Buch lesen: «Handbuch des Strafrechts», Seite 36

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2. Ermittlungsbefugnisse

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Das beherrschende Thema im Strafrecht war in der 12. Legislaturperiode die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Das OrgKG vom 15. Juli 1992[94] bedingte zum einen Folgeänderungen im Katalog des § 100a StPO und zur vorläufigen Sicherung (§§ 111o, 111p StPO) und Vollstreckung (§§ 459i, 460 S. 2 StPO) der neu eingeführten Vermögensstrafe (§ 43a StGB); neu geregelt wird auch die Vermögensbeschlagnahme in § 443 StPO. Zum anderen führte das OrgKG Rechtsgrundlagen für die Rasterfahndung (§§ 98a bis 98c StPO) ein, die zuvor auf allgemeine Vorschriften (§§ 161, 163, 94, 104 u.a. StPO) bzw. Polizeirecht gestützt wurden, was nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG[95] unzureichend erschien. Geregelt wurde ferner der Einsatz technischer Mittel (§§ 100c, 100d StPO) und Verdeckter Ermittler (§§ 110a bis 110e StPO) sowie die polizeiliche Beobachtung (§§ 163e, 463a StPO) nebst der Verwertung von Zufallserkenntnissen (§ 100b Abs. 3 StPO).

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Das StPOÄndG vom 17. Juli 1997[96] fügt die Hauptverhandlungshaft nach § 127b StPO ein, die die Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens verbessern soll. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OrgKVerbG) vom 4. Mai 1998[97] fügt nach entsprechender Änderung des Art. 13 GG[98] die außerordentlich umstrittene und komplizierte akustische Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) ein (§§ 110c bis 100e StPO), die freilich nur bis zur Entscheidung des BVerfG vom 3. März 2004 gelten wird.

3. Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten

a) Rechtsstellung des Beschuldigten

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Ziel des Justizmitteilungsgesetzes vom 18. Juni 1997[99] war die Schaffung der für die Erhebung und Weitergabe von Daten noch erforderlichen Ermächtigungsgrundlagen, nun §§ 12 bis 22 EGGVG, während Mitteilungspflichten der Behörden nach wie vor durch die bundeseinheitlich erlassenen Anordnungen über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) geregelt werden. Der Erfüllung datenschutzrechtlicher Anforderungen dienen auch die neuen Regelungen der – zuvor auf § 81a StPO gestützten – DNA-Analyse in § 81e bis § 81f StPO des StVÄG 1997,[100] die kurz darauf durch die vom DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7. September 1998[101] eingefügte Speicherungsermächtigung des § 81g StPO, ferner §§ 2, 3 DNA-IfG ergänzt wurden.

b) Rechtsstellung von Zeugen und Verletzten

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Verbessert wird durch das OrgKG auch der Zeugenschutz durch Änderung der §§ 68, 168a, 200, 222 StPO, § 172 GVG. Das Begleitgesetz vom 23. Juli 1992[102] erstreckt die berufsbezogenen Zeugnisverweigerungsrechte auf Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit (§ 53 Abs. 1 Nr. 3b, 97 StPO). Weitere Einzeländerungen betreffen die Erstreckung der berufsbezogenen Zeugnisverweigerungsrechte auf psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO)[103].

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Allein der Verbesserung der Zeugenstellung ist das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998[104] gewidmet, das insbesondere, aber nicht nur auf Erfahrungen mit der Vernehmung kindlicher Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs reagiert. Ermöglicht und mitunter empfohlen wird die Aufzeichnung von Zeugenaussagen auf Bild- und Tonträger (§ 58a StPO), die in der Hauptverhandlung verwertbar sind (§ 255a StPO). Ermöglicht wird auch eine audiovisuelle Distanzvernehmung (§ 247a StPO). Ferner können Zeugen (§ 68b StPO) und Nebenkläger (§ 397a StPO) nun anwaltlichen Beistand gestellt bekommen. Das Opferanspruchssicherungsgesetz (OASG) vom 8. Mai 1998[105] verschafft dem Verletzten ein gesetzliches Pfandrecht an Forderungen, die Tatbeteiligte durch eine öffentliche Darstellung der Tat („Vermarktung“) gegen Dritte erwerben.

