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Norwegische Volksmährchen vol. 2

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Norwegische Volksmährchen vol. 2
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1.
Die Sieben Füllen

Es waren einmal ein Paar arme Leute, die wohnten in einer elenden Hütte, weit weg in einem Walde, und hatten nicht Mehr, als aus der Hand in den Mund, und kaum einmal das; aber drei Söhne hatten sie, und der jüngste von ihnen war Aschenbrödel, denn er that nichts Anders, als in der Asche wühlen.

Eines Tages sagte der älteste Bursch, er wolle fort und sich einen Dienst suchen; dagegen hatten die Ältern Nichts einzuwenden, und er wanderte hinaus in die Welt. Er ging den ganzen Tag, und als es Abend ward, kam er zu einem Königsschloß. Da stand der König draußen auf der Treppe und fragte ihn, wo er hin wolle. »O, ich suche mir nur einen Dienst,« sagte der Bursch. »Willst Du bei mir dienen und meine sieben Füllen hüten?« fragte ihn der König. »Wenn Du sie einen ganzen Tag hüten kannst und mir am Abend sagen, Was sie essen und Was sie trinken, so sollst Du die Prinzessinn und das halbe Reich haben,« sagte er: »kannst Du es aber nicht, so schneide ich Dir drei rothe Riemen aus Deinem Rücken.« Ja, das, meinte der Bursch, wär' eine leichte Arbeit, damit wollt' er schon fertig werden.

Am Morgen, als es Tag wurde, ließ der Stallmeister die sieben Füllen aus; diese fort, und der Bursch hinter ihnen her, und darauf ging's über Berg und Thal, durch Rusch und durch Busch. Als der Bursch eine gute Weile gelaufen hatte, fing er an, müde zu werden, und als er's noch eine Zeitlang ausgehalten, da hatt' er das Hüten völlig satt. Er stand eben vor einer Bergschlucht, wo ein altes Weib saß und die Spindel dreh'te; als die den Burschen erblickte, der hinter den Füllen herlief, daß ihm der Schweiß von der Stirne troff, rief sie: »Komm her, mein schmucker Bursch! ich will Dir den Kopf krauen.« Das war dem Burschen schon recht; er setzte sich zu dem alten Weib in der Bergschlucht und legte seinen Kopf auf ihren Schoß, und nun krau'te sie ihn den ganzen Tag, während er da lag und sich runks'te. Als es Abend wurde, wollte der Bursch fort: »Es ist wohl am besten, ich gehe nur wieder heim zu meinen Ältern,« sagte er: »denn daß ich auf's Schloß zurückkehre, kann doch Nichts nützen.« – »Warte nur, bis es dunkel geworden ist,« sagte das Weib: »dann kommen die Füllen hier wieder vorbei, und dann kannst Du mit ihnen zurücklaufen; denn es weiß Niemand, daß Du hier den ganzen Tag auf meinem Schoß gelegen hast, anstatt sie zu hüten.« Als nun die Füllen ankamen, gab das Weib dem Burschen eine Flasche mit Wasser und einen Büschel Moos; das sollte er dem König zeigen und sagen, das wäre Das, was die sieben Füllen äßen und tränken.

»Hast Du nun die Füllen den ganzen Tag treu gehütet?« fragte ihn der König, als er am Abend ankam. »Ja, das hab' ich,« sagte der Bursch. »Kannst Du mir denn sagen, Was sie essen, und Was sie trinken?« fragte der König. Da zeigte der Bursch ihm die Flasche mit Wasser und den Büschel Moos, was er von der Alten bekommen hatte. »Da siehst Du, Was sie essen, und da siehst Du, Was sie trinken,« sagte er. Da wußte nun der König gleich, wie er sie gehütet hatte, und er wurde so zornig, daß er seinen Leuten befahl, sie sollten ihn sogleich aus dem Hause jagen, erst aber sollten sie ihm drei rothe Riemen aus seinem Rücken schneiden und Salz hineinstreuen. Als darauf der Bursch zu Hause kam, so kannst Du Dir wohl vorstellen, wie ihm zu Muthe war. Einmal wäre er ausgegangen, um zu dienen, sagte er: aber er thät's nicht zum zweiten Mal.

