Der Kleine Prinz

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Ich glaube, für seine Flucht nutzte er einen Zug wilder Vögel.


Das Copyright für das Werk Der Kleine Prinz von

Antoine de Saint-Exupéry, inklusive der Zeichnungen,

ist seit dem 1.1.2015 frei.

Titel der amerikanischen Ausgabe:

The Little Prince

New York 1943

Titel der französischen Originalausgabe:

Le Petit Prince

Paris 1946



Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


© dieser Übersetzung Tullio Aurelio

tullio@aurelio.email

© dieser Ausgabe tullioaurelio 2015

http://tullioaurelio.com

www.neobooks.com

Inhalt

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

XXIV

XXV

XXVI

XXVII

Epilog

Nachwort

Für Léon Werth

Ich bitte die Kinder um Verständnis, wenn ich dieses Buch einem Erwachsenen widme. Es gibt einen sehr triftigen Grund dafür: Dieser Mensch ist der beste Freund, den ich auf der Welt habe. Es gibt einen zweiten Grund: Dieser Erwachsene versteht alles, sogar Kinderbücher. Und einen dritten Grund gibt es: Dieser Erwachsene lebt in Frankreich, wo er Hunger hat und friert; er braucht unbedingt Trost. Und wenn all diese Gründe nicht genügen, widme ich dieses Buch dem Kind, das dieser Erwachsene mal gewesen ist: Alle Erwachsenen sind mal Kinder gewesen, auch wenn sie sich nicht mehr daran erinnern. Ich korrigiere also meine Widmung:

Für Léon Werth,

als er ein kleiner Junge war.


I

Einmal, als ich sechs Jahre alt war, sah ich in einem Buch über den Urwald mit dem Titel Erlebte Geschichten eine wunderschöne Zeichnung: Sie zeigte eine Boa, die dabei war, das von ihr erbeutete Tier zu verschlingen. Hier oben ist die Kopie der Zeichnung.

Im Buch war zu lesen: „Boas verschlingen ihre Beute, ohne sie zu zerkauen. Danach können sie sich nicht mehr bewegen und schlafen während der Verdauung sechs Monate lang.“

Später habe ich viel über die Abenteuer des Dschungels nachgedacht, und es gelang mir, mit einem Farbstift meine erste Zeichnung zu entwerfen. Hier ist meine erste Zeichnung. So sah sie aus:


Den Großen zeigte ich mein Glanzstück und fragte sie, ob meine Zeichnung ihnen Angst einjagte.

Sie antworteten mir: „Warum sollte uns ein Hut Angst machen?“

Meine Zeichnung stellte aber keinen Hut dar. Sie stellte eine Boa dar, die einen Elefanten verdaute. Ich zeichnete dann das Innere der Boa, damit die Großen besser verstehen. Die Großen brauchen ja immer Erklärungen.

Und so sah nun meine Zeichnung Nummer 2 aus:


Die Großen haben mir geraten, Zeichnungen von offenen oder geschlossenen Boas sein zu lassen und mich eher der Geografie, der Geschichte, der Arithmetik und der Grammatik zu widmen. So geschah es, dass ich bereits in Alter von sechs Jahren die Glanzkarriere eines Zeichners aufgab. Der Misserfolg meiner ersten zwei Zeichnungen hatte mich einfach entmutigt. Von selbst verstehen die Großen rein gar nichts, und für die Kinder ist es sehr anstrengend, ihnen immer und immer wieder Erklärungen geben zu müssen...

Ich musste also einen anderen Beruf wählen und wurde Flugpilot. Ich flog fast überall hin in der Welt. Und die Geografie, das trifft tatsächlich zu, war mir sehr hilfreich: Auf den ersten Blick konnte ich China von Arizona unterscheiden. Und das ist nun sehr nützlich, wenn man in der Nacht vom richtigen Kurs abkommt.

Und so hatte ich im Laufe meines Lebens eine ganze Menge Begegnungen mit sehr vielen ernsthaften Leuten. Mit Erwachsenen habe ich viel erlebt. Ich habe sie aus unmittelbarer Nähe beobachtet: Meine Meinung über sie wurde dadurch nicht viel besser.

