Buch lesen: «Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung», Seite 5

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3. Dritte EG-GeldwäscheRL

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Mit der Dritten EG-GeldwäscheRL[13] wurde der europäische Rahmen der Geldwäschebekämpfung auf völlig neue Füße gestellt. Aufgrund der Umstellung auf den sog. risikobasierten Ansatz verdreifachte sich der Textumfang der Richtlinie, wobei die erstmals vorgesehenen technischen Durchführungsmaßnahmen[14] noch nicht eingerechnet sind. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Institute wurden deutlich erhöht.

a) Politische Motivation

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Schon Erwägungsgrund Nr. 1 zeigt, woher der Wind wehte: „Massive Schwarzgeldströme können die Stabilität und das Ansehen des Finanzsektors schädigen und sind eine Bedrohung für den Binnenmarkt; der Terrorismus greift die Grundfesten unserer Gesellschaft an.“ Im Nachhinein betrachtet wundert man sich, welcher Grad an Alarmstimmung damals geherrscht haben muss, denn im zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit an der Richtlinie waren weder massive Schwarzgeldströme in besonders erhöhtem Maße zu erkennen, noch hat der Terrorismus die Grundfesten der europäischen Gesellschaft jemals ernsthaft anzugreifen vermocht.[15]

b) Inhalte

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Inhaltlich wurde, wie aus dem oben Zitierten schon naheliegt, ein neuer Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus gelegt. Der Geldwäschebegriff wurde über einen verlängerten Vortatenkatalog nochmals ausgeweitet (Art. 3 Nr. 5 der Dritten EG-GeldwäscheRL[16]). Die Vorschriften über die Feststellung und die Überprüfung der Identität von Kunden und wirtschaftlichen Eigentümern überarbeitete man und regelte dabei vor allen Dingen viele Details darüber, welche Schritte hierbei durchzuführen sind (siehe im Einzelnen hierzu Art. 6 ff.).

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Der Kreis der verpflichteten Unternehmen wurde grundsätzlich auf alle Güterhändler erweitert (Art. 2 (1) Nr. 3 (e)). Ferner wurden EU-Institute verpflichtet, die EU-Regeln auch in ihren Zweigstellen und Tochterinstituten in Drittländern einzuhalten (Art. 34 (2)).

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Außerdem unterschied die Richtlinie erstmals gem. dem risikobasierten Ansatz in Fälle mit verringertem, mittlerem und erhöhtem Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (Art. 11 f.). Für Fälle erhöhten Risikos wurden verstärkte Sorgfaltspflichten vorgesehen (Art. 13). Durch das weitere Ziel der Korruptionsbekämpfung erhielten Geschäftsbeziehungen zu politisch exponierten Persönlichkeiten (PEPs) besondere Aufmerksamkeit und wurden dem Bereich des erhöhten Risikos zugewiesen (Art. 13 (4)).

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Auch die Auslagerung bzw. Zusammenarbeit mit anderen Stellen bei der Identifizierung von Kunden durch Institute wurde einer ausdifferenzierten Regelung in der Richtlinie zugeführt (Art. 14 ff.). Das Verdachtsmeldewesen wurde insoweit ausgebaut, als dass jeder Mitgliedstaat verpflichtet wurde, eine zentrale Meldestelle (Financial Intelligence Unit – FIU) zu schaffen; diese Stellen sollen innerhalb der EU miteinander kooperieren (Art. 21, Art. 38).

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Des Weiteren wurden die internen Verfahren der verpflichteten Institute und Unternehmen deutlich aufgewertet und umfassten nun neben der internen Kontrolle auch Strategien und Verfahren, Risikobewertung und Risikomanagement sowie Compliance-Vorkehrungen zur Vorbeugung bzw. Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, für Rechtsverstöße, insbesondere für das Nichteinhalten geldwäscherechtlicher Pflichten, angemessene Sanktionen vorzusehen.

