Geh weida

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Geh weida
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Vorwort

Die Heimsuchung des Markus S.

Novichok

Südtiroler

Ganz neu

Nur ein paar Meter

Alexa

Weltfriedenstag

Is d‘ Wiesn scho vorbei?

Herbstwind (Nach der Wiesn)

Im Postamt

Der Weg und das Ziel

Lesebuchteln

Hygge, Lagom und a Gaudi

Sommer in der Stadt

Die andere Seite der Stadt

Was mir fremd ist

Flüchtlingskind

Mein Vogelhäuschen

Mein Vogelhäuschen II

Hermine geht heim

Der Hausmeister

Rosenmontag

Wenn Texte zu sehr leiden

Briefwechsel

#metwo

Fruchtgenuss

Drohende Gefahr

Geh weida

Von Arno Jauernig

Buchbeschreibung:

Nach dem Gedichtband "Versengeld" nun also die Erzählungen "Geh weida". Der Titel, die sueddeutsche Herkunft des Autors nicht verleugnend, kann als Aufforderung verstanden werden, den Weg fortzusetzen. Oder auf gut bayrisch ungläubiges Erstaunen ausdrücken.

Über den Autor:

Der Autor, 1953 in Schweden geboren und seit 1954 um Integration in eine bayrische Heimat bemüht, hat gut 60 Jahre gebraucht, um damit zu beginnen aufzuschreiben, was ihn beschäftigt, belustigt oder erstaunt.

Geh weida

Kleine Geschichten

Arno Jauernig

Impressum

1. Auflage, 2018

© 2018, Arno Jauernig im Selbstverlag

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Arno Jauernig

Dachauer Str. 104a

80636 München

Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Printed in Germany

Vorwort

Vorwort – das klingt irgendwie nach „Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich noch etwas sagen.“

In Wirklichkeit will ich Dich (ich hoffe, Du kannst das vertrauliche Du akzeptieren, aber jetzt bist Du mir schon so nahegekommen, dass Du sogar diese Zeilen liest) nur einladen, mir die Freude zu machen, Dich an der ein oder anderen geschriebenen Zeile zu erfreuen.

Es sind kleine Geschichten. Manche erlebt in meiner Heimatstadt München, andere zusammenfantasiert. Manche sehr persönlich und andere im Gedenken an große Töchter und Söhne unserer Stadt.

Arno Jauernig

Mai 2018

gestern war ois no’ganz anderst

ja, und heit bin i wieder dahoam

war i wos gestern, heit bin i nix

aber wer is scho’gern alloa’n

(„Geh weida“, Hans Söllner)

Die Heimsuchung des Markus S.

Markus war an diesem Abend allein in seinem fränkischen Heim. Karin, seine Frau war mit den Kindern unterwegs um in der Firma nach dem Rechten zu sehen. Karin! Anfang der 90er Jahre hatte das Kabinett beschlossen, dass Ministerpräsident nur werden kann, wer eine Ehefrau hat, die Karin heißt. Der Stoiber Edi sollte der erste in der Reihe der Karinisten, wie man die Landesväter seither nennt, sein. Und Markus hatte seine Karin Ende der 90er geheiratet und war damit eigentlich schon bereit, das Amt zu übernehmen. Aber er musste ja vorher noch den Horst ertragen. Markus nippte an seinem stillen Mineralwasser und musste innerlich schmunzeln, als er daran dachte, wie der Beckstein Günther alle an der Nase herumgeführt hatte und den Namen seiner Frau Marga so nuschelte, dass alle Welt Karin verstand. Als er nach einem Jahr im Amt mit seiner Geschichte aufflog, musste er gehen. Das Schmunzeln verflog schnell wieder, als Markus an die Kabinettssitzung am nächsten Tag dachte. Seit 5 oder 6 Wochen war er jetzt schon der Chef und langsam würde es Zeit, etwas für das eigene Profil zu tun. Die Gesetzesvorhaben, die gerade in aller Munde waren, wurden ja noch unter seinem Vorgänger erarbeitet. Von der Kabinettsumbildung war in der Öffentlichkeit höchstens noch im Gespräch, wie er seinen treuen Vasallen und Förderer Spaenle abserviert hatte. Aber was sollte er auch mit einem Spaenle im Kabinett, wenn Berlin schon einen ganzen Spahn hat? Markus nahm noch einen kräftigen Schluck Frankenbrunnen.

