Nuancen der Lust

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Steffen tippte ihm auf die Schulter und deutete auf die Uhr. Vereinbart gewesen waren circa fünfundvierzig Minuten, und diese waren fast erreicht. Nun für heute hatte er genügend Eindrücke gesammelt, um einen Entschluss zu fassen. Jetzt galt es nur noch, Eva zum Höhepunkt zu bringen.

Eine der geöffneten Schubladen des Schrankes enthielt, was er suchte. Die Auswahl war groß. Dildos und Vibratoren in verschiedenen Größen und Materialien, aus Silikon, Glas oder Holz, naturbelassen oder in poppigen Farben, der natürlichen Form eines Penis entsprechend oder in fantasievollem Design. Marvin wählte einen durchschnittlich großen gewöhnlichen Dildo und befeuchtete ihn mit etwas Gleitmittel, das er schon vorher entdeckt hatte. Zwar schätzte er Außergewöhnliches, aber da Eva den Dildo aufgrund der Augenklappe sowieso nicht sah und er nicht wusste, wie eng ihre Vagina war und wie empfindsam sie reagieren würde, wenn er eindrang, wollte er nichts riskieren.

Sich vor Eva hinkniend führte er den Dildo vorsichtig ein, drehte ihn ein wenig, zog ihn zurück, drang wieder vor. Der Dildo glitt schmatzend hin und her. Als er ihn langsam bis zum Anschlag hineinschob, stöhnte Eva erwartungsvoll auf. Ihr Duft stieg ihm in die Nase. Betörend. Kribbelnde Erregung überflutete ihn. Wie sollte er das aushalten, es ihr zu machen und selbst nicht augenblicklich zu kommen? Er biss sich auf die Unterlippe und versuchte flach zu atmen. Doch allein der Anblick ihres vor Lust geschwollenen Geschlechts brachte ihn fast um den Verstand.

Als er ihre Perle zart streichelte, völlig von der Vorhaut freigelegt, erfasste ein Zittern ihren Körper und ihre Füße trippelten voller Unruhe hin und her, wobei sie ihre Beine enger schloss. Oha, nun hatte er einen Ansatzpunkt, ihr Gehorsam beizubringen. Ein letzter Test, auf was sie besonders erregt reagierte.

Er zog den Dildo heraus und winkte Steffen, näher zu kommen und diesen zu halten.

»Nein, nicht aufhören!«, jammerte Eva, warf den Kopf hin und her, und trampelte in spielerischem Unmut mit den Füßen hin und her.

Marvin gab seinem Freund ein Zeichen, etwas zu sagen.

»Still! Du bekommst, was du verdienst.«

Evas Antwort war ein knurrender Laut der Ungeduld. Sie zerrte an den Fesseln und stampfte fester auf. »Mach’s mir endlich!«

Steffen kicherte, als er sah, was Marvin aus einer Schublade geholt hatte. Dieser packte Evas linkes Fußgelenk und schlang eine Fesselbandage darum, dann zog er ihren Fuß nach außen und sicherte diese Position mit Kette und Karabinerhaken an einem Holm des Andreaskreuzes. Als er mit Evas zweitem Bein genauso verfuhr, stöhnte sie laut auf.

»Nein, nein …«

»Glaubst du immer noch, du bist in der Position, etwas zu verlangen?«, lachte Steffen mit einem zynischen Unterton, der Marvin nicht gefiel. Sein Freund war in solchen Dingen so sensibel wie ein Holzpfosten. Marvin legte den Finger auf den Mund und Steffen zuckte gleichgültig mit den Schultern, wobei er seinem Freund den Dildo reichte.

»Bitte«, flehte Eva. »Bitte, ich verlange gar nichts. Aber ich halte das nicht länger aus. Bitte, gib mir einen Orgasmus.«

Aha, sie hätte die Lektion wahrscheinlich auch ohne Steffens Kommentar verstanden. Ihre Schamlippen glänzten so sehr vom Lustsaft, dass dieser bereits in einem dünnen Rinnsal an der Innenseite ihrer Schenkel herablief, und Marvins Verlangen wurde noch größer, als er ihr den Dildo wieder hineinschob. Wenn er mit ihr alleine wäre – er würde seinen eigenen Drang nicht zurückhalten. So wie sie jetzt vor ihm stand, würde er sie nehmen. Gefesselt, gespreizt, ausgeliefert. Es gab für ihn nichts Aufregenderes, als wenn eine Frau sich auf dieses Spiel einließ, und sich ihm vertrauensvoll völlig auslieferte. Schnell und tief penetrierte er Eva jetzt mit dem Dildo, steigerte das Tempo noch mehr, und hielt kurz inne.

