Erzählungen aus 1001 Nacht - 5. Band

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Den Quell verschließt du leicht mit einer Handvoll Ton – Doch wächst er an, trägt er ein Heer davon.



Also sprach der boshafte Minister, und alsbald fuhr er fort: ›Du weißt auch, daß Prinz Ahmad, wenn er seinen dreitägigen Besuch abbrechen will, dich niemals um Erlaubnis bittet; er nimmt nicht einmal von dir Abschied, noch auch sagt er irgend einem von den Seinen lebewohl. Solches Verhalten ist der Anfang der Empörung, und es beweist, daß ihm der Groll im Herzen wohnt. Doch es ist an dir, in deiner Weisheit zu entscheiden.‹ Diese Worte sanken dem einfältigen Sultan tief ins Herz, so daß dort eine Ernte ärgsten Argwohns keimte. Bald dachte er in seiner Seele: ›Wer kennt Gesinnung und Absicht des Prinzen Ahmad und weiß, ob er mir ergeben ist oder nicht? Vielleicht sinnt er Rache. Und also geziemt es mir, nach ihm zu forschen, herauszufinden, wo er haust und wie er zu solcher Macht und solchem Reichtum gelangt ist.‹ Von diesen eifersüchtigen Gedanken erfüllt, schickte er eines Tages ohne Wissen des Großveziers, der stets in Freundschaft zum Prinzen Ahmad hielt, einen Boten zu der Hexe; und indem er sie durch eine geheime Pforte in sein eigenes Gemach einließ, fragte er sie und sprach: ›Du hast ehedem durch deine Zauberkunst erfahren, daß Prinz Ahmad noch am Leben war, und du brachtest mir Nachricht von ihm. Ich bin dir verpflichtet für diesen guten Dienst, und jetzt möchte ich, du forschtest weiter nach seinem Leben und beruhigtest meine Seele, die sehr besorgt ist. Obgleich mein Sohn noch lebt und mich jeden Monat besucht, so weiß ich doch nichts von dem Ort, wo er lebt, und den er verläßt, wenn er zu mir kommt; denn das hält er seinem Vater streng verborgen. Geh du sofort und heimlich hinaus, ohne daß dich jemand sehe von meinen Vezieren und Nabobs, meinen Höflingen und Sklaven, und forsche sorgfältig nach und bringe mir in aller Eile Nachricht, wo er lebt. Er ist jetzt hier zu seinem gewohnten Besuch; und am vierten Tage wird er, ohne Abschied zu nehmen und ohne mir oder irgend einem meiner Minister und Würdenträger ein Wort von seinem Aufbruch zu sagen, sein Gefolge berufen und sein Roß besteigen; dann reitet er davon, eine Strecke weit von hier, und dort verschwindet er plötzlich. Du aber geh ihm unverweilt und unverzüglich vorauf und lege dich dicht bei dem Pfade verborgen in ein Versteck, von dem aus du sehen kannst, wo er haust; dann aber bringe mir schleunigst Nachricht.‹ Und die Zauberin verließ den König, und als sie die vier Parasangen gegangen war, verbarg sie sich in einer Höhlung der Felsen, dicht bei dem Ort, wo Prinz Ahmad seinen Pfeil gefunden hatte, und dort harrte sie seiner Ankunft. Früh am folgenden Tage nun brach der Prinz, wie es seine Sitte war, ohne Abschied von seinem Vater und ohne ein Lebewohl für irgend einen der Minister auf. Und als er sich näherte, erblickte die Zauberin den Prinzen und das Gefolge, das vor und neben ihm herritt; und sie sah, wie sie einem Hohlweg folgten, der sich in viele Nebenpfade gabelte; und so steil und gefährlich waren die Klippen und Blöcke neben der Spur, daß ein Fußgänger kaum ungefährdet dort gehen konnte. Als sie das sah, überlegte die Zauberin sich, daß der Pfad gewißlich zu einer Höhle oder einem unterirdischen Gange führen müßte, oder zu einem Gewölbe, in dem Dschann und Feen hausten; und plötzlich war der Prinz mit seinem gesamten Gefolge ihren Blicken entschwunden. Da kroch sie aus ihrem Schlupfwinkel hervor und wanderte weit und breit umher und suchte so sorgfältig, wie sie nur konnte, doch fand sie nirgends den unterirdischen Gang, noch auch vermochte sie die eherne Tür zu sehen, die Prinz Ahmad erkannt hatte, denn kein Wesen von menschlichem Fleisch und Blut hatte Kraft, sie zu sehen, außer ihm allein, dem sie durch die Fee Peri-Banu sichtbar gemacht worden war; und obendrein war sie stets allen spähenden Weiberaugen verborgen. Sprach die Zauberin bei sich selber: ›All diese Mühsal und Beschwerde war vergeblich; ja, wahrlich, ich habe nicht gefunden, was ich suchte.