Den Tag darauf sagte der zweite Sohn, nun wolle er auch einmal in die Welt und sein Glück versuchen. Die Ältern aber sagten nein, und er möchte nur den Rücken seines Bruders betrachten; aber der Sohn bat so lange, bis sie ihn denn zuletzt reisen ließen. Wie er nun einen ganzen Tag gewandert hatte, kam er auch zu dem Königsschloß. Da stand der König auf der Treppe und fragte ihn, wo er hin wolle; und als der Bursch sagte, er wolle sich nach einem Dienst umhören, sagte der König, er könne bei ihm in Dienst kommen, wenn er seine sieben Füllen hüten wolle, setzte ihm aber dieselbe Strafe und denselben Lohn aus, wie er beides seinem Bruder ausgesetzt hatte. Ja, dem Burschen war das recht, und er nahm ohne weiteres Bedenken den Dienst an; denn er meinte, er wolle die Füllen schon hüten und dem König sagen, Was sie äßen und Was sie tränken.

Sobald es Tag wurde, ließ der Stallmeister die sieben Füllen hinaus; diese fort über Berg und Thal, und der Bursch hinter ihnen her. Aber es ging ihm nicht besser, als dem Bruder. Als er so lange hinter den Füllen hergelaufen war, bis er ganz müde geworden und über und über mit Schweiß bedeckt war, kam er ebenfalls an die Bergschlucht, wo das alte Weib saß und die Spindel dreh'te. »Komm her, mein schmucker Bursch! ich will Dir den Kopf krauen,« rief sie. Das däuchte dem Burschen ganz gut; er ließ die Füllen laufen, wohin sie wollten, setzte sich zu dem Weib in der Bergschlucht, und da lag er nun und runks'te sich den ganzen Tag.

Als die Füllen am Abend zurückkamen, gab das alte Weib ihm auch eine Flasche mit Wasser und einen Büschel Moos, welches er dem König zeigen sollte. Als aber darauf der König den Burschen fragte, ob er ihm sagen könne, Was die sieben Füllen äßen und Was sie tränken, und dieser ihm die Wasserflasche und den Moosbüschel hinhielt und sagte: »Da siehst Du, Was sie essen, und da siehst Du, Was sie trinken,« ward der König so zornig, daß er befahl, ihm drei rothe Riemen aus seinem Rücken zu schneiden und Salz hineinzustreuen und ihn dann augenblicklich fortzujagen. Wie nun der Bursch zu Hause kam, erzählte er ebenfalls, wie's ihm ergangen war, und sagte, einmal wäre er ausgegangen, um zu dienen, aber er thät's nicht zum zweiten Mal.

Den dritten Tag wollte Aschenbrödel sich aufmachen. Er hätte große Lust, sagte er, auch mal zu versuchen, die sieben Füllen zu hüten. Die Andern aber lachten und hatten ihn zum Besten. »Wenn es uns so gegangen ist,« sagten sie: »so sollst Du wohl was ausrichten, Du, der nie etwas Andres gethan hat, als auf dem Herd liegen und in der Asche wühlen.« – »Einerlei,« sagte Aschenbrödel: »ich will aber fort; denn ich hab's mir einmal in den Kopf gesetzt,« – und wie sehr die Brüder ihn auch auslachten, und die Ältern ihn bitten mochten, es half Alles nichts: Aschenbrödel mußte fort. Als er nun den ganzen Tag marschirt hatte, kam er endlich gegen Abend auch zu dem Königsschloß. Der König stand wieder draußen auf der Treppe und fragte ihn, wo er hin wolle. »Ich wollte mich nur nach einem Dienst umhören,« sagte Aschenbrödel. »Wo bist Du her?« fragte ihn der König, denn er wollte sich erst etwas näher erkundigen, eh' er wieder Jemanden in Dienst nahm. Aschenbrödel erzählte ihm nun, wo er her sei, und daß er der Bruder von den Zweien wäre, die vor ihm die Füllen gehütet hätten, und fragte, ob er den nächsten Tag nicht auch versuchen dürfte, sie zu hüten. »Twi!« sagte der König und gerieth ganz in Zorn: »bist Du der Bruder von den Zweien, so taugst Du auch wohl nicht viel mehr, als sie; von solchen Leuten habe ich schon Genug gehabt.« – »Was schadt's?« sagte Aschenbrödel: »da ich doch einmal hier bin, so könnt' ich's ja auch mal versuchen.« – »Nun ja, wenn Du denn durchaus Deinen Rücken geschunden haben willst, dann meinetwegen!« sagte der König. »Ich möchte weit lieber die Prinzessinn haben,« sagte Aschenbrödel.

