Die Kunst des Loslassens

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

An dieser Stelle möchte ich noch etwas einflechten, was hilfreich sein könnte. Wenn wir in der Meditation immer wieder von ein und denselben Gedanken gestört werden, dann kann es sein, dass es sehr schwierig ist, diese Gedanken loszulassen, weil es sich um ein sehr tief liegendes Problem handelt. Damit meine ich nicht die verschiedenen Gedanken, die in der Welt herumschwirren, denn diese müssen wir nur etikettieren und können sie dann fallenlassen. Diese wiederkehrenden Gedanken jedoch sind tief im eigenen Geist und den eigenen Emotionen verankert. Dann ist es hilfreich, wenn wir dieses Problem befragen: „Warum kommt das bei mir hoch?“ Oder: „Warum stört mich das andauernd?“ Oder: „Was bedeutet es, dass das immerzu bei mir hochkommt?“ Die Antwort auf die Frage, warum dies bei uns hochkommt, könnte lauten: „Weil ich mich darüber sehr geärgert habe.“ Oder: „Weil ich das schon als Kind nicht leiden konnte.“ Wenn wir uns darüber geärgert haben, dann fragen wir uns weiter: „Wieso habe ich mich so sehr geärgert?“ Als nächste Antwort erhalten wir vielleicht: „Ich habe mich so sehr geärgert, weil mich das ja verkleinert.“ Oder: „Das ist eine Art und Weise, mich zu konfrontieren, bei der ich ein schlechtes Ich-Gefühl bekomme.“ Das ist bereits eine sehr tiefe Einsicht. Daraufhin können wir weiterfragen: „Na und? Was mache ich mit diesem Ich- Gefühl? Muss das immer gut sein?“ Die tiefste Ebene der Antwort ist bei jedem Problem die Ich-Illusion. Aber es ist nicht sinnvoll, sich damit zufrieden zu geben, sondern wir sollten bei diesem Frage- und Antwort-Spiel auf jede unserer Fragen eine Antwort erhalten.

Hier habe ich nur Vorschläge gemacht, denn bei jedem Menschen können die Antworten anders ausfallen. Mit meinen Vorschlägen gebe ich lediglich eine Vorstellung davon, wie wir vorgehen könnten, sodass jede Antwort wieder eine neue Frage ergibt. Das ist aber nur zu empfehlen, wenn uns bei der Meditation immer wieder dieselben Gedanken stören. Wenn sich der Geist nur mit der Welt beschäftigen will, dann ist das nicht nötig, denn das bedeutet einfach, dass der Geist noch nicht so einspitzig ist, wie wir ihn vielleicht gerne hätten.

Auch hier sollten wir Vorsicht walten lassen. Wenn wir denken: „Ich möchte gerne einspitzig sein“, oder: „Ich möchte gern die meditative Vertiefung erleben, aber ich habe sie nicht“, so bringt uns das nur Dukkha, denn alles, was wir gerne wollen, bringt Dukkha. Es wäre doch närrisch, sich durch die Meditation noch mehr Dukkha zu verschaffen, wir haben sowieso schon genug. Statt an die Resultate zu denken, sollten wir uns hinsetzen und machen. Das Tun ist das Einzige, das irgendetwas bringt, und alles andere sind lediglich Ideen, die sowieso verloren gehen, wenn sie nicht ausgeführt werden. Anstatt sich zu tadeln oder für unfähig zu halten, setzen wir uns hin und machen und passen auf, was geschieht.

Wir bemühen uns immer wieder mit der anfänglichen und anhaltenden Hinwendung des Geistes. Wenn die anhaltende Hinwendung des Geistes zum Meditationsobjekt lange genug andauert, dann geht der Geist automatisch in die erste meditative Vertiefung. Er kann gar nicht woanders hin. Wohin sollte er denn sonst gehen? Natürlich könnte er, wenn der Atem sehr fein geworden ist, ganz schnell einen tiefen Atemzug nehmen und sich dann wieder auf den Atem konzentrieren, was auch häufig geschieht. Ich erwähne es deshalb, um es nicht zu tun, sondern stattdessen nach innen zu gehen.