‹ Und so kehrte sie denn stracks zu dem Sultan zurück und berichtete ihm alles, was ihr widerfahren war: wie sie mitten in den Klippen und Blöcken wartend gelegen und den Prinzen mit seinem Gefolge den gefährlichsten Pfad hatte heraufreiten sehen, und wie er ihrem Blick, nachdem er einen Hohlweg eingeschlagen hatte, im Nu entschwunden war. Und sie schloß mit diesen Worten: ›Obgleich ich mein äußerstes tat, um den Ort zu finden, an dem der Prinz lebt, wollte es mir doch auf keine Weise gelingen; und ich bitte deine Hoheit, daß sie mir Zeit gewähre, damit ich weiter forschen und dies Geheimnis enthüllen kann, das kraft meiner Geschicklichkeit und Umsicht nicht lange verborgen bleiben soll.‹ Versetzte der Sultan: ›Es sei, wie du willst: ich gebe dir Muße, zu forschen, und nach einer Weile will ich dich hier erwarten.‹ Und er gab ihr einen großen und wertvollen Diamanten und sprach: ›Nimm diesen Stein als Lohn für deine Mühe und Beschwerde und als ein Versprechen zukünftiger Gunst; wenn du zurückkehrst und mir Nachricht bringst, daß du das Geheimnis gesucht und gefunden hast, so sollst du ein Backschisch von weit größerem Wert erhalten; und dein Herz soll sich freuen in köstlicher Freude, und ich will dich mit den höchsten Ehren ehren.‹ Da harrte denn die Zauberin der Zeit, um die der Prinz von neuem kommen mußte, denn wohl wußte sie, daß er beim Anblick eines jeden zunehmenden Mondes nach Hause ritte, um seinen Vater zu besuchen, und daß er drei Tage lang bei ihm bleiben würde, wie die Herrin Peri-Banu es ihm erlaubt und aufgetragen hatte. Als nun der Mond gewachsen und geschwunden war, begab sich die Hexe an dem Tage, bevor der Prinz zu seinem monatlichen Besuch ausritt, in die Felsen, und dort setzte sie sich dicht zu der Stelle, wo er nach ihrer Berechnung erscheinen mußte; und früh am nächsten Morgen ritt er mit seinem Gefolge, das aus vielen reitenden Rittern und seinen Fußknappen bestand, ritterlich zum ehernen Tor heraus und dicht bei der Stelle vorbei, an der sie lag und auf ihn wartete. Die Zauberin kauerte in ihren zerrissenen Lumpen flach auf dem Boden; und als er den Haufen auf seinem Pfade liegen sah, meinte der Prinz zuerst, ihm sei ein Stück Fels quer über den Weg gefallen. Doch als er sich näherte, begann sie zu weinen und gewaltig zu klagen, als sei sie in schweren Schmerzen und Nöten, und sie ließ nicht ab, ihn mit immer wachsenden Tränen und Jammerrufen um Schutz und Hilfe anzuflehen. Und als der Prinz ihre große Trauer sah, da hatte er Mitleid mit ihr, hielt sein Pferd zurück und fragte sie, was sie von ihm wolle und weshalb sie so weine und klage. Doch die listige Alte schrie nur um so lauter, und den Prinzen faßte noch mehr Erbarmen, als er ihre Tränen sah und ihre schwachen, gebrochenen Worte hörte. Und als die Zauberin merkte, daß Prinz Ahmad Erbarmen mit ihr hatte und ihr gern eine Gnade bezeigen wollte, da seufzte sie mit schwerem Seufzer auf, und in klagenden Tönen sprach sie ihn, unterbrochen von Stöhnen und Ächzen, mit folgenden falschen Worten an, während sie den Saum seines Kleides hielt und sich von Zeit zu Zeit unterbrach, als krampfe sie sich im Schmerz zusammen: ›O mein Herr und Herr aller Lieblichkeit, als ich von Hause auszog, aus jener Stadt, um da und da einen Auftrag auszurichten, siehe, da packte mich (eben war ich auf meinem Wege bis hierher gekommen) plötzlich ein heißer Fieberanfall und ein Zittern und Schaudern, so daß ich alle Kraft verlor und hilflos niederfiel, wie du mich siehst; und auch jetzt noch habe ich nicht die Kraft in Hand oder Fuß, mich vom Boden zu erheben und nach Hause zurückzukehren.