Am Morgen, als es Tag wurde, ließ der Stallmeister die sieben Füllen hinaus; diese fort über Berg und über Thal, durch Rusch und durch Busch, und Aschenbrödel immer hinter ihnen her. Als er ihnen eine gute Weile nachgelaufen war, kam er auch zu der Bergschlucht; da saß wieder das alte Weib mit ihrer Spindel und rief Aschenbrödel zu: »Komm her, mein schmucker Bursch! ich will Dir den Kopf krauen!« – »Küß mich hinten!« sagte Aschenbrödel, hielt sich fest an dem Schweif des jüngsten Füllen und sprang fort. Als sie die Bergschlucht hinter sich hatten, sagte das Füllen zu ihm: »Setze Dich auf meinen Rücken, denn wir haben noch einen weiten Weg,« und das that Aschenbrödel.

Nun ging's noch ein weites Ende fort. »Siehst Du Etwas?« sagte das Füllen. »Nein,« sagte Aschenbrödel. Damit ging's noch ein gutes Ende weiter. »Siehst Du jetzt Etwas?« fragte das Füllen wieder. »Nein,« sagte der Bursch. Als sie nun eine weite, weite Strecke zurückgelegt hatten, fragte das Füllen wieder: »Siehst Du jetzt Etwas?« – »Ja, nun seh' ich etwas Weißes schimmern,« sagte Aschenbrödel: »es sieht aus wie ein großer, dicker Birkenstamm.« – »Da müssen wir hin,« sagte das Füllen. Als sie nun hinkamen, riß das älteste Füllen den Stamm aus und warf ihn bei Seite. Da öffnete sich an der Stelle, wo der Stamm gestanden hatte, eine Thür – drinnen war ein kleines Zimmer, und in dem Zimmer war nichts Anders, als ein kleiner Herd und ein paar Bänke; und hinter der Thür hing ein altes rostiges Schwert, eine Flasche und ein Krug. »Kannst Du das Schwert schwingen?« fragte das Füllen. Aschenbrödel machte einen Versuch, aber er konnt's nicht schwingen. Da mußte er einen Trunk aus der Flasche thun, erst einmal, dann noch einmal, und dann noch einmal, und da konnt' er es schwingen wie gar Nichts. »Jetzt musst Du das Schwert mit Dir nehmen,« sagte das Füllen: und an Deinem Hochzeitstage musst Du uns allen sieben damit den Kopf abhauen, dann werden wir wieder zu Prinzen, wie wir ehedem waren; denn wir sind die Brüder der Prinzessinn, die Du heirathen sollst, wenn Du dem König sagen kannst, Was wir essen, und Was wir trinken; – ein böser Troll hatte diese Ham's1 auf uns geworfen. Wenn Du uns aber dann den Kopf abgehauen hast, musst Du vorsichtig jeden Kopf beim Schwanz desjenigen Rumpfes hinlegen, auf dem er gesessen; alsdann hat der Zauber keine Macht mehr über uns.« Aschenbrödel versprach, Alles genau zu thun, wie das Füllen ihm gesagt hatte, und darauf ging es wieder fort.