Die Einspitzigkeit des Geistes bedeutet, dass wir den Geist zu einem wertvolleren Instrument gemacht haben, sobald wir ihn geschärft haben. Im gesamten Universum gibt es nichts Wertvolleres als den Geist, denn alles ist vom Geist abhängig. Als Beispiel erwähne ich immer, dass zwar die Raumschiffe zum Mond geflogen sind, aber das war nur das Resultat. Der Geist musste sie vorher bauen, und die Idee musste realisiert werden, was uns sogar in unserem technischen Zeitalter beeindruckt hat. Die ganze Menschheit hat dieses wertvolle Instrument, aber es ist uns im Allgemeinen nicht bewusst, wie wertvoll der Geist tatsächlich ist. Wir nehmen ihn für selbstverständlich und tun damit, was immer gerade anliegt. Wenn er sich amüsieren will, dann lassen wir ihn. Will er sich ablenken, dann lassen wir ihn sich ablenken. Will er sich etwas ausdenken, dann lassen wir ihn sich etwas ausdenken. Ebenso geht es mit fantasieren, dösen, hoffen, planen, was immer der Geist will: Wir lassen ihn. Das Schlimmste ist jedoch dabei, dass wir alles glauben, was er so von sich gibt und formuliert. Sogar Meditierende, die schon länger meditieren, glauben immer noch ihrem Geist. Wenn sie ihm nicht glauben würden, würden sie ja nie in irgendwelche Schwierigkeiten geraten.

Wir sind uns also dessen bewusst, dass der Geist das wertvollste Instrument im ganzen Universum ist. Wenn wir ihn trainieren, dann können wir damit alles machen, auch zur Erleuchtung gelangen. Wenn sich der Geist auf der untrainierten Ebene in alle möglichen Dinge verstrickt, dann sollten wir nicht glauben, dass das nun schon die Wahrheit oder die Wirklichkeit sei. Es ist lediglich eine Geistesformation, die kommt und geht. Wir sollten daher bewusst wählen, welche von den Geistesformationen, die in uns hochkommen, wir – besonders auch im Alltag – weiterverfolgen oder fallen lassen wollen. Wenn wir diese Wahl treffen, dann werden wir schon eher ein Meister des Geistes werden.

Die Einspitzigkeit des Geistes ist nicht nur bei den meditativen Vertiefungen ein Faktor, aber sie wird in den meditativen Vertiefungen gestärkt. Von daher ist sie auch eine stärkere Läuterung, denn die Einspitzigkeit erlaubt es uns nicht, etwas anderes zu tun. Die Einspitzigkeit ist das automatische Gegenmittel für unser erstes Hindernis: die Sinnesbegierde oder die Begierde nach Sinnesbefriedigung. Wenn wir einspitzig sind und sei es auch nur für eine Sekunde oder eine Minute, dann ist es unmöglich, in diesem Moment irgendein Begehren zu haben. Deshalb ist es ein automatischer Läuterungsprozess.

Bei der Sinnesbegierde ist es am schwierigsten, sie als Hindernis zu erkennen, weil sie immer mit der Hoffnung auf etwas Besseres verbunden ist. Deshalb sind wir ständig beim besser, größer, schöner, moderner oder sauberer machen. Das Interessante daran ist, dass momentan zwar eine Verbesserung eintritt, aber im nächsten Augenblick alles wieder zerronnen ist. All das ist schwer zu erkennen, denn, sobald eine Begierde befriedigt ist, entsteht die nächste: ein Wunsch, ein Habenwollen oder ein Loswerdenwollen.

Mit der Einspitzigkeit des Geistes, dem automatischen Gegenmittel gegen Sinnesbegierde, haben wir natürlich eine große Hilfe. Wenn wir nach der zweiten meditativen Vertiefung, in der die Einspitzigkeit schon bedeutend gestärkt ist, untersuchen, was wir gelernt haben, dann wird uns ganz klar, dass wir durch die einspitzige Konzentration auf das Glücksgefühl der zweiten meditativen Vertiefung etwas erlebt haben, das unvergleichlich viel schöner und erhabener ist als jede Begierde, die wir je befriedigt haben. Diese Einsicht ist natürlich äußerst hilfreich für uns, denn sie zeigt uns, dass uns die Sinnesbegierden im Prinzip nur vom Weg abbringen.

