Detektiv Dagobert

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»Um Got­tes wil­len!« rief Grum­bach und fuhr wie von der Ta­ran­tel ge­sto­chen auf. Er war ganz blass ge­wor­den. »Das ist ja ent­setz­lich! Und das sagst du mir erst jetzt?!«

»Ich weiß es sel­ber erst seit heu­te Vor­mit­tag, und ich woll­te dir nicht vor Tisch den Ap­pe­tit ver­der­ben.«

»Ich dan­ke ab!«

»Das heißt, du willst dich um nichts küm­mern. Dein Nach­fol­ger soll dann se­hen, wie er mit der Ge­schich­te fer­tig wird.«

»Je­den­falls will ich mit sol­chen Ge­schich­ten nichts zu tun ha­ben.«

»Von dir aus soll also dann ru­hig wei­ter falsch ge­spielt wer­den?«

»Aber Da­go­bert, siehst du denn nicht, dass mei­ne Lage furcht­bar ist?«

»An­ge­nehm ist sie al­ler­dings nicht, Herr Prä­si­dent!«

»Da wird sich ein na­men­lo­ser Skan­dal ent­wi­ckeln!«

»Das ist wohl an­zu­neh­men.«

»Und der Klub wird da­bei zu­grun­de ge­hen! Was ha­ben wir uns nicht al­les auf un­se­re bür­ger­li­che Ehr­bar­keit zu­gu­te ge­tan! Mit wel­cher Be­ru­hi­gung ha­ben nicht un­se­re al­ten Her­ren uns ihre Söh­ne zu­ge­führt, – und nun das, das Al­ler­schreck­lichs­te. Ich geh’!«

»Ich den­ke, dass du ge­ra­de blei­ben musst, um den Klub zu ret­ten.«

»Ich dan­ke dir! Wes­sen Name wird mit der schmut­zi­gen Ge­schich­te in Zu­sam­men­hang ge­bracht wer­den? Der mei­ni­ge! Das Re­gime Grum­bach! Un­ter sei­nem Vor­gän­ger war der­lei doch nicht mög­lich! Den Klub ret­ten? Der ist so wie so ver­lo­ren. Es braucht nur ein Wort da­von in die Öf­fent­lich­keit zu drin­gen, – und wie willst du das ver­hin­dern? – und je­der, der nur et­was auf sei­ne Re­pu­ta­ti­on hält, wird sich zu­rück­zie­hen. Mit Recht. Po­li­zei, Staats­an­walt, ein Skan­dal, wie er noch nicht da war, – und mit­ten drin thro­ne ich als Prä­si­dent!«

»Es ist eine böse Ge­schich­te, Grum­bach, aber eben des­halb müs­sen wir trach­ten, den Kopf nicht zu ver­lie­ren.«

»Da lässt sich nichts mehr ma­chen, wenn die Sa­che ein­mal ins Rol­len ge­kom­men ist. Soll ich’s viel­leicht auf mich neh­men, sol­che Ge­schich­ten zu ver­tu­schen?! Es ist mei­ne Pf­licht, die An­zei­ge zu ma­chen, und da­mit rei­ße ich den Klub zu­sam­men.«

»Hja – ehr­lich ge­stan­den, bin ich mir in die­sem Fal­le sel­ber nicht klug ge­nug.«

»Was weißt du, Da­go­bert?«

»Ich weiß zu­nächst nur, dass falsch ge­spielt wird, mehr nicht.«

»Hast du Be­wei­se?«

»Ich habe sie in der Ta­sche.«

Er griff in die Rock­ta­sche und brach­te ein Spiel Kar­ten zum Vor­schein, das er Grum­bach über­reich­te. Frau Vio­let, die schon still vor sich hin­zu­wei­nen be­gon­nen hat­te, weil sie nicht ohne Grund ihre glück­lich er­run­ge­ne ge­sell­schaft­li­che Stel­lung ernst­lich be­droht sah, wenn Grum­bach wirk­lich ab­dank­te, ge­sell­te sich nun zu den bei­den Her­ren und be­gann mit ih­rem Gat­ten das ver­häng­nis­vol­le Spiel zu prü­fen. Bei­de wa­ren aber au­ßer­stan­de, ir­gen­det­was Ver­däch­ti­ges zu ent­de­cken.

»Die Sa­che ist ja nicht schlecht ge­macht«, gab Da­go­bert zu, »aber es ist doch die ein­fachs­te Form der Ma­quil­la­ge.2 Es gibt noch bes­se­re Metho­den. Die­se ist nur die be­quems­te und für ein Pub­li­kum, das nicht arg­wöh­nisch ist, voll­kom­men aus­rei­chend.«

»So zei­gen Sie uns doch«, dräng­te Frau Vio­let, »wie und wo die­se Kar­ten ge­zeich­net sind!«

»Aber mit Ver­gnü­gen, mei­ne Gnä­digs­te. Zu­erst will ich Ih­nen aber be­wei­sen, dass sie wirk­lich mar­kiert sind. Wol­len Sie so freund­lich sein und das Spiel mi­schen. Nur noch mehr! So! Ha­ben Sie gut ge­mischt?«

»Ge­wiss!«

»Gut, und nun, Grum­bach, hebe du ab. Noch ein­mal! Man kann nicht vor­sich­tig ge­nug sein. Und nun wer­de ich Blatt ge­ben. Wie vie­le Kar­ten soll ich Ih­nen ge­ben, Gnä­digs­te?«

»Sa­gen wir vier.«

»Gut, da ha­ben Sie vier Kar­ten. Hal­ten Sie sie nur recht vor­sich­tig, da­mit ich sie nur ja nicht sehe. Hier auch für dich vier Kar­ten, Grum­bach. Glau­ben Sie, dass ich se­hen konn­te, was ich Ih­nen gab?«

»Un­mög­lich!«

»Na­tür­lich ganz un­mög­lich, aber Sie, mei­ne Gnä­digs­te, ha­ben Herz Dame, Car­reau Kö­nig, Herz acht und Pi­que Dame, und du, Grum­bach: Pi­que Kö­nig, Herz Bu­ben, Treff Aß und Car­reau Aß. Stimmt es?«

Es stimm­te.

