Mein Freund der Mörder

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Arthur Conan Doyle

Mein Freund der Mörder

Inhaltsverzeichnis

Arthur Conan Doyle

Mein Freund der Mörder

Impressum

Arthur Conan Doyle

Sir Arthur Ignatius Conan Doyle M.D. war ein britischer Arzt und Schriftsteller. Er veröffentlichte die Abenteuer von Sherlock Holmes und dessen Freund Dr. Watson. Bekannt ist auch die Figur Challenger aus seinem Roman Die vergessene Welt, die als Vorlage für zahlreiche Filme und eine mehrteilige Fernsehserie diente.

Mein Freund der Mörder

»Nummer 481 geht’s nicht besser, Herr Doktor«, sagte der Oberaufseher in einem leicht vorwurfsvollen Ton, als er bei mir herein sah.

»Vergessen Sie 481«, antwortete ich, ohne von den Seiten des ›Australian Sketcher‹ aufzuschauen.

»Und 61 sagt seine Bronchien bereiten ihm Beschwerden. Könnten Sie nicht etwas für ihn tun? «

»Der ist doch schon eine wandelnde Apotheke«, sagte ich, »Er hat bereits alles intus, was die britische Pharmazeutik zu bieten hat. Ich glaube, seine Bronchien sind so gut wie ihre.«

»Nummer 7 und 108 sind immer noch krank«, laß der Aufseher von einem blauen Zettel vor. »Und 28 hat gestern aufgehört zu arbeiten. Er sagt er bekäme Seitenstechen beim Heben von Gegenständen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann sehen Sie mal nach ihm, Herr Doktor. Und dann auch noch 81 – der, der John Adamson umgebracht hat – er hatte wieder eine schreckliche Nacht, er schrie und brüllte und war nicht zu beruhigen.«

»In Ordnung, ich werde später nach ihm sehen«, sagte ich, warf meine Zeitung achtlos beiseite und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. »Ich nehme an, sonst ist nichts zu berichten, Aufseher?«

Die Aufseher trat ein wenig näher. »Verzeihen sie, Herr Doktor«, sagte er in einem vertraulichen Ton, »aber ich glaube 82 ist ein wenig erkältet, das wäre doch ein passender Vorwand für Sie, ihn zu besuchen und sich vielleicht ein wenig mit ihm zu unterhalten.«

Ich wollte gerade einen Schluck Kaffee trinken, aber mein Arm, mit der Tasse in der Hand, erstarrte mitten in der Bewegung. Ich sah entgeistert in das ernste Gesicht des Mannes.

»Ein Grund?« sagte ich. »Ein Vorwand? Was zum Teufel reden Sie da, McPherson? Wie sie wissen, bin ich den ganzen Tag in meiner Praxis beschäftigt, wenn ich nicht gerade nach den Häftlingen sehe. Jeden Abend komme ich müde wie ein Hund nach Hause, und sie sind auf der Suche nach einem Vorwand für noch mehr Arbeit!«

»Er wird ihnen gefallen, Doktor«, sagte Aufseher McPherson. »Die Geschichte dieses Manns ist hörenswert, wenn sie ihn dazu bringen, sie zu erzählen, was allerdings nicht leicht sein wird … Wissen Sie nicht, wer 82 ist?«

»Nein, tue ich nicht und ist mir auch egal«, antwortete ich, in der Überzeugung, dass mir irgend ein Raufbold als Berühmtheit untergeschoben werden sollte.

»Es ist Maloney«, sagte der Aufseher, »der im Fall der Morde von Bluemansdyke als Kronzeuge auftrat.«

»Was Sie nicht sagen«, stieß ich hervor und stellte erstaunt meine Tasse ab. Ich hatte von dieser grässlichen Serie von Morden gehört und einen Artikel in einer Londoner Zeitschrift gelesen, lange bevor ich in der Kolonie eintraf. Ich erinnerte mich, dass die Gräueltaten die Verbrechen von Burke und Hare weit in den Schatten stellten und dass einer der Verbrecher der Bande seine eigene Haut durch Verrat an seinen Gefährten rettete. »Sind Sie sicher?«, fragte ich.

»Oh ja, genau der ist es. Sorgen Sie dafür, dass er ein wenig aus sich herausgeht, und sie werden staunen. Diesen Mann sollte man kennenlernen, ist noch zu wenig gesagt«. Der Aufseher verschwand mit einem Grinsen. Ich beendete mein Frühstück beenden und grübelte über das Gehörte nach.