»Nein, bitte, bitte hör nicht auf!« Ihr Befehlston hatte gelitten. Es klang schon eher nach einer Bitte, bestimmt konnte sie das aber noch besser. Wenn sie sich künftig auf ein Spiel mit ihm einlassen würde. Wollte er das? Sein Herz raste vor Verlangen.

Marvin stieß den Dildo wieder tiefer und schneller hinein, bis Eva kurz darauf mit einem langgezogenen Aufschrei kam. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, es ihr gleich noch einmal zu besorgen und sie zu einem weiteren Höhepunkt zu treiben. Der Vorteil der Frauen, zu mehreren Orgasmen fähig zu sein, wie beneidenswert. Aber im Beisein des Freundes konnte er sie unmöglich nehmen. Marvin unterdrückte ein Stöhnen. Nein, er würde Eva nicht nehmen. Noch war sie nicht SEIN, noch wusste sie nicht einmal, dass es ihn gab.

Ein Schmatzen war zu hören, als er den Dildo langsam herauszog. Evas Kopf war ein wenig nach vorne geneigt und ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Zufriedenheit und Erschöpfung. Wären sie ein Paar, würde er ihre Fesseln lösen und sie liebevoll in seine Arme nehmen, um den Rausch der Erregung langsam ausklingen zu lassen.

Als er Steffens Arm auf seinem spürte und dieser ihm den Dildo abnahm und weglegte, wurde ihm bewusst, wie sehr sein Schwanz schmerzte. Evas nackter Körper hatte ihn mehr erregt, als er sich hatte eingestehen wollen. Steffen schaute ihm kurz auf die Hose, verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen, zeigte ihm seine Zigarettenpackung und schlich dann auf Zehenspitzen hinaus.

Marvins Puls raste. Es wäre das erste Mal, dass er mit einer Frau Sex hätte, die ihn nicht kannte und die er nicht kannte, und die nicht einmal ahnte, dass er nicht derjenige war, den sie bezahlt hatte. Eigentlich hatte er nur Steffen ein wenig helfen und anleiten wollen und nun hatte sich diese Sache anders entwickelt, als er geahnt hatte.

Vermutlich war es nicht richtig, aber sein Verlangen war zu groß. Es bedurfte nur weniger Handgriffe, Gürtel und Reißverschluss zu öffnen, und die Hose fallen zu lassen. Er löste die Fessel an Evas linkem Bein, griff unter ihren Oberschenkel und hob ihr Bein hoch. Als er mit seiner Eichel an ihre Schamlippen stupste, presste sie ein tiefes »Ja!« hervor. Dann stieß er seinen Schwanz in ihre warme Spalte, klatschte seine freie Hand auf ihren Po und presste sie fest an sich.

»Ja«, stöhnte sie nochmal auffordernd und hob den Kopf ein wenig mehr, als versuchten ihre Augen hinter der Maske sein Gesicht zu erforschen. »Nimm mich.«

Hätte Eva Einwände, wenn sie wüsste, dass er nicht Steffen war? Ihre Muschi war so feucht, dass es ein Genuss war, seinen Schwanz wieder und wieder tief in sie hinein zu stoßen. Ihr Stöhnen stachelte ihn an, schneller zu werden, seine Finger fester in ihren Po zu drücken, und im nächsten Moment wurden sie von ihrem Orgasmus überwältigt, fast zeitgleich, stöhnend, beinahe schreiend, gemeinsam um Atem ringend. Ihre Lippen suchten die seinen, und obwohl sie beide kaum genügend Luft hatten, um nicht ohnmächtig zu werden, erlagen sie einem leidenschaftlichen Kuss, als wäre dies als Krönung ihrer sexuellen Vereinigung unabdingbar.

Nur mit Mühe gelang es Marvin sich von ihren Lippen und ihrem Körper zu lösen, und sich wieder anzuziehen. Es war wie das Auftauchen aus einem Nebel mit einer kurzzeitigen Orientierungslosigkeit. Vor allem widersprach dies völlig seinem Verständnis für das Ausklingenlassen. Wäre Eva seine Gefährtin, würde er ihr jetzt in aller Ruhe die Fesseln abnehmen und es sich dann mit ihr, Arm in Arm und in eine Decke gehüllt, auf dem Sofa gemütlich machen.

Körperliche Befriedigung hatten sie beide eben erhalten. Die seelische Befriedigung jedoch fehlte. Einen letzten Blick auf Eva werfend, die ein wenig kraftlos in den Fesseln hing, schnappte er sich seine Jacke und verließ das Studio.