‹ Sprach der Prinz: ›Wehe, gute Frau, es ist kein Haus in der Nähe, dahin du gehen könntest, um dich gebührend pflegen und versorgen zu lassen. Ich aber weiß eine Stätte, wohin ich dich bringen kann, wenn du willst, und dort sollst du durch Pflege und Sorgfalt (Inschallah) bald von deinem Leiden befreit sein. Komm also mit mir, so gut du kannst.‹ Unter lautem Stöhnen und Ächzen versetzte die Hexe: ›So schwach bin ich in jedem Gliede, und so hilflos, daß ich mich nur mit Hilfe einer freundlichen Hand vom Boden erheben und bewegen kann.‹ Da befahl der Prinz einem seiner Reiter, die schwache und leidende Alte aufzuheben und auf sein Roß zu setzen; und der Ritter tat nach seinem Geheiß und setzte sie rittlings hinten auf sein Pferd. Dann ritt Prinz Ahmad mit ihr zurück, trat ein durch das eherne Tor, brachte sie in sein Gemach und schickte nach Peri-Banu. Eilends kam sein Weib herbei und fragte den Prinzen in ihrer Erregung: ›Ist alles gut? Und weshalb bist du zurückgekehrt, und was wolltest du, da du nach mir schicktest?‹ Da erzählte Prinz Ahmad ihr von der Alten, die krank sei und hilflos, und er fügte hinzu: ›Kaum war ich aufgebrochen zu meinem Ritt, so sah ich diese alte Frau am Wege liegen, in Schmerzen und arger Not. Mein Herz hatte Mitleid mit ihr, dieweil ich sie also sah, und es trieb mich, sie hierher zu bringen, da ich sie nicht in den Felsen dem Tode überlassen konnte; und ich bitte dich, nimm sie in deiner Güte auf und gib ihr Heiltränke, damit sie bald von dieser ihrer Krankheit gesundet. Wenn du mir diese Gunst erweisen willst, so will ich nicht aufhören, dir zu danken und dir verpflichtet zu sein.‹ Peri-Banu aber blickte die Alte an und befahl zweien ihrer Sklavinnen, sie in ein getrenntes Gemach zu führen und sie mit zartester Sorgfalt und äußerstem Eifer zu pflegen. Die Dienerinnen taten, wie sie befahl, und brachten die Zauberin in das bezeichnete Zimmer. Da sprach Peri-Banu den Prinzen Ahmad an und sagte: ›O mein Herr, ich freue mich deiner mitleidigen Güte dieser alten Frau gegenüber; aber mich warnt mein Herz, und sehr fürchte ich, daß aus deiner Freundlichkeit Unheil entspringen wird. Diese Frau ist nicht so krank, wie sie vorgibt, sondern sie täuscht dich, und ich glaube, ein Feind oder Neider führt Arges gegen mich und dich im Schilde. Jetzt aber zieh in Frieden dahin.‹ Der Prinz, der sich die Worte seines Weibes keineswegs zu Herzen nahm, erwiderte ihr: ›O meine Herrin, der allmächtige Allah schütze dich vor allem Unheil! Wenn du mir hilfst und über mich wachst, so fürchte ich nichts Arges: ich weiß von keinem Feind, der auf mein Verderben sinnen könnte, denn ich hege gegen kein lebendes Wesen irgendwelchen Groll, und ich fürchte weder von den Menschen noch den Dschann ein Leides.‹ Und von neuem nahm der Prinz Abschied von Peri-Banu, und er ritt mit seinen Begleitern in den Palast seines Vaters, der seinen Sohn kraft der Tücke seines listigen Ministers nur mit innerem Bangen sah; nichtsdestoweniger aber hieß er ihn mit großem äußerlichen Aufwand von Liebe und Neigung willkommen.