Wenn ich einem von ihnen begegnete, der mir doch ein bisschen helle erschien, stellte ich ihn auf die Probe mit meiner Zeichnung Nr. 1, die ich immer bei mir trug. Ich wollte wissen, ob er wirklich hellsichtig war. Aber jedes Mal antwortete er: „Das ist ein Hut.“ Dann hörte ich auf, mit ihm über Boas oder den Urwald oder gar über Sterne zu reden. Ich passte mich seinem Horizont an und sprach über Bridge, Golf, Politik und Krawatten. Und der Große war so froh, einem Menschen begegnet zu sein, mit dem man vernünftig reden konnte.

II

So lebte ich ganz allein, ohne einen Menschen, mit dem ich wirklich reden konnte, bis ich vor sechs Jahren in der Wüste Sahara eine Panne hatte. Irgendwas war an meinem Motor kaputt gegangen, und da ich weder einen Mechaniker noch Passagiere dabei hatte, stellte ich mich darauf ein, alleine eine sehr schwierige Reparatur vorzunehmen. Es ging für mich um Leben und Tod. Ich hatte kaum noch für acht Tage Wasser zum Trinken.

Am ersten Abend schlief ich auf dem Sand ein, tausend Meilen entfernt von jeglicher bewohnten Gegend. Ich war von allem abgeschnitten, einsamer als ein Schiffbrüchiger auf einem Floss mitten im weiten Meer. Ihr könnt euch also meine Überraschung vorstellen, als mich zum Tagesanbruch eine seltsame kleine Stimme weckte. Sie sagte:

„Bitte... zeichne mir ein Schaf!“

„Was?“

„Zeichne mir ein Schaf...“

Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf. Ich habe meine Augen kräftig gerieben und hingeguckt. Und ich sah einen äußerst sonderbaren Knirps, der mich sehr ernst betrachtete.

Das ist das beste Portrait, das mir, aber erst später, von ihm gelungen ist. Aber die Zeichnung ist mit Sicherheit viel weniger hinreißend als das Modell. Es ist nicht meine Schuld! Die Großen hatten mich bereits im Alter von sechs Jahren vom Malerberuf abgeschreckt, und ich hatte nichts anderes zu zeichnen gelernt als geschlossene Boas und offene Boas.

Ich schaute mir also diese Erscheinung mit ihren staunenden runden Augen an. Vergesst nicht, dass ich mich tausend Meilen fern von jedweder bewohnten Gegend befand. Mein kleiner Mann schien mir aber weder verirrt noch todmüde, hungrig, durstig oder gar ängstlich zu sein. Er machte keinesfalls den Eindruck eines Kindes, das sich mitten in der Wüste verirrt hätte, tausend Meilen von allen bewohnten Gegenden entfernt. Als ich endlich zu sprechen vermochte, fragte ich:

„Aber... was machst du denn hier?

Und er wiederholte sehr leise, wie bei einer sehr ernsten Angelegenheit:

 

„Bitte... zeichne mir ein Schaf..“

Es war eine eindrucksvolle, rätselhafte Situation, und da wagt man nicht, sich zu widersetzen – so absurd schien mir das, tausend Meilen von jeglichem bewohnten Ort entfernt und in Todesgefahr. Ich zog aus der Tasche ein Blatt Papier und einen Stift. Ich erinnerte mich aber daran, dass ich eigentlich Geografie, Geschichte, Arithmetik und Grammatik gelernt hatte, und (ein wenig übellaunig) sagte ich dem kleinen Mann, ich könne nicht zeichnen. Er antwortete:

„Es macht ja nichts. Zeichne mir ein Schaf.“

Da ich nie zuvor ein Schaf gezeichnet hatte, machte ich für ihn eine der zwei Zeichnungen, die ich konnte: die der geschlossenen Boa. Und ich war völlig verdattert, die Erwiderung des kleinen Mannes zu hören:

„Nein! Nein! Ich will keinen Elefanten in einer Boa. Eine Boa ist sehr gefährlich, und ein Elefant braucht viel zu viel Platz. Bei mir zu Hause ist alles sehr klein. Ich brauche ein Schaf. Zeichne mir ein Schaf.“


Dann zeichnete ich. Er sah sich das aufmerksam an und meinte:

„Nein! Das ist schon sehr krank. Zeichne ein anderes.“

Und ich zeichnete. Mein Freund lächelte liebenswürdig:

„Du siehst doch... Das ist kein Schaf, das ist ein Widder, es hat Hörner...“


Ich machte meine Zeichnung noch einmal. Aber sie wurde genauso abgelehnt wie die früheren:

„Das hier ist zu alt. Ich hätte gern ein Schaf, das lange lebt.“

Ich wurde ungeduldig, ich musste unbedingt mit dem Ausbau des Motors beginnen.