 

Als sie nun eine lange Strecke Weges zurückgelegt hatten, fragte das Füllen: »Siehst Du Etwas?« – »Nein,« sagte Aschenbrödel. Als sie darauf ein gutes Ende weiter gekommen waren, fragte das Füllen wieder: »Siehst Du jetzt Etwas?« – »Nein, ich sehe Nichts,« sagte Aschenbrödel. Nun ging es viele, viele Meilen weit über Berge und über Thäler. Endlich fragte das Füllen wieder: »Siehst Du jetzt Etwas?« – »Ja, nun seh' ich einen blauen Streifen weit weit in der Ferne,« sagte Aschenbrödel. »Das ist ein Fluß,« sagte das Füllen: »da müssen wir hinüber.« Über den Fluß aber führte eine lange schöne Brücke, und als sie auf die andre Seite gekommen waren, ging es wieder eine lange Strecke weiter. Endlich fragte das Füllen wieder, ob Aschenbrödel Nichts sähe. Ja, da sah' er weit in der Ferne etwas Schwarzes, das sah aus wie ein Kirchthurm. »Da müssen wir hinein,« sagte das Füllen.

Als die Füllen auf den Kirchhof kamen, wurden sie wieder in Menschen verwandelt; sie sahen nun aus wie Königssöhne und hatten so prächtige Kleider an, daß es glitzerte und blitzerte. Darauf gingen sie in die Kirche und empfingen von dem Priester, der vor dem Altar stand, Brod und Wein. Aschenbrödel ging auch mit hinein; und als der Priester die Hände auf die Prinzen gelegt und sie gesegnet hatte, gingen sie wieder hinaus, und Aschenbrödel folgte ihnen nach; zuvor aber steckte er eine Flasche mit Wein und ein Altarbrod zu sich. Sowie die Prinzen den Kirchhof verlassen hatten, waren sie wieder in Füllen verwandelt, und nun ging es wieder desselben Weges zurück, den sie gekommen waren, aber noch viel schneller, als vorher. Erst kamen sie über die Brücke, dann kamen sie zu dem Birkenstamm, und dann zu dem alten Weib, das in der Bergschlucht saß und spann. Es ging aber so schnell, daß Aschenbrödel nicht hören konnte, Was das alte Weib, das hinter ihm herschrie, sagte; so Viel verstand er jedoch, daß sie ganz bitterböse war.

Es war beinahe dunkel geworden, als er am Schloß ankam, und der König stand auf der Treppe und wartete auf ihn. »Hast Du nun die Füllen den ganzen Tag treu gehütet?« fragte er Aschenbrödel. »Ich habe mein Bestes gethan,« antwortete dieser. »So kannst Du mir denn wohl sagen, Was sie essen, und Was sie trinken,« versetzte der König. Da nahm Aschenbrödel die Flasche mit Wein und das Altarbrod hervor und sprach: »Da siehst Du, Was sie essen, und da siehst Du, Was sie trinken.« – »Ja, Du hast sie treu gehütet,« sagte der König: »und nun sollst Du die Prinzessinn und das halbe Reich haben.« Da wurde denn alsbald eine Hochzeit gefeiert, daß man sich weit und breit davon zu erzählen hatte. Als sie aber bei Tafel saßen, stand der Bräutigam von der Bank auf und ging hinunter in den Stall, um, wie er sagte, noch Etwas zu holen, das er dort vergessen hätte. Er that nun, wie die Füllen ihm gesagt hatten, und hau'te ihnen allen sieben den Kopf ab, zuerst dem ältesten, und dann den übrigen, sowie sie auf einander folgten; jeden Kopf aber legte er sorgfältig bei dem Schwanz desjenigen Rumpfes hin, auf dem er gesessen hatte, und sowie er das that, wurden alle die Füllen wieder in Prinzen verwandelt. Als er nun mit den sieben Prinzen in den Hochzeitssaal eintrat, war der König so erfreu't, daß er ihn umarmte und ihn küßte; und seine Braut hielt noch mehr von ihm, als sie schon vorher von ihm gehalten hatte. »Das halbe Reich gehört jetzt Dir,« sagte der König: »und die andre Hälfte sollst Du nach meinem Tode haben; denn meine Söhne können sich jetzt, da sie wieder Prinzen geworden sind, selber Land und Reich erwerben.« Nun war die Freude und der Jubel erst recht groß bei der Hochzeit. Ich war auch mit dabei; aber es hatte Niemand Zeit, an mich zu denken: ich bekam nichts Anders, als ein Butterbrod, das legte ich auf den Ofen, und das Brod verbrannte, und die Butter schmolz, und nie habe ich wieder das Allergeringste bekommen.