Die angenehmen Sinneskontakte bleiben dennoch bestehen. Ich wiederhole das immer wieder, weil da oftmals Ängste hochkommen, in der Art: „Ja, kann ich denn gar nichts Angenehmes mehr erleben?“ Doch das Gegenteil trifft zu: Je weniger Begierde nach angenehmen Sinneskontakten vorhanden ist, desto leichter fällt es uns, die Sinneskontakte als angenehm zu empfinden. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen leiden wir nicht mehr unter dem Dukkha des Suchens und Habenwollens der angenehmen Sinneskontakte, was uns schon etwas befreit. Wenn sie kommen, ist es gut, wenn sie nicht kommen, ist es genauso gut. So beschäftigen wir uns auch nicht damit, das Unmögliche festhalten zu wollen. Wir wissen, dass Sinneskontakte immer vergänglich sind, und wir akzeptieren es so, ohne dass wir etwas festhalten müssten. Zum anderen sind wir mit den Sinneskontakten schon glücklich, die die meisten Menschen als selbstverständlich erachten, denn weder suchen, noch erwarten wir sie, noch wollen wir sie festhalten. Jedes Gefühl, das angenehme, das unangenehme und das neutrale, kommt immer von einem Sinneskontakt, und wenn wir die angenehmen Gefühle weder suchen noch festhalten wollen noch erwarten, so sind sie rein. Das bedeutet, dass sie nicht mit der Begierde des Habenwollens oder mit dem Festhaltenwollen des Vergänglichen durchwachsen sind.

In längeren Meditationskursen geschieht es häufig, dass diejenigen, die sich gut konzentrieren können, die Natur draußen viel intensiver wahrnehmen und sagen: „So grün hat das überhaupt noch nie ausgesehen.“ Jedoch hat sich in der Natur nichts verändert, sondern der Sinneskontakt ist reiner geworden, weil die Sinne nicht mehr darauf ausgerichtet sind, etwas festzuhalten oder zu suchen. Weil wir dann den angenehmen Sinneskontakten nicht mehr nachjagen, denn sie kommen ja sowieso, sind die angenehmen Gefühle viel stärker und das Leben wird enorm erleichtert, denn uns steht viel mehr Zeit und Energie für andere Dinge zur Verfügung. Im Prinzip ist die ganze Menschheit damit beschäftigt, angenehme Sinneskontakte zu suchen. Darauf sind unsere Geschäftswelt sowie das Wirtschaftsleben aufgebaut. Aber wir müssen da nicht mitspielen, sondern können stattdessen den Weg der Meditation gehen.

Je länger der Geist in der Meditation einspitzig bleiben kann, desto weniger kommt die Begierde nach Sinnesbefriedigung hoch. Nach der Meditation kommt das Erkennen, was ich bereits erwähnt habe und hier wiederholen möchte, weil es sehr wichtig ist. Diese drei Punkte des Erkennens lauten: 1. Auch das ist vergänglich. 2. Wie sind wir da hingekommen? 3. Was haben wir daraus gelernt? Bei der Glückseligkeit der zweiten meditativen Vertiefung können wir den Unterschied zum weltlichen Glück, das wir kennen, deutlich spüren. Die Glückseligkeit ist ein Gefühl, das sich ausdrücken kann als innere Süße oder umfassende Liebe oder sprudelnde Freude; es kann auch schwächer sein. Auf jeden Fall ist dieses Gefühl unabhängig von äußeren Dingen. Es hängt lediglich davon ab, wie weit trainiert der Geist schon ist. Wenn wir die Konzentration suchen müssen, dann funktioniert es nicht.

 

Dieses Trainieren des Geistes können wir mit dem Training eines Athleten vergleichen. Wenn ein Athlet in irgendeiner Sportart beispielsweise bei der Olympiade mitmachen will, dann muss er sich wohl jeden Tag dem Training hingeben und auch darauf achten, was er zu sich nimmt. Ebenso sollte ein Meditierender aufpassen, was er im Geist zu sich nimmt. Das bedeutet, dass wir unsere Sinne beschützen und die Tugendregeln befolgen. Wenn ein Athlet mit seinem Training aufhört, dann wird er wohl die Olympiade nicht schaffen, denn dazu muss er jeden Tag weitermachen. Je mehr er trainiert, desto besser wird er. Am Ende kann er mit dem Körper Dinge vollführen, die beinahe magisch aussehen, wie besonders hoch oder weit springen oder Akrobatik. Aber auch der Geist kann so etwas, wenn er trainiert wird.