II. Die Entwicklung von 1998 bis 2005

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In der 14. und 15. Legislaturperiode wurden 160 Vorschriften der StPO durch 49 Gesetze geändert.[106] Vielfach handelte es sich um Folgeänderungen, so z.B. machte die Einführung der vorbehaltenen und nachträglichen Sicherungsverwahrung in §§ 66a, 66b StGB entsprechende Verfahrensregeln (§§ 268d, 275a StPO) und Zuständigkeitsregeln nötig (§§ 74f, 120a GVG).[107]

1. Modernisierung

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Unter dem Stichwort Modernisierung lässt sich das Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und Gerichte vom 22. Dezember 1999[108] fassen, das die 1972 eingeführte Präsidialverfassung der Gerichte überarbeitet. Aufgrund des Zustellungsreformgesetzes vom 25. Juni 2001[109] gelten für die Zustellung im Strafverfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend (§ 37 Abs. 1 StPO).

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Das Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 hat sich die Modernisierung auf die Fahnen geschrieben, ist aber weniger innovativ als dass es Entwicklungen der Praxis nachvollzieht, so durch die Abschaffung der Regelvereidigung (§§ 59 bis 66 n.F. StPO) und der Erweiterung der Sachentscheidungsbefugnis der Revisionsgerichte in § 354 Abs. 1a und 1b StPO[110]. In Verhandlungen vor dem Amtsrichter kann dieser nun auf einen Protokollführer verzichten (§ 226 Abs. 2 StPO), wodurch die ohnehin verfehlte absolute Beweiskraft des Protokolls gem. § 274 StPO, die eine personale Trennung von Richter und Protokollführer voraussetzt, noch problematischer wird. Weiter verlängert werden die Unterbrechungsfristen in § 229 StPO; die Ersetzung des Personalbeweises durch den Urkundsbeweis wird durch die Erweiterung und Neufassung der Verlesungsmöglichkeiten in §§ 251, 256 StPO vorangetrieben. Eine bloße Änderung des Sprachgebrauchs, die jedoch von der Polizei lange gewünscht worden war, ist die Umbenennung der „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“ in § 152 GVG in „Ermittlungspersonen“. Vereinfacht wurden die Regelungen über Wahl und Heranziehung der Schöffen.[111]

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Eine Rechtsgrundlage für den elektronischen Rechtsverkehr mit Gerichten und Staatsanwaltschaften wird mit § 41a StPO geschaffen;[112] die die Einzelheiten regelnde Rechtsverordnung ist noch nicht erlassen worden. Die „elektronische Akte“ lässt im Strafverfahren noch etwas auf sich warten.[113]

2. Ermittlungsbefugnisse

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Das StVÄG 1999[114] regelt den Steckbrief (Ausschreibung zur Festnahme) neu in detaillierten Vorschriften (§§ 131 bis 131c StPO), wandelt die zuvor zumeist als bloße Aufgabenzuweisungen verstandenen Generalklauseln der §§ 161, 163 StPO in Befugnisse für niederschwellige Eingriffe um und ergänzt sie um die Vorschrift über die längerfristige Observation (§ 163f StPO).

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Das StPOÄndG 2002 vom 20. Dezember 2001[115] schafft mit den §§ 100g, 100h StPO die zunächst bis zum 1. Januar 2005 befristeten – weil der Gesetzgeber die Absicht einer systematisch stimmigen Gesamtregelung hegte[116] – Grundlagen für Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten als Ersatz für den alten § 12 FAG. Bald danach wurde die Aufenthaltsbestimmung via Mobilfunk (sog. IMSI-Catcher) in § 100i StPO hinzugefügt.[117] Nach der Entscheidung des BVerfG zum „großen Lauschangriff“[118] hat der Gesetzgeber alsbald nach den Vorgaben des Gerichts eine komplizierte Neuregelung in §§ 100c bis 100e StPO erlassen,[119] die die eigentümliche Figur einer nur für die Entscheidung über die Wohnraumbewachung zuständigen Spezialstrafkammer schuf[120].

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Die strafprozessuale DNA-Analyse ist mehrfach erweitert worden[121] unter Beibehaltung des Richtervorbehalts; die DNA-Reihenanalyse („Massengentest“) hat eine Grundlage in § 81h StPO gefunden[122].