»Und glau­ben Sie nun«, fuhr Da­go­bert fort, »dass mir die­se Wis­sen­schaft einen recht er­heb­li­chen Vor­teil über mei­ne Mit­spie­ler si­chert?«

»Ob ich das glau­be!« rief Frau Vio­let. »Hö­ren Sie, Da­go­bert, Sie sind mir un­heim­lich. Sie sind ja förm­lich sel­ber ein vollen­de­ter Falsch­spie­ler!«

»Ich könn­te es we­nigs­tens sein, mei­ne Gnä­di­ge. Denn al­les, was dazu ge­hört, weiß und be­herr­sche ich voll­kom­men. Mein Gott, man macht sei­ne Stu­di­en. Es gibt näm­lich auch da­für eine Li­te­ra­tur. Ein sehr be­leh­ren­des Buch über das Falsch­spiel hat der her­vor­ra­gen­de fran­zö­si­sche Po­li­zist Mr. Ca­vaillé ge­schrie­ben. Un­ter­hal­tend ist auch das Buch des Pres­ti­di­gi­ta­teurs3 Hou­din4 über den­sel­ben Ge­gen­stand. Das gründ­lichs­te Buch dar­über schrieb aber na­tür­lich ein Deut­scher, der un­ter dem Pseud­onym Si­gnor Do­mi­no sich nur not­dürf­tig ver­barg. So­gar eine ei­ge­ne Zeit­schrift war die­ser no­beln Dis­zi­plin ge­wid­met. Sie er­schi­en knapp vor Aus­bruch der großen Re­vo­lu­ti­on und führ­te den Ti­tel Dio­gè­ne à Pa­ris. Das Falsch­spiel dringt auch in wei­te­re Krei­se und hö­her hin­auf, als man ge­mei­nig­lich an­nimmt. Von Kar­di­nal Ma­za­rin wird mit al­ler Be­stimmt­heit be­haup­tet, dass er ein Falsch­spie­ler ge­we­sen sei. Vi­el­leicht ist das My­the, si­cher aber und be­glau­bigt ist es, dass im Jah­re 1885 Graf Cal­la­do, der Ge­sand­te des Kai­sers von Bra­si­li­en, in Rom beim Falsch­spie­len ab­ge­fasst wor­den ist.«

»Hö­ren Sie, Da­go­bert, Sie wis­sen aber auch al­les!«

»An mir ist, viel­leicht nicht nur mei­ner Über­zeu­gung nach, ein De­tek­tiv ver­lo­ren ge­gan­gen, und eine was für kläg­li­che Rol­le müss­te ein sol­cher ge­ge­be­nen­falls spie­len, wenn er das al­les nicht wüss­te und könn­te.«

»Je­den­falls moch­te ich mit Ih­nen nicht spie­len«, sag­te Frau Vio­let la­chend.

»Ich dan­ke für das eh­ren­de Ver­trau­en, aber ich möch­te es Ih­nen selbst nicht an­ra­ten. Ich bin näm­lich ein star­ker Spie­ler und in al­len Sät­teln ge­recht. Ich habe das Spiel­ta­lent. Viel tue ich mir dar­auf nicht zu­gu­te, aber es ist ein­mal da. Ich wäre also auch ohne Mo­ge­lei für je­den, ge­schwei­ge denn für Ihr kind­li­ches Ge­müt, mei­ne Gnä­di­ge, ein sehr ge­fähr­li­cher Geg­ner. Weil dem aber so ist, und weil ich al­les weiß und ken­ne, spie­le ich selbst nie­mals, grund­sätz­lich nicht. Ich bin nur ein sehr ge­ach­te­ter Kie­bitz, der im Zuschau­en kei­ne Feh­ler macht, und gel­te bei al­len Streit­fra­gen als obers­te und in­ap­pel­la­ble In­stanz.«

Grum­bach war viel zu er­regt und be­küm­mert, um jetzt den Plau­de­rei­en Da­go­berts den rich­ti­gen Ge­schmack ab­ge­win­nen zu kön­nen. Er woll­te wis­sen, wie Da­go­bert dar­auf ge­kom­men sei, dass im Klub mit ge­zeich­ne­ten Kar­ten ge­spielt wer­de.

