Anatols Größenwahn

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Anatols Größenwahn
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Arthur Schnitzler

Anatols Größenwahn

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Anatols Größenwahn

Personen.

[Stücktext]

Impressum neobooks

Anatols Größenwahn

Personen.

Anatol

Max

Baron Diebl

Musiker Flieder

Berta

Annette

[Stücktext]

Die Gartenseite eines freundlichen Gasthofes, dessen Front den größten Teil des Hintergrundes einnimmt. Eine breite Terrasse läuft der ganzen Front des Gasthofes entlang; zu derselben führen von der Szene, die einen Garten vorstellt, zwei Treppen hinauf. Im Hintergrund, soweit derselbe nicht durch das Haus gedeckt ist, eine anmutige Hügellandschaft, die eben in Dämmerung zu versinken beginnt. – Während die eine Seite des Hauses in die Kulisse gerückt ist, steht die andere frei – und an dieser Seite läuft eine Pappelallee, die direkt an dem Gitter des Gartens vorüberführt. Auf der Terrasse stehen, ebenso wie im Garten, einzelne Tische mit Stühlen, die alle leer sind. Anatol und Max sitzen an einem der Tische, die auf der Terrasse stehen, Zigaretten rauchend.

ANATOL. Erinnerst du dich noch, mein lieber Max, wie wir das letztemal da saßen?

MAX. Das ist schon lange her, glaub ich!

ANATOL. Ja ... Ich brauchte damals zufällig diese Dekoration ... mit ihrer Anspruchslosigkeit und Milde ... ich brauchte diese Landstraße mit den trivialen Pappeln ... diese Wiesen da drüben, mit ihrem lauen Grün ... die nahen Hügel, die im Abendrot verschwimmen ...

MAX. Und heute?

ANATOL. Heute lieb ich diesen Hintergrund um seiner selbst willen –

MAX. Deine letzte Liebe?

ANATOL. Nein ... nur eine neue Art von Liebe, die eben jetzt an die Reihe kommt, die Liebe für die Dinge als Dinge –

MAX. ?

ANATOL. Für die Natur als Natur ... für die Hügel als Hügel ... für die Zigarren als Zigarren ... für den persischen Diwan als Diwan ..., während ich ja bisher an den Dingen nur ihre Beziehungen zu den Menschen liebte.

MAX. Also mit uns Armen bist du fertig?

ANATOL. O nein! Meine Freunde – dich ganz insbesondere – lieb ich noch immer.

MAX. Glaub doch das nicht! Ich bin immer nur für die Stichwörter dagewesen.

ANATOL. Wenn es so war ... das ändert sich jetzt, mein Lieber. Ich fürchte, auch das ist ein Zeichen nahenden Alters. Ich interessiere mich in der letzten Zeit auffallend für die Meinungen anderer.

MAX. Ah!

ANATOL. Ich kann zuhören, ich werde aufmerksam ...

MAX. Hast du mich darum nach so langer Zeit wieder aufgesucht?

ANATOL. Ich hatte ein so tiefes Bedürfnis, wieder mit dir zu reden! Mir ist, als hätte ich dir ein Testament vorzuplaudern!

MAX. Ach geh ... was ist das für eine neue Pose! Sentimentalitäten!

ANATOL. Nein ... es ist so ernst ... das Ende, mein Lieber! Mein Herz setzt seinen letzten Willen auf!

MAX. Macht's dich melancholisch?

ANATOL. Nein, o nein. – Ich will nicht mehr geliebt werden – ich will nicht.

MAX. Na, du würdest dich drein zu ergeben wissen.

ANATOL. Nein – ich will nicht meine letzte Illusion verlieren!

MAX. Welche denn?

ANATOL. Daß die Jungen von uns nichts zu fürchten haben! Das ist eine von denen, die ich mir mühsam erhalten habe.

MAX. Du hast sie ja nie gehabt, diese Illusion! Glaube doch das nicht! Immer warst du ein Virtuose der Eifersucht!

ANATOL. Mag ja wohl sein! Ich redete so ins Blaue ... es fiel mir nur ein ...! Hast du übrigens etwas dagegen, wenn ich das Gegenteil von dem behaupte, was ich vor einer Minute sagte?

MAX. Oh, ich erwartete es!

ANATOL. Zuweilen möcht' ich doch wieder geliebt werden! Daß alles aus ist, mein lieber Max, das ist ja ganz einfach, nicht wahr –

MAX. Ist deine Sehnsucht noch immer nicht müde?

ANATOL. Wie könnte sie's sein? Ich habe nur die Kunst verstanden, mit einem ganz geringen Aufwand von äußeren Ereignissen möglichst viel zu erleben ... und daher kommt es, daß mir zu mancher Zeit meine ganze Vergangenheit so armselig – und manchmal wieder so merkwürdig reich erscheint ...

MAX. Unsere entsetzliche Gewohnheit, immerfort Maße haben zu wollen!

ANATOL. Ein Unrecht, du hast Recht! Und auf die Erinnerung kann man sich gewiß nicht verlassen ... sie lügt, sie hat Launen ... und dann, was wissen wir eigentlich selbst von unsern Abenteuern? Wir und die Frauen – wir sind eben mit unserer Sehnsucht auf ganz verschiedenen Wegen! Ich fragte jede: Hast du keinen geliebt vor mir? – Jede fragte mich: Wirst du keine lieben nach mir? ... Wir wollen immer ihre erste Liebe bedeuten, sie immer unsere letzte!

MAX. Ja ... ja!

ANATOL. Da habe ich neulich das kleine Mädel gesehen, die Annette, weißt du, die mit dem Violinspieler herumläuft ... Reizend, sag ich dir ...

MAX. Nun, und?

ANATOL. Dieser Flieder ist jung, liebenswürdig, begabt und ich ... nun alles mögliche andere, aber keinesfalls mehr jung, fast grau ...

MAX. Nun, was ist's mit der Annette?

ANATOL. Sie kokettiert!

MAX. Na?

ANATOL. Mit mir ... ich bitte dich, mit mir! Es ist verstimmend! Sie geht mit dem jungen Menschen spazieren, weißt du, so an seinem Arm hängend, in der Art ganz junger Frauen ... mit verzückten, stupiden, unmoralischen Augen. Ich komme vorüber und ... die Augen hören auf, verzückt zu sein, sie fixieren mich, sie sind nicht mehr stupid, sondern süß und schlau ... nur unmoralisch bleiben sie ...

MAX. Wieso du mir nur plötzlich von Annette erzählst?

ANATOL. Es fuhr mir so durch den Sinn. Ich denke, wie es gar keine Möglichkeit gibt, sich sicher zu fühlen! Wir wissen nämlich, wenn wir eine Frau noch so gut kennen, doch immer nur, wie sie uns liebt, nie ... wie sie einen anderen lieben könnte! Darum ist es auch keine Gewähr, wenn uns eine mit Tränen im Auge in hinschmelzender Zärtlichkeit anschwärmt, was uns so oft vertrauensselig macht ... Sie betet vielleicht zugleich einen andern an, als eine ganz andere ... leichtsinnig, graziös und wild ...

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