Nein, es war an der Zeit, etwas Eigenes zu schaffen. Etwas Großes, etwas für die Ewigkeit. Markus ging in Gedanken durch, was andere große Herrscher an Unvergänglichem geschaffen hatten. Die Pharaonen zum Beispiel haben Pyramiden hinterlassen. Markus könnte sich schon für so etwas begeistern, aber vor dem Gedanken, sich bereits zu Beginn der Amtszeit sein Grabmal errichten zu lassen schreckte er doch zurück. Schlösser bauen wie König Ludwig? Dazu war seine Zeit als Finanzminister noch zu nah. Aber für die dritte oder vierte Amtszeit könnte man sich das ja mal vormerken. Markus erhob sich aus dem Sessel, ging ein paar Schritte zu seinem Schreibtisch und machte sich eine Notiz: „Amtszeitbegrenzung nochmal überdenken!!!“ Er ließ sich in den Sessel fallen, wobei sich wieder sein Rücken mit einem stechenden Schmerz meldete. Er sollte vielleicht doch mal was machen gegen diese immer wiederkehrenden Kreuzschmerzen! Vielleicht sollte er überhaupt nicht so Großes für den Anfang planen und etwas kleinere Brötchen backen. Mit ein wenig Bescheidenheit könnte er seine Ministerriege und das Wahlvolk überraschen. Während er sein Wasserglas in einem Zuge leerte, fielen ihm all die großen Staatenlenker ein, die es geschafft hatten ihrem Volk allgegenwärtig zu sein, indem Bilder von ihnen in allen Amtsstuben und auf allen öffentlichen Plätzen hingen. Das war’s! Er würde morgen im Kabinett anordnen, in einem ersten Schritt in allen Behörden Söder-Bilder aufzuhängen. Das wäre nicht zu dick aufgetragen und ließe sich leicht aus der kulturellen Prägung Bayerns ableiten. Berauscht von seiner Idee holte er gleich eines seiner wundervollen Portraits und stellte es im Schlafzimmer auf das Nachtkastl von Karin.

Selig ging er zu Bett und schlief ein. Die Rückkehr von Karin hat er gar nicht mehr mitbekommen. Und so auch nicht ihren irritierten Blick auf das Foto an ihrem Bett.

Markus musste früh raus, frühstückte hastig und während sich sein Fahrer redlich bemühte, rechtzeitig nach München zu kommen, erledigte Markus noch das Wichtigste zur Vorbereitung der Kabinettssitzung. Der Innenminister sollte seinen Plan in die Tat umsetzen. Mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz im Rücken sollte es ein Leichtes sein, die Bilder auch in widerspenstigen Behörden aufzuhängen. Sein Digital- und Medienminister sollte für den Feinschliff an den Bildern zu-ständig sein und die Ilse sollte schon mal ein Konzept für Söder-Bilder im öffentlichen Raum entwickeln.

Die Kabinettssitzung begann, wie alle anderen Sitzungen bisher auch. Eine kleine Stichelei da, die Ankündigung großer Konzepte dort. Einer jammerte über die Doro, die ihm dieses blöde Flugtaxiprojekt eingebrockt hat. Ein anderer meinte, ob man sich nicht viel Arbeit sparen könne, wenn man Polizeiaufgabengesetz und Psychischkrankengesetz einfach zusammenfasst. Und dann kam endlich Markus‘ große Stunde. „Herrschaften“ hob er an „Herrschaften, in ein paar Monaten ist Landtagswahl. Wir haben nach wie vor eine kleine Schwäche auf dem rechten Flügel. Es ist an der Zeit, dass wir Zeichen setzen und das Volk wieder an unseren Beitrag zur kulturellen Identität erinnern. Deshalb ordne ich an, dass ab 1. Juni in allen Behörden…“ Markus erhob sich, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Dieser Schmerz! Ein furchtbarer Stich fuhr in seinen Rücken. Er schrie kurz auf „mein Kreuz,“ und beendete den begonnenen Satz „…aufgehängt wird.“

 

So stand es dann auch im Protokoll der Sitzung. Und so kam es, dass nunmehr in den Amtsstuben keine Söder-Bilder, sondern Kreuze aufgehängt werden. Und der Markus jede Menge zu tun hat, sich alle möglichen Begründungen für diese Entscheidung auszudenken, um sie gegen all die Kritiker zu verteidigen.

Als Markus spät abends von der Arbeit heimkam, wollte er sich ein wenig ausruhen. Sein Blick fiel gleich auf Karins Nachtkastl. An der Stelle, wo er gestern noch sein Bild aufgestellt hat, lag nun ein Kreuz.

Novichok

In diesen Tagen war es neblig und trüb in London. Wie so oft. Aber verglichen mit der Stimmung von Theresa May, der britischen Premierministerin, könnte man die Wetterlage hochsommerlich warm und sonnig nennen. Der Brexit raubte ihr den letzten Nerv und die Lage im Land wurde zusehends bedrohlich für sie und ihre Regierung. Ein Ausweg war nicht in Sicht. Philip, ihr Gatte, der sie immer zärtlich, aber etwas zweideutig „My little May Bee“ nannte, war an diesem Abend in seinem Club und sie hatte das dringende Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Obwohl sie wusste, dass er sich nur wieder über sie lustig machen würde, wählte sie die Nummer von Donald. Immerhin war er der einzige ihrer Führerkollegen, der den Brexit schon immer für eine tolle Idee gehalten hat. Trump war kurz angebunden. Erstens hatte er nie große Lust, sich mit Frauen abseits seines Beuteschemas zu unterhalten, zum anderen war er gerade in einem Meeting mit Kumpels von der NRA um darüber zu beraten, was zu tun sei, wenn die Schwachköpfe im Nahen Osten Strafzölle auf US-Waffen erheben wollen. Theresa gelang es trotzdem, ihm ihr Leid zu klagen. „So sad“ schallte es aus der Leitung „so sad!“. Seinen Ratschlag, einen Minister nach dem anderen zu entlassen, wollte sich Theresa nochmal durch den Kopf gehen lassen. „Aber wenn Du etwas wirklich Spektakuläres vorhast, rede doch mal mit Wladimir. Der hat in solchen Dingen die besten Ideen.“