»Alles klar?«, fragte Steffen, der unten vor dem Eingang stand und rauchte.

Marvin nickte. »Zwei Straßen weiter ist ’ne Bar. Treffen wir uns dort?«

Steffen warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. »Klar. So in ’ner Viertelstunde. Bis denn.«


Während Marvin am Tresen bei einem kühlen Pils auf seinen Freund wartete, dachte er nach. Was als Hilfestellung gemeint gewesen war, beschäftigte ihn nun mehr, als er gewollt hatte. Zwar hatte er zuvor die Möglichkeit erwogen, aktiv einzugreifen. Aber es war daraus sehr viel mehr geworden. In seinem Kopf manifestierte sich von Minute zu Minute konkreter ein Plan, der vielleicht ein wenig verrückt und riskant war. Als Steffen endlich eintraf, war Marvin jedoch bereits fest entschlossen, seine Idee durchzusetzen.

»Ein Helles!«, rief Steffen dem Barkeeper ungeduldig zu, der am Ende des Tresens stand und Gläser ins Regal sortierte. Dann setzte er sich auf den Barhocker neben Marvin und schlug diesem kumpelhaft auf die Schulter. »Mann, soviel hast du doch gar nicht anders gemacht, als ich.«

Ach ja? Das sehe ich anders.

Steffen nickte dem Barkeeper zu, der das Bierglas vor ihm abstellte und drehte sich dann zu Marvin, um mit ihm anzustoßen. »Prost, alter Junge, auf eine gelungene Session.« Gut ein Viertel der Glasfüllung verschwand mit einem Zug in seinem Mund. Er leckte sich den Schaum von den Lippen. »Aaaah, tut das gut. Und wie geht’s jetzt weiter?«

»Das kann ich dir sagen. Du musst einsehen, dass du Eva nicht geben kannst, was sie braucht. Die richtige Mischung aus Belohnung und Strafe, aus Zärtlichkeit und Schmerz. Und Dominanz. Echte Dominanz. Das kann man nicht spielen. Das muss man in sich tragen.«

»Mag sein. Und was schlägst du vor?«

»Ich bezahle deine Schulden, damit bist du aus der Nummer raus und überlässt mir Eva.«

»Wie bitte? Du redest von ihr wie von einer Ware. Das ist doch allein ihre Entscheidung, wen sie zur Befriedigung ihrer Neigungen engagiert.«

 

»Du hast natürlich recht, aber glaub mir, sie wird nichts dagegen einzuwenden haben. Wenn wir es richtig anfangen.«

Es hatte noch zwei Gläser Wein und einiger Argumente bedurft, ehe Steffen sich mit Marvins Plan einverstanden erklärte. Sein größtes Problem war dabei gar nicht, dass er sich Sorgen darüber machte, wie Eva reagieren würde, sondern Marvin vorwarf, warum dieser ihm nie von seinen Neigungen erzählt hatte. Soviel zum Thema langjährige Männerfreundschaft. Wobei Steffen sich anhören musste, dass er Marvin von seinem Nebendienst nichts erzählt hätte, hätte nicht das verdammte Telefon geläutet.

Es vergingen nur zwei Tage, bis Eva sich wieder meldete. Offensichtlich hatte ihr die letzte Sitzung sehr gut gefallen und ihre Lust auf mehr geschürt. Um es ihr nicht zu leicht zu machen, hatte Steffen sich zunächst ein wenig gespreizt. Doch nun stand er schon wieder vor dem Studio, die Utensilien dabei, die Marvin ihm gegeben hatte und sein Herz schlug vor Aufregung einen Trommelwirbel.

Die Tür war angelehnt und er trat herein. Evas Anblick war atemberaubend und dazu geeignet, den Plan über den Haufen zu werfen. Im Gegensatz zu ihren bisherigen Treffen versetzte ihr atemberaubender Anblick sein Blut in Wallung.

In eine hautenge schwarze Korsage gekleidet, die schlanken Beine von mit Silberfäden durchwirkten Strümpfen in Szene gesetzt, in lackglänzenden schwarzen Highheels stand Eva vor ihm. Ein zartes Spitzenhöschen, kaum mehr als ein knappes Dreieck an Bändchen, bedeckte ihre Scham.