 



Derweilen nun trugen die Feensklavinnen, denen Peri-Banu die Hexe anvertraut hatte, ihre Kranke in einen geräumigen, prachtvoll eingerichteten Saal; und sie legten sie auf ein Bett, das versehen war mit einem Polster aus Satin und einer Decke aus Brokat. Und eine von ihnen setzte sich ihr zur Seite, während die andere in aller Eile in einem Becher aus Porzellan einen Saft herbeiholte, der Fieber und Hitze unfehlbar heilte. Dann hoben sie sie auf, setzten sie auf das Lager und sprachen: ›Trink diesen Trank. Es ist Wasser vom Löwenquell, und wer von ihm trinkt, der gesundet alsbald von jeglicher Krankheit, die ihn quälte.‹ Mit großer Mühe nahm die Zauberin den Becher in die Hand, und als sie den Inhalt getrunken hatte, legte sie sich aufs Bett zurück; die Sklavinnen aber breiteten die Decke über sie hin und sprachen: ›Jetzt ruhe eine Weile, und bald wirst du die Wirkung dieses Heiltranks spüren.‹ Dann überließen sie sie auf etwa eine Stunde ihrem Schlafe; doch die Hexe, die sich nur zu dem Zwecke krank gestellt hatte, um zu erfahren, wo Prinz Ahmad lebe, damit sie dem Sultan Nachricht geben könne, und die jetzt sicher war, daß sie alles entdeckt hatte, was sie wollte, stand bald darauf auf, rief nach den Mädchen und sprach: ›Der Trank hat mir Gesundheit und Kraft zurückgegeben; ich fühle mich jetzt wohl und munter, und meine Glieder sind von neuem erfüllt von Leben und Kraft. Also teilt das sofort eurer Herrin mit, so daß ich ihr den Saum ihres Kleides küssen und ihr für ihre Güte wider mich danken, aufbrechen und nach Hause eilen kann.‹ Da nahmen die beiden Sklavinnen die Hexe mit, und als sie durch die verschiedenen Gemächer schritten, zeigten sie sie ihr, wie eines immer prächtiger und königlicher war als das andere; und schließlich kamen sie in die offene Halle, den herrlichsten Saal von allen, eingerichtet und angefüllt mit äußerst seltenem und kostbarem Gerät. Dort saß Peri-Banu auf einem Throne, der verziert war mit Diamanten und Rubinen, Smaragden, Perlen und anderen Edelsteinen von ungewöhnlicher Größe und Reinheit, während rings um sie Feen standen von schöner Gestalt und herrlichen Zügen, gekleidet in die reichsten Gewänder, und alle harrten mit gefalteten Händen ihrer Befehle. Die Zauberin staunte in höchstem Staunen, als sie den Glanz der Gemächer sah und ihr Gerät, doch vor allem, als sie die Herrin Peri-Banu auf dem Juwelenthron erblickte. Und vor Verwirrung und Ehrfurcht vermochte sie kein Wort zu sprechen, sondern neigte sich tief herab und bog den Kopf auf Peri-Banus Fuß. Sprach die Prinzessin mit sanften Worten und ermunterndem Ton: ›O gute Frau, es freut mich sehr, dich als Gast in diesem meinem Palast zu sehen, und mehr noch entzückt es mich, zu erfahren, daß du von deiner Krankheit ganz befreit bist. Drum ergötze dich jetzt, indem du überall umhergehst, und meine Dienerinnen werden dich begleiten und dir zeigen, was verdient, daß du es ansiehst.‹ Von neuem neigte die Hexe sich tief herab, und sie küßte den Teppich unter den Füßen Peri-Banus und nahm in schön gefügter Rede und unter großen Dankesbezeugungen von ihrer Wirtin Abschied. Dann führten die Sklavinnen sie im Palast herum und zeigten ihr alle Räume, die ihr Auge so blendeten und blind machten, daß sie keine Worte finden konnte, um sie genügend zu preisen. Und schließlich ging sie ihrer Wege, und die Feen geleiteten sie bis hinter das eherne Tor, durch das Prinz Ahmad sie hereingeführt hatte, und dann verließen sie sie, indem sie ihr Allahs Geleit und allen Segen wünschten; und die verworfene Vettel schlug den Weg nach Hause ein. Kaum aber war sie ein wenig gegangen, so kam ihr der Gedanke, noch einmal auf die eherne Tür zu blicken, damit sie sie leichter wiedererkennen könnte; sie machte Kehrt, aber siehe und siehe, der Eingang war verschwunden und ihr wie allen anderen Frauen unsichtbar. Und als sie also auf allen Seiten gesucht hatte und hin- und hergegangen war, ohne eine Spur oder ein Zeichen des Palastes oder Portals zu finden, zog sie verzweifelt zur Stadt, schlich einen verlassenen Pfad entlang und trat nach ihrer Gewohnheit durch die geheime Pforte in den Palast. Kaum war sie wohlbehalten drinnen, so schickte sie durch einen Eunuchen dem Sultan Bescheid, und der befahl, daß man sie vor ihn führe. Sie trat mit verwirrten Zügen auf ihn zu, und da er merkte, daß sie ihr Ziel nicht erreicht hatte, fragte er: ›Was gibt es? Hast du deine Absicht ausgeführt, oder ist dir etwas in den Weg getreten?