Wladimir! Da hätte sie auch gleich selbst draufkommen können. Von Putin kommt in solchen Situationen immer der beste Input. Sie suchte nach seiner Nummer aber noch bevor sie ihn anwählen konnte, klingelte das Telefon. „Dobryy vecher, Podruga, Du willst mich sprechen!“ Teresa wunderte sich nicht, sie war sehr wohl vertraut mit der Effizienz des russischen Geheimdienstes SWR. „Theresa, das solltest Du doch wissen: Wenn Du in Schwierigkeiten steckst, brauchst Du einen gefährlichen, am besten ausländischen Feind. Der macht was Böses, Du gehst mit aller Härte dagegen vor, Ihr bekriegt Euch eine Zeitlang und schon bist Du fein raus.“ Das klang überzeugend. „Wladimir, Schatz“ flötete Theresa „meine ausländischen Feinde hab ich schon alle aufgebraucht und die Flüchtlingssache funktioniert auch nicht mehr so richtig. Möchtest Du mir den Feind machen?“ Theresa ging aufs Ganze. „Gerne, Theresa. Bei solchen Sachen bin ich immer gern dabei, wie Du weißt. Aber, das Ganze muss sich schon auch für mich lohnen. Vyigrat‘ vyigrat‘ – win win, you know?“

Die erste Idee, angelehnt an die Aktionen auf der Krim London zu besetzen, weil da eh schon so viele russische Millionäre leben, erschien Theresa dann allerdings doch zu abwegig.

Den Gedanken der Premierministerin, die russischen Trollfabriken und Bots aufzudecken, lehnte wiederum Putin mit dem Hinweis ab, dass sie wohl gerade beim Brexit auch davon profitiert hätte und dass man das Instrument nicht verbrennen dürfe. Aber Putin wäre nicht der KGB-Offizier, der er nun mal war, wenn ihm nicht doch noch eine gute Lösung eingefallen wäre. Eine Agentengeschichte sollte es sein. Sowas ist immer ein wenig mystisch, die Leute fangen immer sofort an zu spekulieren und sich an alles zu erinnern, was sie in einschlägigen Filmen gesehen hatten. Es braucht immer einen Helden und von Anfang an ist klar – die eigentliche Wahrheit wird dem gewöhnlichen Volk für immer verborgen bleiben. Und weil es eben eine Agentengeschichte ist, akzeptiert das auch jeder. Und man kann so eine Geschichte über viele Jahre immer wieder nutzen, egal für welche Interessen. Theresa war begeistert. Man brauchte nur noch ein Opfer. Jemand der auf beiden Seiten unten durch ist, einen Doppelagenten am besten. Und der war auch schnell gefunden, ein Kerl namens Skripal. Theresa warf ein, dass in der Vergangenheit eine rätselhafte Vergiftung immer eine ganz besonders effektvolle öffentliche Wirkung hatte und Wladimir schlug vor, Novichok zu verwenden. Da ließe sich leicht eine Spur nach Russland legen, wo das Zeug ja entwickelt wurde, aber zugleich ist das Zeug inzwischen so gestreut worden, dass sich die Herkunft niemals beweisen ließe. Beide waren nun restlos begeistert von der Idee. „Du musst halt richtig hart reagieren. Am besten so, dass die Dummköpfe von NATO und EU gleich mit auf den Zug springen. Wenn ich die dann entlarven kann, hab ich auch was davon.“ Putin geriet ins Schwärmen. „Macht Ihr das selber oder sollen wir jemand vorbeischicken?“ „Das muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen“ meinte Theresa noch, als sie das Türschloss hörte und Philip durch den Flur torkelte: „My Darling May Bee we will have a beautiful night!“ Teresa beendete das Gespräch mit Wladimir und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Jeder Schatten ist

ein freundlicher Hinweis darauf,

dass es Licht gibt.

Südtiroler

Birte hat mir kürzlich mit glänzenden Augen und einem leichten Beben in der Stimme erzählt, dass sie jetzt einen Südtiroler hat. Naja, dachte ich mir, wenigstens kein Österreicher oder Schweizer. Näheres zu den Umständen des Zusammenkommens wollte ich eigentlich gar nicht wissen, weil mich solche Geschichten immer eher deprimieren. Birte drückte mir trotzdem einige Details über die Vorzüge ihrer neuesten Errungenschaft rein und ich versuchte so gut es ging wegzuhören. Ei-gentlich will ich ja nichts von Birte, aber die Geschichte mit diesem Südtiroler löste doch ein gewisses Unwohlsein in mir aus. Birte muss das bemerkt haben, denn sie wechselte abrupt das Thema und wir haben uns den Rest des Abends mit Inbrunst über Mobilität in der Stadt unterhalten.

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