Einem trainierten Körper glauben wir die Kunststücke, die er vollführen kann, weil wir sie mit unserer Optik sehen können, aber mit dem Geist sieht es etwas anders aus. Jeder kann seinen Geist trainieren, was nicht bedeutet, dass wir uns magische Kräfte aneignen sollten, sondern, dass wir mit unserem Geist etwas anderes machen können als das, was wir im Allgemeinen tun. Bei dem Körper ist es so, dass ein trainierter Körper zum Beispiel sehr schnell laufen kann. Wir können auch laufen oder rennen, jedoch nicht so schnell. Genauso ist es mit unserem Geist: Einiges können wir schon, was uns vielleicht eine Idee davon gibt, was mit dem Geist möglich sein kann. Wir können uns beispielsweise schon etwas konzentrieren. Wir können bei der Liebenden-Güte-Meditation die Liebe hochbringen. Wir können uns an einem herrlichen Sonnenuntergang erfreuen. Wir wissen bereits, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein. Das sind alles schon kleine Kostproben. Wenn wir unseren Geist trainieren, dann können wir noch mehr und alle diese Dinge in einer anderen Art und Form.

Wenn wir also nach der Meditation diese drei oben beschriebenen Schritte machen, so sollte uns klar werden: Die Einspitzigkeit des Geistes, die zu der Zeit der meditativen Vertiefung, ob sie kurz war oder lang, geherrscht hat, hat uns dazu gebracht, in uns etwas zu erleben, das wir als Glückseligkeit bezeichnen, das unabhängig ist von weltlichen Geschehnissen und das uns innerlich auf der emotionalen Ebene erfüllt und allem, was wir aus dem alltäglichen Leben kennen, weit überlegen ist.

Die Glückseligkeit ist in der zweiten meditativen Vertiefung unser Meditationsobjekt. Hier in der Lehrrede wird gesagt: „Er verweilt darin (in der zweiten meditativen Vertiefung) mit Verzückung und Glückseligkeit.“ Im Vordergrund steht die Glückseligkeit, die wir auch Freude nennen können, aber Glückseligkeit gibt einen besseren Eindruck, was damit gemeint ist. Natürlich müssen wir selbst in die Mango beißen, damit wir wissen, was Glückseligkeit bedeutet. Das entzückende Empfinden der ersten meditativen Vertiefung rückt in den Hintergrund. Auf der praktischen Ebene können wir das absichtlich tun, wenn wir in der Lage gewesen sind, etwas längere Zeit in der ersten meditativen Vertiefung zu bleiben, ohne allzu viel abgelenkt zu werden. Dabei könnte „längere Zeit“ etwa fünfzehn Minuten bedeuten, aber das heißt nicht, dass wir auf die Uhr schauen sollten, sondern damit meine ich einzig und allein, dass es eine Zeitspanne ist, die nicht sofort kommt und geht. In der ersten meditativen Vertiefung ist der Geist noch nicht sehr einspitzig. Deshalb wird auch hier in dieser Lehrrede das Wort einspitzig gar nicht erwähnt, obwohl die Einspitzigkeit einer der Faktoren der ersten meditativen Vertiefung ist. Erst bei der zweiten meditativen Vertiefung wird sie erwähnt.

Da der Geist in der ersten meditativen Vertiefung noch nicht sehr einspitzig ist, kommen ab und zu noch Gedankenfetzen, was kein Problem ist, denn wir können zu dem entzückenden Empfinden zurückkehren. Wenn wir eine längere Zeitspanne auf dem Gefühl bleiben konnten, dann ist der Moment gekommen, da wir absichtlich – wenn es nicht spontan geschieht – von dem entzückenden Empfinden als Meditationsobjekt loslassen und uns der Glückseligkeit, die zu der Zeit vorhanden ist, zuwenden. Vielleicht ist es hilfreich zu erwähnen, wie das praktisch aussehen kann, obwohl es nicht bei jedem gleich geschieht. Das entzückende Empfinden ist im Allgemeinen über den ganzen Körper verteilt, sozusagen von der Kopfspitze bis zu den Zehenspitzen. Wir konzentrieren uns nicht auf den Körper, sondern nur auf das Empfinden, das den Körper im Ganzen um- und einhüllt. Die Glückseligkeit erleben wir im Allgemeinen an der Stelle, die wir das spirituelle Herz nennen, nämlich in der Mitte des Brustkorbs, sozusagen als Quelle. Es muss nicht bei jedem so sein, aber diese Beschreibung trifft sehr häufig zu. Manche Menschen erleben eine andere Quelle, die sie dann auch ausdehnen und vergrößern können.