Steffen räusperte sich. »Hübsch. Sehr hübsch. Aber nicht perfekt.«

Eva zog eine Augenbraue hoch. Ehe sie etwas erwidern konnte, hob er den Finger. »Stop, kein Wort. Ab heute gelten neue Regeln. Meine Regeln. Und dabei reicht es nicht aus, sexy auszusehen. Irgendwelche Einwände?«

»Nein, natürlich nicht«, säuselte sie lächelnd und klimperte aufreizend mit den dicht getuschten Wimpern.

»Gut so. Was wir bis jetzt gespielt haben, war für Weicheier. Du brauchst es härter.« Er machte eine Pause, abwartend, ob sie ihm widersprechen würde, doch sie schaute ihn nur erwartungsvoll an. Als hätte sie schon die ganze Zeit darauf gewartet, dass er sich etwas einfallen ließ. »Hände hinter den Kopf, Augen zu, Beine auseinander.«

Zu seiner Überraschung gehorchte sie sofort. Bisher hatte er alles falsch gemacht, vor allem das Spiel nicht mit vollem Herzen durchzog. Dabei schien ihr dieser Befehlston, der so gar nicht sein Ding war, richtig gut zu gefallen. Ich bin hier das Weichei, nicht sie, schalt er sich kopfschüttelnd.

Mit einem Ruck riss er ihr den Slip herunter und auch jetzt folgte kein Protest.

»Linkes Bein heben.« Steffen kniete sich vor ihr auf den Boden und streifte ihr den Einstieg des Latexslips über, den er der mitgebrachten Tasche entnommen hatte. »Jetzt andere Seite.«

Es war nicht einfach, den engen Slip über die Highheels zu streifen und dann hochzuziehen. Jetzt kam die Krönung.

»Beine mehr spreizen!«

Seine Hand zitterte, als sie sich ihrem Schoß näherte. Er hielt die Luft an, als er zwei Finger zwischen ihre Schamlippen schob. Warm und feucht. Du geiles Luder!

Ein Seufzen kam über ihre Lippen, als er nun mit der anderen Hand den Dildo in Position brachte und langsam in ihre Spalte schob.

»Ah.«

Verdammt, ihr Keuchen und der Duft ihres Schoßes brachte ihn fast um den Verstand. Am liebsten hätte er jegliches Vorhaben vergessen und hätte sie ganz einfach gevögelt. Aber Marvin hatte ihn ausdrücklich gewarnt. Du musst sie zappeln lassen! Sie muss sich ihren Höhepunkt verdienen.

»Huch.« Eva sog scharf die Luft ein und er sah, wie sich die Muskulatur ihrer Oberschenkel mehr straffte. Vermutlich platzte sie fast vor Neugierde. Er selbst hatte so eine Hose mit Innendildo noch nie gesehen, sich nie für solche spezielle Lustutensilien interessiert. Was wusste sie davon?

»Nicht blinzeln!«

»Nein«, hauchte sie und bewahrte zu seiner Verblüffung exakt ihre Haltung. Marvin hatte wirklich mehr Ahnung von diesem Spiel als er selbst. Allmählich gewann er den Eindruck, dass der Vorschlag seines Freundes nicht so übel war.

»So. Jetzt zieh dich an, wir gehen essen.« Es kostete ihn viel Mühe dominant zu klingen.

»Wie bitte?«

»Keine Fragen. Du tust, was ich dir sage. Zieh dich an.«

Um das Gesicht zu wahren und sich nicht anmerken zu lassen, dass er bei weitem nicht so selbstsicher war, wie er vorgab, hatte er sich von ihr abgewandt und ging hinüber zur Sitzgruppe, um sich von dem bereit stehenden Mineralwasser einzuschenken. Ein Schnaps zur Besänftigung seiner Nervosität wäre ihm jetzt lieber. Andererseits galt es einen klaren Kopf zu bewahren.

»Ich warte nicht ewig.«

Es dauerte nicht lange und ihre Schuhe klackerten über den Boden. Sie stoppten knapp hinter ihm.

»Fertig. Wir können gehen.« Verflucht, ihre Stimme hatte einen schmeichelnden sexy Unterton. Erregte es sie, was er ihr angezogen hatte?

Der letzte Schluck Wasser in seinem Hals gluckste hörbar, als er sich mit dem Glas in der Hand langsam umdrehte. Evas Anblick war überwältigend. Über der Korsage trug sie eine schwarze Bluse aus halb durchsichtigem Stoff, die die Neugierde auf das darunter schürte. Ein roter Rock schwang weit und locker um ihre Beine und reichte ihr gerade mal knapp bis zur Mitte der Oberschenkel. Ihre Beine wirkten dadurch noch länger und geradezu magisch anziehend, mit einer Hand unter ihren Rock zu tauchen und … Steffen räusperte sich. »Wow. Ich denke, das wird ihm gefallen.«

»Hm?«

»Ach nichts.« Geräuschvoll stellte er das Glas auf dem Tisch ab und nahm seine Jacke.