Der Arzt eines australischen Gefängnisses zu sein, ist keine erstrebenswerte Position. In Melbourne oder Sydney ist es vielleicht noch erträglich, aber die wenigen Attraktionen der kleinen Stadt Perth hat man schnell abgehakt. Das Klima war abscheulich, und die Gesellschaft unsympathisch. Schaf- und Rinderzucht waren die Haupterwerbsquellen der Gemeinde; Preise, Zucht und Erkrankungen das Hauptgesprächsthema. Ich war Außenseiter, denn ich besaß weder Schafe noch Rinder und war somit überhaupt nicht an diesen Themen interessiert. Ich befand mich mich in einer Art geistiger Isolation und war bereit alles, was die Monotonie meiner Existenz lindern könnte, aufzugreifen. Maloney der Mörder hatte zumindest ›das gewisse Etwas‹ und könnte mich von den Banalitäten des hiesigen Lebens ein wenig ablenken. Ich beschloss, dem Rat des Wärters zu folgen und den Vorwand zu benutzen um seine Bekanntschaft zu machen. Während meiner üblichen morgendlichen Runde entriegelte ich die Tür mit der Nummer des Sträflings, und betrat die Zelle.

Als ich eintrat, lag der Mann zusammengerollt auf seinem rauen Bett. Als sich aufrichtete und seine langen Glieder streckte, sah er mit einem frechen, trotzigen Blick zu mir herauf, der nichts Gutes für unser Gespräch versprach. Er hatte ein blasses, eingefallenes Gesicht, mit sandfarbenem Haar und stahlblauen Augen mit einem etwas katzenartigen Ausdruck. Seine Gestalt war groß und muskulös, aber mit einer leichten Missbildung einer Schulter. Ein gewöhnlicher Beobachter auf der Straße hätte ihn als einen gut situierten Mann, ziemlich gutaussehend und wissbegierig, beschrieben – sogar in der scheußlichen Uniform des Gefängnisses hatte er eine gewisse Eleganz in seinem Auftreten, mit der er sich deutlich von den primitiven Raufbolde seiner Umgebung unterschied.

»Ich stehe nicht auf der Krankenliste«, sagte er schroff. Es lag etwas in der harten, schnarrende Stimme, die mir alle Illusionen von Weichheit raubten. Mir wurde klar, dass ich Angesicht zu Angesicht mit dem Mann von Lena-Valley und Bluemansdyke stand; dem blutrünstigsten Strauchdieb, der jemals eine Farm plünderte oder die Kehlen seiner Bewohner durchschnitt.

»Das weiß ich«, antwortete ich. »Aufseher McPherson sagte mir, Sie hätten eine Erkältung, also dachte ich, ich sehe mal nach ihnen.«

»Zum Teufel mit McPherson, und zum Teufel mit Ihnen!« schrie der Verurteilte in einem Anfall von Wut. »Ach so ist das«, fügte er in einem ruhigeren Stimme hinzu, »Laufen Sie schnell zum Gefängnisdirektor und berichten Sie ihm! Das sind für mich dann weitere sechs Monate oder so – darum geht es ihnen doch.«

»Ich habe nicht vor, Sie zu melden«, sagte ich.

»Acht Quadratmeter Boden«, fuhr er fort, meinen Protest ignorierend und sich in Rage redend. »Nur acht Quadratmeter habe ich, und nicht mal die läßt man mir, ohne mich anzuquatschen oder anzustarren und … der Teufel hole euch alle!« Mit hoch erhobenen Händen überschüttete er mich mit weiteren Schmähungen.

»Sie haben eine merkwürdige Vorstellung von Gastfreundschaft«, bemerkte ich. Darauf bedacht, ruhig zu bleiben hatte ich fast das Erste, was mir in den Sinn kam, erwidert.

Zu meiner Überraschung hatten meine Worte eine außergewöhnliche Wirkung auf ihn. Das ich seinen Besitzanspruch auf seine Zelle einfach so respektierte, ohne darüber zu streiten, hatte er nicht erwartet.

»Entschuldigung«, sagte er, »ich wollte nicht unhöflich sein. Wollen Sie nicht Platz nehmen?« Er wies auf einen groben Bock, der das Kopfteil von seiner Couch bildete.

Ich setzte mich, erstaunt über die plötzliche Veränderung. Ich weiß nicht, ob mir Maloney so besser gefiel. Der Mörder war mit einem mal verschwunden und hervor kam eine Persönlichkeit, deren glatten Töne und unterwürfige Weise stark an den Kronzeugen erinnerte, der seine Kameraden an den Galgen geliefert hatte.

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