‹ Da erwiderte die Hexe, die nur ein Geschöpf des tückischen Ministers war: ›O König der Könige, ich habe genau geforscht, wie du befahlest, und ich will dir alles erzählen, was mir widerfuhr. Die Zeichen des Schmerzes und der Trauer, die du auf meinem Gesichte wahrnimmst, haben einen anderen Grund, der deine Wohlfahrt nahe angeht.‹ Und sie begann den Bericht über ihr Abenteuer mit diesen Worten: ›Als ich die Felsen erreicht hatte, setzte ich mich nieder und stellte mich krank; und als Prinz Ahmad vorüberkam und hörte, wie ich klagte, und sah, in welcher Not ich war, da hatte er Mitleid mit mir. Und nach einigen Sprach-er und Sprach-ich nahm er mich mit auf einen unterirdischen Gang und durch ein ehernes Tor und führte mich in einen prunkvollen Palast, wo er mich einer Fee übergab, mit Namen Peri-Banu, einem Wesen von unvergleichlicher Schönheit und Lieblichkeit, wie sie kein menschliches Auge jemals sah. Prinz Ahmad befahl ihr, mich auf einige Tage als Gast zu behalten und mir einen Heiltrank zu bringen, der mich heilen würde, und ihm zuliebe ernannte sie alsbald ein paar Sklavinnen zu meinem Dienst. So überzeugte ich mich, daß beide eines Fleisches waren: Mann und Weib. Ich stellte mich äußerst hinfällig und schwach und tat, als hätte ich nicht einmal die Kraft zu gehen oder auch nur zu stehen; da stützten mich die beiden Mädchen, eine auf jeder Seite, und sie brachten mich in einen Raum, wo sie mir zu trinken gaben und mich auf ein Lager legten, damit ich ruhte und schliefe. Ich aber dachte bei mir selber: Wahrlich, ich habe das Ziel erreicht, um dessentwillen ich mich krank gestellt habe; und ich war überzeugt, daß es nicht länger von Nutzen war, wenn ich den Trug fortführte. Nach kurzer Weile also stand ich auf und sagte zu den Dienerinnen: der Trank, den sie mir gegeben hätten, habe das Fieber besiegt und meinen Gliedern die Kraft und meinem Leibe das Leben zurückgegeben. Da führten sie mich vor die Herrin Peri-Banu, die sich sehr freute, mich wohl und munter zu sehen, und ihren Sklavinnen befahl, mich durch den Palast zu führen und mir einen jeden Raum in seiner Schönheit und Pracht zu zeigen; dann bat ich um Urlaub, meiner Wege zu ziehen, und hier stehe ich, deines Willens gewärtig.‹ Und als sie so dem König berichtet hatte, was ihr widerfahren war, fuhr sie fort: ›Vielleicht wirst du, wenn du von der Macht und Majestät, dem Reichtum und Prunk der Herrin Peri-Banu vernimmst, dich freuen und in deiner Seele sagen: Es ist gut, daß Prinz Ahmad dieser Fee vermählt ist, und daß er sich soviel Macht und Reichtum gewann; aber dieser deiner Sklavin erscheinen die Dinge ganz anders. Ich wage zu behaupten, daß es nicht taugt, wenn dein Sohn solche Gewalt und solche Schätze besitzt; denn wer weiß, ob er nicht mit Hilfe Peri-Banus Zwiespalt und Unruhe im Reiche erwecken wird? Hüte dich vor den Listen und der Tücke der Weiber! Der Prinz ist betört von der Liebe zu ihr, und auf ihren Antrieb mag er wohl gar ganz anders als recht an dir handeln; dann könnte er die Hand auf deine Schätze legen und deine Untertanen verführen und sich zum Herrn deines Reiches machen; und obwohl er aus eigenem Willen seinem Vater und seinen Ahnen nichts antun mag, als was von Ehrfurcht und kindlicher Liebe eingegeben ist, so können ihn doch die Reize seiner Prinzessin allmählich immer weiter treiben, bis sie ihn schließlich zum Rebellen machen und zu dem, was ich nicht nennen darf. Jetzt wirst du sehen, daß die Sache ernst ist, also sei nicht unvorsichtig und schenke ihr alle Überlegung.‹ Dann schickte die Zauberin sich an, ihrer Wege zu gehen, doch der König sprach und sagte: ›Ich bin dir verpflichtet für zweierlei. Erstens hast du viel Mühsal und Beschwerde auf dich genommen und um meinetwillen das Leben gewagt, um die Wahrheit über meinen Sohn, den Prinzen Ahmad, zu erfahren. Und zweitens danke ich dir, dieweil du mir einen so guten und gesunden Rat gegeben hast.