Das La Traviata hatte Marvin ausgesucht, weil es seiner Nischen und verwinkelten Plätzchen wegen ein geeigneter Treffpunkt war, wenn Paare ein wenig ungestört sein und mehr als nur speisen wollten. Es bestand sogar die Möglichkeit, einen Vorhang vorzuziehen, auch wenn dies nur wenige Gäste nutzten. Nur an der Bar befand man sich im Blickfeld, was Marvin im Moment nicht weiter störte. Er hatte sich auf einen Platz gesetzt, von dem aus er freie Sicht auf die gegenüberliegende, von ihm reservierte Nische hatte. Während er an einem Whiskey Soda nippte, wartete er darauf, dass diese wie geplant besetzt wurde.

Sein Glas war fast ausgetrunken, als Steffen und Eva eintraten und von einem Ober nach ihrer Reservierung gefragt wurden. Eva wirkte einerseits sehr damenhaft, wie sie trotz der hohen Absätze sicher, mit einer kleinen unter den Arm geklemmten Handtasche dem Ober folgte. Andererseits war ihre Kleidung ziemlich aufreizend und ließ sein Herz schneller schlagen. Die eng geschnürte Korsage, die sie zu einem leicht fallenden roten Rock trug, brachte ihre Brüste atemberaubend zur Geltung. Das konnte die schwarze Bluse aus transparenter Spitze kaum verbergen.

Vereinbarungsgemäß wartete Marvin, bis die beiden ihren Wein serviert bekamen und ihre Gläser hoben, um anzustoßen. Ein. Zum ersten Mal drückte er den Knopf der Fernbedienung, die er in seiner Hosentasche trug.

Eva hielt in der Bewegung inne, ihre Lippen vor Erstaunen leicht geöffnet. Steffen jedoch tat so, als wäre nichts, ließ sein Glas sanft an das ihre klingen und trank.

Marvin kippte den Rest seines Whiskeys hinunter und versuchte, einen in sich gekehrten, nachdenklichen Eindruck zu machen, um unauffällig zu wirken. Falls Eva zu ihm hinüber schauen würde. Was sie jedoch nicht tat.

Aus.

Nur nichts überstürzen. Gib der Sache genügend Zeit. Er zwang sich langsam bis sechzig zu zählen.

An.

Nochmal zählen. Sie wurde unruhig, bewegte ihre Hüften hin und her.

Aus.

Oh ja, es gefiel ihr, das sah er ihr an. Was sie zu Steffen sagte, verstand er nicht, das war aber auch nicht wichtig. Dieser schüttelte den Kopf, hob beide Hände an. Vielleicht erklärte er ihr gerade: »Ich bin’s nicht.«

Es war an der Zeit, seine Deckung aufzugeben. Mit routinierter Gelassenheit rückte Marvin Krawatte und Jacket zurecht, nachdem er aufgestanden war, und ging ohne Hast hinüber.

»Einen schönen guten Abend.«

Während Steffen ihn nicht beachtete, hob Eva die Augen und taxierte ihn schnell von oben bis unten. Gefiel ihr, was sie sah? Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihre Lippen glänzten. Oh ja, sie war erregt.

Knopfdruck. Ein. Ein kurzes, kaum merkliches Zucken ihres Körpers. Die Vibration war nicht zu hören. Evas Lippen bebten, als sie mit mühsamer Selbstbeherrschung seinen Gruß erwiderte. »Guten Abend. Bei uns ist alles in Ordnung.«

Vermutlich hielt sie ihn für den Inhaber, der seine Runde drehte, um die Gäste nach ihrem Wohlbefinden und ihren Wünschen zu fragen.

Lächelnd erwiderte er: »Eine Verwechslung. Ich bin auch ein Gast. Darf ich Platz nehmen?«

»Äh, nein, das ist unser Tisch.«

»Ich weiß. Eben deswegen bin ich hier.«

»Darf ich vorstellen: das ist Marvin, dein neuer Herr«, klinkte Steffen sich jetzt endlich ein.

Ihre Miene war eindeutig. Eva verstand kein Wort.

Aus.

»Ich werde jetzt meinen Platz räumen. Gehorche ihm, er ist ein strengerer Herr als ich.« Ohne ihre Reaktion abzuwarten stand Steffen auf. »Ich wünsche euch beiden noch einen schönen Abend.« Er schüttelte Marvin die Hand, nickte Eva zu, dann ging er.