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Nachdem die Rechtsprechung des BVerfG die Anforderungen an die Eilkompetenz bei Durchsuchungen verschärft hat, hat der Gesetzgeber in § 22c GVG einen die Gerichtsgrenzen überschreitenden richterlichen Bereitschaftsdienst vorgesehen.[123] Bei einer Durchsuchung können seit dem 1. JuMoG die Papiere des Betroffenen auf staatsanwaltliche Anordnung hin nun auch von Polizeibeamten durchgesehen werden (Änderung des § 110 StPO).[124] Die Pflicht, den Betroffenen über den Termin der Durchsicht zu informieren (Aufhebung des § 110 Abs. 3 StPO), wurde gestrichen, weil der Beidrückung des eigenen Siegels des Betroffenen keine Bedeutung mehr zukomme,[125] womit allerdings der Wegfall der Teilnahme bei der Durchsicht nicht erklärt wird.

3. Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten

a) Rechtsstellung des Beschuldigten

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Das StVÄG 1999[126] verbessert das Akteneinsichtsrecht (§ 147 Abs. 5 und 7 n.F. StPO), das nun erstmals, wie von der EMRK gefordert, auch dem unverteidigten Beschuldigten gewährt wird, allerdings nur eingeschränkt. Dem achten Buch werden detaillierte Vorschriften über die Erteilung von Auskünften, Akteneinsicht und sonstige Verwendung von Informationen für verfahrensübergreifende Zwecke hinzugefügt (§§ 474 bis 491 StPO n.F.). Auch die Vorschriften über Dolmetscher und Verständigungshilfen bei Hör- oder Sprachbehinderten, §§ 186, 187 GVG, wurden verbessert.[127]

b) Rechtsstellung des Zeugen

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Als Begleitmaßnahme zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist das Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen vom 11. Dezember 2001[128] ergangen, da zuvor der Schutz solcher Zeugen auf unzureichender Rechtsgrundlage erfolgte, nämlich gestützt entweder auf die polizeirechtlichen Generalklauseln, den strafrechtlichen Notstand oder Verwaltungsrichtlinien.

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Das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten wurde durch das StPOÄndG 2002[129] durch Wegfall der Beschränkung auf periodisch erscheinende Publikationen und Ausdehnung auf alle Informations- und Kommunikationsdienste angepasst (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO) und, mit Einschränkungen, auf selbst recherchiertes Material erweitert (§ 53 Abs. 2 S. 2 StPO). Später wurde das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO auf Lebenspartner und „verlobte Lebenspartner“ erstreckt.[130]

c) Rechtsstellung des Verletzten

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Das Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen vom 20. Dezember 1999[131] nimmt die Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs in § 153a StPO auf und fügt §§ 155a, 155b StPO ein.

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Das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004[132] enthält eine Fülle von Nachbesserungen, Erweiterungen und Präzisierungen und will das Adhäsionsverfahren attraktiver gestalten u.a. durch die Möglichkeit eines Vergleichs (§ 405 StPO). Vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht können statt der Aufnahme der wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen nun auch Tonbandaufzeichnungen gemacht werden (§ 273 Abs. 2 S. 2 bis 4 StPO n.F.), die im Berufungsverfahren abgespielt werden dürfen (§ 323 Abs. 2 StPO), um Opferzeugen eine zweimalige gerichtliche Vernehmung zu ersparen.

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Die Erweiterung des § 154c StPO durch das 37. StrÄndG vom 11. Februar 2005[133] soll die Anzeigebereitschaft des Opfers einer Nötigung oder Erpressung fördern.

4. Internationales

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Die Ratifikation des Rom-Status des Internationalen Strafgerichtshofs[134] und die Schaffung des Völkerstrafgesetzbuchs[135] erforderten einige Anpassungen, namentlich die Einschränkung der Immunitätsvorschriften im neuen § 21 GVG. Zuständig für die Verfolgung der Völkerstraftaten sind der Generalbundesanwalt und im ersten Rechtszug die Oberlandesgerichte.[136] Von der Verfolgung der dem Universalitätsprinzip unterliegenden Völkerstraftaten kann nach Maßgabe des neuen § 153f StPO abgesehen werden.

III. Die Entwicklung von 2005 bis 2013

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In der 16. und 17. Legislaturperiode wurden durch 40 Gesetze 215 Änderungen an Vorschriften der StPO vorgenommen.