‹ Mit diesen Worten entließ er sie unter den höchsten Ehren; kaum aber hatte sie den Palast verlassen, so berief er in arger Verstörung seinen zweiten Vezier, den boshaften Minister, der ihn zuerst wider den Prinzen Ahmad aufgereizt hatte, und als er mit seinen Freunden vor der Majestät erschien, legte der König ihnen die ganze Sache vor und fragte sie und sprach: ›Welches ist euer Rat, und was soll ich tun, um mich und mein Reich vor den Listen dieser Fee zu schützen?‹ Versetzte einer der Berater: ›Es ist eine Kleinigkeit, und das Mittel ist einfach und nah zur Hand. Befiehl, daß der Prinz Ahmad, der jetzt in der Stadt, wenn nicht im Palaste ist, als Gefangener festgehalten werde. Laß ihn nicht hinrichten, damit die Tat nicht etwa Rebellion erzeuge, aber auf jeden Fall nimm ihn fest, und wenn er sich gewaltsam wehrt, so lege ihn in Eisen.‹ Dieser verworfene Rat gefiel dem tückischen Minister, und all seine Gönner und Schmeichler billigten den Rat. Der Sultan aber schwieg und gab keine Antwort; doch am folgenden Tage schickte er aus, ließ die Zauberin holen und besprach sich mit ihr, ob er den Prinzen Ahmad in den Kerker werfen sollte oder nicht. Sprach sie: ›O König der Könige, dieser Rat läuft dem gesunden Verstand und der rechten Vernunft geradenwegs zuwider. Wenn du den Prinzen Ahmad ins Gefängnis wirfst, so müßtest du das gleiche mit all seinen Rittern und ihren Knappen tun; und da sie Dschann und Marids sind, so kann man nicht wissen, wie sie sich rächen würden. Keine Kerkerzellen noch stählerne Tore würden sie bannen; sie würden gleich entschlüpfen und der Fee von deiner Gewalttat melden, die, ergrimmt in äußerstem Grimm, da sie ihren Gatten wie einen gemeinen Missetäter niedriger Haft unterworfen sähe, und zwar nicht wegen eines Verbrechens oder einer Schuld, sondern einfach durch verräterische Verhaftung, gewißlich die ärgste Rache wider dein Haupt schleudern und uns so arges Unheil senden würde, daß wir es nie würden abwehren können. Willst du aber mir Vertrauen schenken, so will ich dir raten, wie du handeln mußt, so daß du dein Ziel erreichst und dir wie deinem Reiche keinerlei Übel nahen kann. Du weißt gar wohl, daß den Dschann und den Feen Macht verliehen wurde, in kurzer Zeit wunderbare und erstaunliche Dinge zu tun, wie sie Sterbliche nicht nach Jahren der Mühe und Arbeit zu verrichten vermögen. Wenn du nun auf die Jagd ausziehst oder zu einem Streifzug, so brauchst du für dich einen Pavillon und viele Zelte für dein Gefolge, für deine Diener und Krieger; und mit der Herrichtung und dem Transport solchen Gepäcks geht viele Zeit und vieles Geld unnütz verloren. Ich möchte dir also raten, o König der Könige, daß du den Prinzen Ahmad auf folgende Probe stellst: Befiehl ihm, dir einen Zeltpavillon zu bringen, groß und weit genug, deinen ganzen Hof, deine Krieger und den Lagertroß samt allen Saumtieren zu bedecken; und doch soll er so leicht sein, daß ein einziger Mensch ihn in der hohlen Hand halten und tragen kann, wohin er will.‹ Und nachdem sie eine Weile verstummt war, fuhr sie fort und sprach zu dem Sultan: ›Und sowie Prinz Ahmad sich dieser Aufgabe entledigt hat, so verlange von ihm etwas noch Größeres und Wunderbareres, was ich dir noch sagen werde und was ihn auszuführen schwere Mühe kosten soll. Auf diese Weise wirst du deinen Schatz mit seltenen und seltsamen Erfindungen füllen, mit Werken der Dschann, und so soll es fortgehn, bis schließlich dein Sohn nicht mehr weiß, wie er deine Befehle ausführen soll. Gedemütigt und beschämt wird er dann nie mehr wagen, in deine Hauptstadt oder gar vor dich selber zu treten; du aber bist sicher vor jeder Furcht, daß er dir Arges antun könnte, und du brauchst ihn nicht in den Kerker zu werfen oder gar hinrichten zu lassen.