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Im Rückblick auf die Umsetzung der Dritten EG-GeldwäscheRL ergibt sich eine seltene Gelegenheit: Anhand der Zahlen aus den Jahresberichten der deutschen FIU kann man den Erfolg oder Misserfolg dieser gesetzgeberischen Maßnahme im Verdachtsmeldewesen sehr genau über inzwischen elf Jahre nachverfolgen. Hierzu später mehr.

1. Kapitel Einleitung › A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › II. Die EU-Geldwäscherichtlinien › 4. Vierte EU-GeldwäscheRL

4. Vierte EU-GeldwäscheRL

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Die Vierte EU-GeldwäscheRL folgte im Jahr 2015.[17] Der Textumfang der Richtlinie verdoppelte sich im Vergleich zur Dritten EG-GeldwäscheRL ein weiteres Mal.

a) Politische Motivation

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Zwar flaute der empfundene Handlungsdruck in Richtung Geldwäsche und vor allem Terrorismusfinanzierungsbekämpfung deutlich ab und machte insoweit eine auffallend sachlichere Sprache möglich. Die zeigt sich zum Beispiel in der Nichtübernahme des oben zitierten Erwägungsgrundes 1 der Dritten EU-GeldwäscheRL in den neuen Text. Dennoch wurde erneut eine grundlegende Weichenstellung vollzogen: Die Einbeziehung von Steuerstraftaten in den Vortatenkatalog der Geldwäsche (Art. 3 (4) (f) der Vierten EU-GeldwäscheRL).

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Es lohnt sich hierzu auch ein Blick auf die begleitende Pressemitteilung der EU-Kommission aus Anlass des Inkrafttretens der Vierten EU-GeldwäscheRL.[18] Bereits die Überschrift ist von entlarvender Ehrlichkeit: „Verschärfte EU-Regeln im Kampf gegen Geldwäsche, Steuervermeidung und Terrorismusfinanzierung treten in Kraft“. Der geneigte Leser nimmt verwundert zur Kenntnis, dass sich die politischen Ziele verschoben haben und die Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs nunmehr gleichberechtigt neben den Zielen der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht. Und weiter: „Sie [Die Vierte Richtlinie zur Geldwäschebekämpfung] schafft mehr Transparenz, um Steuervermeidung zu verhindern.“ Die Transparenz der wirtschaftlichen Eigentümer und das entsprechende Register sind also aus Sicht der EU-Kommission zuallererst dem Ziel geschuldet, die Steuerbürger allgemein zu überwachen. Letztlich geht es darum, den Datenschatz der Finanzinstitute dafür zu nutzen.

b) Inhalte

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Die Verpflichteten bekamen zusätzliche Detailregelungen an die Hand, um wirtschaftliche Eigentümer von juristischen Personen zu bestimmen (Art. 3 (6) der Vierten EU-GeldwäscheRL[19]). Die Zusammenarbeit der FIUs wurde vertieft (Art. 51 ff.). Einem Trend in der EU-Rechtssetzung folgend, erfuhr der Katalog der verwaltungsrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen eine Harmonisierung, im Zuge derer teilweise deutlich schwerere Folgen festgelegt wurden, als in den Mitgliedstaaten bisher üblich (Art. 58 ff.).

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Die zur Geldwäschebekämpfung Verpflichteten wurden erstmals EU-weit verpflichtet, ihre Risikolage selbstständig zu analysieren und zu bewerten (Art. 8 (1) und (2)). Erstmals fand auch der Geldwäschebeauftragte Erwähnung (Art. 8 (4) (a)).

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Über die schon in der vorherigen Dritten EG-GeldwäscheRL angelegte Unterscheidung in gesetzlich festgelegte Fälle mit verringertem, mittlerem und erhöhtem Risiko hinaus, wurde nun bestimmt, dass die Sorgfaltspflichten von den Verpflichteten insgesamt auf risikoorientierter Basis zu erfüllen sind; zusätzlich wurde die Beweislast dahingehend umgekehrt, dass die Verpflichteten die Angemessenheit ihrer Maßnahmen gegenüber den Behörden belegen müssen (Art. 13 (2)–(4)). Die Anforderungen an die kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehungen wurden ebenfalls verstärkt (Art. 13 (1) (d) und Art. 18 (2)).

