Hatte wirklich jemand vor, einen Flughafen zu bauen?

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Hatte wirklich jemand vor, einen Flughafen zu bauen?
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Arno Backhaus ist studierter Sozialarbeiter, aktiver Liedermacher und „E-fun-gelist“. Der Hessische Rundfunk kürte ihn zum Witzemeister des Landes Hessen.

Er lebt mit seiner Frau Hanna in Calden bei Kassel, einer Kleinstadt, die zwei Flughäfen besitzt. Er ist Vater von drei Kindern und Großvater von acht Enkeln.


INHALT


Cover
Über den Autor
Titel
Vorwort
1.Hatte wirklich jemand vor, in Berlin einen Flughafen zu bauen?
Überblick über die Eröffnungstermine
Die Top 10 der unglaublichsten Pannen
Die Kosten im Überblick
Freche Sprüche und Zitate
Arbeit macht Spaß, aber wer kann schon Spaß verstehen?
Fehlplanungen gibt es übrigens überall
2.Kommt ein Flugast zum BER
Jeder Start ist freiwillig, jede Landung ist ein Muss!
3.Pannen über Pannen
Pannen über Pannen – Teil 1
Die Geschichte der Verschiebungstermine
Top 10 der Arbeitsmoral
Fehlkauf
In der Krise braucht man nur neue Ideen
Wirklich genug Parkplätze? Ein Vergleich
Pannen über Pannen – Teil 2
Achtung! Einsturzgefahr!
Gut behütet
Pannen über Pannen – Teil 3
Fledermäuse stoppen Bau des Airport-Express
Die Entwicklung eines Desasters
Putzeritis
Die drei Wege eines klugen Handelns
Der Floskelcode aus dem Arbeitsalltag
Pannen über Pannen – Teil 4
Spitznamen für den Berliner Flughafen
Pannen über Pannen – Teil 5
Politiker
4.Die „ewige“ Baustelle
Sind eigentlich die Arbeitszeiten schuld, dass der BER nicht fertig wird?
Die Sache mit dem Urlaub
Freche Sprüche und Zitate
Kommunikationsprobleme – oder wie entsteht eigentlich ein Gerücht?
Ein Seitenhieb auf die Architekten
Auf der Baustelle
5.Die Sache mit dem Brandschutz
Suche nicht nach Fehlern, suche nach Lösungen
6.Da geht die Tür nicht zu
Das Chaos mit den Bäumen
Warum man nie zu lange warten sollte
Power off
Corona-Krise
Letzte Worte
Zukunftsmusik
Bürokratie in Deutschland
7.Wenn’s dann mal läuft
Im Flugzeug
Quiz
Warum gibt es im Flugzeug Schwimmwesten und keine Fallschirme?
Wenn Betriebssysteme Fluggesellschaften wären
Funksprüche aus der Flugzeugkabine
Was hat Gott mit dem Fallschirm zu tun?
8.Die Sache mit den Positionslichtern
Impressum


Wir haben fertig!

Die Welt wartet gespannt darauf, dass diese Worte endlich über den Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ ausgesprochen werden. Dass man nicht mehr länger warten muss, sondern dass er endlich eröffnet wird. Vielleicht ja tatsächlich im Oktober 2020.

Wir in Hessen haben diese Worte allerdings schon im April 2013 gehört. Vermutlich waren sie gesprochen mit stolzgeschwellter Brust und einem Blick nach Berlin. Damals sagte sie der Geschäftsführer des neuen hessischen Regionalflughafens, Jörg Ries, als er die Gäste zur feierlichen Eröffnung von Kassel-Calden begrüßte. Dieser Flughafen, früher noch nach seiner Ortslage benannt (heute: Kassel Airport), liegt direkt vor unserer Haustür. Rund 7.600 Einwohner hat Calden, doch da ist nicht nur dieser eine Flughafen, da sind gleich zwei, denn neben dem Regionalflughafen liegt nur etwa zwei Kilometer entfernt der alte Verkehrslandeplatz Kassel-Calden, der von 1970 bis 2013 genutzt wurde und heute als Veranstaltungsort sowie coronabedingt als Parkplatz für Autos aus Leasingrücknahme dient. Eines Tages soll er in ein kommunales Industrie- und Gewerbegebiet verwandelt werden … doch das dauert noch.

Wenn man auf etwas lange warten muss, machen sich die Gedanken selbstständig. Ich dachte: Berlin braucht einen neuen Flughafen, kriegt keinen hin, Calden braucht keinen, hat aber gleich zwei.