Wir lassen also dieses entzückende Empfinden los, lassen es in den Hintergrund treten und brauchen uns nicht mehr darum zu kümmern. Dann richten wir unsere Achtsamkeit auf das Glücksgefühl des spirituellen Herzens. Für einige Menschen ist es hilfreich, in dem Moment das Wort „Freude“ oder „Glückseligkeit“ in Gedanken zu sich selbst zu sagen. Für andere Menschen kann es hilfreich sein, zu der Zeit an einen geliebten Menschen zu denken, um die Glückseligkeit zu verstärken. Andere finden es günstig, wenn sie sich an Glück erinnern. Es gibt viele Hilfsmittel, die wir nutzen können. Auf keinen Fall sollten wir ungeduldig oder Resultat besessen sein, denn das funktioniert nicht. Am besten funktioniert es, wenn wir uns der Meditation hingeben.

Als Grund dafür, das entzückende Empfinden loszulassen, gibt der Buddha an, dass das entzückende Empfinden nicht der Zweck der Meditation ist und es sich immer noch auf einer groben Ebene befindet. Die Meditation wird von Stufe zu Stufe subtiler. Die Atembetrachtung ist immer noch eine grobe Ebene, denn sie ist ja rein körperlich. Das entzückende Empfinden ist schon ein Schritt subtiler, aber auch das lassen wir fallen, weil wir wissen, dass es noch subtiler werden kann. Daher gehen wir von dem Empfinden zur Emotion.

Die Glückseligkeit ist das automatische Gegenmittel gegen Unruhe und Rastlosigkeit und von daher natürlich äußerst hilfreich. Bei Unruhe und Rastlosigkeit sollten wir uns auch einmal vor Augen halten, dass sie sich erst für den voll Erleuchteten auflösen. Einen Schritt vor der Erleuchtung gibt es immer noch Rastlosigkeit. Dem können wir entnehmen, dass das vollkommene Glück, die volle Glückseligkeit erst dann möglich sind, wenn die Ich-Illusion komplett durchschaut ist. Aber durch unsere Meditationspraxis, was Geistestraining bedeutet, können wir natürlich unsere Unruhe und Rastlosigkeit vermindern und viel ruhiger werden.

Unruhe und Rastlosigkeit sind häufig auch mit Neugierde gepaart, der Gier nach dem Neuen, das heißt also mit dem Wunsch nach Veränderung. Das hält uns ständig auf Trab, und dann wundern wir uns, warum wir uns überfordert fühlen. Als Lösung für das Gefühl der Überforderung eignen sich weder die Gleichgültigkeit oder die Verantwortungslosigkeit des Nichtstuns noch das süße Nichtstun, sondern das Wissen darum, dass es nur diesen einen Moment gibt. Wenn wir uns weder um die Vergangenheit noch um die Zukunft sorgen, sind Unruhe und Rastlosigkeit ausgemerzt und wir haben viel weniger Begierden.

Die Glückseligkeit arbeitet automatisch gegen Unruhe und Rastlosigkeit, weil wir zu der Zeit, da wir sie erleben, natürlich das haben, was wir immer gesucht haben: die innere Glückseligkeit. Deshalb können wir in dem Moment keine Unruhe verspüren. Erst wenn wir nach der meditativen Vertiefung rekapitulieren, bekommen wir ein Gefühl dafür, wie das sein kann. Weiterhin erkennen wir, wie die Einspitzigkeit uns geholfen hat, bei der Glückseligkeit zu bleiben und daher andere Begierden ausgeschaltet hat. Sie hat uns auch in ein Stadium der Ruhe gebracht, in dem wir nichts anderes mehr als die Glückseligkeit erlebt haben.

Alle diese Erkenntnisse schauen wir uns erst nach der meditativen Vertiefung an und nicht währenddessen, was manchmal falsch verstanden wird. Während der meditativen Vertiefung geht es darum, in der Glückseligkeit zu verweilen, und nicht darum, sie zu verstehen. Denn erst wenn wir sie erlebt haben, können wir sie verstehen. Je länger wir in ihr bleiben können, desto mehr werden wir geläutert und desto besseres Verständnis können wir auch erlangen. In der zweiten meditativen Vertiefung können wir schon eine Ahnung davon bekommen, was die Ruhemeditation tatsächlich bedeutet. Es ist nur ein Anfang davon, denn erst in der dritten meditativen Vertiefung kommt wirkliche Ruhe zustande.