»Das war sehr ein­fach«, ent­geg­ne­te Da­go­bert. »Als Aus­schuss­mit­glied habe ich die Pf­licht, mich um die Ver­wal­tung zu küm­mern. Was Kü­che und Kel­ler be­trifft, habe ich mich schon um­ge­tan. Es ist al­les in schöns­ter Ord­nung, und – trös­te dich – das De­fi­zit aus die­sen Be­trie­ben wird uns un­ge­schmä­lert er­hal­ten blei­ben. Dann woll­te ich mich auch für das Kar­ten­de­par­te­ment in­ter­es­sie­ren. Von ei­nem Ama­teur­de­tek­tiv wird dich das nicht wun­der­neh­men. Auch da, was die Ver­rech­nung be­trifft, al­les in Ord­nung.«

»Ich dan­ke für eine sol­che Ord­nung!« rief Grum­bach mit Bit­ter­keit da­zwi­schen.

»Da kam mir die Idee«, fuhr Da­go­bert fort, »die ei­nem an­de­ren viel­leicht nicht ge­kom­men wäre. Ich woll­te ein­mal die über­spiel­ten Kar­ten über­prü­fen. Ich ließ mir also alle Kar­ten­spie­le, die wäh­rend der ab­ge­lau­fe­nen Wo­che zur Ver­wen­dung ge­langt wa­ren, ins Vor­stands­zim­mer brin­gen, sperr­te die Tür ab und nahm dann die Über­prü­fung vor.«

»Wie vie­le Spie­le hat man Ih­nen denn hin­ge­schleppt?« frag­te Frau Vio­let.

»Vier­hun­dert­und­fünf­zehn Spie­le, mei­ne Gnä­di­ge.«

»Herr­gott, da ha­ben Sie ja eine furcht­ba­re Ar­beit ge­habt!«

»Es war nicht so arg. Sie müs­sen nicht glau­ben, dass ich jede ein­zel­ne Kar­te un­ter die Lupe ge­nom­men habe, sonst säße ich ja noch dort. Ich nahm aus je­dem Spie­le nur eine Kar­te, al­ler­dings ein Hon­neur. Wenn näm­lich die wich­ti­gen Kar­ten nicht ge­zeich­net wa­ren, dann wa­ren es die üb­ri­gen si­cher auch nicht. War aber ein Spiel mar­kiert, dann muss­ten es in ers­ter Li­nie jene Blät­ter sein, auf die es in der Par­tie haupt­säch­lich an­kommt. So konn­te ich doch in drei Stun­den fer­tig wer­den.«

»Und was hast du ge­fun­den?« frag­te Grum­bach.

»Wie ich be­reits be­merkt, – dass im Klub falsch ge­spielt wird. Ich habe sechs ge­zeich­ne­te Spie­le be­sei­tigt und un­ter Ver­schluss ge­nom­men. Ei­nes da­von ist das hier.«

»Sie ha­ben uns noch im­mer nicht ge­zeigt, wie sie mar­kiert sind.«

»Ich glau­be es doch schon ge­sagt zu ha­ben, – Ma­quil­la­ge, ein­fa­che Ma­quil­la­ge!«

»Wir sind nicht vom Fach, lie­ber Da­go­bert. Mit uns müs­sen Sie schon et­was deut­li­cher re­den.«

»Wohl­an, hö­ren Sie mir zu, gnä­di­ge Frau. Sie wer­den ent­täuscht sein, wie ein­fach die Ge­schich­te ist. Se­hen Sie sich die­se Rück­sei­te der Kar­ten an. Sie ist be­druckt und weist ein ein­fa­ches, mit Ab­sicht so ge­wähl­tes Mus­ter auf, dass es dem Auge kei­ne be­son­de­ren An­halts­punk­te bie­te. Wir ha­ben hier zahl­lo­se Punk­te und klei­ne, nicht ganz ge­schlos­se­ne Kreis­li­ni­en. Der Falsch­spie­ler hat nun fol­gen­de Metho­de ge­wählt: er nahm eine sei­ne Nähna­del, tauch­te ihre Spit­ze in rei­nes, farb­lo­ses und durch Er­hit­zung flüs­sig ge­mach­tes Wachs. Dann stach er leicht an be­stimm­ter Stel­le in die Rück­sei­te, na­tür­lich nicht so stark, dass die Spit­ze durch das Blatt durch­ge­drun­gen wäre. So leicht er auch stach, die Spit­ze hat doch eine klei­ne Ver­tie­fung ver­ur­sacht, und in die­ser setz­te sich ein Atom von Wachs fest.«

 

»Das kann man aber doch un­mög­lich mit den Fin­ger­spit­zen spü­ren!« be­merk­te Frau Vio­let, in­dem sie gleich die Pro­be zu ma­chen ver­such­te.

»Wenn er sich auf sei­nen Tast­sinn hät­te ver­las­sen wol­len, hät­te er eine an­de­re Metho­de ver­sucht. Es gibt sol­che, sie sind aber ge­fähr­li­cher und dar­um we­ni­ger emp­feh­lens­wert.«

»Aber se­hen kann er die­se Pünkt­chen doch auch nicht!« fuhr Frau Vio­let fort, wie­der be­müht, dem Ge­heim­nis auf den Grund zu kom­men.