Ich kritzelte diese Zeichnung hin.

Ich rief:

„Das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, ist darin.“


Ich war sehr überrascht, als ich sah, wie das Gesicht meines jungen Richters strahlte:

„Das ist genauso wie ich es wollte! Glaubst du, dass dieses Schaf viel Gras braucht?“

„Warum?“

„Weil bei mir zu Hause alles klein ist...“

„Das wird bestimmt ausreichen. Ich habe dir ein ganz kleines Schaf geschenkt.“

Er neigte seinen Kopf zur Zeichnung:

„Nicht so klein wie... Aber schau! Es ist eingeschlafen...“

Auf diese Weise machte ich die Bekanntschaft mit dem kleinen Prinzen.


Das ist das beste Portrait, das mir von ihm gelungen ist.


Ich brauchte noch lange, um zu verstehen, woher er kam.

III

Ich brauchte noch lange, um zu verstehen, woher er kam. Der kleine Prinz stellte mir viele Fragen, schien aber meine eigenen nie zu hören. Es waren zufällig ausgesprochene Worte, die mir häppchenweise alles offenbarten. So, als er zum ersten Mal mein Flugzeug erblickte (ich werde nun mein Flugzeug nicht zeichnen, es wäre für mich eine viel zu schwierige Zeichnung), fragte er mich:

„Was ist das für ein Ding?“

„Das ist kein Ding, das ist ein Flugzeug – mein Flugzeug.“

Und ich war stolz, ihm mitzuteilen, dass ich fliege.

Da rief er:

„Was? Du bist vom Himmel gefallen?“

„Ja“, tat ich bescheiden.

„Das ist aber lustig!...“

Und der kleine Prinz hatte einen Lachanfall, der mich ganz schön irritierte. Ich wünsche, dass man mich ernst nimmt, auch wenn ich Pech habe.

Dann fügte er hinzu:

„Dann kommst auch du vom Himmel? Von welchem Planeten bist du denn?“

Da schien sich das Rätsel seiner Anwesenheit ein wenig aufzuklären, und ich fragte ihn unvermittelt:

„Du kommst also von einem anderen Planeten?“

Er antwortete mir nicht. Beim Anblick meines Flugzeugs schüttelte er sanft den Kopf:

„Klar. Damit kannst du nicht von sehr weit kommen.“

Er verfiel in einen lang andauernden Traumzustand. Dann zog er mein Schaf aus der Tasche heraus und versank in die Betrachtung seines Schatzes.

Ihr könnt euch vorstellen, wie neugierig mich die Andeutung über die „anderen Planeten“ gemacht hatte. Ich versuchte also mehr in Erfahrung zu bringen.

„Woher kommst du, junger Mann? Wo ist deine Heimat? Wohin willst du mein Schaf bringen?“

Nach einem nachdenklichen Schweigen antwortete er:

„Die Kiste, die du mir geschenkt hast, wird ihren Dienst tun: Nachts kann sie ihm als Unterbringung dienen.“

„Sicher. Und wenn du freundlich bist, werde ich dir auch einen Strick schenken, um es tagsüber festzubinden. Und einen Pflock.“

Der Vorschlag schien den kleinen Prinzen zu entrüsten:

„Festbinden? Was für eine seltsame Idee!“

„Aber wenn du es nicht festbindest, könnte es weglaufen und verloren gehen.“

Mein Freund bekam wieder einen Lachanfall:

„Aber wie stellst du es dir vor: wohin weglaufen?“

„Unwichtig. Immer geradeaus...“

Diesmal bemerkte der kleine Prinz ernsthaft:

„Es macht ja nichts. Es ist derart klein bei mir.“

Und, vielleicht mit einem Anflug von Melancholie, setzte er hinzu:

„Immer geradeaus kommt man nicht sehr weit...“

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