Marvin setzte sich und stellte Steffens Glas an den Tischrand, damit der Ober es mitnähme.

»Moment Mal, was soll das werden?« Eva runzelte verärgert die Stirn.

Marvin griff über den Tisch nach ihrer Hand, um sie am Aufstehen zu hindern. »Bleib sitzen, ich werde gleich alles erklären.«

»Das werde ich nicht. Wer sind Sie überhaupt?« Ihre Stimme wurde lauter und sie griff mit der anderen Hand nach ihrer Handtasche.

»Sitzenbleiben! Ich übernehme ab sofort Steffens Rolle.«

Für einen Augenblick war sie sprachlos, dann entzog sie ihm mit einem Ruck ihre Hand. »Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank! Ich kenne Sie doch gar nicht.«

Marvin grinste. »Das macht nichts. Du wirst mich noch früh genug kennenlernen.«

Ein.

Eva biss sich auf die Unterlippe, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

»Steffen kennst du auch nicht.«

Aus.

Machte sie das sprachlos?

Ein.

Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Steffen hat mir erzählt, dass du eine ungehorsame Sub bist und ein wenig Erziehung brauchst.«

Eva riss die Augen weiter auf, als er die Vibration stoppte.

»Weitermachen«, verlangte sie mit bebenden Lippen.

»Siehst du, genau das ist der Punkt. Nicht du bestimmst das Spiel, sondern ich. Du darfst mich darum bitten, dass ich weitermache. Allerdings erwarte ich einen anderen Tonfall. Denn ich bin ab sofort dein Dom und ehrlich gesagt, bevor wir darüber weiterreden – ich werde uns erstmal etwas zum Essen bestellen. Ich bin fast am Verhungern.«

Als er mit den Fingern schnippte, erschien der Ober mit der Speisekarte, als hätte er auf nichts anderes als dieses Zeichen gewartet. Ein kurzer Blick in die Karte genügte. Marvin bestellte zwei Portionen gemischte Anti Pasti, danach Gnocchi mit Trüffel-Steinpilz-Schaum und als Nachtisch ein Erdbeerparfait. Dann reichte er die Karte dem Ober zurück.

»Moment mal, Sie können doch nicht einfach …«, protestierte Eva.

Bestimmt war sie es nicht gewohnt, dass jemand ihre Wünsche ignorierte und für sie bestellte.

»Doch, ich kann«, erwiderte Marvin ruhig und mit fester Stimme.

»Sie sind unverschämt und ich werde mir das nicht länger bieten lassen!« Trotz dieser Widerworte blieb sie sitzen. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Entweder siegte ihre Neugierde, was er vorhatte, oder ihre Lust. Er hätte den Inhalt seines Geldbeutels auf letzteres verwettet.

»Du hast die Wahl. Übrigens darfst du mich auch duzen. Entweder du akzeptierst mich als deinen Dom und ich kann dir versprechen, ich lebe diese Passion mit ganzer Leidenschaft. Ganz im Gegensatz zu Steffen, der davon keine Ahnung hat.« Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, schenkte ihr ein Lächeln, und schaltete den Vibrator ein. »Oder, du begibst dich auf die Suche nach einem neuen Spielgefährten. Aber du wirst so ohne Weiteres keinen besseren finden als mich.«

 

Ihrem Mienenspiel war es anzusehen, dass sie nicht so recht wusste, was sie von seinen Vorschlägen und seinem Benehmen halten sollte. Gegen die Bedürfnisse ihres Körpers kam sie jedenfalls nicht an, wenn er das schnellere Heben und Senken ihres Brustkorbs richtig deutete.

»Es ist natürlich deine Entscheidung, ob du mich akzeptierst oder nicht«, fügte er hinzu. »Zwingen werde ich dich dazu nicht.« Und wieder ausschalten.

»Danke, das ist aber großzügig von dir, dass ich auch noch etwas selbst entscheiden darf«, erwiderte sie spöttisch und mühsam beherrscht.

Gelassen hob Marvin sein Glas und nahm einen langen Zug, drückte den Wein genüsslich mit der Zunge hin und her, ehe er schluckte.

»Übrigens, eine hübsche Korsage, die du da anhast. Zieh die Bluse aus, damit ich mehr davon sehen kann.«

Zuerst zögerte sie und er ließ ihr die Zeit, sich zu entscheiden. Entspannt zurückgelehnt sah er ihr zu, wie sie schließlich gehorchte. »Brav, du hast dir eine kleine Belohnung verdient.«

Nur kurz gönnte er ihr die Vibrationen, die ihre Wirkung nicht verfehlten. Der Ausdruck in ihrem Gesicht verriet die Gier nach Befriedigung.