»Man kann sie sehr gut se­hen. Las­sen Sie nur das Licht auf der Rück­sei­te spie­len!«

»Ja, wahr­haf­tig!« rief Frau Vio­let er­freut. »Hier sieht man es ganz deut­lich, – ein mat­ter Punkt!«

»Das ist der gan­ze Witz. Das Kar­ten­pa­pier glänzt, und in den Licht­re­fle­xen macht sich ein to­ter Punkt leicht be­merk­bar, al­ler­dings nur für den Wis­sen­den. Al­les üb­ri­ge er­gibt sich von selbst. Sie se­hen, da ste­hen acht klei­ne Kreis­li­ni­en in ei­ner Rei­he, und es gibt zwölf Rei­hen. Ein Spiel könn­te also aus sechs­und­neun­zig Blatt be­ste­hen, und der Künst­ler käme noch im­mer nicht in Ver­le­gen­heit, wo er für je­des Blatt sei­nen Punkt hin­set­zen soll, wenn er sein Sys­tem ein­mal fest­ge­stellt hat. Sei­nem Ge­dächt­nis ist da­bei gar nicht viel zu­ge­mu­tet. Die ers­te Rei­he gilt für Coeur, die zwei­te für Car­reau und so wei­ter. An­ge­fan­gen wird mit dem Kö­nig, dann kommt die Dame, – die gan­ze Sa­che, so frech sie ist, ist bei­na­he kin­disch.«

Grum­bach hat­te bei Wei­tem nicht das In­ter­es­se für die De­tails wie sei­ne Frau. Ihn pei­nig­te die kri­ti­sche Lage, in die nun er und mit ihm der gan­ze Klub ge­ra­ten war. Sei­ne Ge­dan­ken be­weg­ten sich nach ganz an­de­rer Rich­tung.

»Ich bin nur glück­lich, Da­go­bert«, be­gann er, »dass ich dich jetzt zur Hand habe. Du bist der Mann, dem Schwin­del ein Ende zu ma­chen.«

»Ich schmeich­le mir al­ler­dings, der rich­ti­ge Mann zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stel­le zu sein. Ich ver­bür­ge mich da­für, dass ich dir den Gau­ner in we­ni­gen Ta­gen stel­le!«

»Du bist zu gü­tig, Da­go­bert, aber da­für dan­ke ich ganz ent­schie­den!«

»Habe ich mir so ge­dacht.«

»Wenn ich ihn ken­ne, muss ich ihn dem Ge­rich­te aus­lie­fern. Muss ich, geht gar nicht an­ders; und dann ha­ben wir den öf­fent­li­chen Skan­dal mit all sei­nen Kon­se­quen­zen.«

»Das glau­be ich auch. Was soll ich aber sonst tun?«

»Brin­ge mir den Schur­ken in al­ler Stil­le weg. Er soll sich sei­nen Strick an­ders­wo su­chen. Kein Mensch darf von der Ge­schich­te auch nur ein Ster­bens­wört­chen er­fah­ren, und was mich be­trifft, so will ich nie mehr et­was von ihr hö­ren.«

»Bon! Soll be­sorgt wer­den.«

Vier Tage spä­ter sa­ßen sie wie­der zu dritt im Grum­bach­schen Hau­se. Bei Tisch, wo die Die­ner­schaft ab und zu ging, wur­de nur von gleich­gül­ti­gen Din­gen ge­spro­chen, von den Soi­reen bei Eichs­tedts, von dem nächs­ten Da­men­abend, der im Klub ver­an­stal­tet wer­den soll­te, und der­glei­chen mehr. Als sie aber dann im Rauch­zim­mer sa­ßen, si­cher vor Stö­run­gen durch die Die­ner­schaft, und Da­go­bert sich an­schick­te, harm­los wei­ter­zu­plau­dern über die all­täg­li­chen Er­eig­nis­se, da konn­te Grum­bach doch nicht län­ger an sich hal­ten und brach mit der span­nungs­vol­len Fra­ge los: »Nun, Da­go­bert, wie steht’s?«

»Wo­mit?«

»So sei doch nicht so, – du kannst dir ja den­ken!«

»Du meinst doch nicht die – die ge­wis­se Af­fä­re?«

»Na­tür­lich mei­ne ich die! Was soll­te ich sonst mei­nen?!«

»Ich dach­te, da­mit dür­fe man dir über­haupt nicht mehr kom­men!«

»Sei nicht kin­disch, Da­go­bert, ich muss doch wis­sen, was vor­geht!«

»Ich habe selbst­ver­ständ­lich dei­nen Auf­trag er­füllt. Die Sa­che ist er­le­digt. Du kannst ru­hig sein: es ist all right

»Gott sei Dank!« rief Grum­bach auf­at­mend. »Ich kann also wirk­lich wie­der ru­hig schla­fen?«

»Wie ein Mur­mel­tier. Kein Mensch wird je et­was da­von er­fah­ren. Es müss­te denn sein, wo­für ich mich na­tür­lich nicht ver­bür­gen kann, dass der be­tref­fen­de Herr sel­ber plau­dert, aber ich glau­be, dass das nicht sehr wahr­schein­lich ist.«

»Sie müs­sen er­zäh­len!« dräng­te nun Frau Vio­let.

»Aber der Herr Ge­mahl er­laubt es ja nicht!«

»Un­sinn, Da­go­bert, – er­zäh­le!«

»Es gibt nicht viel zu er­zäh­len, we­nigs­tens nichts Dra­ma­ti­sches, da ich mich na­tür­lich an dei­ne Be­feh­le hal­ten muss­te. Ich hat­te zu er­rei­chen, dass nicht mehr falsch ge­spielt wer­de. Das ist er­reicht.«

»Ich bin furcht­bar neu­gie­rig, wie Sie das ge­macht ha­ben«, warf Frau Vio­let ein.