1. Modernisierung

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Das 2. Justizmodernisierungsgesetz vom 22. Dezember 2006[137] enthält nur wenige Änderungen der StPO. § 47 Abs. 3 StPO regelt nun, dass bei Durchbrechung der Rechtskraft nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Haft- und Unterbringungsbefehle sowie sonstige Anordnungen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben, wieder wirksam werden. Entsprechendes gilt bei der Rechtskrafterstreckung auf Mitangeklagte, § 357 S. 2 StPO.

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Wohl auch unter der Rubrik „Modernisierung“ einzuordnen ist das Verständigungsgesetz vom 29. Juli 2009,[138] das im Wesentlichen die Rechtsprechung des BGH zu den Urteilsabsprachen kodifiziert mit der Zentralvorschrift des § 257c StPO und einigen flankierenden Normen (§§ 35a, 160b, 202a, 212, 257b StPO) nebst Änderungen der §§ 243, 267, 273 und 302 StPO. Der Gesetzgeber hat ohne Problembewusstsein und in der falschen Annahme, dies entspreche der herrschenden Meinung in der Wissenschaft, gemeint, dass diese Regelung mit den bisherigen in der StPO geltenden Prozessmaximen vereinbar sei.[139] Das BVerfG hat das theorielose Gesetz in einer weithin theorieabstinenten Entscheidung im Angesicht einer massiv gesetzeswidrigen Praxis „derzeit“ für verfassungskonform erklärt.[140]

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Mit § 154f StPO wurde 2009[141] ein Pendant zu § 205 StPO geschaffen und nun auch der Staatsanwaltschaft die vorläufige Einstellung des Verfahrens ermöglicht, wenn ein Verfahrenshindernis vorliegt. Das Gesetz zur Stärkung der Täterverantwortung vom 15. November 2012[142] ergänzt § 153a StPO um die Auflage der Teilnahme an sozialen Trainingskursen, das 5. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 28. August 2012[143] die Auflage der Teilnahme an einem Aufbau- oder Fahreignungsseminar nach Maßgabe des StVG.

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Als einheitlicher Gerichtsstand für Straftaten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes von Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in besonderer Auslandsverwendung (§ 62 Abs. 1 SG) begangen werden, wurde durch Gesetz vom 21. Januar 2013[144] in § 11a StPO die Stadt Kempten festgelegt. Zu den Vorteilen der Zuständigkeitskonzentration gehört die sachliche Spezialisierung (Kenntnis der militärischen Abläufe und Strukturen, Erfahrung mit Auslandsermittlungen). Kempten wurde gewählt, weil die bayerische Justiz dort bereits eine entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaft eingerichtet hatte.[145]

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Das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren vom 25. April 2013[146] erlaubt in einer Reihe von Situationen den Einsatz der zeitgleichen audiovisuellen Übertragung, so in § 58b StPO bei der Zeugenvernehmung außerhalb der Hauptverhandlung, bei der Haftprüfung (§ 118 Abs. 2 StPO) und der Anhörung im Rahmen der sofortigen Beschwerde (§ 462 Abs. 2 S. 2 StPO), bei der Vernehmung eines Angeklagten, der von der Pflicht zum Erscheinen entbunden wurde, durch das zuständige Gericht nach § 233 Abs. 2 S. 3 StPO. Auch ein Sachverständiger kann zugeschaltet werden nach § 247a Abs. 2 StPO, sofern es nicht um Unterbringung geht, ebenso der Dolmetscher nach Maßgabe des neuen § 185 Abs. 1a GVG.

2. Ermittlungsbefugnisse

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Die Vorschriften über die Telekommunikationsüberwachung wurden 2007 umfassend überarbeitet,[147] die §§ 100a, 100b, 100f bis 101 StPO neu gefasst, die Straftatenkataloge erweitert und etliche Präzisierungen namentlich von Datenverwendungsregeln (z.B. § 161 Abs. 2 n.F. StPO) vorgenommen. In Umsetzung der Richtlinie 2004/24/EG wird die „Vorratsdatenspeicherung“ von Telekommunikationsverbindungsdaten eingeführt (§ 100g StPO, §§ 113a, 113b TKG), die das BVerfG mit Urteil vom 2. März 2010 für nichtig erklären wird[148]. Generell wird der Sprachgebrauch von (Ermittlungs-)„Richter“ auf „Gericht“ und von „Informationen“ auf „Daten“ umgestellt.