‹ Als er diese Worte der Weisheit vernahm, gab der Sultan den Rat der Hexe seinen Beratern bekannt und fragte sie, was sie davon hielten. Sie schwiegen und gaben kein Wort zur Antwort, kein gutes und auch kein arges; er selber aber billigte den Plan und sprach nichts weiter. Am nächsten Tage kam Prinz Ahmad, um den König zu besuchen, der ihn mit überströmender Liebe empfing, ihn an die Brust drückte und ihn küßte auf Augen und Stirn. Lange saßen sie beisammen und sprachen über allerlei Dinge, bis schließlich der Sultan eine Gelegenheit fand und also anhub: ›O mein teurer Sohn, o Ahmad, seit manchen Tagen war ich traurig in meinem Herzen und bekümmert ob der Trennung von dir, und als du kamst, da wurde ich froh in großer Freude ob deines Anblicks, und obwohl du mir die Kenntnis deines Lebens vorenthieltest und noch vorenthältst, so wollte ich dich doch nicht fragen noch versuchen, dein Geheimnis zu ergründen, dieweil es nicht nach deinem Sinne war, mir von deinem Aufenthalt zu sagen. Jetzt aber habe ich vernommen, du seiest einer mächtigen Dschinniyah von unvergleichlicher Schönheit vermählt; und diese Nachricht hat mir die höchste Freude bereitet. Ich wünsche nicht, von dir irgend etwas über dein Feenweib zu erfahren, wenn du es mir nicht aus freiem Willen anvertrauen willst; aber sage mir, sollte ich dich irgendwann einmal um etwas bitten, kannst du es von ihr erlangen? Blickt sie mit solcher Liebe auf dich, daß sie dir nichts versagt, um was du sie bittest?‹ Sprach der Prinz: ›O mein Herr, was verlangst du von mir? Mein Weib ist ihrem Gatten in Herz und Seele ergeben, also bitte, laß mich wissen, was du von mir und von ihr begehrst?‹ Versetzte der Sultan: ›Du weißt, ich ziehe oft auf die Jagd oder auf einen Streifzug, und dann brauche ich viele Zelte und Pavillons und große Zeltschuppen, und Herden und ganze Scharen von Kamelen und Maultieren und anderen Lasttieren müssen das Lager von einem Ort zum anderen schaffen. Ich möchte also, daß du mir ein Zelt brächtest, leicht genug, damit ein einziger Mensch es in der hohlen Hand tragen kann, und doch auch groß genug, damit es meinen Hof und mein ganzes Heer und den Lagertroß und alle Tiere zu bergen vermag. Wenn du die Herrin um diese Gabe bitten wolltest (ich weiß recht wohl, daß sie sie dir geben kann), so würdest du mir viel Mühe ersparen, denn ich brauche dann nicht mehr für Träger zu sorgen und auch nicht mehr Tiere wie Leute zu verschwenden.‹ Versetzte der Prinz: ›O mein Vater und Sultan, mache dir keine Sorge. Ich will sofort deinen Wunsch meinem Weibe vermelden, der Herrin Peri-Banu; und obgleich ich nicht weiß, ob Feen die Macht besitzen, einen Pavillon herzustellen, wie du ihn schilderst, noch auch, ob sie (wenn sie die Macht besäße) mir ihre Hilfe geben oder nicht geben wird; und obgleich ich dir also ein solches Geschenk nicht versprechen kann, so will ich doch, was immer im Bereich meiner Kräfte liegt, mit Freuden für dich tun.‹ Sprach der König zum Prinzen Ahmad: ›Sollte es dir aber etwa nicht gelingen, und solltest du mir die verlangte Gabe nicht verschaffen können, o mein Sohn, so will ich dein Antlitz nimmermehr sehen. Du wärest wahrlich ein jammervoller Gatte, wenn dir dein Weib eine solche Kleinigkeit abschlagen wollte und nicht vielmehr eilends alles täte, was du ihr befiehlst; denn damit gäbe sie dir zu verstehen, daß du in ihren Augen von geringem Wert und keinerlei Bedeutung bist, und ihre Liebe wäre nicht mehr als ein Nichts. Aber geh, o mein Kind, und bitte sie sofort um das Zelt. Wenn sie es dir gibt, so wisse, begehrt sie nach dir, und du bist ihr das teuerste aller Dinge. Und man hat mir berichtet, sie liebe dich von ganzem Herzen und von ganzer Seele, und sie werde dir nichts verweigern, um was du sie bittest, und wären es die Äpfel ihrer Augen.‹ Nun war es von je des Prinzen Ahmad Sitte gewesen, jeden Monat drei Tage bei seinem Vater, dem Sultan, zu bleiben; aber diesmal blieb er nur zwei Tage, und am dritten sagte er seinem Vater lebewohl. Und als er in den Palast einzog, da konnte Peri-Banu nicht anders, sondern sie bemerkte, daß er traurigen Herzens und niedergeschlagenen Sinnes war; sprach sie zu ihm: ›Steht alles gut mit dir? Weshalb bist du heute gekommen und nicht morgen, und weshalb bringst du von dem Besuch bei deinem Vater, dem König, eine so traurige Miene heim?‹ Prinz Ahmad küßte ihr die Stirn, umarmte sie zärtlich und erzählte ihr von Anfang bis zu Ende die ganze Geschichte, bis sie erwiderte: ›Ich will dich schleunigst beruhigen, denn ich möchte dich nicht einen Augenblick traurig sehen. Aber, o mein Geliebter, an dieser Bitte des Sultans erkenne ich, daß sein Ende nahe ist, und bald wird er aus dieser Welt in die Gnade Allahs eingehen. Irgend ein Feind hat diese Tat getan und dir schweres Ungemach bereitet; und das Ergebnis ist, daß dein Vater, nichts ahnend von seinem nahenden Geschick, mit Absicht seinen eignen Untergang betreibt.