»Die Sa­che war von Haus aus nicht schwer, und sie ist noch leich­ter ge­gan­gen, als ich mir es vor­ge­stellt hat­te. Zu­nächst also, mei­ne Gnä­di­ge, muss­te ich mir klar­ma­chen, wie der Be­trug ins Werk ge­setzt wur­de. Die Kar­ten wa­ren selbst­ver­ständ­lich vor­her prä­pa­riert, – wie aber wur­den sie auf den Spiel­tisch ge­schmug­gelt? Am ein­fachs­ten ließ sich das ma­chen, wenn ei­ner von den Die­nern, die mit den Kar­ten zu tun ha­ben, mit im Ein­ver­ständ­nis war. Bei uns ist die Ein­rich­tung so, dass zu je­dem Spiel­tisch eine sil­ber­ne Tas­se mit drei Päck­chen Kar­ten auf ein nied­ri­ges Ta­bu­rett5 ge­stellt wird. Die Her­ren lie­ben es, wenn sie eine Stun­de mit ei­nem Spie­le ge­spielt ha­ben, ein fri­sches Päck­chen zu neh­men. Der Die­ner hät­te also zu dem be­tref­fen­den Spiel­tisch und der be­tref­fen­den Ge­sell­schaft –«

»Wel­che Spiel­ge­sell­schaft war es?« frag­te Grum­bach.

»Kei­ne Ah­nung! – un­ter den drei Spie­len nur das ge­zeich­ne­te mit zu ser­vie­ren ge­habt. So hät­te sich die Sa­che ganz un­auf­fäl­lig ge­macht.«

»Und ist es so ge­macht wor­den?« forsch­te Frau Vio­let.

»Nein, mei­ne Gnä­di­ge. Un­ser Künst­ler ar­bei­tet ohne Ge­hil­fen. Das ist si­che­rer und bil­li­ger. En Mit­wis­ser ist im­mer eine Ge­fahr, und zu große Spe­sen will man sich bei dem Ge­schäft doch auch nicht ma­chen.«

»Ich be­grei­fe über­haupt nicht recht«, be­merk­te Grum­bach da­zwi­schen, »wie ei­ner bei uns auf die­se Idee ver­fal­len konn­te, wo ich doch grund­sätz­lich und mit al­ler Stren­ge dar­auf hal­te, dass im Klub kein Ha­sard­spiel ge­spielt wer­de. Das dul­de ich ab­so­lut nicht!«

»Ein sehr schö­ner Grund­satz – zwei­felsoh­ne, und du hast sehr recht da­mit, mein lie­ber Grum­bach, aber in der Pra­xis gibt es auch da einen Ha­ken. Das Ver­bot muss be­ste­hen – na­tür­lich; der Staat er­lässt es ja auch, ob­schon nur da die Be­vor­mun­dung we­ni­ger ge­fällt. Wenn ein paar Ta­ge­die­be dumm ge­nug sind, sich auch auf sol­che Scher­ze ein­zu­las­sen, so weiß ich nicht, ob man das Recht oder die Pf­licht hat, sie ge­ra­de da beim Zip­fel zu neh­men. Lässt man sie da nicht, so wis­sen sie sich si­cher ir­gend­ei­ne an­de­re, nicht min­der aus­gie­bi­ge Dumm­heit zu fin­den.«

»Man muss die Leu­te vor sich sel­ber schüt­zen«, be­merk­te der Herr Prä­si­dent.

»Vi­el­leicht die wirt­schaft­lich Schwa­chen. Für die Schwa­chen im Geist und Cha­rak­ter gibt es kei­nen Schutz.«

»Nur jetzt kei­ne Phi­lo­so­phie, lie­ber Da­go­bert!« fleh­te Frau Vio­let. »Er­zäh­len Sie lie­ber wei­ter; so neu­gie­rig war ich noch nie!«

»So­fort, mei­ne Gnä­di­ge – nur noch eine Be­mer­kung. Der Trieb, Ha­sard zu spie­len, be­steht ein­mal, ist viel­leicht in der mensch­li­chen Na­tur be­grün­det, und da kann er, wenn er sich be­tä­tigt, leicht ge­fähr­li­cher wer­den, wenn das ge­zwun­ge­ner­ma­ßen im ge­hei­men ge­schieht, als im Lich­te und un­ter der Kon­trol­le der Ge­sell­schaft. Aber das nur ne­ben­bei. Das Ver­bot muss na­tür­lich schon an­stands­hal­ber doch auf­recht­blei­ben. In un­se­rem Fal­le be­durf­te es des Ha­sard­spiels gar nicht. Ge­spielt wird mit Mar­ken. Wie hoch sich die Her­ren die­se be­wer­ten, das ist ganz ihre Sa­che, und kein an­de­rer braucht es zu er­fah­ren. Un­ser Künst­ler konn­te sich da auch bei dem harm­lo­ses­ten und er­laub­tes­ten Spie­le ganz ohne al­les Auf­se­hen täg­lich sei­ne drei- oder fünf­hun­dert Gul­den ver­die­nen. Das ist, mei­ne ich, auch schon et­was!«

»Hin­rich­ten müss­te man einen sol­chen Men­schen!« mein­te Frau Vio­let so ne­ben­bei.

»Ich habe also die Klub­die­ner aufs Korn ge­nom­men. Es wird dir an­ge­nehm sein zu hö­ren, Grum­bach, dass sie mit die­ser Sa­che ab­so­lut nichts zu tun ha­ben. Ich habe sie, ohne dass sie’s merk­ten, be­son­ders scharf ex­ami­nier­te Sie sind voll­kom­men ah­nungs­los.«

»Das ist mir auch an­ge­nehm«, be­stä­tig­te Grum­bach.