Hier in der Lehrrede wird noch ein weiterer, sehr wichtiger Punkt angeschnitten, den ich deshalb auch noch besprechen möchte: Die zweite meditative Vertiefung bringt Selbstvertrauen. Selbstvertrauen arbeitet besonders gegen unser fünftes Hindernis, den Zweifel, und stärkt das Vertrauen in die eigene Fähigkeit der Meditation und das Vertrauen darin, dass unser Glück unabhängig ist von angenehmen Sinneskontakten. Durch das Erleben der zweiten meditativen Vertiefung wissen wir, dass wir das Glück in uns tragen. Vielleicht haben wir es immer schon geahnt, so wie es auch in den netten Volksmärchen heißt, dass wir den goldenen Schatz unter unserem eigenen Küchentisch ausgraben sollten, aber das tatsächlich zu erleben, ist etwas ganz anderes.

Dieses Selbstvertrauen hilft uns natürlich im täglichen Leben und auch dabei, den Weg weiterzugehen, denn, wenn wir wissen, dass wir unabhängig von äußeren Umständen glücklich sein können, dann werden uns die äußeren Umstände nicht mehr so belasten. Auch erleben wir gar nicht mehr so viele belastende äußere Situationen. Der Unterschied zwischen einem Menschen, der meditiert, und einem, der nicht meditiert, besteht darin, dass der eine weiß, dass das Glück in ihm vorhanden ist, und der andere es nicht weiß. Der Nicht-Meditierende lässt sich von den äußeren Umständen immer wieder hin und her jagen, er reagiert mit Ärger, mit Ablehnung, mit Widerwillen oder mit Habenwollen. Jedoch bedeutet das nicht, dass ein Mensch, der die zweite meditative Vertiefung praktiziert und Selbstvertrauen bekommen hat, nie mehr Ablehnung oder Begierden verspürt. Leider ist das nicht möglich. Denn um weder Ablehnung noch Begierden zu haben, müssen wir Nicht-Wiederkehrer werden, was die dritte und letzte Stufe vor der vollen Erleuchtung ist.

Aber die Ablehnung und Begierden vermindern sich und werden viel sanfter. Die vielen Konfrontationen und Reaktionen, die wir im Alltag erleben, werden viel schwächer und weniger. Dann weiß der Geist: „Aha, früher hätte ich ja darauf reagiert, aber jetzt ist das vollkommen unwichtig, ich spüre es fast gar nicht.“ Es bedeutet also nicht, die Reaktion zu unterdrücken, denn das wird immer wieder falsch gemacht und falsch verstanden. Nur wenn überhaupt keine Reaktion mehr hochkommt, dann haben wir dieses Vertrauen und diese Läuterung erlebt. Falls eine Reaktion hochkommt, dann sollten wir sie ersetzen, was uns leichter fällt, wenn wir wissen, dass das Glück in uns selbst ruht.

Dieses innere Glück ist viel erhabener und erfüllender, als wir es je in der Welt erleben könnten. Dazu müssen wir jedoch das Glücksgefühl selbst erleben, denn weder durch lesen noch durch hören können wir das innere Glück erfahren. Das Wissen durch das eigene Erleben oder das erkannte Erleben führt eine Änderung im Innenleben herbei, wobei sich alles erst einmal viel offener und unbegrenzter anfühlt und nicht mehr nur darauf gerichtet ist, was gerade mit uns selbst zu tun hat. Diese Öffnung fühlt sich durchlässig und leicht beschwingt an, was durch beständige Praxis nicht mehr verloren geht. Ein Mensch, der täglich die meditativen Vertiefungen praktiziert, ist leicht beschwingt. Das bedeutet nicht euphorisch, denn Euphorie verändert sich wie bei einer Wippe, die von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt wechselt, und das wäre sinnlos. Diese innere Leichtigkeit schenkt uns Selbstvertrauen, denn wir wissen, dass wir auch anders reagieren können anstatt so, wie wir es im Allgemeinen schon immer getan haben.