2.
Gidske

Es war einmal ein Wittmann, der hatte eine Haushälterinn, Namens Gidske, die wollte ihn gern zum Mann haben und lag ihm immer in den Ohren, daß er sie heirathen sollte. Zuletzt wurde der Mann es überdrüssig; aber er wußte nicht, wie er's anfangen sollte, um sie los zu werden. Nun war es eben um die Zeit, daß der Hanf geschnitten werden sollte, und weil Gidske sich immer für so tüchtig und flink hielt, fing sie an, den Hanf zu schneiden und schnitt so lange, bis sie schwindlig im Kopf ward von dem strengen Geruch und umfiel und auf dem Hanf-Felde liegen blieb. Während sie nun da lag und schlief, kam der Mann mit einer Schere und schnitt ihr den Rock ganz kurz ab; darnach beschmierte er sie erst mit Talg und dann mit Ruß, so daß sie ärger aussah, als der lebendige Teufel. Als Gidske erwachte und sah, wie häßlich sie war, kannte sie sich selbst nicht mehr. »Bin ich's, oder bin ich's nicht?« sagte sie: »Nein, ich kann's nicht sein; denn so häßlich bin ich ja mein Lebtag nicht gewesen; es muß der Teufel sein.« Um nun hierüber ins Reine zu kommen, ging sie hin und öffnete ein klein wenig die Thür zu der Stube ihres Herrn und fragte: »Ist Eure Gidske zu Hause?« – »Ei freilich ist sie zu Hause!« sagte der Mann, weil er sie gern quitt sein wollte. »So kann ich also nicht Gidske sein,« dachte sie und sockte fort, und Der sich freu'te, das war der Mann. Als sie nun ein gutes Ende gegangen war, kam sie in einen großen Wald; da begegneten ihr zwei Spitzbuben. »Mit denen will ich mich ins Geleit geben,« dachte Gidske: »denn weil ich doch einmal der Teufel bin, so ist das eben für mich die rechte Gesellschaft.« Die Diebe dachten aber nicht so, sondern als sie Gidske erblickten, schwangen sie die Fersen und machten sich aus dem Staube, so schnell sie nur konnten; denn sie glaubten der Leibhaftige wäre hinter ihnen her und wollte sie holen; aber es half ihnen nicht viel; denn Gidske war langbeinig und schnell zu Fuß, und eh' sie sich's versahen, hatte sie sie eingeholt.

»Wollt Ihr aufs Stehlen aus, so will ich mit Euch und Euch helfen,« sagte Gidske: »denn ich weiß hier in der Gegend gut Bescheid.« Als die Diebe das hörten, meinten sie, das wäre eine gute Gesellschaft, und waren nun nicht länger bange.

Sie wollten gern hin und ein Schaf stehlen, sagten sie: aber sie wüßten nicht, wo wohl eins zu holen wäre. »Ach, das ist eine Kleinigkeit,« sagte Gidske: »Ich habe lange bei einem Bauern hier im Wald gedient und kann den Schafstall mitten in der Nacht finden.« Das däuchte den Spitzbuben ganz herrlich, und als sie zu dem Schafstall kamen, sollte Gidske hineingehen und herausschicken, und sie wollten's draußen in Empfang nehmen. Der Schafstall lag aber dicht an der Stube, wo der Mann schlief; darum ging Gidske ganz leise und behutsam hinein; als sie aber drinnen war, schrie sie zu den Dieben hinaus: »Wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Hier ist von Allen!« – »Scht! scht!« sagten die Diebe: »nimm bloß Einen, der brav fett ist!« – »Ja, aber wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Denn hier ist Genug von Allen!« schrie Gidske. »So schweig' doch still!« sagten die Diebe: »nimm bloß Einen, der brav fett ist, dann ist's einerlei, ob's ein Bock, oder ein Schaf ist.« – »Ja, aber wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Hier ist Genug von Allen!« dabei blieb Gidske. »So halt doch Dein Maul und nimm bloß Einen, der brav fett ist, ob's dann ein Bock, oder ein Schaf ist,« sagten die Diebe. Indem kam der Mann, der über den Lärm erwacht war, heraus im bloßen Hemd, und wollte sehen, Was da los war. Die Diebe liefen davon, und Gidske hinter sie drein, so daß sie den Mann über den Haufen lief. »So wartet doch! so wartet doch!« schrie sie. Der Mann, der bloß das schwarze Ungeheuer gesehen hatte, war so erschrocken, daß er anfangs gar nicht wagte, wieder aufzustehen; denn er glaubte, es sei der Teufel selber, der aus seinem Schafstall gefahren kam. Zuletzt ging er wieder ins Haus, weckte alle seine Leute auf und fing mit ihnen an, zu lesen und zu beten; denn er hatte gehört, daß man dadurch den Teufel fortbannen könne.