‹ Entsetzt und besorgt gab der Prinz seinem Weibe diese Antwort: ›Allah, dem Allmächtigen, sei Lob! Der König, mein höchster Herr, ist bei bester Gesundheit, und er zeigt nicht das geringste Zeichen von Schwäche oder Verfall; erst heute morgen verließ ich ihn wohl und munter, und wahrlich, niemals sah ich ihn bei besserem Befinden. Seltsam, wahrlich, daß du wissen solltest, was ihm bevorsteht, ehe ich dir noch etwas über ihn sagte, und besonders dieses eine, daß er von unserer Heirat und von unserer Stätte erfahren hat.‹ Sprach Peri-Banu: ›O mein Prinz, du weißt, was ich dir sagte, als ich die Alte sah, die du hierher geleitetest als krank an Fieber und Hitze. Dieses Weib ist eine Hexe aus Satans Brut, und sie hat dem Sultan alles über diesen unseren Aufenthalt offenbart, was er zu wissen wünschte. Und obgleich ich deutlich sah, daß sie weder krank noch leidend war und nur ein Fieber vorgab, reichte ich ihr dennoch einen Trank, der allerlei Leiden heilt, und lügnerischerweise stellte sie sich, als habe sie durch seine Kraft Gesundheit und Wohlsein wiedererlangt. Und als sie zu mir kam, um Abschied von mir zu nehmen, schickte ich zwei meiner Mädchen mit ihr, auf daß sie ihr alle Gemächer im Palaste zeigten, samt ihrem Gerät und Schmuck; und so erkannte sie deine und meine Stellung. Nun tat ich all das nur um deinetwillen, denn du hießest mich der Alten Mitleid erweisen, und ich freute mich, als ich sie gesund und wohlbehalten und in bester Laune gehen sah. Außer ihr hat nie ein menschliches Wesen von diesem Schloß das geringste zu erfahren oder gar es zu betreten vermocht.‹ Als nun Prinz Ahmad diese Worte hörte, dankte er ihr, pries sie und sprach: ›O schönes Sonnenantlitz, ich möchte dich um eine Gnade bitten, die mein Vater von mir verlangt hat, um ein Zelt, so groß, daß es ihn und seine Leute, sein Lager und sein Saumvieh schirmen und doch in der hohlen Hand getragen werden kann. Ob es ein solches Wunder gibt, das weiß ich nicht, doch möchte ich alles tun, um es zu beschaffen, und es ihm getreulich bringen.‹ Sprach sie: ›Weshalb dir um eine solche Kleinigkeit Sorge machen? Ich will sofort danach schicken und es dir geben.‹ Und sie berief eine ihrer Sklavinnen, die ihre Schatzmeisterin war, und sprach: ›O Nur Dschehan, geh du sofort und bringe mir einen Pavillon von der und der Art.‹ Und unverzüglich ging sie davon und kehrte ebenso schnell mit dem Pavillon zurück, den sie auf ihrer Herrin Geheiß dem Prinzen Ahmad in die Fläche seiner Hand gab. Prinz Ahmad aber dachte, als er ihn so hielt, bei sich selber: ›Was ist dies, was mir Peri-Banu da gibt? Wahrlich, sie macht sich einen Scherz mit mir!‹ Sein Weib jedoch, das ihm die Gedanken vom Gesicht ablas, lachte laut heraus und sprach: ›Was ist, mein geliebter Prinz? Meinst du, ich scherze und spotte deiner?‹ Und sie fuhr fort, indem sie die Schatzmeisterin ansprach: ›Nimm jetzt das Zelt vom Prinzen Ahmad entgegen und stelle es in der Ebene auf, damit er die ungeheure Größe erkenne und sehe, ob es von der Art ist, wie es der Sultan, sein Vater, verlangt.‹ Und die Sklavin nahm das Zelt und richtete es fern von dem Schlosse auf; und doch reichte das eine Ende von der äußeren Grenze der Ebene bis zu ihm heran; und so ungeheuer war seine Ausdehnung, daß (wie Prinz Ahmad sah) für den ganzen Hof des Königs Raum war; und hätten sich zwei Heere darunter gereiht mit allem Lagergefolge und Saumvieh, so hätte doch das eine das andere in keiner Weise behindert oder bedrängt. Da bat er Peri-Banu um Verzeihung und sprach: ›Ich wußte nicht, daß das Zelt ein solches Wunder an Größe und von so erstaunlicher Art sei; deshalb mißtraute ich dir, als ich es zuerst erblickte.‹ Und die Schatzmeisterin schlug das Zelt wieder ab und legte es ihm nochmals in die Hand. Er aber saß unverzüglich auf und ritt, geleitet von seinem Gefolge, zurück zum König, dem er nach der Huldigung, Begrüßung und Aufwartung das Zelt überreichte. Und auch der Sultan hielt es beim ersten Anblick für ei