Diese Vorteile zeigen uns ganz deutlich die Wichtigkeit, die zweite meditative Vertiefung längere Zeit anhalten zu lassen. Viele Meditierende, die auch die anderen meditativen Vertiefungen können, machen häufig die erste meditative Vertiefung nur ganz kurz, was auch ganz in Ordnung ist. Wenn wir nämlich schon praktiziert sind, dann müssen wir sie nicht lange anhalten, jedoch lange genug, um das Glückseligkeitsgefühl in uns so zu verspüren, dass es ein Meditationsobjekt sein kann. Auch bei der zweiten meditativen Vertiefung sind diejenigen oft geneigt, einfach darüber hinwegzugehen oder sehr schnell weiter zu gehen, weil sie endlich schon zur Ruhe kommen wollen. Aber das ist nicht der richtige Weg. Die zweite meditative Vertiefung sollte eine längere Zeitspanne, das heißt etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten, gehalten werden. Weil wir in den meditativen Vertiefungen ein vollkommen verändertes Zeitgefühl haben, ist es nicht möglich zu sagen, wann genau zwanzig Minuten vergangen sind. Diese Zeitangabe bedeutet jedoch, dass wir nicht einfach nur so durchrutschen sollten. Das Glücksgefühl sollten wir nicht nur antasten und berühren, sondern wirklich erleben und eine Weile dabei bleiben.

 

Dass sich das Zeitgefühl verändert, wird uns auch daran bewusst, dass die Zeit scheinbar viel schneller vergeht, wenn wir konzentriert sind. Das ist auf jeder Ebene der Fall, auch wenn wir zum Beispiel ein sehr spannendes Buch lesen. Unternehmen wir dagegen etwas eher Langweiliges, worauf wir uns nicht konzentrieren können, dann wird uns die Zeit lang. Ebenso ist es bei der Meditation: Wenn wir aus einer Meditation herauskommen und wir uns wundern, dass die Glocke schon läutet, dann waren wir gut konzentriert. Wenn uns während der Meditation die Zeit lange vorkommt und nicht zu vergehen scheint, dann sind wir nicht konzentriert gewesen.

Bei den meditativen Vertiefungen ist es auch noch wichtig zu erwähnen, dass es nicht die Erleuchtung ist, wenn wir die meditativen Vertiefungen können. Sie sind das Mittel zum Zweck, aber nicht der Zweck an sich. Der Zweck an sich ist das Erkennen der Illusion, in der wir leben. Daher sagt der Buddha hier, obwohl es der Fußabdruck des Buddha ist, dass wir nun nicht zu dem Schluss kommen sollten, es sei die vollständige Erleuchtung und das Dhamma im Ganzen und die Praxis im Ganzen. Natürlich sollten wir uns darüber freuen, wenn wir die meditativen Vertiefungen können. Denn je mehr wir uns freuen, desto mehr Freude ist in der Welt und desto leichter können wir meditieren.

Die weltliche Freude, nicht die Freude in der meditativen Vertiefung, ist eine Vorbedingung für die Meditation, was ein wichtiger Hinweis für diejenigen ist, die mit der Konzentration noch Schwierigkeiten haben. Dieses Noch-Schwierigkeiten-Haben ist kein Anzeichen für Minderwertigkeit, die wir auf keinen Fall in uns hochkommen lassen sollten, sondern es bedeutet einfach, dass wir uns noch nicht lange genug dafür interessiert und noch nicht lange oder gut genug trainiert haben, um zum Beispiel bei der Olympiade mitzumachen. Manche Menschen müssen länger oder sehr lange trainieren, um überhaupt diese Konzentration zu erlangen; und manche müssen weniger lange trainieren.

Der Buddha hat dazu gesagt, dass es vier Arten von Menschen gibt. Eine Art von Menschen praktiziert mit viel Dukkha; diejenigen haben ständig Dukkha, und es dauert sehr lange, bis sie irgendwelche Resultate verspüren können. Eine zweite Art von Menschen hat auch sehr viel Dukkha: Der Körper tut ihnen weh und die Emotionen gehen in alle Himmelsrichtungen, aber sie erlangen schnell Resultate. Als dritte Art gibt es die Menschen, die sehr viel Sukha haben, sehr viel Glückseligkeit, aber es dauert sehr lange, bis sie zu irgendetwas kommen. Als Letztes gibt es diejenigen, die sehr viel Sukha haben und bei denen es sehr schnell geht, dass sie Resultate verzeichnen können. Ich kann nur jedem wünschen, dass er zu der letzten Sorte gehört.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?