Das Interesse der Hessen schien für einen neuen Flughafen gering zu sein. Der erste Flug nach der Eröffnung 2013 wurde aufgrund von nur sechs Passagieren durch ein Taxishuttle zum Flughafen Paderborn/Lippstadt ersetzt. Selbst dem TV wurde die geringe Auslastung bekannt. Bei „Wer wird Millionär?“ witzelte Günther Jauch mit einer Kandidatin über die Frage: „Was brachte die in der Nähe von Kassel gelegene 7.000-Einwohner-Gemeinde Calden im April in die Schlagzeilen?“

a.)Überfüllte Bushaltestelle

b.)Gleisfreier Bahnhof

c.)Eckiger Kreisverkehr

 

d.)Leerer Flughafen

Wie mittlerweile in aller Welt bekannt sein dürfte, gehören Humor und der Bau eines Flughafens unweigerlich zusammen. Über Calden wird gewitzelt wie gelästert wegen der Kosten – so auch in Berlin, nur in einem viel größeren Umfang.

Aus persönlichem Interesse, da ich in einem Ort mit zwei Flughäfen lebe, erlaube ich mir in diesem Buch mit viel Augenzwinkern einen humorvollen Blick und Rückblick auf die schönsten Pannen und Peinlichkeiten aus der Geschichte des Baus des BER. Das Buch erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr finden Sie aber die ein oder andere sinnvolle Botschaft fürs Leben mit dabei.

Persönlich habe ich übrigens eine besondere Beziehung zu Berlin. Ich würde sogar sagen, dass die ersten 15 Jahre meines Lebens denen des Berliner Flughafens sehr ähnlich sind. Als ADHS-Kind habe ich meinen Eltern in Kassel viel Stress, Chaos und Ärger bereitet. Meinem Tatendrang nach Neuem tat es gut, dass ich in den Sommerferien immer zu meinen Großeltern nach Berlin durfte. Meine Eltern hatten so eine Auszeit von mir. Meine Großeltern wohnten in einem Häuschen in Berlin-Lankwitz. Ich konnte die Gegend erkunden und auch zum „Fliegeberg“ mit seinem Otto-Lilienthal-Flugdenkmal in Lichterfelde laufen.

Otto Lilienthal (1848–1896) träumte vom Fliegen. Er erforschte die theoretischen Grundlagen des Fliegens und unternahm von aufgeschütteten Hügeln Flugversuche mit selbstgebauten Flugzeugen. In Lichterfelde absolvierte er Tausende von Gleitflügen mit seinem Normalsegelapparat und gilt heute als der erste erfolgreiche Flieger der Menschheit. Mit einem abgewandelten Zitat von ihm, das sich auch auf andere Lebensbereiche beziehen lässt, wünsche ich Ihnen einen guten Take-off ins Lesevergnügen:

„Einen Flughafen zu erfinden, ist nichts.

Ihn zu bauen, ein Anfang.

Fliegen, das ist alles.“

Arno Backhaus


Hatte wirklich jemand vor, in Berlin einen Flughafen zu bauen?

Eröffnungstermine, Kosten und eine Neverending-Baustelle

Überblick über die Eröffnungstermine

Der Berliner Flughafen hat eine Geschichte, die zurückreicht bis ins Jahr 1992. Immer wieder wurde die Eröffnung des Flughafens, der die beiden bisherigen Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld ersetzen soll, verschoben, und zwar aus den verschiedensten Gründen. Hier eine kurze Zusammenfassung über die wichtigsten verpassten Termine:

1/1992: Zu Beginn des Jahres starten die ersten Planungen für einen neuen Flughafen in Berlin.

6/2006: Erster Spatenstich – mit der Perspektive: Eröffnung am 30. Oktober 2011.

6/2010: Die Planungsfirma geht Pleite. Die Eröffnung wird verschoben auf den 3. Juni 2012.

5/2012: Erste Probleme mit dem Brandschutz. Das neue Eröffnungsdatum lautet: 17. März 2013.

9/2012: Die Brandschutzprobleme sind gravierender als angenommen. Jetzt: 27. Oktober 2013.

1/2013: Der Oktobertermin platzt. Der Grund: zu viele Baumängel. Die Eröffnung ist nicht planbar und wird auf unbestimmte Zeit verschoben.

12/2014: Man tastet sich an ein neues Datum heran: Der Bau soll im März 2016 beendet sein, die Eröffnung wird für das zweite Halbjahr 2017 angepeilt.

8/2015: Aufgrund der Insolvenz eines Unternehmens betont man den Bauabschluss: März 2016.

3/2016: Fertig? – Nein! Es muss nachgebessert werden, sagt das Bauordnungsamt.

1/2017: Zu viele neu entdeckte Defekte auf der Baustelle. Man guckt nun Richtung Jahr 2018.