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Die Kommission bekam die Befugnis, Drittländer mit hohem Risiko zu bestimmen (Art. 9). Bezüglich der Angaben zum wirtschaftlichen Eigentümer schuf die Richtlinie ein zentrales Register, das für jeden, der ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, zugänglich sein soll (Art. 30 (3)–(6)).

1. Kapitel Einleitung › A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › II. Die EU-Geldwäscherichtlinien › 5. Änderung der Vierten EU-GeldwäscheRL (sog. 5. EU-GeldwäscheRL)

5. Änderung der Vierten EU-GeldwäscheRL (sog. 5. EU-GeldwäscheRL)

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Es ist bereits eine weitere Überarbeitung der Vierten EU-GeldwäscheRL in Kraft getreten, die sog. Fünfte EU-GeldwäscheRL.[20] Sie wurde in Deutschland zum 1.1.2020, in den anderen Mitgliedstaaten bis zum 10.1.2020 umgesetzt. Der Richtlinienvorschlag diente offiziell dem Ziel, einerseits die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zu verbessern, und andererseits die Transparenz von finanziellen Transaktionen und Unternehmen zu verstärken, insbesondere mit Blick auf zwischengeschaltete Unternehmen in Offshore-Rechtsordnungen – eine Reaktion auf die sog. „Panama Papers“.[21]

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Der Umgang mit Drittländern mit hohem Geldwäscherisiko wurde EU-weit harmonisiert (Änderung des Art. 9 und neuer Art. 18a), ebenso wie die Erstellung von nationalen PEP-Listen (neuer Art. 20a). Des Weiteren wurde der europaweite behördliche Zugriff auf Daten von allen Kontoinhabern ermöglicht und sichergestellt. In der Öffentlichkeit wurde von der EU-Kommission also das Fehlverhalten einiger weniger Unternehmen als Regulierungsanlass genannt, als Maßnahme gegen dieses Fehlverhalten aber keine zielgenaue, sondern eine flächendeckende, die gesamte Bevölkerung betreffende Überwachung implementiert. Das Verfahren zum automatisierten Abruf von Kontoinformationen nach § 24c KWG wurde im Ergebnis damit europäisiert (neuer Art. 32a).

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Den Mitgliedstaaten wurde ferner aufgegeben, ein zentrales Immobilienregister einzuführen, dessen zukünftige Harmonisierung im Wege einer weiteren Verschärfung nach dem Willen des Richtliniengebers bereits bis Ende 2020 vorzubereiten ist (neuer Art. 32b). Außerdem nahm man Dienstleister, die Kryptowährungen gegen reale Währungen tauschen, in den Kreis der zur Geldwäschebekämpfung Verpflichteten auf (Ergänzung in Art. 2 (1) Nr. 3 g)).

1. Kapitel Einleitung › A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › III. Zahlungsverkehr

III. Zahlungsverkehr

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Sozusagen als Spezialthema innerhalb des Bereichs der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung gilt die Überwachung des Zahlungsverkehrs. Auch dieser Bereich unterlag in den vergangenen Jahren einer wiederholten gesetzgeberischen Tätigkeit. Dies hier im Einzelnen nachzeichnen und kommentieren zu wollen, würde den Umfang des Beitrags allerdings sprengen. Daher seien die nachfolgenden Ausführungen auf einige Schlaglichter begrenzt, die den Umfang der Regularien lediglich beispielhaft erhellen sollen.

