu machen, digitale Innovation und Technologietransfer in der Wirtschaft zu ermöglichen, sowie die österreichweite Koordination und Umsetzung von E-Government-Lösungen für Bürgerinnen, Bürger und die Wirtschaft“[11].

+Die deutsche Bundesregierung definiert Digitalisierung wie folgt: „Der digitale Wandel verändert unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu lernen fundamental und mit rasanter Geschwindigkeit. Wir wollen diesen Wandel gestalten und unser Land auf die Zukunft bestmöglich vorbereiten. Im Mittelpunkt steht: Was bringt die Digitalisierung dem Einzelnen? Und: Wie erhalten und stärken wir die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung im digitalen Zeitalter? Ihr Ziel ist es, die Lebensqualität für alle Menschen […] weiter zu steigern, die wirtschaftlichen und ökologischen Potenziale zu entfalten und den sozialen Zusammenhalt zu sichern.“[12]

Die österreichische Bundesregierung spricht konkret von der Kernaufgabe des Bundesministeriums, worin die vorrangigen Ziele liegen und zeigt Lösungsansätze auf. Ihre Definition von Digitalisierung ist vorwiegend auf die wirtschaftliche Komponente ausgerichtet. Die deutsche Bundesregierung hingegen verwendet die Wir-Form und vermittelt dadurch den Eindruck, das Volk in den Wandel, den die Digitalisierung mit sich bringt, verstärkt miteinbeziehen zu wollen. Zu ihren Zielen zählen neben den wirtschaftlichen Aspekten auch die Nutzung ökologischer Potenziale sowie die Sicherung des sozialen Zusammenhalts.