»Aber ehrlich gesagt, fehlt mir da eine Kleinigkeit.«

»Was?«

»Deine Nippel verstecken sich hinter dem Mieder. Zieh sie raus.« Der Rand der Korsage verdeckte nur ganz knapp, was in der Öffentlichkeit nicht zu sehen sein sollte.

»Spinnst du?«

Marvin winkte dem Ober und flüsterte diesem etwas ins Ohr. Der Ober warf einen kurzen Blick auf Eva, dann grinste er breit und ging.

»Was soll das? Ich werde hier auf keinen Fall halbnackt …«

Marvin unterbrach ihre Widerrede mit einer herrischen Bewegung. »Still. Du willst sexuelle Befriedigung und gleichzeitig willst du dominiert werden, weil dich das heiß macht. Stimmt’s?«

Ihre Antwort war ein Schmollmund.

»Das ist in gewissem Sinne der Gegenpol zu der Autorität, die du in deinem Job ausstrahlen musst. Ist okay. Nur – so wie ich das sehe, bist du nicht der Typ für halbe Sachen. Wenn du was willst, dann ganz und gar.«

»Machst du das Professionell?«, fragte sie misstrauisch. »Ich meine, wie teuer bist du?«

»Nein«, erwiderte er und beugte sich vor. »Ich will kein Geld. Ich will dich! Das ist alles.«

Röte schoss in ihre Wangen und sie schluckte sichtbar.

»Ich werde dir zeigen, wie aufregend dieses Spiel tatsächlich sein kann. Wenn du dich darauf einlässt.«

Der Ober kehrte zurück und legte einen großen Kochlöffel auf den Tisch. »Entspricht dieser Ihren Vorstellungen, mein Herr?«

»Vollkommen«, erwiderte Marvin und drückte ihm ein Trinkgeld in die Hand. »Ziehen Sie bitte den Vorhang vor.«

»Sehr gerne.«

Marvin wartete, bis sie vor den Blicken neugieriger Gäste geschützt waren, dann stand er auf und stellte sich neben den Tisch. Die Aussicht auf ein kleines Spanking verfehlte nicht die Wirkung auf seine Hormone. »Steh auf und beug dich hinunter zu deinem Stuhl. Und – schrei nicht zu laut. Wir wollen ja nicht unnötig Aufsehen erregen, nicht wahr?«

Ein wenig ungläubig sah sie zu ihm auf.

»Natürlich nur, wenn du mich als Dom akzeptieren möchtest. Ansonsten trennen sich unsere Wege ab sofort.«

Zuerst zögerte sie noch, doch dann nahm sie auf einmal die geforderte Position ein.

Marvin schlug mit einer Hand den Rock über ihren Po zurück, so dass der Latexslip zu sehen war. Dann holte er mit dem Kochlöffel aus. Einmal, zweimal, dreimal, auf jede Pobacke. Ein dumpfes Stöhnen war zu hören. Aha, sie ist leidensfähig.

Nun jedoch geschah etwas, was er nicht eingeplant hatte. Eva drehte sich zu ihm um, kniete vor ihm nieder und rieb ihre Nase an der Beule in seiner Hose, öffnete den Reißverschluss, griff in den Slip hinein und holte seinen Schwanz hervor. Genau genommen müsste sie ihn um Erlaubnis fragen. Aber welcher Dom hatte etwas dagegen, wenn es um seine eigene Befriedigung ging? Alles geschah ziemlich schnell und schon stülpte sie ihren Mund über seine Eichel und saugte gefühlvoll.

»Ah, verdammt, du machst das gut.«

Als er den Vibrator erneut einschaltete, nahm sie seinen Schwanz tiefer in den Mund, presste ihre Lippen fest um seinen Schaft und penetrierte ihn schneller. Dabei stöhnte sie, was feine Vibrationen auf seiner empfindsamen Eichel verursachte.

Keuchend holte Marvin aus und versetzte Eva zwei Hiebe auf den Po. »Ja, du machst das gut, weiter so.« Er schaltete den Vibrator aus und sie wimmerte kurz auf, ohne sein Geschlecht aus ihrem Mund zu entlassen. Schneller und fester saugte sie nun, ihre Haare wippten vor seinen Augen hin und her, und dann – ergoss sich sein Geschlecht zuckend in ihren Mund, während sie weiter saugte und seinen Saft schluckte. Stöhnend vor Lust presste er ihren Kopf fester gegen seinen Unterleib und ließ erst los, als seine Erregung abebbte.