12/2017: Neuer Plan: Der BER soll endlich eröffnen, und zwar im Oktober 2020.

11/2019: Der Flughafenchef legt sich mit einem Datum fest. Betriebsstart: 31. Oktober 2020.

4/2020: Mitten in der Corona-Krise bekommt der BER die Nutzungsfreigabe. Ironie des Schicksals:

Jetzt, wo kaum jemand wegen Corona fliegt, wird er fertig.

BER

Wer das Kürzel „BER“ für den „neuen“ Flughafen Berlin Brandenburg hört, der denkt sogleich an seine Baugeschichte. Eine Story voller Pannen und Peinlichkeiten.

Wie kann nur so viel schiefgehen? Das fragen sich nicht nur die Berliner.

Sei Jahren kursieren in der Hauptstadt Poster und Plakate mit Sätzen wie: „Berlin – Wir können alles außer Flughafen.“

Der Beiname „Pannen-Airport“ ist mehr als berechtigt. Und tatsächlich kann man bei der ein oder anderen BER-Panne nichts anderes als schmunzeln. Hier ein Überblick über besonders kuriose Bau- und Planungspannen am BER.

Die Top 10 der unglaublichsten Pannen

Seit dem Spatenstich 2006 folgte eine Panne der nächsten. Die zehn größten BER-Flughafenpannen zeigen: Hier ist jede Menge schiefgegangen.

1. Die Belüftungsfahrt

Von montags bis freitags fährt nachts eine leere S-Bahn durch den zum Flughafen gehörenden Bahnhof, um der Schimmelbildung und dem Verrosten der Anlagen entgegenzuwirken.

2. Das Nummernchaos

Etwa jeder dritte der 4.000 Räume des BER wurde mit einer falschen Nummer versehen. Arbeiter verloren den Überblick wegen ständiger Neunummerierung. Durch die Vergrößerung des Flughafens waren mehr neue Räume entstanden; das ursprüngliche System reichte dafür nicht.

3. Durchhängende Decken

Es wurde zu wenig Stahl im Beton der Parkhausdecken verbaut, außerdem standen Träger zu weit auseinander. Risse und Durchhänger waren die Folge.

4. Rolltreppen zu kurz

Aufgrund von Umplanungen fehlte es bei den bestellten Rolltreppen für den Bahnhof hoch Richtung Terminal an korrekter Länge. Die Folge: Drei bis vier Stufen mussten dazu gemauert werden.

5. Verdreckte Rauchmelder

Durch Baustaub und -stoffe waren manche Rauchmelder so stark verdreckt, dass sie nicht mehr funktionierten.

6. Automatiktüren ohne Strom

Für automatisch öffnende Türen fehlte die Stromversorgung. Die Wände mussten komplett neu aufgerissen werden.

7. Mangelnde Videoüberwachung

Mancherorts konnte keine Videoüberwachung installiert werden. Zu wenig Platz an der Decke.

8. Falsche Dübel

Zig Toilettenpapierrollenhalter fielen aus den Wänden, weil statt der erforderlichen Hohlraumdübel normale Dübel beim Einbau verwendet wurden.

9. Taghelle Beleuchtung

Die Innenbeleuchtung im BER konnte aufgrund einer Störung nicht abgeschaltet werden. Tagsüber wie in der Nacht brannte das Licht.

10. Schimmelprophylaxe

Lüften, Wasser per Hand auf- und zudrehen, Möbel rücken – wie bei jedem anderen leer stehenden Haus muss alles getan werden, um Schimmel, Staub und Geruch vorzubeugen.

Und weil es so unglaublich viele Pannen gibt, hier noch ein paar Zugaben:

Geheime Akten in Berlin

In zwei Containern am Gehweg wurden in der Nähe des Berliner Ostkreuzes geheime Unterlagen des BER gefunden.

Abgesagte Eröffnungsparty

Alles war vorbereitet für die große Eröffnungsparty am 3. Juni 2012: Einladungskarten gedruckt, Flugtickets mit dem Kürzel BER lagen parat, doch im Terminal tobte noch das Chaos. Die Eröffnung wurde abgesagt, der Brandschutz war mangelhaft.

Kosten-Katastrophe

ohne Worte

Juni 2019

Die Sanierung des Flughafens dauert mittlerweile länger als der eigentliche Bau.

Umzug in einer Nacht

In einer einzigen Nacht, vom 2. auf den 3. Juni 2012, hätte der Umzug vom Flughafen Tegel zum Flughafen Berlin Brandenburg stattfinden sollen. Jetzt ist der Umzug für drei Tage angesetzt, rund um den 31. Oktober 2020 – also am Reformationstag bzw. an Halloween.