Den andern Abend wollten die Diebe eine fette Gans stehlen, und Gidske sollte ihnen den Weg zeigen. Als sie nun zum Gänsestall kamen, sollte Gidske hineinsteigen und herausschicken, und sie wollten's in Empfang nehmen. »Wollt Ihr eine Gans, oder einen Gänserich? Hier ist genug von Allen!« schrie Gidske, als sie in den Stall gekommen war. »Scht! scht! nimm bloß Einen, der brav fett ist!« sagten die Diebe. »Ja, aber wollt Ihr eine Gans, oder einen Gänserich? Wollt Ihr eine Gans, oder einen Gänserich? Hier ist Genug von Allen!« schrie Gidske. »Still! still! nimm bloß Einen, der brav fett ist, so ist's einerlei, ob's eine Gans, oder ein Gänserich ist, und dann halt Dein Maul!« sagten die Diebe. Während nun Gidske rief, und die Diebe sie tuschten, fing eine Gans an zu schreien, dann eine zweite, und endlich schrien sie alle mit einander, aus vollem Halse. Da sprang der Mann heraus und wollte sehen, Was es gab – die Diebe auf und davon, so schnell sie nur konnten, und Gidske hinter sie drein wie ein Unwetter, so daß der Bauer glaubte, es sei der lebendige Teufel; denn langbeinig war sie, und die Röcke hielten sie nicht auf. »So wartet doch!« rief Gidske: »Ihr könnt ja bekommen, Was Ihr wollt, ob's denn eine Gans, oder ein Gänserich ist.« Aber die Spitzbuben hatten keine Zeit, und der Bauer mit seinen Leuten fing an zu lesen und zu beten; denn sie glaubten alle nicht anders, als daß der Teufel in dem Gänsestall gewesen sei.

Den dritten Tag waren die Diebe mit sammt Gidske so hungrig, daß ihnen der Magen pfiff, und sie beschlossen daher, bei einem reichen Bauern, der am Wald wohnte, aufs Stabur zu gehen und sich Etwas zu essen zu stehlen. Gegen Abend gingen sie hin; die Diebe aber wagten sich nicht hinauf, sondern Gidske sollte aufs Stabur gehen und herunterschicken, und sie wollten's in Empfang nehmen. Als Gidske hinaufkam, war da vollauf von Allem: von Fleisch und Speck und Wurst und Erbsenbrod. Die Diebe tuschten sie und sagten, sie solle nur einige Lebensmittel herauswerfen und nicht viel Gerede machen; denn sie wüßte wohl, wie's ihnen die beiden vorigen Male gegangen wäre. Aber Gidske schrie wieder, daß es nur so schallte: »Wollt Ihr Fleisch, oder Speck, oder Wurst, oder Erbsenbrod? herrliches Erbsenbrod! Ihr könnt kriegen, Was Ihr wollt; denn hier ist Genug von Allem!« Der Mann auf dem Gehöft, der über das Geräusch erwachte, kam heraus und wollte sehen, Was es gab. Die Diebe davon, so schnell sie konnten, und Gidske ihnen nach in einer Höllenfahrt. Als der Mann das Ungethüm erblickte, glaubte er ebenfalls, der Teufel sei los, denn er hatte gehört, Was sich die beiden Abende vorher zugetragen, und er fing an zu lesen und zu beten, und mit ihm alle Leute auf dem ganzen Gehöft, damit sie den Teufel fortbannten.