»Nun muss­te ich also wei­ter kom­bi­nie­ren. Ich hat­te sechs Spie­le sä­siert,6 und zwar drei Ta­rock- und drei fran­zö­si­sche Spie­le, und alle wa­ren nach dem­sel­ben Sys­tem ge­zeich­net. Durch­ge­se­hen hat­te ich das Ma­te­ri­al von ei­ner Wo­che. Nun war ich zu fol­gen­den Schlüs­sen be­rech­tigt: ers­tens: es gibt da nur einen Falsch­spie­ler. Zwei­tens: der Falsch­spie­ler hat täg­lich nur ein ge­zeich­ne­tes Spiel in Ver­wen­dung ge­bracht. Das ist auch er­klär­lich. Denn drit­tens: er muss­te das vor­be­rei­te­te Spiel sel­ber auf das Ta­bu­rett prak­ti­zie­ren und da­für ein an­de­res Spiel in sei­ner Ta­sche ver­schwin­den las­sen. Kein ganz leich­tes Pro­blem, ich gebe es zu, aber doch im­mer­hin lös­bar. Die jun­gen Her­ren er­schei­nen meist im Frack. Denn ge­wöhn­lich ha­ben sie ent­we­der ein Di­ner hin­ter sich oder ir­gend­ei­ne an­de­re ge­sell­schaft­li­che Ver­pflich­tung noch vor sich. Mit Hil­fe ei­nes Claque und ei­nes sei­de­nen Ta­schen­tu­ches, die un­auf­fäl­lig auf die Kar­ten­tas­se ge­legt und von dort wie­der eben­so un­auf­fäl­lig weg­ge­nom­men wer­den kön­nen, ist das Pro­blem schon zu lö­sen. Bei drei Spie­lern hat­te der Fäl­scher im­mer zwei Chan­cen, ne­ben dem Ta­bu­rett zu sit­zen. Bei ei­ni­ger lie­bens­wür­di­gen Be­f­lis­sen­heit hat­te er über­haupt alle Chan­cen für sich. Auf die Wahl der Plät­ze wird ja nicht ge­ach­tet; es kommt auch nicht dar­auf an. Er konn­te so­gar noch ein­ein der Part­ner ge­gen­über zu­vor­kom­mend sein und brauch­te dann nur dem an­de­ren wirk­lich zu­vor­zu­kom­men.«

»Du warst von vorn­her­ein über­zeugt«, frag­te Grum­bach, »dass es ein jun­ger Mann sein müs­se?« »Ja. Ei­ner von un­se­ren al­ten ge­die­ge­nen Fir­men­trä­gern lässt sich auf sol­che Din­ge nicht ein. Da wäre doch zu viel auf dem Spie­le ge­stan­den. Nein, das muss­te ein leicht­sin­ni­ges Frücht­chen, ir­gend­ein ver­lo­re­ner Sohn sein.«

»So rücken Sie doch end­lich mit Ih­rer Ent­hül­lung her­aus, Da­go­bert!« mahn­te die Haus­frau un­ge­dul­dig.

»Gleich, mei­ne Gnä­digs­te«, er­wi­der­te Da­go­bert ru­hig und sah auf die Uhr. »Ich habe ab­sicht­lich ein we­nig ge­zö­gert, weil ich jetzt eine Stö­rung, einen klei­nen Zwi­schen­fall er­war­te. Punkt sie­ben Uhr! Es soll­te mich doch wun­dern – ich muss sa­gen, eine Un­pünkt­lich­keit wür­de ich in die­sem Fal­le doch sehr übel­neh­men.«

»Ja, was er­war­ten Sie denn?« forsch­te Frau Vio­let neu­gie­rig.

»Ein klei­nes Le­bens­zei­chen von dem Falsch­spie­ler.«

»Sie mei­nen doch hof­fent­lich nicht, dass er so freund­lich sein wird, uns mit sei­nem Be­such zu beeh­ren?«

»Das habe ich nicht ver­langt.«

»Was sonst?«

»Ich habe ihm be­foh­len, heu­te punkt sie­ben Uhr abends an den Herrn Prä­si­den­ten eine Buße von fünf­tau­send Kro­nen zu sen­den. Ah, er scheint wirk­lich pünkt­lich ge­we­sen zu sein. Was gib­t’s Neu­es, Pe­ter?«

Die letz­ten Wor­te gal­ten dem Die­ner, der eben ein­ge­tre­ten war. Es sei ein Dienst­mann drau­ßen mit ei­nem Brief, den er Herrn Grum­bach per­sön­lich über­ge­ben müs­se. Der Mann wur­de her­ein­ge­las­sen. Grum­bach schnitt das ihm über­reich­te große und star­ke Ku­vert auf. Es ent­hielt fünf Stück Tau­send­kro­nen­no­ten und sonst kei­ner­lei schrift­li­che Mit­tei­lung, auch eine Adres­se war auf dem Um­schlag nicht.

 

»Wer schickt Sie?« frag­te Grum­bach den Mann.