1. Kapitel Einleitung › A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › III. Zahlungsverkehr › 1. EU-Geldtransferverordnung

1. EU-Geldtransferverordnung

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Die EU-Geldtransferverordnung[22] wurde am 7.11.2006 vom Rat der EU verabschiedet und ist am 1.1.2007 in Kraft getreten. Auslösendes Moment für den Erlass der EU-Geldtransferverordnung war eine Empfehlung der FATF, wonach im bargeldlosen Zahlungsverkehr sicherzustellen sei, dass Zahlungsdienstleister ausschließlich Datensätze verwenden, die vollständige und zutreffende Angaben über den Auftraggeber enthalten.[23] Die Angaben zum Auftraggeber waren hiernach bei jeder Etappe des Zahlungsvorgangs weiterzuleiten. Die Verordnung war Bestandteil des EU-Aktionsplans für die Bekämpfung des Terrorismus vom 18.6.2004.[24] Inzwischen wurde sie durch die VO (EU) 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und zur Aufhebung der VO (EU) Nr. 1781/2006 ersetzt.[25]

1. Kapitel Einleitung › A. Die bisher erfolgte Richtlinien- und Gesetzgebung › III. Zahlungsverkehr › 2. Beispiele für nationale gesetzgeberische Maßnahmen

2. Beispiele für nationale gesetzgeberische Maßnahmen

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Die Regulierung des Zahlungsverkehrs ist ein gutes Beispiel für eine Serie von gesetzgeberischen Maßnahmen, die die Compliance der Institute vor immer neue Implementierungsaufgaben stellt. Die nachfolgende Aufzählung betrifft nur den heutigen § 25g KWG und soll vor allem den stetigen Wandel in diesem Teilbereich des Aufsichtsrechts illustrieren:



1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage

B. Aktuelle Bedrohungslage

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Über den wahren Umfang der Geldwäsche in Deutschland kann man tatsächlich nur Vermutungen anstellen. Es hat verschiedentlich Versuche gegeben, die Zahl von Geldwäschedelikten und das Volumen inkriminierter Gelder zu bestimmen. Bei genauem Hinsehen weisen entsprechende Studien jedoch unter Umständen methodische Mängel auf; auch diejenigen, die in den Medien häufig zitiert werden.

1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › I. Problematik von Berechnungsmodellen

I. Problematik von Berechnungsmodellen

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Wagen wir einen etwas genaueren Blick. Wie groß der Modellfehler bei der statistischen Abschätzung des Geldwäschevolumens ist, wird in der häufig zitierten sog. ECOLEF-Studie[31] deutlich. Die Studie stellt drei verschiedene alternative Ermittlungs- bzw. Schätzungsmethoden für das Volumen der Geldwäsche in einer Volkswirtschaft vor. Für Deutschland kommt sie auf Basis dieser drei unterschiedlichen Modelle zu Schätzungen von (jeweils gerundet) 1 Mrd. EUR, oder 30 Mrd. EUR, oder auch 100 Mrd. EUR. Welche der Schätzmethoden bzw. Ergebnisse ist nun vorzuziehen? Hier in diesem Beitrag kann keine vertiefte Methodenbeschreibung und -diskussion geleistet werden; aber wenn die Ergebnisse der verwendeten Modelle so weit streuen, dürfte es vermutlich vergebene Liebesmühe sein, in deren Details einzusteigen. Eher sollte man als Ergebnis mitnehmen, dass das genaue Ausmaß von Geldwäsche in einer Volkswirtschaft nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit bestimmbar ist.

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Andere Studien sind methodisch noch fragwürdiger. Im kriminologischen Bereich kennt man die sog. Dunkelfeldanalyse, bei der versucht wird, die Zahl nicht aufgeklärter, unentdeckter Taten abzuschätzen. Solche Dunkelfeldanalysen sind als Aufgabe natürlich vor allem deshalb stets dankbar, weil niemand Genaues weiß und man deshalb als Autor nur wenig Gefahr läuft, widerlegt zu werden. Es fällt schwer, nicht zu unterstellen, dass teilweise versucht wird, unter Verwendung umfangreicher Annahmen zur Faktenlage und zu anwendbaren statistischen Methoden zu im Ergebnis recht hohen Ergebnissen zu kommen. Bussmann beispielsweise zieht in seiner Dunkelfeldanalyse[32] einige spärliche empirisch gewonnene Hinweise zur Gewinnung einer Schätzung heran. Doch anstatt diese Schätzung für sich als Aussage stehen zu lassen, wird diese Zahl – so merkwürdig es sich auch anhört – im Wege der Hochrechnung und der spekulativen Vermutung einfach verdoppelt, abermals verdoppelt und dann wiederum verdoppelt, so dass unter dem Strich eine gegenüber seiner Empirie verachtfachte Zahl herauskommt; die Aufmerksamkeit der Presse und der Politik war ihm damit jedenfalls sicher.