Am Samstag-Abend wollten die Diebe sich einen fetten Bock zum Sonntag stehlen; sie konnten's auch wohl nöthig haben, denn sie hatten schon viele Tage gehungert; aber Gidske wollten sie das Mal nicht mit haben, denn sie richte doch bloß Unheil mit ihrem Maul an, sagten sie. Als aber am Sonntag-Morgen die Spitzbuben noch nicht zurückgekehrt waren, fühlte Gidske einen entsetzlichen Hunger – denn sie hatte in drei Tagen fast nicht das Geringste genossen – und ging daher ins Rübenfeld, gnitschte und gnatschte und zog sich eine Rübe nach der andern auf. Indeß kam der Mann gegangen, dem das Rübenfeld gehörte; wie der das schwarze Ungethüm sah, das in seinen Rüben ging und gnatschte, glaubte er ebenfalls, es sei der Lebendige. Er auf und davon nach Hause, so schnell er nur konnte und erzählte, daß der Teufel in seinem Rübenfeld wäre. Als die Leute auf dem Gehöft das hörten, erschraken sie gewaltig und glaubten, es wäre am besten, nach dem Pfarrer zu schicken, damit er den Teufel festmache. »Nein, das geht nicht an, daß wir nach dem Pfarrer schicken,« sagte die Hausfrau: »denn es ist ja Sonntag-Morgen, und da ist er noch nicht aufgestanden, und wenn er auch schon aufgestanden ist, so kommt er doch nicht, denn er muß auf seinen Text studiren.« —

»O, ich verspreche ihm ein fettes Mastkalb, dann wird er schon kommen,« sagte der Mann und machte sich auf zum Pfarrhof. Als er aber dort ankam, war der Pfarrer noch nicht aufgestanden. Das Dienstmädchen hieß den Mann eintreten, und ging hinauf zum Pfarrer und sagte, es wäre unten ein Mann, der wäre so und so und wollte gern ein Wort mit dem Herrn Pfarrer sprechen. Als der Pfarrer hörte, daß es ein so braver Mann war, der ihn sprechen wollte, stand er sogleich auf und kam herunter in Pantoffeln und mit der Nachtmütze.

 

Der Mann erzählte ihm nun sein Anliegen und sagte, der Teufel wäre los in seinem Rübenfeld, und wenn der Herr Pfarrer helfen wollte, ihn festzumachen, so wolle er ihm auch ein fettes Mastkalb schicken. Ja, der Pfarrer war sogleich bereit und wollte nur seinen Burschen rufen, daß er dem Pferd den Sattel auflege, während er sich ankleide. »Nein, Gevatter, das geht nicht,« sagte der Mann: »denn der Teufel lässt nicht auf sich warten, und hat er sich erst wieder aus dem Staub gemacht, so hält's schwer, ihn wieder zu attrapiren; Ihr müsst darum sogleich mit, wie Ihr geht und steht.« Der Pfarrer mußte nun fort in seinen Pantoffeln und mit der Nachtmütze; als sie aber ins Erlenbruch kamen, war der Boden so locker, daß der Pfarrer in den Pantoffeln nicht fortkonnte. Da lud der Mann ihn auf den Rücken und trug ihn huckepack, indem er ganz vorsichtig immer von einem Bülten auf den andern trat. Als sie nun ungefähr bis in die Mitte gekommen waren, bemerkte Gidske die Beiden und glaubte, es wären die Diebe, welche mit dem Bock kämen. »Ist er brav fett? ist er brav fett?« schrie sie, daß es ins Holz schallte. »Ich weiß den Teufel, ob er fett ist, oder mager,« sagte der Mann: »willst Du's aber wissen, so komm selber und sieh zu!« und damit warf er den Pfarrer mitten in die Plampe und lief davon. Und ist der Pfarrer nicht wieder aufgestanden, so liegt er wohl noch da.

1: Ham bezeichnet in der nordischen Mythologie eine zauberkräftige Haut irgend eines Thiers mit den daran befindlichen Haaren, oder Federn, wodurch Derjenige, auf welchen diese Haut geworfen ward, augenblicklich in ein solches Thier verwandelt wurde. Anm. d. Übers.

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