»Ver­zeih, lie­ber Freund«, fiel da Da­go­bert ein und wand­te sich dann an den Bo­ten. »Be­zahlt sind Sie doch?«

»Ja­wohl, Euer Gna­den.«

»Dann kön­nen Sie ge­hen. Rich­ten Sie aus: ›Es ist gut.‹ Sonst nichts. Adieu!«

Als der Dienst­mann wie­der drau­ßen war, fuhr er fort: »Du musst schon ent­schul­di­gen, Grum­bach, dass ich dir da da­zwi­schen­ge­fah­ren bin, aber es ging nicht an­ders. Da­bei bin näm­lich auch ich be­tei­ligt, und wenn das der Fall ist, muss ich we­nigs­tens auf fair play hal­ten. Ich habe dem Mann ei­ni­ge Ver­pflich­tun­gen auf­er­legt. Die hat er er­füllt, zum Tei­le wird er sie noch er­fül­len. Da­mit habe ich still­schwei­gend als Ge­gen­leis­tung über­nom­men, ihn nicht zu ver­ra­ten.«

»Mit Gau­nern pak­tiert man nicht!«

»Das ist rich­tig. Dann hat­te ich ihn aber kur­zer­hand der Po­li­zei über­ge­ben müs­sen. Das woll­test du nicht. Da muss­te also ein Aus­weg ge­fun­den wer­den. Je­den­falls geht es nicht an, einen Men­schen, und sei es auch ein Ver­bre­cher, für eine Sa­che dop­pelt zu stra­fen, ihn erst pri­va­tim zu brand­schat­zen und ihn dann auch noch dem Ge­rich­te aus­zu­lie­fern. Das wäre nicht fair

»Wer ist denn nun aber der Un­glücks­mensch?« frag­te Grum­bach er­regt.

»Ja, wie soll ich das wis­sen?!« ant­wor­te­te Da­go­bert mit sehr un­schul­di­ger Mie­ne.

»Da hört doch al­les auf – wer sonst?!« rief Grum­bach.

»Ich gebe dir mein Ehren­wort, Grum­bach, dass ich es nicht weiß.«

Frau Vio­let sah mit of­fe­nem Mun­de zu Da­go­bert auf.

»Sie wis­sen es nicht, Sie ge­ben Ihr Ehren­wort – und das soll ein Mensch glau­ben?! Und hier lie­gen die fünf­tau­send Kro­nen! Ja, Da­go­bert Trost­ler, sind Sie von Sin­nen?«

»Ach, die fünf­tau­send Kro­nen, – die soll­ten nur eine sin­ni­ge Über­ra­schung für Sie sein, mei­ne Gnä­digs­te. Sie se­hen, ich den­ke im­mer an Sie. Im Üb­ri­gen bin ich wirk­lich kein He­xen­meis­ter. Es geht al­les sehr na­tür­lich zu. Grum­bach woll­te den Übel­tä­ter nicht ken­nen. Mir war es auch lie­ber, wenn ich sei­ne per­sön­li­che Be­kannt­schaft nicht ma­chen muss­te und wenn ich eine per­sön­li­che Be­geg­nung ver­mei­den konn­te. Ich hät­te ihn doch we­nigs­tens ohr­fei­gen müs­sen. Das wäre das min­des­te ge­we­sen, was mir ge­blüht hät­te. Und – Sie be­grei­fen – man regt sich nicht gern ohne Not auf. Da habe ich es doch vor­ge­zo­gen, an un­se­rem Pro­gramm fest­zu­hal­ten, den Mann nicht zu ent­lar­ven, den Skan­dal zu ver­mei­den und nur sei­nen wei­te­ren Be­trü­ge­rei­en einen Rie­gel vor­zu­schie­ben.«

»Und wie ha­ben Sie das an­ge­stellt?«

»Es war kein be­son­de­res Kunst­stück. Ich wuss­te, dass der Gau­ner die prä­pa­rier­ten Spie­le sel­ber mit­brin­gen müs­se, und zwar zwei Spie­le, da er ge­rüs­tet sein muss­te so­wohl für fran­zö­si­sche Kar­ten wie für Ta­rock. Zur Ver­wen­dung brin­gen konn­te er nur ein Spiel, und im vorn­hin­ein konn­te er nicht wis­sen, wel­ches. Es schi­en mir nicht wahr­schein­lich, dass er zwei Spie­le bei sich am Lei­be tra­gen wer­de. In ei­nem knap­pen, ele­gan­ten Sa­lo­n­an­zug hät­te das doch leicht auf­fal­len kön­nen. Ich be­gab mich also, als al­les beim Spie­le an der Ar­beit war, in die Gar­de­ro­be, und in­dem ich tat, als such­te ich mei­nen Über­zie­her, fuhr ich mit bei­den Hän­den an al­len dort hän­gen­den Rö­cken her­un­ter. Ei­nen Die­ner, der mich hilfs­be­reit frag­te, ob ich et­was su­che, schnauz­te ich so furcht­bar grob an, dass er so­fort spur­los ver­duf­te­te. Dann fand ich auch, was ich such­te.«

»Ein Kar­ten­spiel?«

»Ich fühl­te es von au­ßen, dass es ein Kar­ten­spiel sei. Ich griff in die Ta­sche. Die Kar­ten wa­ren un­ter ein sei­de­nes Ta­schen­tuch ge­steckt, da­mit sie nicht etwa von au­ßen ge­se­hen wer­den konn­ten. Ich nahm die Kar­ten an mich. Eine kur­ze Prü­fung im Vor­stands­zim­mer über­zeug­te mich, dass ich an den rich­ti­gen Mann, be­zie­hungs­wei­se an den rich­ti­gen Rock ge­ra­ten war. Nun war die große Fra­ge: was tun? In An­be­tracht al­ler Um­stän­de ent­schied ich mich für fol­gen­den Aus­weg: ich schrieb has­tig einen Brief, den ich nun an Stel­le der Kar­ten in jene Ta­sche steck­te.«

»Was schrie­ben Sie in dem Brief, Da­go­bert?« frag­te Frau Vio­let ge­spannt.