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Diese Problematik wird allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung ignoriert. Die Medien jedenfalls stürzen sich mit Vorliebe und ausschließlich auf die in der ECOLEF-Studie genannte Größe von 100 Mrd. EUR Geldwäschevolumen in Deutschland. Das klingt in Schlagzeilen gut und löst Reaktionen der Leserschaft aus. Doch man muss ehrlich fragen: Was ist daran Fakt, was ist Fiktion?

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Letztlich ist bei der Abschätzung der Bedrohungslage vor allem Vorsicht geboten. Insgesamt wird man hierbei davon ausgehen können, dass den in Studien genannten Zahlen mit gesundem Misstrauen begegnet werden sollte. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Studie eine plakative, pressewirksame Zahl, die man sich besonders leicht merken kann, produziert hat.[33] Denn dies deutet regelmäßig darauf hin, dass nur sehr dürftiges empirisches Datenmaterial vorhanden war und der Verfasser der Studie diesen Mangel durch eigene Hochrechnungen zu heilen versuchte. Wie häufig es zu Geldwäschestraftaten in Deutschland kommt und welche Summen davon betroffen sind, kann nicht belastbar abgeschätzt werden, da zur Dunkelziffer keine verlässlichen Aussagen möglich sind.[34]

1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › II. Risikoabschätzung

II. Risikoabschätzung

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Trotz aller methodischen Schwierigkeiten und der Dominanz fragwürdiger Zahlen in den Schlagzeilen ergeben sich bei Zugrundelegung vernünftiger Maßstäbe durchaus sinnvolle Risikoabschätzungen. Man kann plausibel vermuten, welche Gefährdungspotentiale im Wirtschaftskreislauf vorhanden sein können, solange man sich aber dabei bewusst ist, dass es sich um Schätzungen mit einer breiten Fehlertoleranz handelt. Des Weiteren muss man sich darüber im Klaren sein, ob man die sukzessive Ausweitung der Vortaten der Geldwäsche in den letzten Jahren (Steuerdelikte, Sozialversicherungsbetrug etc.) schon in der Schätzung enthalten sehen will oder nicht.

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Unter diesen Voraussetzungen ist das Gefährdungspotential keinesfalls gering! Auch wenn man dabei ohne Schätzungen nicht auskommt, können wir einen Korridor von zwei bis vier Prozent des BIP an Geldwäschepotential in der Volkswirtschaft vermuten, weil die Summe aller durch kriminelle Handlungen erlangten Vermögenswerte in dieser Größenordnung liegen könnte; damit liegen wir zumindest einmal in einem realistischen Bereich.[35] Dabei sollte man aber von dem Verständnis ausgehen, dass die inzwischen erfolgte schrittweise Ausweitung des Vortatenkatalogs und insbesondere dessen Ausweitung auf Steuerdelikte schon berücksichtigt ist.

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Die Gefahr der Geldwäsche ist deshalb natürlich ein latenter Grund zur Sorge und eine Gefahrenquelle für den Finanzsektor. Medienwirksame Einzelfälle befördern die Problematik immer wieder vorübergehend in das kollektive Bewusstsein.[36] Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Gefährdungslage insgesamt über die Jahre relativ konstant geblieben ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.

1. Kapitel Einleitung › B. Aktuelle Bedrohungslage › III. Geldwäsche-Verdachtsfälle