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Ergänzend wird § 100j StPO neu eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft vom 20. Juni 2013,[149] der die Auskunft über und Speicherung von Bestandsdaten im Sinne von §§ 111, 113 Abs. 1 S. 1 und 2 TKG ermöglicht.

3. Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten

a) Rechtsstellung des Beschuldigten

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Als Reaktion auf die Plenarentscheidung des BVerfG vom 30. April 2003[150] hat der Gesetzgeber die sogenannte Anhörungsrüge in §§ 33a, 356a StPO eingefügt,[151] deren Unterlassen zur fehlenden Ausschöpfung des Rechtswegs führt, womit auch der Weg zum BVerfG verschlossen ist.

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Angesichts der zahlreichen Verurteilungen Deutschlands durch den EGMR wegen überlanger Verfahrensdauer (Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK), namentlich der Rüge fehlenden Rechtsschutzes,[152] sieht das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011[153] einen Entschädigungsanspruch bei unangemessener Dauer eines Strafverfahrens einschließlich des Vorverfahrens (§§ 198, 199 GVG) vor, der bei der Strafzumessung abgegolten werden kann (§ 199 Abs. 3 GVG). Nötig ist in jedem Fall die Erhebung einer Verzögerungsrüge, §§ 198 Abs. 3 S. 1, 199 Abs. 1 GVG.

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Das 2. OpferRRG[154] gibt dem Beschuldigten ein eigenes Wahlrecht für seinen Verteidiger, bevor das Gericht diesen bestellt, § 142 Abs. 1 StPO. In Umsetzung der Richtlinien 2010/65/EU und 2012/13/EU werden 2013 der Umfang der Übersetzungsleistungen für Beschuldigte, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, angepasst und erstmals auf die ganzen Urteilsgründe erstreckt (§ 187 Abs. 2 GVG), sowie Belehrungs- und Unterrichtungspflichten erweitert.[155]

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Kommt die Unterbringung des Angeklagten in Betracht, so muss nach dem 2007[156] neu gefassten § 246a StPO nun in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger gehört werden.

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Eine umfangreiche Neuordnung des Rechts der Untersuchungshaft erfolgt 2009[157] und nimmt zahlreiche Entwicklungen in der Rechtsprechung auf wie detaillierte Informations-, Belehrungs- und Benachrichtigungspflichten (§§ 114a ff. StPO). Inhaftierung (§§ 114d, 114e StPO) und Haftvollzug (§§ 119, 119a StPO) erhalten eine präzisere gesetzliche Regelung, die gleichwohl das seit Jahrzehnten geforderte Untersuchungshaftvollzugsgesetz nicht ersetzen kann. Zugleich erfolgt eine zaghafte Ausweitung des Akteneinsichtsrechts (§ 147 Abs. 2 S. 2 und Abs. 7 StPO).

b) Rechtsstellung der Zeugen

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Neu eingefügt durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen vom 21. Dezember 2007[158] wird § 160a StPO, der die Umgehung der Zeugnisverweigerungsrechte der Berufsgeheimnisträger[159] durch andere Ermittlungsmaßnahmen – in freilich systematisch fragwürdiger Weise[160] – verhindern soll. Das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht vom 25. Juni 2012[161] erhöht den für die Ausnahme vom Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 5 StPO erforderlichen Verdachtsgrad auf „dringend“.

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Das 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29. Juli 2009[162] verstärkt auch den Schutz gefährdeter Zeugen und fasst die gestufte Anonymität in § 68 StPO neu, ebenso das Recht auf Beistand gem. § 68b StPO. Auch in der Anklageschrift kann von nun an auf die Angabe der Anschrift verzichtet werden, § 200 Abs. 1 S. 3 bis 5 StPO. Bei jugendlichen Zeugen wird die Schutzaltersgrenze von 16 auf 18 Jahre angehoben, etwa für die Eidesunmündigkeit, § 60 StPO. Bei polizeilicher Vernehmung eines Zeugen werden die Belehrungspflichten im Katalog des neuen § 163 Abs. 3 StPO (anstelle des aufgehobenen vormaligen § 163a Abs. 5 StPO) klargestellt. Ausdrücklich normiert in § 48 Abs. 1 StPO wird nun die bisher unausgesprochen vorausgesetzte Pflicht des Zeugen, vor Gericht zu erscheinen und auszusagen.