»Ich kann ihn wört­lich zi­tie­ren: ›Die Be­wei­se habe ich in der Hand. – Zwei Be­din­gun­gen: 1. Sie wer­den den Klub nicht mehr be­tre­ten. 2. Der Prä­si­dent wird von Ih­nen am nächs­ten Diens­tag um sie­ben Uhr abends, pünkt­lich! fünf­tau­send Kro­nen als wohl­tä­ti­ge Spen­de für den Ve­rein für ent­las­se­ne Sträf­lin­ge zu­ge­schickt er­hal­ten.‹«

»Der Ve­rein für ent­las­se­ne Sträf­lin­ge!« rief Frau Vio­let er­freut.

»Eine Buße muss­te ich ihm auf­er­le­gen, und ich ent­schied mich auf gut Glück für die ge­nann­te Sum­me, ob­schon ich na­tür­lich nicht wis­sen kann, wie viel er sei­nen Op­fern ab­ge­nom­men hat. Drei Tage ließ ich ihm Zeit, weil ich an­nahm, dass es ganz gut mög­lich sei, dass ein Spie­ler mo­men­tan kein Geld hat, dass er es sich aber in drei Ta­gen be­schaf­fen kann, wenn es un­be­dingt sein muss. Daraus kann man sich bei Spie­lern schon ver­las­sen.«

»Da­go­bert, Sie den­ken aber auch an al­les!«

»Ich bin noch nicht fer­tig, Gnä­digs­te. Wei­te­run­gen woll­ten wir ja ver­mei­den; ich durf­te also auch nicht nach den Op­fern for­schen, um ih­nen etwa den Ver­lust ganz oder teil­wei­se zu er­set­zen. Da­bei hät­te ja die gan­ze Ge­schich­te auf­kom­men müs­sen. Ich ent­schloss mich also, den Ve­rein für ent­las­se­ne Sträf­lin­ge zu be­den­ken. Aus zwei Grün­den: ers­tens, um Ih­nen eine Freu­de zu ma­chen, da Sie doch eine der eif­rigs­ten Vor­stands­da­men des Verei­nes sind, und zwei­tens, weil ich es nur für recht und bil­lig hielt. Ich dach­te mir näm­lich, wenn der Mann schon das Geld her­gibt, soll er we­nigs­tens die Mög­lich­keit ha­ben, ein­mal auch et­was da­von zu ha­ben.«

»Da­go­bert, Sie sind ein Hu­mo­rist!«

»In­dem ich ihm aber die Be­din­gun­gen stell­te, habe ich einen Ver­trag mit ihm ge­schlos­sen und mich mei­ner­seits still­schwei­gend ver­pflich­tet, ihn nicht, we­nigs­tens nicht gleich zu ver­ra­ten. Du siehst also, Grum­bach, es wäre nicht loy­al ge­we­sen, den Dienst­mann über den Ab­sen­der aus­zu­ho­len. Üb­ri­gens – ver­lass dich dar­auf – hät­te es auch nichts ge­nutzt. So klug war er je­den­falls, dass er nicht sel­ber den Bo­ten ab­ge­fer­tigt, son­dern dass er sich ei­ner un­ver­fäng­li­chen Mit­tels­per­son be­dient hat, de­ren Per­so­nal­be­schrei­bung uns gar nichts nut­zen wür­de.«

Grum­bach hät­te nun doch gern er­fah­ren, wer der Be­trü­ger sei, der den Klub ge­schän­det hat­te, aber er wuss­te, dass Da­go­bert einen har­ten Schä­del hat­te und sich nicht nach Be­lie­ben wei­ter trei­ben ließ, als er ge­hen woll­te. Im In­nern war er doch sehr zu­frie­den über die­se Art der Lö­sung, weil sie dem öf­fent­li­chen Skan­dal vor­beug­te, der sonst un­ver­meid­lich ge­we­sen wäre.

Da­go­bert ließ sich ei­ni­ge Tage nicht bli­cken und kam erst wie­der, um ver­ab­re­de­ter­ma­ßen Frau Vio­let zu ei­ner Soi­ree bei Eichs­tedt ab­zu­ho­len. Grum­bach, ge­schäft­lich auf­ge­hal­ten, woll­te erst eine Stun­de spä­ter nach­kom­men. Wäh­rend der Fahrt kam Frau Vio­let wie­der auf den Falsch­spie­ler zu­rück. Der Fall in­ter­es­sier­te sie doch sehr.

»Da­go­bert«, be­gann sie, »ich glaub’s nicht, dass Sie’s nicht her­aus­ge­bracht ha­ben, wer es ist. Das kann Ih­nen doch kei­ne Ruhe ge­las­sen ha­ben!«

»Ich habe es auch her­aus­ge­bracht, mei­ne Gnä­digs­te, aber ver­ra­ten Sie mich Ihrem Mann nicht.«

»Das ist lieb von Ih­nen, Da­go­bert, dass Sie mir’s sa­gen wol­len.«

»Das habe ich nicht ge­sagt, und das wer­de ich auch nicht tun.«