Mit einem zufriedenen Lächeln erhob sich Eva und sank zurück auf ihren Sitz. Sie leckte sich genießerisch über ihre Lippen, ehe sie ihr Weinglas in einem Zug austrank.

Ein tolles Ablenkungsmanöver, aber die Kontrolle würde er nicht abgeben. »So, und nun raus mit den Nippeln«, verlangte er mit rauer Stimme, während er seine Hose wieder in Ordnung brachte und sich setzte. »Und behaupte nicht, dass die Korsage das nicht zulässt.«

Ein aufreizendes Lächeln, dann beugte sie sich vor, zwängte ihre Finger unter den eng sitzenden Rand, wand sich und zupfte, bis tatsächlich ihre Brustwarzen knapp zu sehen waren. Rosig und prall.

Wenn sie seinem Befehl gehorchte, war sie entweder sehr neugierig darauf, wie es weitergehen würde oder grundsätzlich bereit, ihn als Dom anzunehmen. Das lief ja besser, als er vermutet hatte.

»Na bitte, geht doch.« Er räusperte sich. »Was ist jetzt. Wie lautet deine Antwort? Ja oder Nein?«

»Hast du noch mehr zu bieten als Kochlöffel oder einen Dildo?«

»Worauf du Gift nehmen kannst«, grinste er. »Du wirst glühen.« Ihrer Fantasie sollte bei der Interpretation seiner Antwort keine Grenzen gesetzt sein.

»Okay.«

»Gut. Noch eine wichtige Änderung. Ich werde dich anrufen und dir sagen, wann und wo wir uns treffen.«

Eva hob eine Augenbraue und ihre Miene gewann an Strenge. Völlig die Kontrolle abzugeben war sie also nicht gewillt. »Ich bin viel geschäftlich unterwegs. Du kannst mich nicht einfach zu beliebigen Zeiten irgendwohin bestellen, als wäre ich …« Sie hielt kurz inne, als suchte sie nach dem passenden Vergleich.

»Als wärst du meine Sklavin?« Marvin lachte. »Genau das wirst du sein. Und etwas anderes willst du auch gar nicht. Meine Liebessklavin. Und wenn du artig bist, schenke ich dir dafür mehr Lust und mehr Orgasmen, als du ertragen kannst.«

»Einverstanden«, erwiderte sie heiser.


Plötzlich war alles anders. Beim letzten Mal hatte sie ihm in aller Deutlichkeit gesagt, dass sie sich diese Sitzungen spannender vorgestellt hatte. Gewiss, für das Geld, das sie Steffen zahlte, war das Ergebnis Okay. Einfach nur okay. Nicht mehr. Eine Vorfreude wollte sich nicht einstellen. Sie erwartete aber mehr. Ihre Tage waren stressig und oft sehr lang, also ziemlich ungeeignet, eine glückliche Beziehung zu führen. Die letzte hatte mal gerade vier Monate gehalten.

Sie brauchte einen Ausgleich. Nicht irgendeinen. Einen Typen, der sie runterbrachte, sie ablenkte, Körper und Seele mit Glückshormonen überschüttete. Andere Frauen gingen joggen oder tanzen, um ihren Stress abzubauen und ein gewisses Maß an Zufriedenheit zu erlangen.

Sie brauchte Sex, um ausgeglichen und glücklich zu sein. Sex. Und dieser Sex durfte kein Blümchensex sein, sondern etwas Besonderes, ein Erlebnis, ein Spiel mit der Leidenschaft, eine langsame Näherung zum Höhepunkt. Und wenn sie das nicht in einer Beziehung fand, dann musste sie halt andere Wege beschreiten.

Lange genug hatte es gedauert, diese Erkenntnis zu erlangen und den Mut zu haben, es auszuprobieren. Nur – es war gar nicht so einfach, als Frau einen Callboy zu finden, noch dazu einen, der ihre besonderen Wünsche erfüllte. Steffen stellte einen Kompromiss dar, nach dem Motto: besser als keiner.

Wobei – seit der letzten Sitzung kam mehr Spannung auf. Zuerst hatte sie gerätselt, was er heute von ihr wollte. Sein Tonfall war strenger als sonst und ein gewisses verheißungsvolles Knistern lag in der Luft. Dass diese Autorität nur gespielt war und nicht von innen kam, war ihr klar. So schnell wurde niemand ein besserer Dom. Es war ein netter Versuch, und deshalb ging sie darauf ein, neugierig, was er vorhatte.